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Ordnungsbehördliche Verordnung zur Unterschutzstellung des Denkmalbereichs „Jägervorstadt“ in Potsdam

Ordnungsbehördliche Verordnung zur Unterschutzstellung des Denkmalbereichs „Jägervorstadt“ in Potsdam
vom 27. März 2007
(GVBl.II/07, [Nr. 08], S.98)

Auf Grund des § 4 Abs. 2 des Brandenburgischen Denkmalschutzgesetzes vom 24. Mai 2004 (GVBl. I S. 215) in Verbindung mit den §§ 11 und 24 des Ordnungsbehördengesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. August 1996 (GVBl. I S. 266), von denen § 24 durch Gesetz vom 20. April 2004 (GVBl. I S. 153) neu gefasst worden ist, verordnet die Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kultur:

§ 1
Räumlicher Geltungsbereich

(1) Der räumliche Geltungsbereich dieser Verordnung umfasst das Gebiet südlich der Parkstraße und des Voltaireweges (ehemaliger Königsweg) ab Schlegelstraße, westlich der Jägerallee (ehemalige kurfürstliche Landschaftsallee „Zum Eichberg“), nördlich der Hegelallee (ehemaliger nördlicher Stadtmauerbereich) und östlich der Schopenhauerstraße zwischen Hegelallee und Weinbergstraße, des Mühlenbergweges sowie daran anschließend der Gregor-Mendel-Straße bis Parkstraße (Grenze zum räumlichen Geltungsbereich der Denkmalbereichssatzung Berlin-Potsdamer Kulturlandschaft). Folgende Straßen sind vom räumlichen Geltungsbereich in Teilen oder vollständig betroffen: Schlegelstraße, Tieckstraße, Brentanoweg, Ulanenweg, Jägerallee, Gregor-Mendel-Straße (östlicher Teil), Weinbergstraße, Mauerstraße, Hegelallee (westlicher Teil).

(2) Der räumliche Geltungsbereich umfasst folgende Flurstücke der Flur 25 in der Gemarkung Potsdam:

4 - 11, 13, 14/1, 14/2, 16, 18 - 47, 49 - 55, 56/1, 56/2, 58 - 66, 67/1, 67/2, 68/1, 68/2, 69/1, 69/2, 70 - 75, 76/1, 76/2, 77 - 80, 81/1, 81/2, 82/1, 82/3, 82/4, 83/1, 83/3, 83/4, 84/3, 84/4, 84/5, 86/1, 86/2, 87/1, 87/2, 88, 91/1, 91/4, 91/5, 91/6, 91/7, 91/8, 92/1, 92/2, 93/1, 93/2, 95 - 103, 104/1, 105 - 108, 120 - 123, 125 - 137, 138 teilweise, 139 - 142, 143/1, 143/2, 144 - 163, 165, 167, 168/2, 168/3, 168/5, 168/6, 169/2, 170 - 173, 176/1, 176/2, 177/1, 178, 179, 180/1, 180/2, 181, 182/1, 182/2, 183, 184, 186 - 191, 192/1, 192/2, 192/4, 192/5, 193/1, 193/2, 194/1, 194/2, 195, 196, 197/2, 197/3, 197/4, 197/5, 198/1, 198/2, 199/1, 200/1, 201/1, 202/1, 203/1, 204 - 208, 1028 - 1030, 1032, 1097, 1115, 1116, 1132, 1142, 1148, 1157, 1344 - 1352, 1361, 1362, 1393, 1394, 1397 - 1400, 1449 - 1451, 1454, 1455, 1503, 1522, 1523, 1525 - 1534, 1536, 1546, 1547.

(3) Der räumliche Geltungsbereich ist in der als Anlage 1 beigefügten Flurkarte im Maßstab 1 : 4 000 entsprechend gekennzeichnet.

§ 2
Sachlicher Geltungsbereich

(1) Im sachlichen Geltungsbereich dieser Verordnung sind aus den in der Anlage 2 aufgeführten Gründen geschützt:

  1. der historische Siedlungsgrundriss (Einzel- sowie straßenbegleitende Bebauung einschließlich der vorhandenen Hinterhäuser, Remisen, Pavillons, Pergolen, rückwärtigen und seitlichen Freiräume sowie insbesondere die Vorgartenbereiche mit ihren Einfriedungen, Einfriedungsresten, Einfriedungstoren, Zufahrten, Zuwegungen mit den historischen Oberflächenbefestigungen sowie mit den historischen Gartengestaltungselementen wie Brunnen und Skulpturen aus Natur- oder Kunststein),
  2. die das äußere Erscheinungsbild des Vorstadtbereichs prägende Substanz mit den baulichen Strukturen, vorhandenen Karreebildungen und den Resten der gärtnerischen Anlagen, die historischen Fassadendetails, historisch authentischen Dachformen und -deckungsmaterialien und die noch vorhandenen originalen Treppenhausanlagen, die sich in der Außenstruktur eines Gebäudes abzeichnen,
  3. die vorhandenen umschließenden unter § 1 Abs. 1 benannten Straßenzüge sowie die das Gebiet querenden Straßen (Brentanoweg, Gregor-Mendel-Straße, Tieck-, Schlegel- und Weinbergstraße) mit den noch vorhandenen historischen Pflasterungen, Gehweg- und Zaunanlagen, historischen Steinsetzungen auf und außerhalb der Grundstücke.

(2) Der historische Siedlungsgrundriss sowie das Erscheinungsbild werden geprägt durch

  1. die weitgehend für Potsdam typische Vorstadtbebauung mit traufständigen klassizistischen und gründerzeitlichen Bürgerhäusern, Villen und Landhäusern, Zwerchgiebel- und Turmvillen (insbesondere aus der Mitte des 19. Jahrhunderts für Angehörige des Militärs und des Hofes), die großzügige Parzellierung des ehemals ländlichen Gebietes mit zum Teil gut erhaltenen Remisen-, Vorgarten-, Hausgarten- oder Parkanlagen (mit Exedren und Brunnen) nach den ursprünglichen landschaftlichen und hydrologischen Gegebenheiten,
  2. die traufständigen, abgewalmten Siedlungshäuser aus den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts mit Zwischenmauern und den sogenannten Parkbändern (Voltaireweg, Parkstraße, Schlegelstraße, Gregor-Mendel-Straße), die sich besonders in das umgebende Großgrün einpassen,
  3. den Verlauf der straßenraumbildenden Fluchtlinien, die Einfahrten sowie durch die kunstvollen Vorgarten-Zaunanlagen mit der entsprechenden Staffelung nach der topografischen Lage (insbesondere Gregor-Mendel- und Weinbergstraße),
  4. die terrassierte Bebauung und Geländemodellierung im Bereich des ehemaligen Mühlenberges,
  5. die Kasernenbebauung (dominierendes selbständig geschütztes Denkmal) im nordöstlichen Denkmalbereich sowie die städtebaulich intakte Struktur der klassizistischen, großräumigen Villenbebauung (Einzelhausstellung beziehungsweise beginnende städtische Reihung von Mehrfamilienwohnhäusern zur Gründerzeit mit klassizistischen, aber auch anderen historisierenden Details mit Betonung der Eckbebauung oder in symmetrischer Anordnung), die Maßstäblichkeit der Bebauung mit den betonten Hauptgebäuden und den zurückgesetzten Remisen sowie die teilweise noch vorhandene gesonderte Erschließung für die Dienstboten,
  6. die überwiegend flach geneigten Satteldächer und flachen Übergiebelungen der Risalite, die Attikageschosse und die Altananbauten,
  7. die noch überall nachzuweisende handwerkliche und künstlerische Fertigkeit der Potsdamer Bauhandwerksmeister sowie die architektonischen Hinweise auf die Schinkel- und Persiusschule, insbesondere bei den straßenseitigen Schaufassaden,
  8. die nahezu vollständige Bausubstanz aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts,
  9. die große Anzahl von Sichtbezügen, die sich innerhalb der Jägervorstadt sowie nach und von außen ergeben, insbesondere die Ausblicke aus dem Schlosspark Sanssouci auf die gegenüberliegende Bebauung im Bereich der Schopenhauerstraße (Staffagewirkung) sowie die durch die Höhensituation am ehemaligen Mühlen- und Weinberg vermittelten Sichtbeziehungen auf die bürgerlichen Bauten am Hang und entgegengesetzt von Hanggrundstücken auf das Stadtgebiet und den Schlosspark Sanssouci.

§ 3
Rechtsfolgen

(1) Mit Inkrafttreten dieser Verordnung unterliegt der Denkmalbereich im Rahmen des räumlichen und sachlichen Geltungsbereichs gemäß den §§ 1 und 2 den Bestimmungen des Brandenburgischen Denkmalschutzgesetzes. Der Denkmalbereich ist ein Denkmal im Sinne des Brandenburgischen Denkmalschutzgesetzes (§ 2 Abs. 2 Nr. 2).

(2) Unberührt von dieser Verordnung bleibt der bestehende Schutz der zum Denkmalbereich „Jägervorstadt“ gehörenden eigenständigen Denkmale im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 1 und 4 des Brandenburgischen Denkmalschutzgesetzes sowie des angrenzenden Denkmalbereichs Berlin-Potsdamer Kulturlandschaft.

§ 4
Inkrafttreten

Diese ordnungsbehördliche Verordnung tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft. Sie wird aufgehoben, sobald die Landeshauptstadt Potsdam nach § 4 Abs. 1 des Brandenburgischen Denkmalschutzgesetzes eine Denkmalbereichssatzung erlassen hat.

Potsdam, den 27. März 2007

Die Ministerin für Wissenschaft,
Forschung und Kultur

Prof. Dr. Johanna Wanka

 

Anlage 1: Flurkarte mit Kennzeichnung des Denkmalbereichs "Jägervorstadt" in Potsdam


Anlage 2
(zu § 2 Abs. 1)

Wesentliche Gründe der Unterschutzstellung des Denkmalbereichs gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 in Verbindung mit § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 des Brandenburgischen Denkmalschutzgesetzes (BbgDSchG)

Die Jägervorstadt erfüllt als eine Mehrheit baulicher Anlagen mit ihren Freiflächen die Voraussetzungen eines Denkmalbereichs im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 2 BbgDSchG, da diese in ihrer Gesamterscheinung, Struktur und Funktion ein hervorgehobenes Zeugnis der Siedlungsgeschichte, des Städtebaus sowie der Garten- und Landschaftsgestaltung darstellt. Mit der Jägervorstadt ist eine für die Potsdamer Vorstadtbildung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts im Bereich einzelner zunächst vorhandener klassizistischer Villen des preußischen Adels oder königlicher Bediensteter einzigartige städtebauliche und architektonische Situation in gehobener Wohnlage entstanden und erhalten. Die nördliche Vorstadt – zugleich wichtigste Erweiterung des Stadtraums bis zur Gründerzeit – dokumentiert einerseits den Bauboom nach Erhalt der französischen Kriegskontributionen und andererseits die planerische Berücksichtigung des sensiblen Gebietes südlich des Grünzuges Sanssouci-Neuer Garten und westlich des Schlossparks durch die Aufnahme der sich einfügenden freiräumlichen Villenhaus-Bebauung in stadtplanerisch ausgewogener Distanz zu den sich nördlich anschließenden Kasernenanlagen (dem „Arbeitsplatz“ vieler in dieser Vorstadt ansässigen Offiziere).

Weiterhin dokumentiert dieser Bereich auch den unauffälligen Übergang der Formgebung von einer klassizistischen herrschaftlichen Villa zum villenartigen Mehrfamilien-Wohnhaus unter Beibehaltung des repräsentativen Erscheinungsbildes sowie der Gartenräume. Dies blieb auch so, als der städtische, geschlossene Charakter der Häuserreihung an der Jägerallee oder die Siedlungsbebauung in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts in der Schlegelstraße begann.

In der Gesamtbetrachtung, insbesondere der wirkungsvollen Zuordnung der Bebauungsabschnitte des Vorstadtbereichs, wird ein stadträumliches Geflecht von Wohnnutzungen abgestufter gesellschaftlicher Relevanz dokumentiert, das die Hintergründe der Entwicklung der Orts-, Sozial- und Baugeschichte der Residenz-, Garnisons- und Beamtenstadt Potsdam unter Einbeziehung der oberen Handwerkerschicht beleuchtet. Dieser Entwicklungsprozess schließt auch die beginnende liberale Bautätigkeit ein, wofür die „Kochschen Häuser“ stehen, die im gewissen Sinne „standardisiert“ beplant wurden und die vor allem ein Ausweis der „arrivierten“ Handwerkerschicht in dem Gebiet sind.

Neben diesem sozialpolitischen und baugeschichtlichen Aspekt aus der Zeit der königlichen Hofbaumeister und der frühen Kaiserzeit tritt somit auch das städtebauliche Kriterium sowie der kulturgeschichtliche und künstlerische Wert der Bebauung der gesamten Jägervorstadt als Denkmalwert – nicht nur für die Stadt Potsdam – hervor. Von außerordentlicher Bedeutung sind in diesem Zusammenhang die an den Schlosspark Sanssouci beziehungsweise an die historische Verkehrsverbindung von Sanssouci zum Neuen Garten angrenzenden Gebiete, da ihre Bebauung die Interessen des Königshauses direkt berührten und in den baulichen Anlagen teilweise der direkte Eingriff des Königs in das Baugeschehen Gestalt annimmt. Ein ebenso großer Bedeutungsgehalt ist der Jägervorstadt dadurch gegeben, dass sie (von wenigen Ausnahmen bürgerlicher Bauten am Brauhausberg abgesehen), den einzigen stadtbildbegrenzenden Höhenzug in Potsdam besetzt, der nicht durch Bauten des Hofes oder des Staates, sondern durch Architektur privater Bauherren charakterisiert ist. Diese städtebauliche Gesamterscheinung ist nicht nur innerhalb oder im engeren Grenzgebiet der Jägervorstadt mit den benachbarten Stadtteilen, sondern als Charakteristikum von den umliegenden Aussichtspunkten auf den Potsdam umgebenden Höhenzügen erkennbar.

Bei kreisfreien Städten kann die oberste Denkmalschutzbehörde einen Denkmalbereich durch ordnungsbehördliche Verordnung gemäß § 4 Abs. 2 BbgDSchG unter Schutz stellen, wenn die kreisfreie Stadt keine Denkmalbereichssatzung erlassen hat und eine Gefährdung der Substanz der Anlagen des Denkmalbereichs oder ihrer Gesamterscheinung, Struktur, Funktion oder sie prägenden sonstigen Bezugs zu besorgen ist. Die Landeshauptstadt Potsdam hat trotz längerer Kenntnis darum, dass es sich bei der Jägervorstadt gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 BbgDSchG um einen Denkmalbereich handelt, bisher keine entsprechende Denkmalbereichssatzung erlassen.

Der obersten Denkmalschutzbehörde liegen hinreichende Anhaltspunkte darüber vor, dass für exponierte Grundstücke im Denkmalbereich fortgeschrittene Bauplanungen (Genehmigungsplanung) mit entsprechendem Baumassenzuwachs vorliegen, die alsbald zur Genehmigung bei der zuständigen unteren Bauaufsichtsbehörde beantragt werden sollen. Zudem sind bereits Baugenehmigungsverfahren bei der unteren Bauaufsichtsbehörde anhängig, die Bauvorhaben mit nicht unerheblichem Baumassenzuwachs oder Maßnahmen an den Denkmalbereich prägenden baulichen Anlagen zum Gegenstand haben. Weiterhin stehen einzelne Grundstücke mit den Denkmalbereich prägenden baulichen Anlagen zum Verkauf. Der auf den bereits in der baulichen Planung befindlichen und auf den zur Veräußerung vorgesehenen Grundstücken lastende Verwertungs- beziehungsweise Veränderungsdruck lässt nach allgemeiner Lebenserfahrung erwarten, dass auch Bauvorhaben von Grundstückseigentümern forciert werden, die auf Grund ihres Umfangs (Bebauungsdichte) und/oder der substanziellen Eingriffe zum Verlust von Substanz der Anlagen des Denkmalbereichs oder zur Beeinträchtigung der Gesamterscheinung und Struktur des Denkmalbereichs führen können. Dieser gefahrdrohende Zustand für den Denkmalbereich lässt sich mit dessen Unterschutzstellung abwenden, da die hierdurch im Rahmen des räumlichen und sachlichen Geltungsbereichs dieser Verordnung begründete denkmalrechtliche Erlaubnispflichtigkeit von Maßnahmen die Berücksichtigung der Belange des Denkmalschutzes zur Erhaltung des Denkmalbereichs angemessen sicherstellt.