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Fraktionen in Vertretungen kommunaler Körperschaften (Runderlass Nr. 03/2013 - Rderl. 3/2013)

Fraktionen in Vertretungen kommunaler Körperschaften (Runderlass Nr. 03/2013 - Rderl. 3/2013)
vom 4. Dezember 2013

Außer Kraft getreten durch Aufhebungserlass 1/2019 vom 28. Mai 2019

Mit Runderlass III Nr. 74/1994 hatte das Ministerium des Innern Hinweise für eine rechtskonforme Gewährung von Zuwendungen für Fraktionen kommunaler Vertretungen gegeben. Die Neufassung der Kommunalverfassung des Landes Brandenburg und die zwischenzeitlich erfolgten Änderungen der haushaltsrechtlichen Vorschriften machen eine Angleichung an die geänderte Rechtslage erforderlich.

Die Landräte werden gebeten, diesen Runderlass den Ämtern und amtsfreien Gemeinden zur Kenntnis zu geben.

I

  1. Fraktionen sind Zusammenschlüsse von Mitgliedern einer Vertretungskörperschaft, die nicht nur zu einem vorübergehenden Zweck gebildet werden und auf gemeinsamen Grundanschauungen beruhen. Sie sind notwendige Einrichtungen des Verfassungslebens und maßgebliche Faktoren der politischen Willensbildung. Ihre Bildung beruht auf der in Ausübung des freien Mandats getroffenen Entscheidung der Abgeordneten (BVerfGE 84, 304). Fraktionen leisten in erster Linie in der Informations-, Vorbereitungs- und Abstimmungsphase einen wichtigen Beitrag zu einer effizienten Aufgabenerledigung durch die Vertretung. Als solche sind sie rechtlich unselbstständige Teile und ständige Gliederungen der kommunalen Vertretungskörperschaft.
  2. Die Finanzierung der Fraktionsarbeit kann aus unterschiedlichen Quellen erfolgen. Insbesondere sind zu nennen:
    • Finanzmittel der Partei bzw. Wählervereinigung,
    • Spenden an die Partei mit entsprechender Zweckbindung für eine Fraktion
    • Umlagen der Fraktionsmitglieder und
    • Zuwendungen aus kommunalen Haushaltsmitteln.
    Dieser Runderlass behandelt nur die Zuwendungen aus dem kommunalen Haushalt, nicht jedoch die Verwendung von Mitteln aus anderen Quellen.
  3. Die Kommunalverfassung des Landes Brandenburg enthält keine Regelungen für die Gewährung von Zuwendungen an Fraktionen aus kommunalen Haushaltsmitteln. Insoweit hat der Gesetzgeber auf eine - ihm grundsätzlich mögliche - Einschränkung der kommunalen Finanzhoheit verzichtet. Durch den Wegfall der Regelung des § 13 Abs. 5 der Gemeindehaushaltsverordnung wurde des Weiteren im Hinblick auf eine möglichst weitgehende Deregulierung auf eine Vorschrift zur Vorlage eines Nachweises über die Verwendung der Fraktionszuwendungen an den Hauptverwaltungsbeamten verzichtet.
  4. Zuwendungen dürfen nur für Wahrnehmung von organschaftlichen Aufgaben der Fraktionen gewährt werden und unterliegen einer Zweckbindung. Zuwendungsfähig sind nur die tatsächlich geleisteten oder konkret beabsichtigten Aufwendungen der Fraktion zur Koordinierung ihrer Arbeit in der Vertretung (keine fiktiven Beträge). Hieraus folgt, dass Fraktionszuschüsse nicht zum Ersatz von Aufwendungen dienen dürfen, die dem einzelnen Mitglied der Vertretung entstehen und die bereits durch die persönliche Aufwandsentschädigung abgegolten sind (Verbot der Doppelentschädigung). Darüber hinaus dürfen sie nicht zu einer verfassungswidrigen verdeckten Parteienfinanzierung führen (vgl. BVerfGE 20, 56).
  5. Die für Zuwendungen erforderlichen Mittel sind im Haushalt zu veranschlagen. Hierzu ist die "Verwaltungsvorschrift über die produktorientierte Gliederung der Haushaltspläne, die Kontierung der kommunalen Bilanzen und der Ergebnis- und Finanzhaushalte sowie über die Verwendung verbindlicher Muster zur Kommunalen Haushalts- und Kassenverordnung (VV Produkt- und Kontenrahmen)" vom 18. März 2008 (ABl. S. 939) zu beachten.

II

Kommunale Zuwendungen an kommunale Fraktionen können insbesondere für folgende Zwecke erbracht werden:

  1. Anmietung von Räumen (einschließlich Nebenkosten), jedoch nur, wenn den Fraktionen nicht von der Gebietskörperschaft Räume für die Fraktionsgeschäftsstelle und für dauernde oder bedarfsweise Durchführung von Fraktionssitzungen unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden. Hierfür kommen nicht nur Räume in den Dienstgebäuden der Verwaltung, sondern auch in öffentlichen Einrichtungen der Gebietskörperschaft (z. B. Schulen) in Betracht.
  2. Kosten für die laufende Fraktionsgeschäftsführung. Hierzu zählen einmalige Kosten (Bürotechnik, Druck- und Kopiersysteme, IT- und Netzwerktechnik) und wiederkehrende Ausgaben (Wartung der Technik, Porto, Kosten für Internetnutzung und Telekommunikation, Papier etc.).
  3. Beschaffung einer Grundausstattung an Literatur und Zeitschriften, wenn die Inanspruchnahme der verwaltungseigenen Bibliothek nicht möglich oder nicht ausreichend ist.
  4. Beiträge an kommunalpolitische Vereinigungen, sofern die Vereinigungen satzungsgemäß oder tatsächlich eine nicht nur untergeordnete Unterstützung der Fraktionen bei der Wahrnehmung ihrer organschaftlichen Aufgaben leisten und keine unzulässige Parteienfinanzierung vorliegt.
  5. Reisen der Fraktion, einzelner Mitglieder oder sachkundiger Einwohner im Auftrag der Fraktion, wenn sie der Vorbereitung von Initiativen der Fraktion in der Vertretung oder der Meinungsbildung zu Entscheidungen dienen, die in der Vertretung anstehen (Informationsreisen). Aus Gründen der Gleichbehandlung sowie der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit sollte die Reisekostenvergütung entsprechend den Vorschriften des Bundesreisekostengesetzes bemessen werden.
  6. Bewirtung von Gästen und Hinzuziehung von Referenten und Sachverständigen zu Fraktionssitzungen. Die Hinzuziehung von Referenten und Sachverständigen kann in Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft erfolgen, die in die Zuständigkeit der Vertretung fallen, sofern eine zusätzliche Auskunft der Verwaltung nicht ausreichend ist.
  7. Fortbildung der Fraktionsmitglieder und sachkundiger Einwohner durch Teilnahme an Kongressen und Seminaren, die sich inhaltlich auf die Aufgaben der Gebietskörperschaft und der Fraktionen beziehen.
  8. Öffentlichkeitsarbeit durch eigene Publikationen, Pressekonferenzen (einschließlich Bewirtung) oder Presseerklärungen zu bestimmten Tagesordnungspunkten. Hierbei hat die Fraktion besonders auf die Abgrenzung einer zulässigen Öffentlichkeitsarbeit von einer unzulässigen Wahlwerbung für die sie tragende Partei zu achten.
  9. Beschäftigung von Fraktionsmitarbeitern, sofern dies mit Blick auf die Größe der Gebietskörperschaft und der mit ihr zusammenhängenden Komplexität der Aufgaben oder ggf. unter Berücksichtigung gemeindespezifischer Besonderheiten gerechtfertigt ist (siehe auch Schumacher u.a., Kommunalverfassungsrecht Brandenburg, Rdnr. 10.3.3 zu § 32 BbgKVerf).

III

Unzulässig ist die Verwendung von Fraktionsgeldern aus kommunalen Haushaltsmitteln z. B. für

  1. Aufwendungsersatz der Fraktionsmitglieder für Fraktionssitzungen am Ort der Vertretung, die der Vorbereitung einer Sitzung der Vertretung oder eines Ausschusses dienen
  2. Verfügungsmittel des Fraktionsvorsitzenden und Zuwendungen an stellvertretende Fraktionsvorsitzende
  3. Teilnahme an Kongressen und Seminaren von Parteien und Parteigliederungen, die nicht regelmäßig Fortbildung betreiben (Parteiveranstaltungen) und allgemeinen Bildungsreisen
  4. Durchführung von geselligen Veranstaltungen
  5. Spenden.

IV

Bei der Entscheidung der Vertretung, ob und in welcher Höhe den Fraktionen Zuwendungen gewährt werden, handelt es sich um eine Ermessensentscheidung, die unter Berücksichtigung der finanziellen Leistungsfähigkeit der Gebietskörperschaft und unter Beachtung der Grundsätze einer sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung zu treffen ist.

Es wird empfohlen, bei der Entscheidung folgende Gesichtspunkte zu berücksichtigen:

  1. Bei der Ermittlung des Bedarfs sollten auch die oben unter I. b) bereits dargestellten anderen Einnahmemöglichkeiten der Fraktionen betrachtet werden.
  2. Es ist zulässig, nur einzelne der unter II aufgeführten zulässigen Verwendungszwecke Aufwendungen als zuwendungsfähig festzusetzen.
  3. Da der Umfang der Aufgaben, die von den Fraktionen in der Vertretung wahrzunehmen sind, auch von der Anzahl der Einwohner in der Gebietskörperschaft und der Größe der Vertretung abhängt, wird eine Orientierung der Fraktionszuwendungen an diesen Kenngrößen regelmäßig sachgerecht sein.
  4. Für die Verteilung der Mittel auf die einzelnen Fraktionen ist ein Maßstab zu wählen, der einerseits dem Bedarf gerecht wird, andererseits aber auch dem Gebot der Chancengleichheit Rechnung trägt. Dabei kann sich schon der Bedarf unterschiedlich darstellen: So werden Fraktionen, die neu in der Vertretung sind, eine Erstausstattung benötigen, über die andere bereits verfügen.

    Die Verteilung der Mittel für die laufenden Geschäftsführungskosten richtet sich nach dem ermittelten Bedarf, der jedoch unter dem Gesichtspunkt der Chancengleichheit nur insoweit befriedigt werden darf, als er einen Betrag nicht übersteigt, der nach für alle Fraktionen gleichen Maßstäben errechnet wird: Keine Zuwendung über den konkreten Bedarf hinaus, keine Abdeckung des konkreten Bedarfs über einen allgemeinen Maßstab hinaus.

Zur Verteilung der Haushaltsmittel auf die Fraktionen hat das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt, dass ein Maßstab, der sich ausschließlich an der Anzahl der Fraktionsmitglieder orientiert, gegen das verfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgebot verstößt. Dieses verlange eine sachgerechte, am Zweck der Fraktionen ausgerichtete, bedarfsorientierte Mittelverteilung. Eine Verteilung allein nach dem Kopfteilsprinzip beschneide das Mitwirkungsrecht einer Fraktion, wenn diese deswegen ihre Informations-, Organisations- und Koordinationsaufgaben nicht mehr wahrnehmen könne. Das sei bei kleineren Fraktionen nicht auszuschließen, wenn der zuwendungsfähige Bedarf für die Fraktionsgeschäftsführung zu einem erheblichen Anteil von der Fraktionsstärke abhängig sei. Eine solche Verteilung werde dann dem Zweck der Fraktionsfinanzierung nicht gerecht (BVerwG. Urteil vom 05.07.2012, Az.: 8 C 22.11).

Für die Mehrzahl der unter II genannten Kostenfaktoren ist danach der Ansatz eines gleichen Grundbedarfs bei allen Fraktionen unproblematisch. Zum Grundbedarf gehören insbesondere:

  • Miete für Geschäftsräume nach Größe der Geschäftsstelle, evtl. Sitzungsräume,
  • Unterhaltungskosten der Räume,
  • Wartung und Unterhaltung der Büroausstattung,
  • Papier und sonstiges Verbrauchsmaterial,
  • Zeitschriften und Literatur.

Die danach notwendige Differenzierung der Fraktionszuwendungen kann so aussehen, dass der Grundbetrag in einem für alle Fraktionen gleichen Sockelbetrag zusammengefasst wird und daneben ein bestimmter Kopfbetrag pro Mitglied der Fraktion gezahlt wird.

V

Zu den Grundsätzen einer geordneten Haushaltswirtschaft gehört die Prüfung der zweckentsprechenden Mittelverwendung, insbesondere dann, wenn die Haushaltsmittel den Fraktionen zur Selbstbewirtschaftung zugewiesen werden.

  1. Festzustellen ist, ob die Mittel bestimmungsgemäß für die zulässigen Zwecke und nach den Grundsätzen einer sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung verwendet worden sind. Politische Entscheidungen der Fraktionen im Rahmen ihrer Aufgaben sind nicht Gegenstand der Prüfung.
  2. Als örtliche Kontrollinstanz wird der Hauptverwaltungsbeamte bestimmt, der die Prüfung selbst oder durch Mitarbeiter vornimmt, die nicht dem Rechnungsprüfungsamt angehören. Weder der Rechnungsprüfungsausschuss noch das Rechnungsprüfungsamt sind einzuschalten, da diese der Vertretung unterstehen und verhindert werden soll, dass sich die Fraktionen selbst oder gegenseitig kontrollieren.
  3. Werden Verstöße festgestellt, sind die nicht oder nicht bestimmungsgemäß verwendeten Mittel zurückfordern oder mit künftigen Zuwendungen zu verrechnen. Nicht verausgabte Fraktionszuwendungen können im Rahmen des § 24 KomHKV, auf das folgende Haushaltsjahr übertragen werden.

VI

Im Fall einer Rückforderung von gewährten Mitteln oder Sachleistungen ist zu beachten, dass eine Fraktion nur bis zu ihrer Auflösung existiert. Spätestens mit dem Ablauf des kommunalen Mandats ihrer Mitglieder; also mit dem Zusammentritt einer neuen Gemeindevertretung ist eine Fraktion nicht mehr existent. Die Bildung einer neuen Fraktion unter identischem Namen hat darauf keinen Einfluss, denn diese Fraktion beruht auf einem neuen Vertrag ihrer Mitglieder zu deren Bildung.

Eine Fraktion besteht jedoch auch nach deren Auflösung als Willensbildungsorgan der Gemeindevertretung im eingeschränkten Umfang fort, bis eine vollständige Abwicklung erfolgt ist (so OVG NRW Urteil vom 12.11.1991 15 A 1046/90 - juris). Das schließt auch die Geltendmachung und ggf. gerichtliche Durchsetzung von Rückforderungsansprüchen wegen zu Unrecht gezahlter Fraktionszuwendungen oder die Abwicklung zivilrechtlicher Dauerschuldverhältnisse ein.

In Rechtsprechung und Literatur ist anerkannt, dass Fraktionen in kommunalen Vertretungen, die im Unterschied zu Fraktionen im Bundestag und in Landtagen nicht rechtsfähig sind, dennoch in Erfüllung ihrer kommunalverfassungsrechtlichen Aufgaben eine Teilrechtsfähigkeit innehaben. Eine Teilrechtsfähigkeit und damit Beteiligungsfähigkeit in Anwendung von § 61 Nr. 1 oder 2 VwGO ist etwa für die Führung von kommunalverfassungsrechtlichen Streitverfahren gegen ein anderes Organ oder einen Organteil der Gebietskörperschaft (OVG Lüneburg Beschluss vom 09.06.2009 10 ME 17/09 - juris) gegeben.

Zu der Frage der Haftung der - ehemaligen - Fraktionsmitglieder ist anzumerken, dass diese nach der wohl vorherrschenden Meinung im Ergebnis ausgeschlossen ist und für Verbindlichkeiten einer Fraktion diese grundsätzlich mit ihrem Vermögen haftet (vgl. nur LAG Hamm, Urteil vom 12.12.2002, 1 (11) Sa 1813/01 unter Verweis auf OLG Schleswig vom 03.05.1995, 15 U 16/94 - juris).

Für Brandenburg ist keine Rechtsprechung zur Fraktionsfinanzierung bekannt.

VII

Der Runderlass III Nr. 74/1994 wird mit sofortiger Wirkung aufgehoben.