Rundschreiben des Ministeriums des Innern zu den §§ 34 ff. des Brandenburgischen Datenschutzgesetzes
vom 16. März 1992
(ABl./92, [Nr. 22], S.363)
Der Inhalt des Rundschreibens ist mit dem Landesbeauftragten für den Datenschutz abgestimmt worden (§ 7 Abs. 2 BbgDSG).
1. Verzeichnis der Altdatenbestände
1.1 Nach § 34 Abs. 3 BbgDSG sind öffentliche und nicht-öffentliche Stellen sowie Personen, die personenbezogene Daten in Akten oder Dateien innehaben, die von ehemaligen staatlichen oder wirtschaftsleitenden Organen, Kombinaten, Betrieben oder Einrichtungen sowie von gesellschaftlichen Organisationen der DDR auf dem Gebiet des Landes Brandenburg für Zwecke der öffentlichen Verwaltung gespeichert wurden, verpflichtet, hierüber ein Verzeichnis dem Ministerium des Innern vorzulegen, soweit diese nicht bereits in den Verwaltungsvollzug übernommen worden sind.
1.2 Nach § 3 Abs. 4 Nr. 3 BbgDSG ist eine Datei
- eine Sammlung personenbezogener Daten, die durch automatisierte Verfahren ausgewertet werden kann (automatisierte Datei) oder
- jede sonstige Sammlung personenbezogener Daten, die gleichartig aufgebaut ist und nach bestimmten Merkmalen geordnet, umgeordnet und ausgewertet werden kann (nicht-automatisierte Datei).
1.3. Nach § 3 Abs. 4 Nr. 4 BbgDSG ist eine Akte jede sonstige, amtlichen oder dienstlichen Zweken dienende Unterlage; dazu zählen auch Bild- und Tonträger, soweit sie nicht Dateien sind. Ausgenommen sind Sach- und Schriftwechselakten, die keine personenbezogenen Daten enthalten.
1.4. Gemäß § 34 Abs. 3 Satz 3 BbgDSG dürfen von den Akten und Dateien keine Kopien behalten werden. Der Herausgabeanspruch nach § 34 Abs. 3 Satz 2 BbgDSG erstreckt sich auf die Unterlagen im Original und sämtliche Ausfertigungen.
1.5. Ehemalige staatliche oder wirtschaftsleitende Organe, Kombinate, Betriebe oder Einrichtungen sowie gesellschaftliche Organisationen der DDR sind nach § 34 Abs. 2 BbgDSG insbesondere
1.5.1 die staatlichen und kommunalen Behörden und sonstigen Dienststellen (einschl. Strafvollzugs- und Polizeibehörden)
1.5.2 die mandatstragenden Verbände und Organisationen
Freier Deutscher Gewerkschaftsbund (FDGB)
Freie Deutsche Jugend (FDJ)
Demokratischer Frauenbund Deutschlands (DFD)
Kulturbund der DDR (KB)
Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe (VdgB)
Konsumgenossenschaft der DDR (KG)
1.5.3 Verbände und Organisationen ohne Fraktionen in den Volksvertretungen
Arbeiter- und Bauerninspektion (ABI), einschließlich der Volkskontrollausschüsse
Betriebsakademien
Blinden-und-Sehschwachen-Verband der DDR (BSV)
Bund der Architekten der DDR (BdA)
Deutsche Arbeiterkonferenz
Deutscher Turn- und Sportbund der DDR (DTSB)
Deutsches Rotes Kreuz der DDR (DRK)
Domowina - Bund der Lausitzer Sorben
Friedensrat der DDR (FR)
Gehörlosen-und-Schwerhörigen-Verband der DDR (GSV)
die Genossenschaften
Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft (DSF)
die Jagdgesellschaften und deren Dachorganisationen
Kammer der Technik (KDT)
Ökonomisches Archiv
Schriftstellerverband der DDR
Solidaritätskomitee der DDR
URANIA der DDR
Verband Bildender Künstler der DDR (VBK)
Verband der Film- und Fernsehschaffenden der DDR (VFF)
Verband der Journalisten der DDR (VDJ)
Verband der Kleingärtner, Siedler und Kleintierzüchter (VKSK)
Verband der Komponisten und Musikwissenschaftler der DDR
Verband der Theaterschaffenden der DDR (VT)
Vereinigung der Juristen der DDR (VdJ)
Volkssolidarität (VS)
die Wissenschaftlichen Gesellschaften
1.5.4 die paramilitärischen Verbände der DDR
Gesellschaft für Sport und Technik (GST)
Kampfgruppen der Arbeiterklasse
1.6 Unter dem Begriff des Verarbeitens für Zwecke der "öffentlichen Verwaltung" ist jede Tätigkeit anzusehen, die von der vollziehenden Gewalt (der Regierung, den Ministerien und den diesen nachgeordneten Behörden oder sonstigen Dienststellen, den Gemeinden und Landkreisen sowie sonstigen juristischen Personen des öffentlichen Rechts) ausgeübt wurde, ungeachtet ob sie der Eingriffsverwaltung (Eingriff in die Rechts- und Freiheitssphäre des einzelnen) oder der Leistungsverwaltung (der Daseinsvorsorge dienendes Handeln) zuzuordnen ist. Wegen der Unterordnung des Staatsapparates, der Blockparteien sowie der Verbände und Organisationen unter die Beschlüsse und Weisungen des Politbüros der SED ist unter den Begriff des Verarbeitens für Zwecke der "öffentlichen Verwaltung" nicht nur die vorangehend beschriebene Tätigkeit öffentlicher Stellen zu subsumieren, sondern auch jede Tätigkeit, die auf Machtausübung seitens politischer oder staatlicher Organe der DDR beruhte und die zur Folge hatte, daß das Individuum in ein Abhängigkeitsverhältnis gegenüber der tätigwerdenden Organisation gebracht worden ist. Adressaten dieses Rundschreibens sind gleichwohl nicht die Parteien der ehemaligen DDR, da deren Bestände direkt in öffentliche Archive überführt werden sollen.
1.7 Das Innehaben der tatsächlichen Gewalt über die personenbezogenen Daten bedeutet, daß den mittelbaren oder unmittelbaren Besitzer der Daten (Person oder Stelle) ohne Rücksicht darauf, aus welchem Rechtsgrund oder auf Grund welcher tatsächlicher Umstände er in den Besitz gelangt ist, die Meldepflicht trifft. Zur Meldung sind auch die Behörden und sonstigen öffentlichen Stellen des Landes Brandenburg, die Gemeinden und Gemeindeverbände sowie der sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts verpflichtet.
1.8 Meldepflichtig bei Organisationen mit Nebenstellen, Zweigstellen etc. ist im Zweifel die ausgelagerte Stelle, insbesondere soweit es sich um Organisationen mit Hauptsitz außerhalb des Landes Brandenburg handelt.
1.9 Maßgebender Zeitpunkt ist für das Innehaben der Altdatenbestände der 23. Januar 1992 (§ 41 Abs. 1 BbgDSG). Meldepflichtig sind die Personen und Stellen, die an diesem Tag oder danach die tatsächliche Gewalt über die personenbezogenen Daten, die vor dem 3. Oktober 1990 verwendet worden sind und nicht zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes in den Verwaltungsvollzug übernommen worden waren.
1.10 Nach § 34 Abs. 3 Satz 1 BbgDSG ist über die Akten oder Dateien ein Verzeichnis in sinngemäßer Anwendung des § 8 Abs. 1 BbgDSG aufzustellen. In dem Verzeichnis sind schriftlich festzuhalten:
- die Bezeichnung der Akten (Aktensammlung)/Datei und ihre Zweckbestimmung; Auftraggeber/Veranlasser,
- die Art der gespeicherten Daten (z. B. Personalien, wie Name, Vorname, personengebundene Hinweise) sowie die Aufgabe, zu deren Erfüllung die Akte (Aktensammlung)/Datei verarbeitet wurde und die Rechtsgrundlage bzw. der Grund der Verarbeitung; Zeitpunkt der Beendigung der Auftragsverarbeitung,
- der Kreis der Betroffenen (= bestimmte oder bestimmbare natürliche Personen, über deren persönliche oder sachliche Verhältnisse Einzelangaben gemacht werden),
- die Art der regelmäßig an Dritte übermittelten Daten und deren Empfänger sowie die Art und Herkunft der regelmäßig empfangenen Daten,
- Angaben nach § 8 Abs. 1 Nr. 5 BbgDSG brauchen nicht mitgeteilt zu werden,
- die gegenwärtigen personellen, technischen und organisatorischen Maßnahmen (§ 10 BbgDSG) zur Sicherung des Datenbestandes (z. B. Verwahrung in gesondertem Raum/Behältnis, Zugangsberechtigte),
- die Betriebsart des Verfahrens (nur bei automatisierten Verfahren), die Art der Geräte, die Stellen, bei denen sie aufgestellt sind sowie die Verfahren zur Übermittlung und Auskunftserteilung.
- Zusätzlich sollte angegeben werden, wer als Rechtsnachfolger der ehemaligen öffentlichen Einrichtung im Sinne des § 34 Abs. 1 BbgDSG anzusehen ist, falls diese nicht mehr besteht. Gegebenenfalls ist dies mit den zuständigen Behörden des Landes Brandenburg oder der Treuhandanstalt abzustimmen. Dabei sollte auch über den Verbleib der nicht personenbezogenen Daten verhandelt werden.
1.11 Das Verzeichnis ist dem Ministerium des Innern, Henning-von-Tresckow-Str. 9-13, O-1561 Potsdam, bis zum 1. Juli 1992 zuzuleiten. Dabei ist darzulegen, welche Akten, Dateien und Geräte zur rechtmäßigen Aufgabenerfüllung noch erforderlich sind.
1.12 Die Akten und Dateien sind von den Meldepflichtigen unverzüglich unter Verschluß zu nehmen.
2. Entscheidung über das Verbleiben der gemeldeten Altdatenbestände
Das Ministerium des Innern oder eine von diesem genannte Behörde wird gemäß § 34 Abs. 3 BbgDSG entscheiden, ob und wem die Akten und Dateien sowie die zu ihrer Ordnung, Auffindung oder Auswertung dienenden Materialien und Träger sowie sonstiges Zubehör im Original und sämtlichen Ausfertigungen zu übergeben sind. Kopien der Altdatenbestände dürfen weder angefertigt noch behalten werden.