Hinweis: brandenburg.de hat seine Internet-Seiten auf barrierefreien Zugriff optimiert und verwendet deshalb standardisiertes CSS (Stylesheets). Sollte Ihr Browser dieses nicht korrekt anzeigen, unterstützt er nicht die üblichen Webstandards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Brandenburgisches Vorschriftensystem (BRAVORS)

A | A | A |
Aktuelle Fassung

Richtlinie für die Zulassung ambulanter Einrichtungen zur Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen


vom 22. Juli 1993
(ABl./93, [Nr. 70], S.1391)

Nach Artikel 3 des Fünften Gesetzes zur Reform des Strafrechtes vom 18. Juni 1974 (BGBl. I S. 1297), geändert durch Artikel 3 und Artikel 4 des Gesetzes vom 18. Mai 1976 (BGBl. I S. 1213), zuletzt geändert durch Artikel 15 des Gesetzes zum Schutz des vorgeburtlichen/werdenden Lebens, zur Förderung einer kinderfreundlicheren Gesellschaft, für Hilfen im Schwangerschaftskonflikt und zur Regelung des Schwangerschaftsabbruchs (Schwangeren- und Familienhilfegesetz) vom 27. Juli 1992 (BGBl. I S. 1398) darf ein Schwangerschaftsabbruch nur in einer Einrichtung vorgenommen werden, in der auch die notwendige medizinische Nachbehandlung gewährleistet ist.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 28. Mai 1993 Artikel 4 des Fünften Gesetzes zur Reform des Strafrechts i. d. Fassung des Artikels 15 Nr. 2 des Schwangeren- und Familienhilfegesetzes - mit Ausnahme der kompetenzrechtlichen Bestimmung - als mit dem Grundgesetz vereinbar erklärt. Danach haben die Länder ein ausreichendes und flächendeckendes Angebot sowohl ambulanter als auch stationärer Einrichtungen zur Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen sicherzustellen.

Zur Umsetzung der genannten Vorschriften wird die nachfolgende Richtlinie erlassen:

1. Zulassung

1.1. Krankenhäuser und Kliniken

Geburtshilflich-gynäkologische Kliniken und Abteilungen an Krankenhäusern einschließlich Privatkliniken bedürfen zur Durchführung von ambulanten Schwangerschaftsabbrüchen keiner staatlichen Anerkennung/Zulassung durch das Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen.

Die kontinuierliche ärztliche und pflegerische Betreuung ist jedoch in jedem Falle sicherzustellen.

Die Krankenhäuser können mit der Kassenärztlichen Vereinigung Verträge über die ambulante Durchführung von rechtmäßigen Schwangerschaftsabbrüchen abschließen.

1.2. Ambulante Einrichtungen

Ambulante Einrichtungen wie Gesundheitszentren, Praxen niedergelassener Ärztinnen oder Ärzte sowie Gemeinschaftspraxen sollen die Leistungen von Kliniken und Krankenhäusern ergänzen. Sie bedürfen zur Durchführung von ambulanten Schwangerschaftsabbrüchen der Zulassung durch das Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen.

2. Zulassungsvoraussetzungen für ambulante Einrichtungen

2.1. Personelle Voraussetzungen

Die den Eingriff vornehmenden Ärztinnen oder Ärzte müssen die Facharztanerkennung für Frauenheilkunde und Geburtshilfe besitzen. Eine Allgemeinnarkose darf nur von einer Ärztin oder von einem Arzt mit der Facharztanerkennung für Anästhesiologie vorgenommen werden.

Zwei ärztliche oder sonstige Assistenzkräfte (z. B. Krankenschwester, Arzthelferin) müssen darüber hinaus zur Verfügung stehen.

2.2. Organisatorische Voraussetzungen

Die Einrichtung muß im Falle unvorhergesehener Komplikationen eine unmittelbare notfallmedizinische Versorgung gewährleisten, insbesondere:

  • Intubation und künstliche Beatmung;
  • Kompensation eines Herz-Kreislauf-Versagens;
  • Beherrschung eines anaphylaktischen Schockes;
  • Gabe von Blutersatzstoffen; gegebenenfalls operative Versorgung.

Für eine eventuell erforderliche stationäre Weiterbehandlung ist die unverzügliche Transportfähigkeit der Frau in ein geeignetes und verkehrsgünstig gelegenes Krankenhaus herzustellen und die Kooperation mit diesem für derartige Fälle zu sichern. Die kontinuierliche ärztliche und pflegerische Betreuung ist in jedem Fall sicherzustellen.

2.3. Räumliche Voraussetzungen und apparative Ausstattung

Mindestausstattung des Operationsraumes:

  1. Fußboden
    Fugenloser Fußboden (Kunststoff verschweißt) oder Fliesen
  2. Wände und Decken
    Wandkacheln bis 2 m Höhe oder abwaschbarer Kunststoffbelag, darüber Wände und Decke mit Binder- oder Ölfarbe
  3. Tageslicht
    Gewöhnliche Fenster genügen; bei Einsicht Milchglas oder Außen- bzw. Zwischenjalousien, keine Vorhänge oder Gardinen
  4. Künstliches Licht
    OP-Lampe mit schattenlosem Licht bzw. fachentsprechende Beleuchtung
  5. Waschmöglichkeit
    Fließendes Kalt- und Warmwasser, Waschmittelspender
  6. Sterilisation der Instrumente und Verbandstoffe
    Überdruck-Autoklav mit Tablett und Verbandstofftrommeln
  7. Inventar
    Gynäkologischer Untersuchungsstuhl/OP-Tisch mit verschiedenen Lagerungsmöglichkeiten, Beisetztische, Instrumentarium (Saugcuretten u. a.), OP-Kleidung, OP-Handschuhe und OP-Tücher, angemessene Entsorgungsmöglichkeit
  8. Narkosegerät
    (kann ggf. auch von Anästhesisten gestellt werden)
  9. Gerät zur künstlichen Beatmung (einschließlich Sauerstoff)
  10. Gerät zur Infusion und Schockbehandlung
  11. Tracheotomie-Besteck, Tuben zur Freihaltung der Luftwege
  12. Materialien
    Ausreichendes Verband- und Nahtmaterial, Infusionslösungen, Medikamente für Zwischenfälle, Kontraktionsmittel (wie Prostaglandine-F2-alpha, Methylergometrin, Oxytocin) sowie geeignete Desinfektionsmittel.

Lage, Beschaffenheit und Zugänglichkeit der ambulanten Einrichtung müssen einen ungehinderten Transport in Notfällen gewährleisten.

Weiterhin ist jeder Frau nach dem Eingriff ein entsprechender Ruheplatz für eine angemessene Zeit zur Verfügung zu stellen.

3. Antragstellung

Anträge auf Zulassung von Einrichtungen zur Durchführung ambulanter Schwangerschaftsabbrüche bedürfen der Schriftform. Sie sind an das Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen, Abt. Gesundheit, Heinrich-Mann-Allee103, 14473 Potsdam, zu richten.

Dem Antrag sind die Nachweise über die in Ziffer 2 genannten Kriterien beizufügen.

4. Widerruf der Zulassung

Die Zulassung wird widerrufen, wenn die Einrichtung ihren Pflichten nicht nachkommt oder die Voraussetzungen nach Ziffer 2 weggefallen sind.

Wesentliche Veränderungen sind dem Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen unverzüglich mitzuteilen.

5. Meldepflicht

Die Pflicht zur statistischen Erfassung und Anzeige beim statistischen Bundesamt richtet sich nach Artikel 4 des Fünften Gesetzes zur Reform des Strafrechtes vom 18. Juni 1974 (BGBl. I S. 1297), geändert durch Artikel 4 des Gesetzes vom 18. Mai 1976 (BGBl. I S. 1213) in Verbindung mit der Anordnung des Bundesverfassungsgerichtes vom 28. Mai 1993.

Unberührt hiervon bleibt die Dokumentationspflicht im Rahmen der ärztlichen Berufsausübung.

6. Inkrafttreten

Diese Richtlinie tritt mit Wirkung vom 16. Juni 1993 in Kraft.