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Richtlinien für die Sozialarbeiter und Sozialpädagogen bei den Justizvollzugsanstalten des Landes Brandenburg

Richtlinien für die Sozialarbeiter und Sozialpädagogen bei den Justizvollzugsanstalten des Landes Brandenburg
vom 1. März 1998
(JMBl/98, [Nr. 3], S.34)

1. Vorbemerkungen

1.1 Der Sozialdienst wirkt verantwortlich an der Planung, Organisation und Ausgestaltung des Vollzuges mit (§§ 2 und 3 StVollzG) und ermittelt den spezifischen Bedarf an sozialen Hilfen. Die Hilfs-, Betreuungs- und Behandlungsangebote sind darauf zu richten und so auszugestalten, dass sie die Lebenslagen der Inhaftierten verbessern, ihnen Möglichkeiten zur sozialen Integration bieten und sie in ihrer individuellen Persönlichkeitsentwicklung fördern. Ziel ist es, die Gefangenen zur eigenverantwortlichen und selbständigen Lösung ihrer Probleme im individuellen, familiärsozialen und gesellschaftlichen Bereich zu befähigen. Dabei sind die bestehenden und sich wandelnden wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse angemessen zu berücksichtigen.

1.2 Die Tätigkeit des Sozialdienstes erstreckt sich auch auf Inhaftierte, die sich zum Vollzug der Untersuchungshaft oder anderer Freiheitsentziehung in einer Justizvollzugsanstalt befinden.

2. Mitarbeiter des Sozialdienstes

2.1 Für den Sozialdienst im Justizvollzug werden staatlich anerkannte Sozial­arbeiter/Sozialpädagogen eingestellt.

2.2 Zur Unterstützung der Sozialarbeiter/Sozialpädagogen können geeignete Kräfte zur Mitarbeit eingesetzt werden. Sie werden im Benehmen mit dem Sozialdienst der jeweiligen Justizvollzugsanstalt ausgewählt, eingesetzt, angeleitet und fachlich gefördert.

3. Aufgaben

3.1 Die Sozialarbeiter bzw. Sozialpädagogen nehmen insbesondere folgende Aufgaben war:

3.1.1 Führung von Zugangsgesprächen,

3.1.2 Erstellung einer Sozialanamnese und Sozialdiagnose, die insbesondere den sozialen Werdegang, die gegenwärtige soziale Situation und Problematik der Gefangenen, sowie die notwendigen Maßnahmen der sozialen Beratung und Hilfe und für die Eingliederung nach seiner Entlassung umfasst, als Beitrag zur Behandlungsuntersuchung (§ 6 StVollzG, Nr. 2 VVJug),

3.1.3 Planung, Organisation und Durchführung sozial-pädagogischer Hilfen für Gefangene,

3.1.4 Beratung in sozialen Angelegenheiten,

3.1.5 Förderung der Beziehungen der Gefangenen zu Angehörigen und ihnen nahestehenden Personen,

3.1.6 Hilfe zur Entlassung (§§ 74, 75 StVollzG, Nr. 65, 66 VVJug, Nr.49 UVollzO),

3.1.7 Zusammenarbeit mit den in § 154 Abs. 2 StVollzG genannten Behörden und Institutionen,

3.1.8 Beratung und Leitung von Behandlungs- und Betreuungsgruppen,

3.1.9 Teilnahme an Vollzugskonferenzen und Besprechungen in ihrem Arbeits­bereich,

3.1.10 Anleitung von Praktikanten im Sozialdienst sowie Mitsprache bei deren Auswahl und Einstellung,

3.2. Zu den weiteren Aufgaben der Sozialarbeiter/Sozialpädagogen gehört die Mitwirkung bei

3.2.1 der Haftentscheidungshilfe zur Verkürzung von Untersuchungshaft,

3.2.2 der Erstellung, Durchführung und Fortschreibung des Vollzugsplanes (§ 7 StVollzG; Nr. 3 VVJug),

3.2.3 Entscheidungen gem. §§ 8 - 16, 35 und 36 StVollzG; Nr. 4 - 11, 30 und 31 VVJug; Nr. 79 UVollzO,

3.2.4 Stellungnahmen zur vorzeitigen Entlassung (§ 57 StGB, § 88 JGG), zur Vorbereitung von Gnadenentscheidungen, zur Aussetzung von Maßregeln der Besserung und Sicherung sowie zur Anordnung von Führungsaufsicht,

3.2.5 der Suchtberatung und -betreuung,

3.2.6 der Schuldnerberatung und Schuldenregulierung,

3.2.7 der Beratung und Betreuung HIV-Infizierter und AIDS-Kranker,

3.2.8 der Gewinnung, Zulassung und Beratung ehrenamtlicher Mitarbeiter,

3.2.9 Maßnahmen der beruflichen Aus- und Weiterbildung der Gefangenen,

3.2.10 der Bereitstellung von Freizeitangeboten für Gefangene,

3.2.11 der Sicherstellung der Habe der Gefangenen,

3.2.12 der Bauplanung, insbesondere bei der Gestaltung von Behandlungs- und Freizeiträumen,

3.2.13 der Aus- und Fortbildung von Vollzugsbediensteten,

3.2.14 der Haushaltsplanung in den die Sozialarbeit betreffenden Bereichen.

4. Leitungsfunktionen

4.1 Sozialarbeitern bzw. Sozialpädagogen kann die Leitung von Vollzugseinheiten mit besonderen Betreuungs- und Behandlungsschwerpunkten übertragen werden.

4.2 Sozialarbeitern bzw. Sozialpädagogen können gem. gesonderter Richtlinien Leitungsfunktionen übertragen werden, die über Ziff. 4.1 hinausgehen.

5. Methoden der Sozialarbeit, Supervision

5.1 Die Mitarbeiter des Sozialdienstes bedienen sich der Methoden, die ihnen im Rahmen ihrer Ausbildung und in berufsbegleitender Fortbildung vermittelt worden sind. Sie haben sich fachlich fortzubilden.

5.2 Das Ministerium der Justiz und für Bundes- und Europaangelegenheiten ermöglicht im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel eine bedarfsgerechte Supervision für die Mitarbeiter des Sozialdienstes.

6. Sozialdienstkonferenz

In Justizvollzugsanstalten mit mindestens drei Sozialarbeitern/Sozialpädagogen führen die Mitarbeiter zur Erfüllung und Koordinierung ihrer Aufgaben regelmäßig Sozialdienstkonferenzen durch.

7. Sprecher

7.1 In Justizvollzugsanstalten mit mindestens drei Sozialarbeitern Sozialpädagogen werden die Sprecher und ihre Vertreter bestellt.

7.2 Die Mitarbeiter des Sozialdienstes der jeweiligen Anstalt wählen einen Sprecher und dessen Vertreter, die sie dem Anstaltsleiter zur Bestellung vorschlagen. Bedenken gegen die Bestellung erörtert der Anstaltsleiter mit dem Sozialdienst mit dem Ziel der Einigung. Kommt diese nicht zustande, berichtet er dem Ministerium der Justiz und für Bundes- und Europaangelegenheiten.

Die Bestellung erfolgt für zwei Jahre, Wiederwahl ist möglich. Der Anstaltsleiter kann die Bestellung widerrufen, wenn zwingende dienstliche Gründe vorliegen.

Über die Bestellung und Abberufung berichtet er dem Ministerium der Justiz und für Bundes- und Europaangelegenheiten.

Die Aufgaben des Sprechers sind im Geschäftsverteilungsplan zu berücksichtigen.

7.3 Die Sprecher sollen einerseits die fachlichen Belange der Mitarbeiter vertreten und andererseits dem Anstaltsleiter sowie dem Ministerium der Justiz und für Bundes- und Europaangelegenheiten in fachlichen Angelegenheiten des Sozialdienstes als Ansprechpartner zur Verfügung stehen.

7.4 Die Anstaltsleitung beteiligt den Sprecher oder einen von diesem benannten Vertreter bei der Vorbereitung wichtiger und grundlegender Entscheidungen im Vollzuge (Organisation, Struktur, Konzeption, Ausgestaltung) und insoweit auch an Dienstbesprechungen und Konferenzen.

7.5 Zu den Aufgaben der Sprecher gehören:

  • Einberufung und Leitung der Sozialdienstkonferenz,
  • Einweisung neuer Mitarbeiter, sowie Koordinierung der Anleitung neuer Mitarbeiter, der Praktikantenausbildung und Beratung ehrenamtlicher Helfer,
  • Anregung und Förderung von Fallbesprechungen und Supervisionen,
  • Teilnahme an den landesweiten Dienstbesprechungen der Sprecher des Sozialdienstes unter Leitung des Sozialarbeiters im Fachreferat des MdJBE,
  • Mitwirkung, den Bereich des Sozialdienstes betreffend, bei der
  • Einstellung neuer Mitarbeiter,
  • Geschäftsverteilung,
  • dienstlichen Beurteilung von Mitarbeitern durch Erstellung eines Beurteilungsbeitrages,
  • Verteilung von Aufgaben, die im Geschäftsverteilungsplan nicht geregelt sind,
  • Entwicklung und Umsetzung von Konzepten zur Organisation und zur Wahrnehmung besonderer Aufgabengebiete,
  • Fachöffentlichkeitsarbeit.

8. Dienst- und Fachaufsicht

8.1 Der Anstaltsleiter kann in fachlichen Angelegenheiten des Sozialdienstes, die sich seiner Beurteilung entziehen, Auskunft verlangen und Anregungen geben (VV Nr. 2 Abs. 2 zu § 156 StVollzG; Nr. 103 Abs. 5 VVJug).

8.2 Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Anstaltsleiter und Mitarbeitern des Sozialdienstes in spezifisch sozialarbeiterischen Fragen entscheidet die Aufsichtsbehörde, wenn eine Aussprache zwischen den Beteiligten nicht zu einer Einigung führt.

Bis zur Entscheidung der Aufsichtsbehörde kann der Anstaltsleiter die Durchführung von Maßnahmen aussetzen, die - ohne Aussetzung - die Sicherheit der Anstalt oder die Gesamtbehandlung des Gefangenen nach seiner Überzeugung gefährden würden (Nr. 2 Abs. 3 der VV zu § 156 StVollzG; Nr. 103 Abs. 6 VVJug).

8.3 Dem Ministerium der Justiz und für Bundes- und Europaangelegenheiten steht für die Wahrnehmung seiner Fachaufsicht ein hauptamtlicher Sozialarbeiter zur Verfügung.

9. Die in diesen Richtlinien verwendeten Personen- und Berufsbezeichnungen gelten jeweils in der weiblichen und männlichen Form.

10. Diese Allgemeine Verfügung tritt mit ihrer Veröffentlichung in Kraft.

Potsdam, den 1. März 1998

Der Minister der Justiz und für Bundes- und Europaangelegenheiten

Dr. Bräutigam