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Erlass zur Verhütung von Unfällen mit Beteiligung von Wild im Land Brandenburg

Erlass zur Verhütung von Unfällen mit Beteiligung von Wild im Land Brandenburg
vom 18. Juni 1999
(ABl./99, [Nr. 28], S.578)

Das Land Brandenburg verfügt über einen sehr artenreichen und relativ hohen  Wildbestand. Auf Grund dieser Tatsache, in Verbindung mit einer ständig steigenden Verkehrsdichte, werden im Land Brandenburg jährlich über 10.000 Verkehrsunfälle mit Wild registriert. Es ist eine ethische und gesetzliche Pflicht, Wildunfälle zu verhindern sowie Mensch und Tier vor Schäden zu schützen.

Auf Grund der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zu § 44 Straßenverkehrsordnung (StVO) in der Fassung vom 22. Oktober 1998 zur Bekämpfung der Verkehrsunfälle wird zum Schutz von Mensch und Tier durch Wildunfälle im Straßenverkehr vom Ministerium für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr im Einvernehmen mit dem Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und nach Anhörung des Ministeriums des Innern des Landes Brandenburg Folgendes festgelegt:

Unter Wild im Sinne dieses Erlasses werden alle frei lebenden Tiere nach § 2 Bundesjagdgesetz verstanden.

1. Erfassung von Wildunfällen

Zwischen der Zahl der offiziell bei den unteren Straßenverkehrsbehörden und der Polizei registrierten Unfälle mit Beteiligung von Wild und den von Kraftfahrtversicherern regulierten Schäden besteht eine große Diskrepanz, so dass von einer sehr hohen Dunkelziffer nicht gemeldeter Wildunfälle ausgegangen werden muss.

Für eine effektive Wildunfallbekämpfung müssen aber verlässliche Daten zum Wildunfallgeschehen ermittelt werden. Da Jagdausübungsberechtigte in ihren Jagdbezirken die umfassendsten Kenntnisse über die Anzahl der Wildunfälle und die örtlichen Wildunfallschwerpunkte besitzen, erfolgt die Bereitstellung der Informationen durch die Jagdausübungsberechtigten.

Die Erfassungsformulare (Anlage 1) werden den Jagdausübungsberechtigten durch die unteren Jagdbehörden übergeben. Berichtszeitraum ist das Jagdjahr. Der Jagdausübungsberechtigte übergibt, mit Ausnahme der Jagdbezirke des Landes, auf freiwilliger Basis die ausgefüllten Formulare jeweils bis zum 15. April an die untere Jagdbehörde.

Die unteren Jagdbehörden führen die Zusammenstellung der Meldungen durch. Die Auswertung der Datenerfassung sowie die Ableitung von Maßnahmen erfolgt durch die Verkehrsunfallkommissionen der Landkreise und kreisfreien Städte.

2. Instrumentarien zur Verhütung von Wildunfällen

2.1 Beschilderung

Die Verwendung des Zeichens (Z.) 142 StVO „Wildwechsel” zeigt in der bisher konventionellen Weise nur wenig Effizienz. Es wird deshalb eine einheitliche Wildwechsel-Warnbeschilderung im Land Brandenburg festgelegt.

2.1.1 Z. 142 StVO „Wildwechsel”

Z.142 StVO darf nur auf Straßen mit schnellerem Verkehr und nur dort aufgestellt werden, wo Wild (Schalenwild) häufig über die Fahrbahn wechselt. (Nummer I VwV-StVO zu Z. 142 StVO; Rn. 1)

Da Wildwechselstellen im Gegensatz zu manchen anderen Gefahrenpunkten örtlich nicht genau festliegen, ist Z. 142 StVO entsprechend rechtzeitig vorher aufzustellen. (Nummer I VwV-StVO zu § 40 StVO; Rn. 1)

Die Länge der Gefahrenstrecke ist auf einem Zusatzschild grundsätzlich anzugeben. Der Einsatz der Schilderkombination sollte aber erst angeordnet werden, wenn mindestens vier Unfälle mit Beteiligung von Wild pro Kilometer und Jahr registriert wurden. Ist die Gefahrenstrecke mehrere Kilometer lang, so empfiehlt es sich, auf Wiederholungsschildern die Länge der jeweiligen Reststrecke anzugeben.

Das Z. 142 StVO mit Zusatzzeichen 1001 ist grundsätzlich beidseitig aufzustellen.

Nach Nummer I VwV-StVO zu Z. 142 StVO, Rn.1, sind die Gefahrenstellen durch die zuständigen Straßenverkehrsbehörden in Abstimmung mit den unteren Jagdbehörden und den Jagdausübungsberechtigten festzulegen.

Die Veränderung des Wildunfallgeschehens ist jährlich zu überprüfen.

2.1.2 Z. 142 StVO, Zusatzzeichen (Zz) „1001“ und/oder Zz „Viele Unfälle“

Für Wildunfallschwerpunkte mit mehr als sechs Wildunfällen, davon einer mit Personenschaden, sollte die Beschilderung Z. 142 StVO mit Zz „Viele Unfälle“ und/oder Zz „1001“ StVO vorgesehen werden. Die aufgeführten Verkehrszeichen mit Zusatzschildern sind an einem Mast oder auf einer gemeinsamen Trägerfläche anzubringen.

Für die Verwendung des Zusatzschildes „Viele Unfälle“ wird durch die oberste Straßenverkehrsbehörde eine allgemeine Zustimmung erteilt. (Nummer III 17 a VwV-StVO zu §§ 39 bis 43 StVO; Rn. 45)

2.1.3 Punktuelle Gefahrenstellenbeschilderung

Eine punktuelle Beschilderung im unmittelbaren Bereich eines bekannten Wildunfallschwerpunktes oder Wildwechsels erzielt eine kurzfristige und bewusstere Wahrnehmung durch den Kraftfahrer.  Voraussetzung hierfür ist eine möglichst genaue Kenntnis bekannter Wildwechsel und bekannter Wildunfallschwerpunkte. Die zusätzliche Wiedergabe des Z. 142 StVO auf der Fahrbahn ist außerorts an diesen Punkten zulässig.

2.1.4 Beschilderung bei Bewegungsjagden

Die Beschilderung von Bewegungsjagden hat mit dem Zeichen 142 StVO zuzüglich des Zusatzzeichens „Treibjagd“ zu erfolgen. Für die Verwendung des Zusatzschildes „Treibjagd“ hat die oberste Straßenverkehrsbehörde bereits mit Rundschreiben Nr. 17/95 vom 7. September 1995 ihre generelle Zustimmung erteilt. Die Anordnung ist beim zuständigen Straßenverkehrsamt 14 Tage vorher zu beantragen, wobei das Formular zum Antrag einer Erlaubnis nach § 29 Abs. 2 StVO Verwendung finden sollte (Anlage 2).

Die Beschilderung von Bewegungsjagden wird gegenüber dem Veranstalter der Jagd angeordnet.

2.1.5 Nichtamtliche Gefahrenstellenkennzeichnung

Eine private, nichtamtliche Beschilderung jeder Art ist nach der StVO nicht zulässig.

2.2 Wildwarnreflektoren

Wildwarnreflektoren sind großflächige, stationäre Rückstrahler, die an der straßenabgewandten Seite an Leitpfosten angebracht werden können. Wildwarnreflektoren sind einfach zu montieren und nahezu wartungsfrei. Wildwarnreflektoren sind grundsätzlich beidseitig der Straße anzubringen.

Beim Einsatz von Wildwarnreflektoren sind die Leitpfostenabstände auf 25 m zu reduzieren, da bei einem Leitpfostenabstand von 50 m nur eine punktuelle Wirkung zu erzielen ist. Für die Verdichtung der Leitpfostenabstände aus Gründen der Anbringung von Wildwarnreflektoren trägt der Jagdausübungsberechtigte die Kosten.

Die Brandenburgischen Straßenbauämter dulden als Straßenbaulastträger für Bundes- und Landesstraßen die Anbringung von Wildwarnreflektoren durch die Jagdausübungsberechtigten an den Leitpfosten. Die Kontrolle, Wartung und Pflege der Wildwarnreflektoren erfolgt durch den Jagdausübungsberechtigten in eigener Zuständigkeit. Die Reinigung der reflektierenden Oberflächen wird durch die Spezialfahrzeuge der Straßenmeistereien turnusmäßig vorgenommen.

Der Einsatz von Wildwarnreflektoren ist im Zusammenhang mit ergänzenden Maßnahmen, wie z. B. dem Auslichten der Gehölze im Randbereich, zu sehen. Die Zuständigkeit liegt für Auslichtungsmaßnahmen auf dem Straßengrundstück beim zuständigen Straßenbaulastträger, außerhalb des Straßengrundstücks beim Jagdausübungsberechtigten.

2.3 Duftzäune

Duftzäune sind virtuelle Zäune, die entlang der Fahrbahn in Form von Polyurethanschäumen ausgebracht werden können. Eine Duftstoffmischung, die die Witterung von Wolf, Bär, Mensch und Luchs synthetisiert, soll den Wildwechsel verhindern bzw. in Verbindung mit Fahrzeuggeräuschen das Wild vom Wechseln abhalten.  Das im Sonnenlicht enthaltene UV-Spektrum aktiviert die Duftstoffe. Die Grundidee des Duftzauns ist die Sensibilisierung des Wildes durch fremde Duftstoffe.

Duftzäune können durch die Jagdausübungsberechtigten ausgebracht werden. Sollen die Duftzäune auf dem Straßengrundstück ausgebracht werden, ist vorher mit dem zuständigen Straßenbaulastträger Einvernehmen herzustellen.

Die Landesunfallkommission wird Empfehlungen für den Einsatz von Duftzäunen aussprechen.

2.4 Wildschutzzäune

Wildschutzzäune sind das klassische Instrument zur Wildunfallprävention. Sie verhindern als Sperre die Wildwechselaktivität von kleinem und größerem Wild. Sie müssen grundsätzlich beidseitig errichtet werden.

Für Bundesfernstraßen hat der Bundesminister für Verkehr die „Richtlinien für Wildschutzzäune“ (WschuZR) erlassen. Demnach sind Wildschutzzäune für zweibahnige bzw. vierstreifige und anbaufreie Straßen vorgesehen. Aber auch an Bundesstraßen mit einer Fahrbahn für beide Richtungen und planfreien Knoten kommen Wildschutzzäune im Ausnahmefall in Betracht.

Die Errichtung von Wildschutzzäunen an Landesstraßen wird analog der WschuZR durchgeführt. Wildschutzzäune sind im Land Brandenburg nur dann einzusetzen, wenn Unfälle mit Wild unverhältnismäßig hoch sind.

Der Bau von Wildschutzzäunen aus Forstschutzgründen wird durch diesen Erlass nicht berührt.

2.5 Wildbrücken

Zusätzlich zu Wildschutzzäunen können Wild-/Grünbrücken angelegt werden, die einen gewollten Wildwechsel sicher ermöglichen. Diese Brücken sind aber aufgrund ihres Kostenaufwandes nur im Ausnahmefall über  Bundesfernstraßen vorzusehen.

Bei Neubaumaßnahmen in Bereichen mit starkem Wildwechsel sollten neben Wildbrücken auch Unterführungen in Betracht gezogen werden.

2.6 Sonstige Maßnahmen

Die rechtzeitige Ausholzung des Randbereiches der Straßen (Bankette) und die regelmäßige Grasmahd durch die Straßenmeisterei sind wirksame Maßnahmen zur Bekämpfung von Wildunfällen, weil damit die Sicht auf das Wild verbessert und das Futterangebot verringert werden.

Im Jagdfachhandel werden sogenannte Reflektorfolien angeboten, die in einem Abstand von 4 bis 5 Metern vom Fahrbahnrand an den Bäumen befestigt werden können. Die Anbringung ist behördlich genehmigungsfrei. Aus Baumschutzgründen soll diese Folie nur aufgeklebt und nicht angenagelt werden.

Die Verwendung masttragender Baumarten zur Bepflanzung von Straßenrändern ist unzulässig.

3. Öffentlichkeitsarbeit

Das Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und der Landesjagdverband Brandenburg e.V. werden ein gesondertes Faltblatt zum Thema „Verhütung von Wildunfällen” herausgeben, in dem Kraftfahrer auch über das Verhalten nach Wildunfällen aufgeklärt werden sollen.

Anlagen

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