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Erlass Nr. 12/2017 im Ausländerrecht
Durchführung der aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen über die Beendigung des Aufenthalts (Rückführungserlass)

Erlass Nr. 12/2017 im Ausländerrecht
Durchführung der aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen über die Beendigung des Aufenthalts (Rückführungserlass)

vom 19. Dezember 2017

geändert durch Vorschrift vom 9. Juli 2018

Außer Kraft getreten durch Allgemeine Weisung Nr. 07/2019 vom 28. August 2019

1. Anlass für die Regelung

Die folgenden Regelungen werden zur sachgerechten Anwendung der Vorschriften des Abschnitts 2 des 5. Kapitels des Aufenthaltsgesetzes und in Ergänzung der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz des Bundesministeriums des Innern vom 26.10.2009 – AVwV – (GMBl. 2009, S. 878 ff.) erlassen, soweit diese Bestimmungen von den Ausländerbehörden (§§ 1 und 3 der Ausländer- und Asyl-Zuständigkeitsverordnung) auszuführen sind oder diese Behörden an der Ausführung der Bestimmungen durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mitwirken. Sie dienen der einheitlichen Auslegung der gesetzlichen Tatbestände und, soweit diese ein Ermessen eröffnen, dessen einheitlicher Anwendung im Land Brandenburg.

2. Grundsätze

2.1 Vorrang der freiwilligen Rückkehr

2.1.1 Die freiwillige Rückkehr der ausreisepflichtigen Ausländerinnen und Ausländer, insbesondere von Familien mit minderjährigen Kindern, in ihre Herkunftsländer genießt grundsätzlich Vorrang vor der Abschiebung gemäß § 58 Aufenthaltsgesetz. Dazu sind alle rechtlichen, finanziellen und organisatorischen Möglichkeiten zu nutzen, um den Ausreisepflichtigen eine wirkungsvolle Unterstützung bei der Vorbereitung und Durchführung der freiwilligen Ausreise zukommen zu lassen.

Ein Drittstaatsangehöriger gilt als freiwillig ausgereist, wenn er eigenständig und ohne staatliche Zwangsmaßnahmen Deutschland mit der Absicht verlässt, sich in einem anderen Drittstaat außerhalb der Dublin-Mitgliedstaaten dauerhaft niederzulassen. Eine Ausreisepflicht muss nicht vorliegen.

2.1.2 Die Ausländerinnen und Ausländer sind durch die Ausländerbehörde auf die Möglichkeiten und Vorteile einer freiwilligen Ausreise hinzuweisen und entsprechend zu beraten. Gibt eine Ausländerin oder ein Ausländer zu erkennen, dass die Ausreise ernsthaft beabsichtigt ist und ist diese auch tatsächlich möglich, soll grundsätzlich die Möglichkeit zur freiwilligen Ausreise auch dann eingeräumt werden, wenn die gesetzliche Frist bereits abgelaufen ist.

2.1.3 Die freiwillige Rückkehr ausreisepflichtiger Ausländerinnen und Ausländer hat grundsätzlich keinen Vorrang, wenn

  1. die freiwillige Erfüllung der Ausreisepflicht nicht gesichert ist (§ 58 Abs. 1 Satz 1 AufenthG)
    oder
  2. aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung eine Überwachung der Ausreise erforderlich erscheint (§ 58 Abs. 1 Satz 1 AufenthG).

2.1.4 Die Zuständigkeit für Verfahren, die unter den Anwendungsbereich der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06. 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin-III-VO) fallen, liegt bei dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Die Ausländerbehörden leisten dem BAMF Vollzugshilfe und die betroffenen Personen sind im Regelfall unter Anwendung von Verwaltungszwang an den zuständigen Mitgliedstaat zu überstellen. Im Einzelfall kann ausnahmsweise eine Überstellung ohne behördliche Überwachung in Betracht gezogen werden. Dies ist beispielsweise denkbar in Fällen, in denen die asylsuchende Person eine Familienzusammenführung in dem anderen Mitgliedstaat wünscht. Die Initiative hierzu muss von der asylsuchenden Person ausgehen und sie muss regelmäßig auch die finanziellen Mittel für die Ausreise beschaffen. Erscheint nach Prüfung der Umstände des Einzelfalls eine rechtzeitige Überstellung auch bei einer selbstorganisierten Ausreise gesichert, ist der Ausländerin oder dem Ausländer diese Möglichkeit einzuräumen (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.09.2015, 1 C 26.14 – ZAR 2016, 71, 73). Erfolgt eine selbstorganisierte Ausreise, dokumentiert die Ausländerbehörde dies und unterrichtet das BAMF hiervon.

2.1.5 Im Fall einer selbstorganisierten Ausreise im Sinne der Nr. 2.1.4 ist sicherzustellen, dass die gewährte Ausreisefrist zur freiwilligen Ausreise innerhalb der vom BAMF vorgegebenen Frist zur Überstellung in den zur Aufnahme verpflichteten Mitgliedstaat liegt. Die freiwillige Ausreise in den Heimatstaat darf nicht durch die Möglichkeit der Rücküberstellung in einen anderen EU-Mitgliedstaat beeinträchtigt werden.

2.1.6 Unbeschadet der Regelung in Nr. 2.1.4 kommt eine freiwillige Ausreise in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union nur dann in Betracht, wenn die Ausländerin oder der Ausländer dort einreisen und sich dort aufhalten darf. Die Ausländerbehörde muss von der Ausländerin oder dem Ausländer einen entsprechenden Nachweis verlangen, der nach § 82 Absatz 1 Satz 1 AufenthG zu erbringen ist.

2.2 Intensivierung der Rückkehrberatung

2.2.1 Ausreisepflichtige sollten, möglichst noch vor Eintritt der Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht, auf die Möglichkeiten der freiwilligen Ausreise, insbesondere der Rückkehrhilfen, und auf die Konsequenzen einer nicht freiwilligen Ausreise hingewiesen werden. Dies sollte idealerweise in einem Gespräch erfolgen, ein schriftlicher Hinweis kann auch genügen, soweit er für die betroffene Person verständlich ist. Zeigt die Ausländerin oder der Ausländer Interesse an einer Ausreise innerhalb der Ausreisefrist, so ermöglicht die Ausländerbehörde eine Beratung zur freiwilligen Rückkehr durch eigene Beschäftigte oder vermittelt an den zuständigen Migrationsdienst.

Dies gilt insbesondere für Ausländerinnen und Ausländern, die aus dem Kreis der sicheren Herkunftsstaaten gemäß Anlage II zu § 29a AsylG stammen. Dieser Personenkreis ohne flüchtlingsrechtlich relevanten Schutzbedarf soll auf die erfolgten Verschärfungen des AsylG, AsylbLG und AufenthG hingewiesen werden, um seine Rückkehrwilligkeit zu fördern:

  1. Verbleib in der Erstaufnahmeeinrichtung – auch bei Folgeanträgen – bis zum Abschluss des Verfahrens bzw. bis zur Ausreise/Abschiebung (§§ 47 Abs. 1a und 59a AsylG), um eine raschere Beendigung des Aufenthalts aus der Erstaufnahmeeinrichtung heraus zu gewährleisten. In besonderen Ausnahmefällen kann es jedoch in Anwendung der §§ 48 bis 50 AsylG dazu kommen, dass die Asylsuchenden auf die Landkreise und kreisfreien Städte verteilt werden.
  2. Verbot der Ausübung einer Erwerbstätigkeit während des Asylverfahrens, wenn die Einreise nach dem 31.08.2015 erfolgte (§ 61 Abs. 2 S.4 AsylG). Dies gilt auch für die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung (Duldung) gemäß § 60a Abs. 6 S. 1 Nr. 3 AufenthG, wenn der nach dem 31.08.2015 gestellte Asylantrag abgelehnt wurde.
  3. Keine vorherige Androhung und Fristsetzung der Abschiebung (§ 59 Abs. 1 letzter Satz AufenthG).
  4. Leistungseinschränkungen für vollziehbar Ausreisepflichtige, die nicht ausgereist sind, obwohl sie unverzüglich zur Ausreise verpflichtet waren. Nach Ablauf des festgesetzten Ausreisetermins erhalten sie nur noch die notwendigsten Leistungen, die außerdem nicht als Geldleistung, sondern als Sachleistungen erbracht werden sollen (§ 1a Abs. 2 S.4 AsylbLG). Hiervon nicht betroffen sind nur Leistungsberechtigte, die schuldlos nicht ausgereist sind, weil rechtliche oder tatsächliche Gründe, z. B. Reiseunfähigkeit oder faktisch nicht vorhandene Reisemöglichkeit, die Ausreise verhinderten.
  5. Die Ausländerbehörden teilen den zuständigen Sozialämtern mit, sobald ein Ausländer oder eine Ausländerin den Ausreisetermin nicht wahrgenommen hat und die Ausreise aus Gründen, die der Ausländer, die Ausländerin zu vertreten hat, nicht stattfinden konnte (§ 90 Abs. 3 AufenthG). Die Mitteilung bezieht sich auf alle bekannten Umstände, welche erheblich sind, damit das Sozialamt eine eigene Einschätzung bezüglich der Leistungskürzung vornehmen kann.
  6. Leistungen in Geld oder Geldeswert dürfen gemäß § 3 Abs. 6 Satz 3 AsylbLG höchstens für einen Monat im Voraus erbracht werden.

2.2.2 Asylsuchende aus sicheren Herkunftsstaaten sind außerdem darauf hinzuweisen, dass nach den Bestimmungen des § 11 Abs. 7 Nr. 1 AufenthG ein Einreise- und Aufenthaltsverbot für längere Zeit angeordnet werden kann, wenn ihr Asylantrag u. a. nach § 29a Abs. 1 AsylG als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde. Bei einer Rücknahme des Asylantrags, verbunden mit einer freiwilligen Ausreise, bleibt ihnen hingegen die Möglichkeit erhalten, aus ihrem Heimatland einen Aufenthaltstitel zu Arbeitszwecken zu beantragen.

2.2.3 Es wird empfohlen, die erfolgte Rückkehrberatung in der Ausländerakte zu dokumentieren. Aus der Dokumentation soll sich die Art und Weise (gesprächsweise oder schriftlich), der Zeitpunkt und das Ergebnis der Beratung ergeben.

2.2.4 Ergibt die Rückkehrberatung, dass tatsächlich eine freiwillige Ausreise beabsichtigt ist, die jedoch aus nachvollziehbaren Gründen (bspw. besondere Dauer des Aufenthalts, Vorhandensein schulpflichtiger Kinder, oder das Bestehen anderer sozialer, familiärer Bindungen) innerhalb der Ausreisepflicht nicht erfolgen kann, soll die freiwillige Ausreise weiterhin ermöglicht werden. Die Ausreisefrist kann in diesen Fällen angemessen verlängert werden (§ 59 Abs. 1 Satz 4 AufenthG). Auf die Information Nr. 13/2017 wird hingewiesen.

2.2.5 Mit der Änderung des § 60a Abs. 2 AufenthG durch das Integrationsgesetz vom 31.07.2016 (BGBl. I S.1939) wird Ausländerinnen und Ausländern, die nicht aus einem sicheren Herkunftsstaat nach § 29a AsylG stammen, auch die Durchführung und Aufnahme einer Berufsausbildung erleichtert. Zu den Voraussetzungen der Erteilung einer Ausbildungsduldung gem. § 60a Abs. 2 S. 4 ff. AufenthG wird auf den Erlass Nr. 10/2017 vom 27.10.2017 verwiesen.

2.2.6 Im Fall der Rücknahme des Asylantrags oder der Klage oder des Verzichts auf die Durchführung des Asylverfahrens nach § 14a Abs. 3 AsylG kann der Ausländerin oder dem Ausländer eine Ausreisefrist bis zu drei Monaten eingeräumt werden, wenn sie oder er sich zur freiwilligen Ausreise bereit erklärt (§ 38 Abs. 3 AsylG).

2.2.7 Die Möglichkeiten einer Ausreise über die derzeitigen Programme REAG und GARP, ERIN sowie StarthilfePlus sind auszuschöpfen.

3. Regelungen für die Durchsetzung der Ausreisepflicht

3.1 Rechtliche Grundlagen

3.1.1 Dublin – Überstellungen

3.1.1.1 Reist eine Ausländerin oder ein Ausländer aus einem sicheren Drittstaat ein, kann sie oder er sich grundsätzlich nicht auf Artikel 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes berufen (§ 26a AsylG). Sie oder er wird nicht als Asylberechtigte bzw. Asylberechtigter anerkannt. In diesem Fall ordnet das BAMF gemäß § 34a AsylG die Abschiebung in den zuständigen Mitgliedstaat, in einen anderen sicheren Drittstaat gemäß Anlage I zu § 26a AsylG oder in einen nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann.

3.1.1.2 Das BAMF prüft im Rahmen einer Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylG - anders als sonst im Asylverfahren - alle zielstaatsbezogenen und inlandsbezogenen Abschiebungshindernisse, die sowohl bis zur Erstellung des Bescheides als auch nachträglich auftreten. Daneben besteht keine eigene Entscheidungskompetenz der Ausländerbehörde. Die Ausländerbehörde ist an die Entscheidung des BAMF zu zielstaatsbezogenen und inlandsbezogenen Abschiebungshindernissen gebunden.

Das BAMF hebt die Abschiebungsanordnung ggf. auf oder weist die Ausländerbehörde an, die Vollziehung auszusetzen.

3.1.1.3 Werden Reiseunfähigkeit oder sonstige medizinische Belange (z. B. Suizid-Gefahr) als Abschiebungshindernisse begründet und schlüssig vorgetragen, ist eine erforderliche Untersuchung durch die Ausländerbehörde in Amtshilfe für das BAMF unter Hinzuziehung der zuständigen Gesundheitsämter und Fachärzte durchzuführen. Die Kosten für die Beauftragung von Ärzten zur Feststellung der Reisefähigkeit oder Prüfung sonstiger gesundheitlicher Fragestellungen, die Abschiebungshindernisse betreffen, trägt das BAMF.

3.1.1.4. Bei Überstellungen nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26.06.2013 (Dublin III VO) sind gem. Art. 30 Abs.1 und 3 der Verordnung keine Sicherheitsleistungen zu erheben.

3.1.1.5 Einzelheiten zum Verfahren sind meiner Information Nr. 16/2015 vom 08.05.2015 zu entnehmen.

3.1.2. Priorisierung von Asylverfahren bei straffälligen Asylbewerbern

Beim BAMF besteht die Möglichkeit, Asylanträge von straffälligen Asylbewerbern priorisiert zu behandeln, um einen schnelleren Abschluss des Asylverfahrens zu erwirken.

Hierfür ist das bekannte Formular des BAMF auszufüllen und die Verfahrenshinweise sind zu beachten.

Bevor die Ausländerbehörden einen Asylbewerber für das priorisierte Verfahren melden, soll die Behörde folgende Aspekte berücksichtigen:

a) Einschätzung der Rückführungsperspektive

Das priorisierte Verfahren ist nur dann zweckdienlich, wenn auch eine realistische Chance auf eine Aufenthaltsbeendigung besteht. Liegen für die betroffene Person keine Heimatpässe vor, sind die Aussichten der Rückführung insbesondere danach zu beurteilen, ob die Identität der Person geklärt ist, ob sie bei der Identitätsklärung mitwirkt und ob die Person aus einem Herkunftsstaat stammt, der bei der Rückführung seiner Staatsangehörigen kooperiert (z. B. durch Akzeptieren von Rückführungen mit EU-Laissez-Passer). Unterstützend kann die ZABH im Rahmen ihrer unter Punkt 5.2.3. geregelten Zuständigkeiten tätig werden.

b) Vermeidung unerwünschter Bevorzugung

Zu beachten ist auch, dass das priorisierte Verfahren nicht in allen Fällen zu dem gewünschten Zweck der schnelleren Abschiebung von straffälligen Asylbewerbern und der damit verbundenen Signalwirkung beiträgt.

Stammt die betroffene Person aus einem Herkunftsstaat mit einer hohen Anerkennungsquote, kann das beschleunigte Asylverfahren dazu führen, dass die straffällige Person gegenüber nicht straffälligen Asylbewerbern bevorzugt wird.

Mit dem aufgrund einer Asyl- oder Flüchtlingsanerkennung erteilten Aufenthaltstitel besteht z. B. ein Anspruch auf SGB-Leistungen sowie dem Grunde nach auf Kindergeld, Kinderzuschlag, Elterngeld, Unterhaltsvorschuss und Ausbildungsförderung. Die Betroffenen haben uneingeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt, haben – unabhängig von der Frage der Lebensunterhaltsicherung – Anspruch auf Familiennachzug und können unter bestimmten Voraussetzungen ihren Wohnort frei wählen. Bei Personen aus Herkunftsstaaten wie Syrien, Eritrea, Irak und Somalia liegt diese unerwünschte Bevorzugung auf der Hand.

c) Berücksichtigung von Schwere und/oder Häufigkeit der vorliegenden Delinquenz

Eine übermäßige Nutzung der Möglichkeit der priorisierten Asylverfahren würde den Wert der Unterstützungsmaßnahme mindern.

Schwere und Häufigkeit der Delinquenz sollten deswegen in die Gesamtabwägung mit einbezogen werden. Eine rechtskräftige Verurteilung ist nicht Voraussetzung für die Bitte um Verfahrensbeschleunigung. Entscheidend ist, ob durch die Meldung eine im öffentlichen Interesse stehende Beendigung des Aufenthaltes schneller realisiert werden kann.

3.1.3 Abschiebung

3.1.3.1 Nutzt die Ausländerin oder der Ausländer die Möglichkeiten der freiwilligen Ausreise und die dazu unterbreiteten Unterstützungsangebote nicht und wird die Erfüllung der Ausreisepflicht verweigert, sind die zuständigen Ausländerbehörden gemäß § 58 Abs. 1 AufenthG verpflichtet, die Ausreisepflicht zwangsweise durchzusetzen und die Abschiebung einzuleiten.

Es wird darauf hingewiesen, dass die Klage eines Ausländers oder einer Ausländerin gegen Entscheidungen nach dem Asylgesetz nur in den in § 75 AsylG festgelegten Fällen aufschiebende Wirkung entfaltet. Wurde in den anderen Fällen kein Antrag auf einstweiligen Rechtschutz gestellt, bleibt der Ausländer oder die Ausländerin trotz Klageerhebung vollziehbar ausreisepflichtig und die Rückführung kann fortgeführt werden.

3.1.3.2 Die Abschiebung ist eine spezialgesetzlich geregelte Form des unmittelbaren Zwanges. Sie ist daher als letzte Maßnahme zur Durchsetzung einer vollziehbaren Ausreisepflicht nur zulässig, wenn keine von der Ausländerbehörde zu prüfende inlandbezogene Hindernisse bestehen. Die Ausländerbehörden haben - neben BAMF und ZABH - im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung bei der Abschiebungsvorbereitung anhand der Aktenlage (oder durch ein Gespräch) auch erneut zu überprüfen, ob es sich bei den Ausreisepflichtigen um besonders schutzbedürftige Personen im Sinn der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (EU-Aufnahme-RL) handelt. Es wird empfohlen, das Ergebnis der Prüfung schriftlich festzuhalten. Die beteiligten Behörden sind im Rahmen der ihnen bei der Vorbereitung und Durchführung der Abschiebung obliegenden Aufgaben verpflichtet, ihre Maßnahmen so zu gestalten, dass die Belastungen für die abzuschiebenden Personen so gering wie möglich gehalten werden. Es ist bei der Vorbereitung der Abschiebung sicherzustellen, dass die Interessen der Betroffenen umfassend berücksichtigt werden, insbesondere wenn es sich um besonders schutzbedürftige Personengruppen wie Familien oder alleinerziehende Elternteile mit schulpflichtigen oder minderjährigen Kindern, Schwangere, lebensältere, behinderte oder erkrankte Personen handelt. Unbegleitete Minderjährige sind nur abzuschieben, soweit ihre Betreuung dadurch sichergestellt ist, dass sie im Rückkehrstaat einem Mitglied ihrer Familie, einer zur Personensorge berechtigten Person oder einer geeigneten Aufnahmeeinrichtung übergeben werden (§ 58 Abs. 1a AufenthG).

3.1.4 Verbot der Ankündigung des Abschiebungstermins

3.1.4.1 Das Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz hat mit der Änderung des § 59 Abs. 1 AufenthG ein Verbot der Ankündigung des Abschiebungstermins eingeführt. Danach darf der Ausländerin oder dem Ausländer der Termin der Abschiebung nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise nicht mehr angekündigt werden. Die Androhung der Abschiebung, die der Ausländerin oder dem Ausländer bekannt gegeben wird, enthält unmissverständlich die Ankündigung, dass nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise die Ausreisepflicht zwangsweise durchzusetzen ist. Den Betroffenen ist daher bewusst, dass sie innerhalb der freiwilligen Ausreisefrist das Land verlassen müssen, da sonst die Abschiebung droht. Sie können sich mithin auf die jederzeitige Abschiebung einstellen. Mit dieser Gesetzesänderung soll verhindert werden, dass Ausreisepflichtige an dem mitgeteilten Termin nicht zur Verfügung stehen, sondern sich der mit hohem Verwaltungsaufwand geplanten Maßnahme entziehen. Dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wird Rechnung getragen, da die Ausreisepflichtigen mit der Abschiebungsandrohung eindeutig über die Rechtsfolge einer nicht rechtzeitig erfolgten freiwilligen Ausreise informiert worden sind.

Hierdurch kann sich eine Einschränkung des Haftgrundes gem. § 62 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 AufenthG ergeben. Befürchtet die Ausländerbehörde, dass die ausreisepflichtige Person ihrer Ausreisepflicht nicht nachkommen wird, steht es ihr frei, während der noch laufenden freiwilligen Ausreisefrist vorsorglich einen Termin für die Abschiebung mitzuteilen. Wird die Person an dem angekündigten Termin und dem vorgegebenen Ort nicht angetroffen, ist die Beantragung von Sicherungshaft gem. § 62 Abs. 3 S.1 Nr. 3 AufenthG zu prüfen.

3.1.4.2 Gleiches gilt für einen erneuten Abschiebungsversuch nach einer gescheiterten Rückführungsmaßnahme. Auch in diesem Fall darf der Abschiebungsversuch terminlich nicht angekündigt werden.

3.1.4.3 Soll die Abschiebung einer Ausländerin oder eines Ausländers gemeinsam mit anderen Ausreisepflichtigen erfolgen, z. B. im Zuge einer Rückführung mit einem Charterflug, so hat die Bekanntgabe des Termins ebenfalls zu unterbleiben, um zu verhindern, dass der Termin vorzeitig bekannt wird und sich ein Großteil der Rückzuführenden der Maßnahme entziehen kann.

3.1.4.4 Keine Anwendung des § 59 Abs. 1 S. 8 AufenthG

§ 59 Abs. 1 S.8 AufenthG gilt nicht für vollziehbar Ausreisepflichtige, deren Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt war. Die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung ist gem. § 60a Abs. 5 S. 4 AufenthG mindestens einen Monat vorher anzukündigen, ein konkreter Abschiebungstermin muss nicht bekanntgegeben werden. Die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzliche falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.

Das Verbot der Ankündigung der Abschiebung gilt ebenfalls gem. § 59 Abs. 5 S. 2 AufenthG nicht bei Haftfällen, die Abschiebung von inhaftierten Personen soll mindestens eine Woche vorher angekündigt werden.

3.1.4.5 In den Fällen, in welchen eine Ausreisepflicht nach der Verordnung EU 604/2013 (Dublin III) besteht, ist das Ankündigungsverbot des § 59 Abs. 1 S.8 AufenthG grundsätzlich zu beachten. Die zuständige Ausländerbehörde entscheidet im Einzelfall, ob eine Ankündigung des Abschiebungstermins sinnvoll erscheint oder nicht. Liegt der Abschiebungstermin in zeitlicher Nähe zu dem Termin des Ablaufs der Überstellungsfrist, sollte die Abschiebung angekündigt werden, damit die Überstellungsfrist verlängert werden kann, falls der Ausländer am Tag der Abschiebung nicht angetroffen wird. Hat der Ausländer angekündigt, dass er sich der Rückführungsmaßnahme widersetzen wird, kann eine Ankündigung ebenfalls sinnvoll sein, um Abschiebungshaft gem. § 62 Abs. 3 Nr. 3 AufenthG zu ermöglichen.

3.1.5 Aussetzung der Abschiebung nach § 43 Abs. 3 AsylG

3.1.5.1 Eine Aussetzung der Abschiebung nach § 43 Abs. 3 AsylG soll in der Regel erfolgen, wenn

  1. die Familienangehörigen i. S. d. § 26 Abs.1 – 3 AsylG (Ehegatten, Eltern, minderjährige Kinder, Lebenspartner, andere sorgeberechtigte Erwachsene, minderjährige ledige Geschwister) innerhalb von sechs Monaten in das Bundesgebiet eingereist sind und der Asylantrag jeweils zwei Wochen nach der Einreise gestellt wurde und
  2. damit zu rechnen ist, dass die Familienangehörigen, deren Aufenthalt noch gestattet ist, in Kürze vollziehbar zur Ausreise verpflichtet sein werden, und
  3. durch die Abschiebung eines Ehegatten der andere Ehegatte oder die minderjährigen Kinder öffentliche Leistungen beanspruchen müssten oder
  4. dies zur Betreuung eines Ehegatten oder der minderjährigen Kinder erforderlich ist; in diesem Fall kann zur Vermeidung von außergewöhnlichen Härten eine Duldung auch dann erteilt werden, wenn die Einreise nicht innerhalb von sechs Monaten erfolgt ist.

3.1.4.2 Eine Duldung nach § 43 Abs. 3 AsylG wird in der Regel nicht erteilt, wenn

  1. ein Asylfolgeantrag gestellt wird oder
  2. offensichtlich ist, dass die Antragstellung nur erfolgt, um eine Aufenthaltsbeendigung des ausreisepflichtigen Familienangehörigen zu verhindern. Die Betreuung minderjähriger Kinder durch ein Elternteil ist jedoch sicherzustellen.
  3. gewichtige öffentliche Interessen an einer zeitnahen Durchsetzung der Ausreisepflicht die privaten Interessen der Ausländerin oder des Ausländers an der Aussetzung der Abschiebung überwiegen. Etwa, wenn der Ausländer straffällig geworden ist und/oder eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.

3.1.6 Aufgreifen der abzuschiebenden Person; Amtshilfe

3.1.6.1 Wird eine ausreisepflichtige Person, gegen die eine vollziehbare Abschiebungsandrohung vorliegt, in einem anderen Bundesland aufgegriffen, ersucht die für die Abschiebung zuständige Behörde, in deren Bezirk sich die Ausländerin oder der Ausländer aufzuhalten hat, die Ausländerbehörde des Aufgriffsortes um Durchführung der Abschiebung im Wege der Amtshilfe.

3.1.6.2 Wird eine ausreisepflichtige Person, die sich während des Asylverfahrens in einem anderen Bundesland aufzuhalten hatte und gegen die oder den eine vollziehbare Abschiebungsandrohung vorliegt, im Bezirk einer Ausländerbehörde in Brandenburg aufgegriffen, so führt diese die Abschiebung im Wege der Amtshilfe gemäß § 4 Abs. 1 VwVfG durch, sofern die Ausländerbehörde des anderen Bundeslandes hierum ersucht.

3.1.6.3 Für sonstige Fälle der Abschiebung im Wege der Amtshilfe gelten die Nummern 3.1.6.1 und 3.1.6.2 entsprechend.

3.1.7 Betreten und Durchsuchen der Wohnung während des Abschiebungsvollzuges

Weigert sich die abzuschiebende Person, die Tür zu öffnen, und liegt die Vermutung nahe, dass sich in einer Wohnung abzuschiebende Personen verborgen halten, kann es notwendig werden, die Wohnung gegen den Willen des Wohnungsinhabers zu betreten oder zu durchsuchen.

Beide Verhaltensweisen sind dadurch gekennzeichnet, dass sie einen Eingriff in das Grundrecht der Betroffenen aus Art. 13 GG (Unverletzlichkeit der Wohnung) darstellen und deswegen besonderer Sorgfalt bedürfen.

Während für die Durchsuchung der Wohnung immer ein richterlicher Beschluss notwendig ist (Ausnahme Art. 13 Abs. 2 GG Gefahr im Verzug, wird in der Regel bei Maßnahmen zur Durchführung von Abschiebungen nicht gegeben sein), stellt das Betreten der Wohnung einen sonstigen Eingriff nach Art. 13 Abs. 7 GG dar und ein gerichtlicher Beschluss ist hierfür nicht notwendig.

Wohnung

Der Begriff der Wohnung i. S. d. Art. 13 GG umfasst alle zu privaten Wohnzwecken gewidmete Räumlichkeiten. Hierzu können auch Räumlichkeiten in Gemeinschaftsunterkünften zählen, soweit sie einzelnen Bewohner zur Verfügung gestellt worden sind und zur Entfaltung der Privatsphäre geeignet sind. Dies ist bei einem Schlafsaal, der 10 oder mehr Personen zur Verfügung steht, jedoch nicht anzunehmen (AG Kerpen, Beschluss vom 22.01.2004 – 68 XIV 3/04).

Betreten der Wohnung

Es handelt sich bei dem bloßen Betreten der Wohnung um einen unter Art. 13 Abs. 7 GG fallenden sonstigen Eingriff, der als Maßnahme des unmittelbaren Zwangs zur Durchsetzung der Ausreisepflicht (§ 58 AufenthG) in den gesetzlichen Vorschriften zur Verwaltungsvollstreckung eine hinreichende gesetzliche Grundlage findet (OLG Hamm, Beschluss vom 27.05.2004 – 15 W 307/03).

Grundlage für das Betreten der Wohnung ist somit § 58 AufenthG i. V. m. den landesrechtlichen Regelungen zur Anwendung von unmittelbarem Zwang. Die Anwendung anderer Zwangsmittel (Ersatzmaßnahme, Zwangsgeld) sind bei der Durchführung der Abschiebung regelmäßig untunlich gem. § 34 Abs. 2 VwVGBbg. Soll die Wohnung zur Nachtzeit betreten werden, so ist § 12 VwVGBbg zu beachten, wonach in der Zeit von 21 Uhr bis sechs Uhr sowie an Sonn- und Feiertagen, die schriftliche Erlaubnis der Vollstreckungsbehörde vorliegen muss. Da hier die Ausländerbehörde selbst die Vollstreckungsbehörde ist, genügt es, einen entsprechenden Vermerk zu den Akten zu nehmen. Der Vermerk soll die Umstände, die zu einem nächtlichen Betreten der Wohnung geführt haben, benennen und die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme begründen.

Wohnungsdurchsuchung

Kennzeichnend für den Begriff der Wohnungsdurchsuchung ist das ziel- und zweckgerichtete Suchen staatlicher Organe nach Personen oder Sachen oder zur Ermittlung eines Sachverhaltes, um etwas aufzuspüren, was der Inhaber der Wohnung von sich aus nicht offenlegen oder herausgeben will (BVerfG, Beschluss vom 03.04.1979 – 1 BvR 994/76). Werden über das Betreten der Wohnung hinaus keine Ausforschungshandlungen vorgenommen, so handelt es sich nicht um eine Durchsuchung der Wohnung, sondern um reines Betreten.

Die Ausländerbehörden werden  im Rahmen von Abschiebungen gem. § 11 OBGBbg als Sonderordnungsbehörden tätig und es gelten nach § 23 Nr. 1 g OBGBbg  die Vorschriften des Brandenburgischen Polizeigesetzes bei Durchsuchungen von Wohnungen. Die Rechtsgrundlage für die Wohnungsdurchsuchung findet sich in § 23 Nr. 1 g BbgOBG i. V. m. §§ 23, 24 BbgPolG. Es bedarf eines richterlichen Durchsuchungsbeschlusses, dieser ist gem. § 24 Abs. 1 S. 2 BbgPolG bei dem Amtsgericht einzuholen, in dessen Bezirk die zu durchsuchende Wohnung liegt.

Als Grundlage für die Beantragung eines Durchsuchungsbeschlusses kommt § 23 Abs. 1 Nr. 1 BbgPolG in Betracht. Das heißt, dass die Voraussetzungen für eine Ingewahrsamnahme nach § 17 BbgPolG vorliegen müssen. Die Ingewahrsamnahme ist dann begründet, wenn sie die unmittelbar bevorstehende Begehung einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit, die hinsichtlich ihrer Art und Dauer geeignet ist, den Rechtsfrieden nachhaltig zu beeinträchtigen, verhindern soll. Hiervon kann nach der Rechtsprechung regelmäßig ausgegangen werden, wenn die Abschiebung bereits einmal daran gescheitert ist, dass sich die abzuschiebende Person so in der Wohnung verborgen gehalten hat, dass sie nur durch eine Durchsuchung hätte gefunden werden können. Darüber hinaus können auch andere Umstände, die konkrete Anhaltspunkte dafür geben, dass die Abschiebung wegen des Versteckens in der Wohnung scheitern könnte, die Ingewahrsamnahme begründen (OLG Hamm, Beschluss vom 27.05.2004 – 15 W 307/03).

Durchsuchen der Wohnung zur Nachtzeit

Unter Nachtzeit versteht man in der Zeit vom ersten April bis zum dreißigsten September die Stunden von neun Uhr abends bis vier Uhr morgens und in der Zeit vom ersten Oktober bis zum einunddreißigsten März die Stunden von neun Uhr abends bis sechs Uhr morgens (§ 104 Abs. 3 StPO).

Nach § 23 Abs. 2 BbgPolG ist das Durchsuchen zur Nachtzeit nur unter Vorliegen der Tatbestände des § 23 Abs. 1 Nr. 3 oder 4 BbgPolG (Nr. 3: von der Wohnung gehen Emissionen aus, die nach Art, Ausmaß oder Dauer zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Nachbarschaft führen. Nr. 4: das Durchsuchen ist zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder für Sachen von bedeutendem Wert erforderlich) möglich. Beide Alternativen werden regelmäßig nicht gegeben sein.

Damit bleibt festzuhalten, dass ein Durchsuchen von Wohnungen zur Nachtzeit gegen den Willen des Wohnungsinhabers erhöhte Voraussetzungen erfüllen muss, welche wohl regelmäßig bei der Vollstreckung der Ausreisepflicht nicht angenommen werden können. Es sollte deswegen versucht werden, Abschiebungen zur Tageszeit zu priorisieren oder durch eine zielgerichtete Kommunikation mit den abzuschiebenden Personen Durchsuchungen zur Nachtzeit zu vermeiden.

3.2 Durchführung der Abschiebung

3.2.1 Verfahrensschritte

3.2.1.1 Für die Vorbereitung und Durchführung der Abschiebung sind die in den Anlagen 1 und 2 vorgesehenen Schritte zu beachten. Die Aufzählung ist nicht abschließend; der jeweilige Einzelfall ist bei der Vorgehensweise zu berücksichtigen, individuelle Anpassungen durch die Ausländerbehörde bleiben unbenommen.

3.2.1.2 Die ZABH (nach landesinterner Verteilung tritt an die Stelle der ZABH die Ausländerbehörde) prüft bereits während des laufenden Asylverfahrens die Vollständigkeit und Gültigkeit der benötigten Rückreisedokumente (§ 15 Abs. 2 Nr. 4 und 5 und Abs. 3 AsylG). Sie veranlasst so früh wie möglich die Beschaffung neuer oder die Verlängerung bereits vorhandener Pass- oder Passersatzpapiere. Sie berücksichtigt dabei die Verhältnisse im jeweiligen Herkunftsland und die voraussichtliche Verfahrensdauer. Sie fertigt den entsprechenden Antrag unter Beteiligung der asylsuchenden bzw. abzuschiebenden Person mit besonderer Sorgfalt. Das Herkunftsland soll nicht erkennen können, dass es sich um eine Asylbewerberin oder einen Asylbewerber handelt.

Passersatzpapiere für Ausländerinnen und Ausländer, die angeben, Staatsangehörige der in der Anlage 3 zu diesem Erlass genannten Staaten zu sein, sind ausschließlich über die Clearingstelle der ZABH zu beschaffen. Die ZABH wird im Wege der Amtshilfe (§§ 4 ff. VwVfG) tätig.

Sollte zum Zweck der Passersatzpapierbeschaffung Unterstützung durch die Bundespolizei (Bundespolizeipräsidium Potsdam) erforderlich sein, sind entsprechende Anfragen ebenfalls an die Clearingstelle der ZABH zu richten, die das Gesuch an die Bundespolizei weiterleitet. Die ZABH fungiert insofern als zentrale Stelle für die Zusammenarbeit mit der genannten Organisationseinheit der Bundespolizei in Brandenburg; die Kontaktaufnahme der Ausländerbehörden in Brandenburg mit dieser Organisationseinheit erfolgt ausschließlich über die ZABH.

Daneben besteht die Möglichkeit, in problematischen Einzelfällen, die Arbeitsgruppe „Passersatzpapierbeschaffung“ im ZUR zu kontaktieren, und dort um Unterstützung zu bitten.

3.2.1.3 Die ZABH bzw. die Ausländerbehörde hat alle Möglichkeiten zur schnellen Beschaffung der Rückreisedokumente auszuschöpfen. Hierbei ist mit den Auslandsvertretungen der Herkunftsländer der ausreisepflichtigen Personen zusammenzuarbeiten. Insbesondere soll die Möglichkeit von Sammelvorführungen bei den Auslandsvertretungen genutzt und darauf hingewirkt werden, dass Bedienstete der Auslandsvertretungen in die Hafteinrichtungen kommen, um die Formalitäten vor Ort zu erledigen. Die ZABH bzw. die Ausländerbehörde beschafft und sammelt die für die Passbeschaffung notwendigen Informationen und aktualisiert diese ständig. Bleiben Bemühungen der Passbeschaffung erfolglos, sind sie erforderlichenfalls unter Einschaltung des Auswärtigen Amtes nach angemessener Zeit zu wiederholen. Über grundsätzliche Probleme bei der Passbeschaffung mit bestimmten Staaten ist dem Ministerium des Innern und für Kommunales zu berichten.

3.2.1.4 Die Ausländerbehörde kündigt der Bundespolizei eine vorgesehene Abschiebung rechtzeitig vorher an und klärt die erforderlichen organisatorischen Maßnahmen (z. B. Flugbegleitung durch Bundespolizeibeamte) mit dieser ab. Bei Flügen innerhalb des Bundesgebietes (Anschlussflüge oder Flüge mit einer Zwischenlandung auf einem anderen deutschen Flughafen) entscheidet die Ausländerbehörde über die Erforderlichkeit von Flugbegleitungen. Die Begleitung erfolgt in diesen Fällen grundsätzlich durch Bedienstete der Ausländerbehörde, es sei denn, die Bundespolizei erklärt sich zu einer Flugbegleitung bereit.

3.2.1.5 Grundsätzlich gilt, dass die Vollstreckung der Ausreisepflicht in der Zeit zwischen 21 und 6 Uhr sowie an Sonntagen und staatlich anerkannten Feiertagen nur mit schriftlicher Erlaubnis der Vollstreckungsbehörde erfolgen darf. Eine Vollstreckung in dem genannten Zeitraum bzw. an den genannten Tagen ist dann in Erwägung zu ziehen, wenn dies im Hinblick auf den Abflugtermin aus Zeitgründen erforderlich ist. Als erforderliche Vorlaufzeit ist insbesondere der Zeitraum einzurechnen, der notwendig ist, damit sich die abzuschiebende Person ohne unverhältnismäßige Eile reisefertig machen und das Begleitgepäck packen kann. Zur Ermöglichung der Kommunikation mit einem Rechtsbeistand oder einer Vertrauensperson siehe Nummer 3.2.1.14. Weiter sind die Zeiten für eine eventuelle Aufenthaltsermittlung und eine Zusammenführung von Familien zum Flughafen, die Fahrtzeiten zum Flughafen inklusive etwaiger verkehrsbedingter Verzögerungen sowie die Wartezeiten, die üblicherweise bei einer entsprechenden Flugreise von einem sonstigen Fluggast zu beachten sind oder die aus der Sicht der Bundespolizei für die Durchführung der Formalitäten am Flughafen erforderlich sind, zu berücksichtigen. Regelmäßig ist die abzuschiebende Person mindestens zwei Stunden vor dem geplanten Abflugtermin der Bundespolizei zu überstellen. Außerdem kann noch ein Spielraum von maximal einer Stunde für außergewöhnliche Vorkommnisse berücksichtigt werden.

3.2.1.6 Wird ausnahmsweise eine Vollstreckung zur Nachtzeit erforderlich, trifft die Ausländerbehörde als Vollstreckungsbehörde die Entscheidung. Diese und die sie tragenden Gründe sind zur Ausländerakte zu bringen. Die Vollstreckung zur Nachtzeit darf nur aus den in Nummer 3.2.1.5 aufgeführten Gründen vorgenommen werden. Dass abzuschiebende Personen während der Nachtzeit, insbesondere in den frühen Morgenstunden erfahrungsgemäß am besten zu Hause erreicht werden, rechtfertigt die Maßnahme allein nicht. Mit der Abschiebung selbst darf frühestens zu dem Zeitpunkt begonnen werden, der zur Gewährleistung der in Nummer 3.2.1.5 aufgeführten Vorlaufzeit erforderlich ist.

3.2.1.7 Werden bei einer Abschiebung nicht alle erwachsenen Familienangehörigen (Eltern und volljährige Kinder) angetroffen und droht somit eine Trennung minderjähriger Kinder von ihren Familien, sind die eingeleiteten Maßnahmen auszusetzen und die eingeleitete Abschiebung abzubrechen, wenn nicht sichergestellt ist, dass minderjährige Kinder in der Obhut eines Elternteils verbleiben. Auch im Übrigen sind bei drohenden, nicht nur vorübergehenden Familientrennungen im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung die Grundsätze des Art. 6 GG (besonderer Schutz der Familie) sowie aus Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) zu berücksichtigen. Für die Beurteilung, welcher Zeitraum als vorübergehend angesehen wird, sind die Umstände des Einzelfalls zu beachten. Die Gefahr einer dauerhaften Trennung besteht beispielsweise nicht, wenn im Dublin-Verfahren für den Rest der Familie ebenfalls Überstellungsverfahren in den jeweiligen Staat laufen (VG München, Beschluss vom 05.05.2014 - M 11 S 14.50165).

3.2.1.8 Wird die abzuschiebende Person zum Zeitpunkt des vorgesehenen Beginns der Abschiebungsmaßnahme nicht zu Hause angetroffen und bleibt die weitere Aufenthaltsermittlung erfolglos, veranlasst die Ausländerbehörde die Ausschreibung zur Fahndung.

3.2.1.9 Der abzuschiebenden Person ist die Mitnahme solchen Gepäcks zu ermöglichen, das im Transportmittel ohne Erschwerung der Abschiebung befördert werden kann und durch dessen Mitnahme dem Land keine zusätzlichen Kosten entstehen. Die Mitnahme weiteren Gepäcks (z. B. Gepäck, das den von den Fluggesellschaften für einen kostenlosen Transport zugelassenen Gewichtsrahmen überschreitet) kommt nur dann in Betracht, wenn die abzuschiebende Person für die zusätzlichen Kosten aufkommt oder wenn ersichtlich ist, dass der Betrag aus der einbehaltenen Sicherheitsleistung (vgl. Nummern 6.1.4 und 6.5.1) bestritten werden kann.

3.2.1.10 Will oder muss die abzuschiebende Person bei einer Abschiebung oder Ausreise Eigentum zurücklassen, ist sie zur Abgabe einer schriftlichen Erklärung zu veranlassen, durch die sie

  1. entweder einen Verfügungsberechtigten benennt, dem sie die weitere
    Sorge für ihr Eigentum überträgt und der gegebenenfalls die Verwertung ihres Eigentums übernimmt oder
  2. auf ihr Eigentum verzichtet.
    Um den reibungslosen Ablauf der Rückführungsmaßnahme zu gewährleisten, kann diese Erklärung auch schon im Vorhinein erwirkt werden, beispielsweise anlässlich einer Vorsprache des Ausländers zu Duldungsverlängerung.

3.2.1.11 Wird eine solche Erklärung nicht abgegeben, muss auf Grund der Umstände des Einzelfalls entschieden werden, ob die Ausländerin oder der Ausländer den Besitz der Sache in der Absicht aufgegeben hat, auf das Eigentum zu verzichten. Unter Umständen hat die Ausländerin oder der Ausländer eine Sache auch verloren. Sie unterliegt dann den fundrechtlichen Vorschriften. Die Verwertung des Eigentums im Rahmen der Vollstreckung (Nummer 3.2.1.14) bleibt unberührt.

3.2.1.12 Die für die Unterbringung zuständige Stelle trägt dafür Sorge, dass das Eigentum bis zur Übernahme durch den Verfügungsberechtigten oder bis zur Verwertung gemäß Nummer 3.2.1.14 nicht abhandenkommt und ordnungsgemäß gelagert wird. Sachen, die aus den in Nummer 3.2.1.10 genannten Gründen am Flughafen zurückgelassen werden müssen, sind von der ZABH oder der Ausländerbehörde zurückzubringen und der bisher für die Unterbringung zuständigen Stelle zu übergeben.

3.2.1.13 Sind öffentlich-rechtliche Forderungen gegen die abzuschiebende Person offen, ist das Eigentum nach Maßgabe des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für das Land Brandenburg durch die für die jeweilige Forderung zuständige Vollstreckungsbehörde zu verwerten. Ist nach Befriedigung der Ansprüche noch Eigentum der Ausländerin oder des Ausländers vorhanden und wurde kein Verfügungsberechtigter benannt, ist das Eigentum durch die für die Unterbringung zuständige Stelle zu verwerten. Hat die abzuschiebende Person nicht auf ihr Eigentum verzichtet, ist ihr der Erlös – soweit möglich – zu überlassen. Sofern dies nicht möglich sein sollte, ist der Erlös des verwerteten Eigentums zu hinterlegen (Rechtsgedanke des § 372 S. 2 BGB).

3.2.1.14 Wünscht die abzuschiebende Person, einen Dolmetscher hinzuzuziehen, ist dem zu entsprechen, wenn die Abschiebung nicht verhindert oder verzögert wird und der Dolmetscher ohne unverhältnismäßigen Aufwand hinzugezogen werden kann. Der abzuschiebenden Person ist auf Wunsch Gelegenheit zu geben, ihren Rechtsanwalt oder eine sonstige Vertrauensperson telefonisch zu informieren. Wird entweder von der abzuschiebenden Person, von ihrem Rechtsanwalt oder einer sonstigen Vertrauensperson begehrt, ein persönliches Gespräch zu ermöglichen, ist dem nur zu entsprechen, soweit die Abschiebung dadurch nicht verhindert oder verzögert wird.

3.2.1.15 Trägt die abzuschiebende Person vor, die Abschiebung sei nicht zulässig, weil ihr Asylverfahren noch nicht abgeschlossen sei oder weil sie einen Asylfolgeantrag gestellt habe, prüft die Ausländerbehörde unverzüglich, ggf. unter Einschaltung des BAMF, ob die Einwendungen begründet sind.

3.2.1.16 Trägt die abzuschiebende Person gesundheitliche Abschiebungshindernisse vor, ist die seit dem 17.03.2016 veränderte Rechtslage, insbesondere die Nachweispflichten des Ausländers oder der Ausländerin durch qualifizierte ärztliche Bescheinigungen sowie die Rechtsfolgen der Verletzung dieser Pflicht zu beachten. Die abzuschiebende Person ist auf ihre Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen der Verletzung dieser Verpflichtungen hinzuweisen (s. auch Erlass Nr. 10/2017 Allgemeine Anwendungshinweise des BMI zur Duldungserteilung gem. § 60a AufenthG).

3.2.1.17 Nach § 60a Abs. 2 c) und d) AufenthG wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Lediglich lebensbedrohliche und schwerwiegende Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden, sind als Abschiebungshindernis anzusehen. Nur äußerst gravierende Erkrankungen stellen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben dar. Posttraumatische Belastungsstörungen ohne weiter reichende ärztliche Diagnosen oder Befund sind regelmäßig nicht als eine solche schwerwiegende Erkrankung anzusehen.

3.2.1.18 Die Abschiebung darf nicht dazu führen, dass sich die schwerwiegende Erkrankung der abzuschiebenden Person mangels Behandlungsmöglichkeit in einem Ausmaß verschlechtern wird, dass ihr eine individuell konkrete, erhebliche Gefahr an Leib oder Leben droht. Es wird jedoch nicht vorausgesetzt, dass die medizinische Versorgung im Herkunftsland bzw. im Zielstaat der Abschiebung der Versorgung in Deutschland oder in der Europäischen Union gleichwertig ist. Der abzuschiebenden Person ist es insbesondere zumutbar, sich in einen bestimmten Teil des Zielstaats zu begeben, in dem für sie eine ausreichende medizinische Versorgung gewährleistet ist. Es kommt nicht darauf an, dass alle Landesteile des Zielstaats gleichermaßen eine ausreichende Versorgung bieten. Auch Erkrankungen der abzuschiebenden Person, die schon während des Aufenthalts außerhalb Deutschlands bestanden und somit bereits bei der Einreise vorgelegen haben, stehen der Abschiebung grundsätzlich nicht entgegen.

3.2.1.19 Die Ausländerbehörde veranlasst eine ärztliche Untersuchung, sofern die abzuschiebende Person eine ärztliche Bescheinigung im Sinne von § 60a Abs. 2c S. 2 und 3 AufenthG vorlegt oder anderweitige tatsächliche Anhaltspunkte im Sinne von § 60a Abs. 2d S. 2 AufenthG für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, gegeben sind. Bestätigt der Arzt das Vorliegen einer schwerwiegenden Erkrankung und das Bestehen eines Abschiebungshindernisses im Sinn des § 60a AufenthG, ist die Abschiebung abzubrechen. Bei Abschiebung einer ganzen Familie ist im Einzelfall zu entscheiden, ob die Abschiebung der übrigen Familienangehörigen fortgesetzt wird; die Entscheidung trifft die Ausländerbehörde. Eine Fortsetzung der Abschiebung ist beispielsweise im Rahmen von Dublin-Rückführungen möglich, wenn die zu erwartende Trennung der Familienmitglieder nur von vorübergehender Natur und den Beteiligten deswegen zumutbar ist (VG München, Beschluss vom 05.05.2014 - M 11 S 14.50165). Stellt die weitere Anwesenheit eines Familienmitglieds in der Bundesrepublik Deutschland eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung dar, kann das öffentliche Interesse an der Durchsetzung der Ausreisepflicht das Interesse des Betroffenen an einer gemeinsamen Ausreise überwiegen.

3.2.1.20 Bringt die abzuschiebende Person während der Abschiebung unmissverständlich zum Ausdruck, dass sie einen Asylfolgeantrag stellen will, klärt die Ausländerbehörde, unter Hinzuziehung des BAMF und persönlicher Kontaktaufnahme mit der abzuschiebenden Person, ob die Abschiebung fortzuführen oder abzubrechen ist. Die Mitteilung des BAMF, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht vorliegen, muss nicht abgewartet werden, wenn die Abschiebung in einen sicheren Drittstaat erfolgen soll. In Fällen in denen die Ausländerbehörde damit rechnet, dass die Betroffenen einen Asylfolgeantrag stellen, wird empfohlen, vor der Abschiebung das BAMF zu kontaktieren um zu erörtern, ob die Anwesenheit eines entscheidungsbefugten Mitarbeiters des BAMF am Flughafen möglich und notwendig ist. Dieser kann ggfs. über Folgeantrag noch vor Ort entscheiden.

3.2.1.21 Die gem. §  77 Abs. 1 S. 1 Nr. 9 AufenthG schriftlich zu erteilende Befristungsentscheidung nach § 11 Abs. 1 und 2 AufenthG ist im Falle der Ausweisung mit der Ausweisungsverfügung bekanntzugeben. In sonstigen Fällen soll sie regelmäßig zusammen mit der Abschiebungsandrohung bekanntgegeben werden, soweit diese von der Ausländerbehörde erlassen wird. Die Ausländerin oder der Ausländer hat so die Möglichkeit, effektiven Rechtsschutz gegen die Befristungsentscheidung zu erlangen. Die Ausgestaltung als Soll-Vorschrift führt dazu, dass die Behörde lediglich in einem atypischen Fall von der Regelung abweichen kann (intendiertes Ermessen). Wird die Befristung also zu einem späteren Zeitpunkt bekanntgegeben, ist das Vorliegen des atypischen Falls gesondert zu begründen.

Über die Länge des Wiedereinreise- und Aufenthaltsverbots entscheidet die Ausländerbehörde gem. § 11 Abs. 3 AufenthG nach eigenem Ermessen. Zu unterscheiden ist zwischen der Ausweisung oder Abschiebung aufgrund aufenthaltsrechtlicher Verstöße und der Aufenthaltsbeendigung aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Oft werden sich beide Konstellationen überschneiden.

Bei der Ermessensentscheidung geht die Ausländerbehörde in zwei Schritten vor.

Sie trifft in einem ersten Schritt eine Prognoseentscheidung über den voraussichtlichen Zeitpunkt der Zweckerreichung der zugrundeliegenden Maßnahme.

Zweck eines Aufenthalts- und Einreiseverbots bei aufenthaltsrechtlichen Verstößen ist die Sanktionierung der Nichtbeachtung der Ausreisepflicht durch Fernhaltung vom Bundesgebiet und die generalpräventive Zielrichtung, andere Ausländer zur Einhaltung der Ausreisepflicht anzuhalten. Trägt der Ausländer keine Anhaltspunkte vor, die für diese Prognoseentscheidung erheblich sein können und liegt der Behörde als entscheidungserheblicher Anhaltspunkt lediglich die Missachtung der Ausreiseverpflichtung vor, so erachtet die Rechtsprechung ein Aufenthalts- und Einreiseverbot von 30 Monaten als angemessen (OVG Münster Beschluss vom 01.06.2017 – 4 A 1252/17). Ebenfalls herangezogen werden kann die Tatsache, dass die Person bereits mehrmals ausgewiesen oder abgeschoben wurde oder gegen die Mitwirkungspflichten aus § 48 AufenthG verstoßen hat.

Bei einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung können weitere Erwägungen eine Rolle spielen. Eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit ergibt sich nicht nur aus der Verurteilung wegen begangener Straftaten, sondern kann auch dann vorliegen, wenn andere schutzwürdige Belange betroffen sind. Zu nennen wären beispielsweise Belange des Arbeitsmarkts wie die Verhinderung von Lohndumping oder die Verringerung der finanziellen Belastung durch steuerfinanzierte Sozialleistungen. Bei schweren Straftaten kann die Ausländerbehörde eine Gefahrenprognose zu weiteren Straffälligkeit vornehmen, sie muss hierbei jedoch die Persönlichkeit der betroffenen Person insgesamt in den Blick nehmen.

Für eine kürzere Befristungsentscheidung kann beispielsweise die konkrete Möglichkeit einer Ausbildung in der Bundesrepublik Deutschland und die damit einhergehende legale Migration sprechen.

In einem zweiten Schritt ist das Ergebnis der Prognoseentscheidung an höherrangigem Recht zu messen und die Fristbemessung aus Gründen der Verhältnismäßigkeit ggf. zu relativieren. Insbesondere Art. 2 und 6 GG und Art. 8 EMRK spielen hier eine Rolle. Familiäre Bindungen finden regelmäßig nur Berücksichtigung, wenn es sich um die Belange von Eltern und minderjährigen Kindern handelt oder in anderen Fällen, wenn die verwandtschaftlichen Beziehungen von gegenseitiger Verantwortung geprägt sind (Beistandsgemeinschaft) (vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 27.01.2016 – 21 K 7126/15.A).

Gem. § 11 Abs. 6 AufenthG kann auch für freiwillig ausgereiste Personen ein Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Voraussetzung ist, dass die Ausreise nicht innerhalb der Ausreisefrist stattgefunden hat und die Fristüberschreitung erheblich und schuldhaft ist. Die Beurteilung, ob die Überschreitung der Ausreisepflicht erheblich ist, entscheidet sich am Einzelfall. Laut Gesetzesbegründung ist bei einer Ausreisefrist von 30 Tagen, eine Fristüberschreitung von 10 Tagen als erheblich anzusehen. Fehlendes Verschulden liegt beispielsweise bei Krankheit oder falscher Zustellung durch die Behörde vor.

3.2.1.22 Nach Überstellung der abzuschiebenden Person an die Bundespolizei ist diese für die weitere Durchführung der Abschiebung verantwortlich. Die Beauftragten der Ausländerbehörde, die die abzuschiebende Person zum Flughafen gebracht haben, bleiben jedoch grundsätzlich bis zum Abflug des Flugzeuges auf dem Flughafen. Die Begleitung kann durch die Ausländerbehörde selbst, deren Beschäftigte sowie die Beschäftigten eines beauftragten Wachschutzunternehmens durchgeführt werden. Im Folgenden wird allgemein von Beauftragten gesprochen. Ergeben sich kurzfristig Hindernisse für die Abschiebung, stimmt die Ausländerbehörde das weitere Vorgehen mit der Bundespolizei ab. Mit den vor Ort zuständigen Beamten der Bundespolizei wird ebenfalls abgestimmt, was im Falle des Abbruchs der Rückführung und der Abwesenheit von Beauftragten der Ausländerbehörde veranlasst werden soll. Es können beispielsweise Kontaktnummern hinterlegt werden, damit die Person wieder abgeholt wird oder Reisemittel für eine etwaige Rückreise hinterlassen werden.

3.2.1.23 Muss die Abschiebung abgebrochen werden, entscheidet die Ausländerbehörde, ob Abschiebungshaft bis zu einem weiteren Abschiebungsversuch beantragt wird. Ist dies nicht der Fall, ist die Ausländerin oder der Ausländer unverzüglich, das heißt noch vor der Rückfahrt, auf freien Fuß zu setzen. Unterliegt ein Ausländer einer räumlichen Beschränkung, ist er – gegebenenfalls zwangsweise und unter Einbeziehung der zuständigen Polizeidienststelle - an den ursprünglichen Aufenthaltsort zurückzubringen.

3.2.1.24 Für Abschiebungen aus der Erstaufnahmeeinrichtung ist die ZABH zuständig.

3.2.2 Verfahren bei Asylfolgeantrag

3.2.2.1 Eine Abschiebung darf, soweit nachfolgend nichts anderes geregelt ist, nicht vollzogen werden, solange das BAMF nicht entschieden hat, ob ein weiteres Asylverfahren durchgeführt wird (§ 71 Abs. 5 AsylG). Teilt das BAMF der ZABH oder der Ausländerbehörde mit, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht vorliegen, wird unverzüglich die Abschiebung eingeleitet. Einer erneuten Fristsetzung und Abschiebungsandrohung oder -anordnung bedarf es nicht. Die Zustellung der Entscheidung des BAMF an die Asylbewerberin oder den Asylbewerber muss nicht abgewartet werden. Der Asylbewerberin oder dem Asylbewerber ist jedoch spätestens zu Beginn der Abschiebung die Entscheidung des BAMF durch Aushändigung einer Ablichtung der Mitteilung des BAMF, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht vorliegen, zur Kenntnis zu bringen.

3.2.2.2 Die Abschiebung kann bereits vor der Mitteilung des BAMF vollzogen werden, wenn

  1. die Ausländerin oder der Ausländer in einen sicheren Drittstaat abgeschoben werden soll,
  2. die Ausländerin oder der Ausländer nach einer zwischenzeitlichen Ausreise aus einem sicheren Drittstaat eingereist ist und nach § 57 Abs. 1 und 2 AufenthG dorthin zurückgeschoben werden soll.

3.2.2.5 Ist die Abschiebung vor der Mitteilung des BAMF zulässig, soll sie in der Regel durchgeführt werden.

4. Abschiebungshaft

4.1 Grundsatz

4.1.1 Abschiebungen sind grundsätzlich aus der Freiheit heraus durchzuführen (Direktabschiebung). Die mit der Anordnung von Abschiebungshaft verbundene Freiheitsentziehung ist nur als letztes Mittel zur Durchsetzung der Ausreiseverpflichtung zu betrachten.

4.1.2 Eine Ausländerin oder ein Ausländer darf nicht ohne richterliche Entscheidung in Abschiebungshaft genommen werden (vgl. Artikel 104 Absatz 2 Satz 1 GG, § 62 AufenthG). Dies gilt auch dann, wenn eine Freiheitsentziehung nur kurzfristig andauert. Im Fall einer vorläufigen Ingewahrsamnahme gemäß § 62 Abs. 5 AufenthG ist die richterliche Entscheidung unverzüglich herbeizuführen.

4.1.3 Abschiebungshaft ist nur solange zulässig, wie sinnvolle Maßnahmen zur Vorbereitung der Abschiebung getroffen werden können. Die Abschiebung aus der Haft heraus ist deshalb unverzüglich zu betreiben.

4.2 Beantragung von Abschiebungshaft; Zuständigkeiten

4.2.1 Die Beantragung von Abschiebungshaft ist nach § 62 AufenthG sowohl zur Vorbereitung der Ausweisung (Absatz 2) als auch zur Sicherung der Abschiebung (Absatz 3) möglich. In jedem Fall darf Abschiebungshaft nur beantragt werden, wenn die Abschiebung ohne die Inhaftierung wesentlich erschwert oder vereitelt würde.

4.2.2 Das Verfahren über die Anordnung der Abschiebungshaft richtet sich gemäß § 106 Abs. 2 Satz 1 AufenthG nach Buch 7 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG). Gemäß § 417 Abs. 1 FamFG kann die Freiheitsentziehung durch das zuständige Amtsgericht nur auf Antrag der zuständigen Verwaltungsbehörde angeordnet werden.

4.2.3 Soweit Abschiebungshaft im Einzelfall erforderlich ist, sind zu allen Tatsachen des § 417 Abs. 2 Nr. 1 – 5 FamFG Angaben zu machen. Insbesondere ist die Erforderlichkeit der Abschiebungshaft darzulegen. Hierzu gehört auch, dass kein milderes, ebenfalls ausreichendes Mittel zur Verfügung steht, um die Abschiebung zu sichern.

Als mildere Mittel kommen in Betracht:

  • die Direktabschiebung,
  • bei Minderjährigen die Unterbringung in einer Jugendhilfeeinrichtung (auf die Ausführungen zum Umgang mit besonders schutzbedürftigen Personen unter Nummer 4.9.2.a) wird verwiesen),
  • die Beschlagnahme von Pässen oder sonstigen Reisedokumenten,
  • die räumliche Beschränkung des Aufenthaltes, verknüpft mit der Erteilung von Wohnsitz- und Meldeauflagen,
  • die Nutzung eines Ausreisegewahrsams eines anderen Bundeslandes,
  • die Vereinbarung von Sicherheitsleistungen oder Garantien durch Vertrauenspersonen.

Mit dem Antrag zur Anordnung von Abschiebungshaft ist dem anordnenden Gericht die Ausländerakte des oder der Ausreisepflichtigen vorzulegen.

4.2.4 Für die Modalitäten der Einlieferung einer Ausländerin oder eines Ausländers in die Abschiebungshafteinrichtung ist die Gewahrsamsordnung in ihrer jeweils geltenden Fassung maßgeblich.

4.2.5 Die für die Beantragung des Haftbeschlusses zuständige Ausländerbehörde oder die ZABH hat sich zu vergewissern, dass die abzuschiebende Person, die in einer Abschiebungshafteinrichtung untergebracht wird, im Besitz des Haftbeschlusses ist. Sie hat sie während der Dauer der Haft ausländer- und asylverfahrensrechtlich zu betreuen und sie – soweit rechtlich zulässig – rechtzeitig über den Zeitpunkt der Abschiebung zu informieren. Die zuständige Ausländerbehörde oder die ZABH hat die abzuschiebende Person ferner über ihre Rechte nach Art. 36 Abs. 1b) des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen zu unterrichten. Die Belehrung der abzuschiebenden Person, seine Reaktion hierauf und, sofern verlangt, die unverzügliche Unterrichtung der konsularischen Vertretung von der Inhaftierung sind aktenkundig zu machen (BGH, Beschl. v. 18.11.2010 – V ZB 165/10).

4.2.6 Zuständig für die Festnahme der abzuschiebenden Personen sowie für die Beantragung der Abschiebungshaft gemäß § 417 Abs. 1 FamFG sind unbeschadet des § 71 Abs. 3 und 5 AufenthG die Ausländerbehörden (§ 71 Abs. 1 AufenthG).

4.3 Abschiebung aus der Untersuchungs- und Strafhaft

4.3.1 Wird eine abzuschiebende Ausländerin oder ein abzuschiebender Ausländer in Untersuchungs- oder Strafhaft genommen, unterrichtet die Justizvollzugsanstalt die für den Sitz der Justizvollzugsanstalt zuständige Ausländerbehörde. Diese stellt die für die abzuschiebende Person zuständige Ausländerbehörde fest und teilt ihr mit, dass sich die Ausländerin oder der Ausländer in der Justizvollzugsanstalt in Haft befindet.

4.3.2 Die Justizvollzugsanstalt teilt im Rahmen der Unterrichtung nach Nummer 4.3.1 Satz 1 der für den Sitz der Justizvollzugsanstalt zuständigen Ausländerbehörde den voraussichtlichen Entlassungstermin mit, die diesen der für die abzuschiebende Person zuständigen Ausländerbehörde meldet.

4.3.3 Für den Fall, dass die Entlassung kurzfristig erfolgt, teilt die Justizvollzugsanstalt dies der für den Sitz der Justizvollzugsanstalt zuständigen Ausländerbehörde – gegebenenfalls fernmündlich – mit. Diese unterrichtet hierüber unverzüglich die für die abzuschiebende Person zuständige Ausländerbehörde.

4.3.4 Eine abzuschiebende Person, die sich in Untersuchungs- oder Strafhaft befindet, ist, soweit möglich, direkt aus der Haft abzuschieben. Die für die Abschiebung notwendigen Maßnahmen sind so rechtzeitig einzuleiten, dass die Abschiebung ohne Beantragung von Abschiebungshaft aus der Strafhaft durchgeführt werden kann (vgl. § 59 Abs. 5 AufenthG). Dies wird insbesondere in Fällen, in denen sich die Ausländerin oder der Ausländer längere Zeit in Strafhaft befindet, möglich sein. Insbesondere ist rechtzeitig bei der Staatsanwaltschaft nachzufragen, ob gemäß § 456a Abs. 1 der Strafprozessordnung von der weiteren Strafvollstreckung abgesehen wird. Auf die Allgemeine Verfügung des Ministers der Justiz vom 20. März 1997 (JMBl/97, [Nr. 4], S. 38), zuletzt geändert durch Allgemeine Verfügung des Ministers der Justiz vom 2. Februar 2011 (JMBl/11, [Nr. 3], S. 18) wird hingewiesen.

4.3.5 Sicherungshaft kann ausnahmsweise im Anschluss an die Strafhaft oder Untersuchungshaft nach Maßgabe des § 62 Abs. 3 Sätze 1 und 2 AufenthG angeordnet werden. Das Ende der Strafhaft muss jedoch feststehen, da die Sicherungshaft nicht auf Vorrat angeordnet werden darf. Voraussetzung ist allerdings, dass die Abschiebung aus von der Ausländerbehörde nicht zu vertretenden Gründen (z. B. fehlende Flugverbindung u. a.) ausnahmsweise nicht bis zum Ende der Strafhaft durchgeführt werden kann. Die Anordnung von Sicherungshaft entspricht dem Gebot der Verhältnismäßigkeit nur, wenn von der Ausländerbehörde mit der in solchen Fällen gebotenen Beschleunigung zuvor vergeblich versucht wurde, die Abschiebung aus der Strafhaft heraus zu ermöglichen. Im Haftantrag sind entsprechende Angaben zu machen und zu belegen.

4.4 Vorbereitungshaft

4.4.1 Die Anordnung von Vorbereitungshaft (§ 62 Abs. 2 AufenthG) ist nur dann zulässig, wenn nach dem Ergebnis der Sachverhaltsermittlung eine Ausweisung nach § 53 AufenthG rechtlich möglich und mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, über die erforderliche Ausweisung jedoch nicht sofort entschieden werden kann, z. B. weil die erforderlichen Nachweise zur Stützung eines begründeten Verdachts auf Ausweisungsgründe noch erbracht werden müssen. Diese Voraussetzungen liegen z. B. dann nicht vor, wenn mit einer Ausweisung grundsätzlich nicht zu rechnen ist, weil die Ausländerin oder der Ausländer bereits wegen unerlaubter Einreise nach § 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG kraft Gesetzes vollziehbar ausreisepflichtig ist.

4.4.2 Vorbereitungshaft ist insbesondere zulässig, wenn die Ausweisung innerhalb von sechs Wochen nach Antritt der Haft verfügt und die Abschiebung in dieser Zeit durchgeführt werden kann. Die Abschiebung, die auf Grund der beabsichtigten Ausweisung vollzogen werden soll, muss außerdem rechtlich und tatsächlich möglich und ohne die Vorbereitungshaft wesentlich erschwert oder gefährdet sein. Ob wesentliche Erschwerung, Gefährdung oder Vereitelung der Abschiebung angenommen werden können, ist anhand konkreter Verdachtsmomente festzustellen. Im Haftantrag sind die hierfür maßgebenden Umstände anzugeben.

4.4.3 Die unmittelbar bevorstehende Entlassung der abzuschiebenden Person aus der Untersuchungshaft kann Anlass für die Beantragung von Vorbereitungshaft geben (vgl. Nr. 62.1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift des BMI zum AufenthG vom 26.10.2009).

4.4.4 Die Dauer der Vorbereitungshaft soll sechs Wochen nicht überschreiten (§ 62 Abs. 2 Satz 2 AufenthG). Sie darf nur ausnahmsweise darüber hinaus verlängert werden, wenn sich der Erlass aus besonderen, nicht vorhersehbaren Gründen verzögert. Gemäß Nr. 62.1.3 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift des BMI ist eine längere Dauer z. B. denkbar, wenn der Erlass der Ausweisungsverfügung durch Umstände hinausgezögert wird, die von der abzuschiebenden Person zu vertreten sind. Ist die Überschreitung der regulären Höchstdauer von vornherein absehbar, kommt Vorbereitungshaft i.d.R. von Anfang an nicht in Betracht. Es wäre unverhältnismäßig, die Freiheitsentziehung sofort auf eine längere Dauer festzulegen (vgl. BGH, B. v. 09.02.2012 – V ZB 305/10).

4.5 Sicherungshaft

4.5.1 Bei der Sicherungshaft handelt es sich um eine Maßnahme zur Sicherung der Abschiebung. Sie stellt weder eine Strafhaft noch eine Beugemaßnahme oder eine Ersatzfreiheitsstrafe dar.

4.5.2 § 62 Abs. 3 AufenthG regelt abschließend, aus welchen Gründen eine Ausländerin oder ein Ausländer zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen sind. Die Haft ist grundsätzlich erforderlich, wenn einer oder mehrere der genannten Haftgründe vorliegen. Von der Anordnung der Sicherungshaft nach Satz 1 Nr. 1 AufenthG kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn die abzuschiebende Person glaubhaft macht, dass sie sich der Abschiebung nicht entziehen will (§ 62 Abs. 3 Satz 2 AufenthG).

4.5.3 Bei der Beantragung von Sicherungshaft ist zu berücksichtigen, dass § 62 Abs. 3 Satz 3 AufenthG eine Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsprinzips darstellt. Im Regelfall darf die Dauer von drei Monaten Haft nicht überschritten werden und eine Haftdauer von sechs Monaten (§ 62 Abs. 4 Satz 1 AufenthG) nicht ohne weiteres als verhältnismäßig angesehen werden (vgl. BGH, Beschluss vom 14.04.2011 – V ZB 76/11). Die Verlängerung der Sicherungshaft um bis zu zwölf Monate ist zulässig, wenn es die abzuschiebende Person zu vertreten hat, dass die Ausländerbehörde einen längeren Zeitraum für die Durchführung der Abschiebung benötigt (§ 62 Abs. 4 Satz 2 AufenthG), z. B. wenn die abzuschiebende Person ihren Pass vernichtet hat oder sich weigert, an der Beschaffung eines Passes mitzuwirken.

4.5.4 Sicherungshaft darf jedoch nicht beantragt werden, wenn von vornherein feststeht, dass die Abschiebung aus Gründen, die die Ausländerin oder der Ausländer nicht zu vertreten hat, innerhalb der nächsten drei Monate nicht durchgeführt werden kann (§ 62 Abs. 3 Satz 3 AufenthG). Dies kann der Fall sein, wenn eine Reiseunfähigkeit wegen stationärer Krankenhausbehandlung vorliegt.

4.5.5 Diese Regelungen erfordern eine Prognose, dass die Abschiebung innerhalb von drei Monaten durchgeführt werden kann. Hierzu sind dem Haftrichter konkrete Angaben zum Ablauf des Verfahrens und zu dem Zeitraum, in welchem die einzelnen Schritte unter normalen Bedingungen durchlaufen werden können, vorzulegen. Anzugeben ist, ob und innerhalb welchen Zeitraums Abschiebungen in das betreffende Land üblicherweise möglich sind, welchen Zeitraum beispielsweise eine Pass- oder Passersatzbeschaffung, die organisatorische Abwicklung, die Flugbuchung oder die erforderliche Durchführung eines Rückübernahmeverfahrens voraussichtlich in Anspruch nimmt, von welchen Voraussetzungen dies abhängt und ob diese im konkreten Fall vorliegen. Diese konkreten Angaben sind erforderlich, damit das Gericht in die Lage versetzt wird, eine eigene Prognoseentscheidung zu treffen. Eine derartige Prognose hat auch dann zu erfolgen, wenn die abzuschiebende Person eine ihr obliegende Mitwirkung verweigert hat. Liegt eine schuldhafte Mitwirkungsverweigerung vor, ist in die Prognose einzustellen, wie das weitere Verfahren bei einer pflichtmäßigen Mitwirkung der Ausländerin oder des Ausländers üblicherweise abgelaufen wäre. Verbleibt dann im Ergebnis der Prognose eine Ungewissheit, geht diese bei der erstmaligen Anordnung der Haft für drei Monate zu Lasten des Betroffenen (vgl. BGH – Beschluss vom 01.03.2012, V ZB 206/11).

4.5.6 Eine Vorbereitungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen.

4.6 Vorläufiger Gewahrsam ohne vorherige richterliche Anordnung zur Sicherstellung der Sicherungshaft

4.6.1 § 62 Abs. 5 Satz 1 AufenthG sieht vor, dass die für den Haftantrag zuständige Behörde eine Ausländerin oder einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen kann, wenn die Voraussetzungen der Sicherungshaft (§ 62 Abs. 2 Satz 1 AufenthG) vorliegen, die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft nicht vorher eingeholt werden kann und der begründete Verdacht vorliegt, dass sich die Ausländerin oder der Ausländer der Anordnung der Sicherungshaft entziehen will. Mit dieser Bestimmung soll die richterliche Vorführung zur Anordnung von Sicherungshaft von vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländerinnen und Ausländern sichergestellt werden. Die Voraussetzungen für eine Gewahrsamnahme nach § 62 Abs. 5 Satz 1 AufenthG liegen nämlich nicht vor, wenn eine vorherige richterliche Anordnung, ggf. im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 427 FamFG, eingeholt werden kann. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts setzt jede Freiheitsentziehung und damit auch eine Gewahrsamnahme nach § 62 Abs. 5 Satz 1 AufenthG grundsätzlich eine vorherige richterliche Anordnung voraus. Eine nachträgliche richterliche Entscheidung ist nur dann zulässig, wenn der mit der Freiheitsentziehung verfolgte verfassungsrechtlich zulässige Zweck nicht erreichbar wäre, sofern der Festnahme die richterliche Entscheidung vorangehen müsste. In diesem Fall fordert Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG, dass die richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen ist. Nach § 62 Abs. 5 Satz 2 AufenthG ist die abzuschiebende Person unverzüglich dem Richter zur Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft vorzuführen. Damit sind konkret geplante Festnahmen nicht ohne vorherige Einschaltung eines Richters zulässig; § 62 Abs. 5 Satz 1 AufenthG ist in diesen Fällen nicht anwendbar.

4.6.2 Eine richterliche Anordnung zur vorläufigen Freiheitsentziehung ist dann entbehrlich, wenn die Inhaftnahme nicht planbar, der Aufenthalt der ausreisepflichtigen Person nicht bekannt oder sie in den polizeilichen Fahndungsregistern zur Festnahme ausgeschrieben ist und die Voraussetzungen des §62 Abs. 5 AufenthG erfüllt sind.

4.7 Haftantrag

4.7.1 Im Hinblick auf die Gewährung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) ist es regelmäßig erforderlich, dass der Haftantrag der betroffenen Person rechtzeitig vor ihrer Anhörung in Kopie ausgehändigt und spätestens im Rahmen der Anhörung übersetzt wird (BGH - Beschluss vom 21.07.2011, V ZB 141/11). In Abstimmung mit den Gerichten veranlassen die Ausländerbehörden bzw. die ZABH die Vorführung so rechtzeitig, dass vor der Anhörung der Haftantrag ausgehändigt und durch den für die Anhörung regelmäßig hinzuzuziehenden Dolmetscher übersetzt werden kann.

4.7.2 Bei der Beantragung einer Verlängerung der Abschiebungshaft soll die Akte der Ausländerin oder des Ausländers vorgelegt werden. Für die Zulässigkeit des Antrages gelten die Voraussetzungen für die erstmalige Anordnung nach § 425 Abs. 3, 417 Abs. 2 FamFG entsprechend. Es ist auszuführen, dass die maßgeblichen Gründe, die zur Anordnung der Haft geführt haben, weiterhin vorliegen und zusätzlich die Voraussetzungen für eine Verlängerung gegeben sind. Dieses setzt voraus, dass die Abschiebung aus Gründen, die die Ausländerin oder der Ausländer zu vertreten hat, nicht durchgeführt werden konnte. Im Verlängerungsantrag ist deshalb darzustellen,

  1. welche Maßnahmen bisher zur Vorbereitung der Abschiebung getroffen wurden (mit Datum und konkreter Bezeichnung),
  2. aus welchen Gründen die Abschiebung während der bisherigen Haftdauer nicht möglich war,
  3. wann mit der Abschiebung voraussichtlich zu rechnen ist und
  4. weshalb die Verlängerung der Haft noch verhältnismäßig ist.

4.7.3 Die Ausländerbehörde bzw. die ZABH prüft von Amts wegen in regelmäßigen Abständen, ob die rechtlichen Voraussetzungen der Abschiebungshaft noch vorliegen und vermerkt dies in den Akten. Der Vollzug der Abschiebungshaft ist von der Ausländerbehörde bzw. der ZABH unverzüglich bis zu einer Woche auszusetzen (§ 424 Abs. 1 Satz 3 FamFG) und die Aufhebung der Freiheitsentziehung unverzüglich zu beantragen, wenn die für deren Anordnung maßgebenden Gründe entfallen sind (§ 426 Abs. 2 FamFG). Dazu zählen beispielsweise der nachträgliche Wegfall des Haftgrundes, der Wegfall der vollziehbaren Ausreisepflicht oder die längerfristige oder dauerhafte Unmöglichkeit der Abschiebung.

4.8 Fortbestehen der Haftanordnung bei Scheitern der Abschiebung

Nach § 62 Abs. 4a AufenthG bleibt die Anordnung der Sicherungshaft bis zum Ablauf der Anordnungsfrist unberührt, wenn die Abschiebung gescheitert ist. Zu prüfen ist, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen der Haftanordnung weiter vorliegen.

4.9 Abschiebungshaftvollzug

4.9.1 Abschiebungshaft wird in Brandenburg grundsätzlich in der Abschiebungshafteinrichtung des Landes vollzogen. Das Verfahren des Vollzuges regelt dann die Gewahrsamsordnung (GewahrsO).

Stehen in Brandenburg keine Abschiebungshaftplätze zur Verfügung, unterstützt die Zentrale Ausländerbehörde bei der Suche nach einem Haftplatz in den Einrichtungen der anderen Länder. Auf die Möglichkeit der Haftplatzsuche über das ZUR wird hingewiesen (Information Nr. 71/2017 vom 23.10.2017).

4.9.2 Darüber hinaus ist Folgendes zu beachten:

  1. Bei der Inhaftierung schutzbedürftiger Personen im Sinne des Kapitels IV der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen, (EU-Aufnahmerichtlinie) ist auf die spezielle Situation dieser Personen besondere Rücksicht zu nehmen. Auf die Ausführungen zu den milderen Mitteln unter Nummer 4.2.3 wird verwiesen. Steht kein milderes Mittel zur Verfügung, ist den altersgemäßen Bedürfnissen Minderjähriger in der Haft angemessen Rechnung zu tragen. Es sind besondere Anstrengungen zu unternehmen, um Minderjährige aus der Haft zu entlassen und in ihrem Alter gemäßen Unterkünften unterzubringen. In Haft befindliche Familien müssen eine gesonderte Unterbringung erhalten, die ein angemessenes Maß an Privatsphäre gewährleistet. Bei Schwangeren bis zur 12. und ab der 21. Schwangerschaftswoche ist die Haftfähigkeit in jedem Einzelfall durch eine amtsärztliche Untersuchung feststellen zu lassen. Bei Anhaltspunkten für eine Haftunfähigkeit zu Inhaftierender (z. B. schwere körperliche Erkrankungen, bei denen in der Hafteinrichtung keine adäquate Unterbringung und medizinische Versorgung sichergestellt werden kann sowie psychische Störungen mit dem Risiko einer relevanten Eigen- oder Fremdgefährdung sowie Betäubungsmittelabhängigkeit mit Entzugsproblematiken oder Suizidalität) ist die Haftfähigkeit ebenfalls durch amtsärztliche Untersuchung festzustellen.
  2. Liegen Hinweise für eine gesundheitliche Beeinträchtigung (z. B. körperliche Erkrankungen, Behinderungen, psychische Störungen, Betäubungsmittelabhängigkeit) vor, so ist vor Stellung eines Haftantrages eine Hafttauglichkeitsuntersuchung durch die Ausländerbehörde bzw. die ZABH zu veranlassen. Diese hat durch eine Ärztin oder einen Arzt mit entsprechender Qualifizierung zu erfolgen.
  3. Führt die gesundheitliche Beeinträchtigung nicht zur Haftunfähigkeit, zu einem zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernis oder einem inlandbezogenen Vollstreckungshindernis, ist die Abschiebungshafteinrichtung darüber zu unterrichten. Das Vorliegen des besonderen Ausnahmefalls ist im Haftantrag zu begründen. Insbesondere ist darzustellen, aus welchen Gründen Abschiebungshaft geboten ist und weshalb mildere Mittel nicht zur Verfügung stehen.

5. Zuständigkeiten der Behörden beim Vollzug von Abschiebungen

5.1 Ausländerbehörden

5.1.1 Die Landkreise, kreisfreien Städte und die Große kreisangehörige Stadt Schwedt (Oder) treffen gemäß § 71 Abs. 1 AufenthG und § 1 der Verordnung über Zuständigkeiten im Ausländer- und Asylverfahrensrecht (Ausländer- und Asyl-Zuständigkeitsverordnung – AAZV) vom 16.09.1996 für die in ihrem Zuständigkeitsbereich aufhältigen ausreisepflichtigen Ausländerinnen und Ausländer, mit Ausnahme der Ausländerinnen und Ausländer, die verpflichtet sind, in der Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber des Landes Brandenburg zu wohnen, alle ausländerrechtlichen Entscheidungen, die im Zusammenhang mit der Abschiebung abgelehnter Asylbewerber notwendig werden können.

5.1.2 Sie sind insbesondere zuständig für die Entscheidung über eine zeitweise Aussetzung der Abschiebung (Duldung) sowie deren Widerruf in folgenden Fällen:

  1. Späterer Eintritt oder Wegfall eines Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 4 AufenthG (§ 42 Satz 2 AsylG),
  2. Erteilung einer Duldung oder deren Widerruf bei der Aussetzung von Abschiebungen nach § 60a Abs. 1 AufenthG durch das Ministerium des Innern und für Kommunales,
  3. Prüfung sonstiger Duldungsgründe nach § 60 a Abs. 2, 2a, 2b, 2c AufenthG, soweit hierfür nicht das BAMF zuständig ist.
  4. Der Ausländerbehörde obliegt in diesem Rahmen auch die Zuständigkeit für eine Asylbewerberin oder einen Asylbewerber, die oder der sich in ihrem Bezirk in einer Heil- oder Pflegeanstalt oder in einer Jugendhilfeeinrichtung befindet. Bei einer Asylbewerberin oder einem Asylbewerber, die oder der sich in Haft oder sonstigem öffentlichen Gewahrsam befindet, bleibt die Ausländerbehörde zuständig, in deren Dienstbezirk die Asylbewerberin oder der Asylbewerber nach Maßgabe des Asylgesetzes oder auf Grund einer Verfügung der Ausländerbehörde zu wohnen verpflichtet ist. Es sei denn, der Wohnort kann nicht mehr als gewöhnlicher Aufenthaltsort der Ausländerin oder des Ausländers angesehen werden. Dies ist dann der Fall, wenn dorthin keine Bindungen mehr bestehen und die Haft über einen längeren Zeitraum andauern wird. In diesem Fall wird die Ausländerbehörde zuständig, in deren Zuständigkeitsbereich die Haftanstalt liegt.

5.1.3 Zu den unter Nummer 5.1.1 genannten Aufgaben der Ausländerbehörden gehören auch

  1. die Aufgaben der Information zur freiwilligen Ausreise und
  2. die Vorbereitung der zwangsweisen Rückführung (Abschiebung) einschließlich der Erstellung von Rückübernahmeersuchen und des Veranlassens der erforderlichen ärztlichen Untersuchung zur Feststellung der Reisefähigkeit. Dazu gehört auch die Prüfung, ob ein besonderer Betreuungsaufwand für die zurückzuführenden Ausländerinnen und Ausländer vor und während der Abschiebung einschließlich einer weiteren Betreuung und Versorgung im Zielstaat notwendig wird. Den Ausländerbehörden obliegt es auch, ggf. die notwendigen Kontakte zur Auslandsvertretung im Aufnahmestaat und über diese zu den dortigen Behörden und Institutionen zur Aufnahme und Betreuung der zurückzuführenden Person herzustellen.

5.1.4 Die Ausländerbehörden sind ebenfalls zuständig für die Beantragung der Abschiebungshaft und die Überwachung, ob für die Dauer der Inhaftierung die Voraussetzungen für die Anordnung der Abschiebungshaft unverändert fortbestehen. Liegen die Voraussetzungen nicht mehr vor, hat die Ausländerbehörde unverzüglich die Aufhebung des Haftbeschlusses zu beantragen und gegebenenfalls gemäß § 424 Abs. 1 Satz 3 FamFG den Vollzug der Abschiebungshaft bis zu einer Woche auszusetzen.

5.2 Zentrale Ausländerbehörde des Landes Brandenburg (ZABH)

5.2.1 Die ZABH ist zuständige Behörde für die in § 3 AAZV festgelegten Aufgaben.

5.2.2 Während des Aufenthaltes in der Aufnahmeeinrichtung (§ 47 AsylG) nimmt die ZABH alle mit der Aufenthaltsbeendigung einer abgelehnten Asylbewerberin oder eines abgelehnten Asylbewerbers zusammenhängenden Aufgaben wahr, soweit nicht das BAMF zuständig ist. Sie ist insbesondere zuständig

  1. für die Prüfung der Vollziehbarkeit der Abschiebung, soweit konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass eine Vollziehbarkeitsmeldung der Außenstelle des BAMF nicht zutrifft,
  2. die Beantragung von Abschiebungshaft und Unterbringung in einer Abschiebungshaftvollzugseinrichtung,
  3. die Beschaffung der erforderlichen Reisedokumente,
  4. die Ausstellung von Grenzübertrittsbescheinigungen,
  5. die Beschaffung der Rückreise-Tickets,
  6. die Benachrichtigung der Grenzdienststellen,
  7. die Mitteilung über die vollzogene Abschiebung an die Außenstelle des BAMF und - sofern noch ein gerichtliches Verfahren anhängig ist - an das Verwaltungsgericht,
  8. die Abgabe von Stellungnahmen zu Eingaben oder Petitionen, soweit sich diese gegen die Aufenthaltsbeendigung aus der Aufnahmeeinrichtung wenden und
  9. die Durchführung der § 66, 67 AufenthG hinsichtlich der Abschiebungskosten.
  10. für die Koordinierung von Chartermaßnahmen nach Nr. 6.3.5

5.2.3 Sie ist darüber hinaus zur Unterstützung der in Nummer 5.1. genannten Ausländerbehörden zuständig für die

  1. Durchführung identitätsklärender Maßnahmen für die teilzentralisierten Staaten auf Antrag der Ausländerbehörden in Amtshilfe, einschließlich der Organisation und Mitwirkung an Anhörungen durch ausländische Experten zur Feststellung der Identität von ausreisepflichtigen Ausländerinnen und Ausländern, deren Identität ungeklärt ist,
  2. die Unterstützung der Ausländerbehörden bei der Beschaffung von Passersatzpapieren und sonstigen standesamtlichen Dokumenten im Rahmen der Amtshilfe, (siehe auch die Länderliste in Anlage 3 zu diesem Erlass)
  3. Entgegennahme, Prüfung und Weiterleitung von Rückübernahmeersuchen an die konsularischen Vertretung des zur Rückübernahme verpflichteten Staates, die Führung des erforderlichen Schriftwechsels mit den konsularischen Vertretungen, die Überwachung der eingehenden Rückübernahmezusagen und der zugesagten Pässe und Passersatzpapiere,
  4. Durchführung von Abschiebungen und Überstellungen nach der Dublin III - VO in eigener Zuständigkeit und in Amtshilfe für Ausländerbehörden auf dem Luft- oder dem Landweg, einschließlich der Beförderung und Begleitung der abzuschiebenden Ausländerinnen und Ausländer von deren Wohnung oder aus der Abschiebungshafteinrichtung zum Flughafen oder zur Grenzübergabestelle,
  5. Erstattung der Kosten für Zurückschiebung und Abschiebung an die Ausländerbehörden des Landes Brandenburg gemäß § 44 Abs. 2 Satz 2 OBG,
  6. Erhebung aller Kosten gemäß § 66 AufenthG für in eigener Zuständigkeit durchgeführte Abschiebungen, die bei den an den Abschiebungen beteiligten Behörden entstanden sind, sowie für die Erstellung und Zustellung der Kostenbescheide an die Kostenschuldner,
  7. Führung der Ausreisestatistik im Auftrag des Ministeriums des Innern und für Kommunales,
  8. Bewirtschaftung der Programme zur Förderung der freiwilligen Rückkehr (REAG/GARP, StarthilfePlus und sonstige Programme)

5.3 Polizei

5.3.1

Die Polizei leistet grundsätzlich nach Anforderung der Ausländerbehörden gem. § 50 BbgPolG Vollzugshilfe bei der Durchführung von Abschiebungen. Das Verfahren der Vollzugshilfe richtet sich nach § 51 BbgPolG. Das Formular „Vollzugshilfe gem. § 50 BbgPolG“ (Anlage 4) ist von der Ausländerbehörde auszufüllen und an die jeweilige Polizeidienststelle zu senden. Die Ausländerbehörde weist die Polizei auf alle Sachverhalte hin, die für die erfolgreiche und sichere Durchführung der Maßnahme notwendig sind.

Im Interesse der polizeilichen Einsatzplanung stellt die Ausländerbehörde das Vollzugshilfeersuchen so früh wie möglich. Eine spätere Stornierung des Vollzugshilfeersuchens ist für die Polizeidienststellen weniger belastend, als die Durchführung einer zeitnahen Maßnahme und das damit verbundene Erfordernis, kurzfristig Personal zur Verfügung zu stellen.

Die Vollzugshilfe beinhaltet insbesondere

  • die Überstellung des Ausländers von dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort zur Grenzbehörde (z. B. Grenzübergangsstelle oder Flughafen),
  • das Festhalten des Ausländers während der Überstellung (freiheitsbeschränkende Maßnahme),
  • die Überstellung des Ausländers zu Gerichtsterminen,
  • die Vorführung des Ausländers bei der Auslandsvertretung zum Zweck der Ausstellung von Heimreisedokumenten,
  • sowie die Verbringung des Ausländers in die Abschiebungshafteinrichtung und aus der Abschiebungshafteinrichtung zum Zielort, einschließlich der Begleitung von Gerichtsterminen.

5.3.2

In Anwendung des § 71 Abs. 5 AufenthG liegt die Zuständigkeit für die Durchführung von Abschiebungen, den Transport betreffend, bei den folgenden Personengruppen bei der Polizei:

  • Ausländerinnen und Ausländer, für die ein gerichtlicher Haftbeschluss (Abschiebungshaft) vorliegt.
  • Ausländerinnen und Ausländer, die aus der Strafhaft abgeschoben werden.
  • Intensivstraftäterinnen und Intensivstraftäter (Personen, die wiederholt strafrechtlich auffällig geworden sind (mindestens 5 Fälle pro Jahr – ohne Straftaten gegen das AufenthG bzw. AsylG) sowie Personen, die wegen der Begehung besonders schwerwiegender Gewalt- und Eigentumsdelikte aufgefallen sind.
  • Personen, gegen die eine Ausweisungsverfügung aufgrund der Ausweisungsinteressen des § 54 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1-7 AufenthG oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG ergangen ist.
  • Personen, die die Sicherheitsbehörden als Gefährder oder relevante Personen eingestuft haben.
  • Vollziehbar ausreisepflichtige Personen, die von der Ausländerbehörde wegen Untertauchens zur Fahndung ausgeschrieben sind.

Diese polizeiliche Zuständigkeit betrifft allein die anfallenden Transporte (z. B. Verbringung zum jeweiligen Überstellungsort, zur Abschiebungshafteinrichtung und zu Gerichtsterminen). Ein Vollzugshilfeersuchen muss hierfür bei den oben genannten Personengruppen nicht gesondert gestellt werden. Dessen ungeachtet übermittelt die Ausländerbehörde der Polizei alle für die Durchführung des Transports relevanten Informationen – auch zu dort vorliegenden Gefährdungserkenntnissen – rechtzeitig vorab.

Das weitere gemeinsame Vorgehen wird in Zusammenarbeit der beiden Stellen koordiniert. Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter der Ausländerbehörden begleiten den Transport, um ggf. Entscheidungen nach dem Aufenthaltsgesetz oder dem Asylgesetz zu treffen. Die Zuständigkeit für alle Maßnahmen, die nicht den Transport betreffen, verbleibt bei der jeweiligen Ausländerbehörde.

6.1 Kostenschuldner; Sicherheitsleistung; Erstattung

6.1.1 Die Kosten der Zurückschiebung oder Abschiebung sind gemäß § 66 Abs. 1 AufenthG von der abzuschiebenden Person zu tragen.

6.1.2 Neben der abzuschiebenden Person haften für die Kosten der Zurückschiebung oder Abschiebung die in § 66 Abs. 2 bis 4 AufenthG genannten Personen.

6.1.3 Die Ausländerbehörde hat nach § 67 Abs. 3 Satz 1 AufenthG die Kosten der Vorbereitung und Durchführung der Rückführung bei den Kostenschuldnern nach § 66 AufenthG zu erheben.

6.1.4 Von dem Kostenschuldner kann gemäß § 66 Abs. 5 AufenthG eine Sicherheitsleistung verlangt werden (vgl. Nummer 6.5.1).

6.1.5 Die Ausländerbehörde prüft, ob eine Inanspruchnahme der abgeschobenen Person oder Dritter (§§ 66 bis 68 AufenthG) in Betracht kommt, und erlässt im Einzelfall einen Leistungsbescheid. Die Ausländerbehörde fordert hierbei auch Abschiebungskosten an. Abschiebungskosten, die weder durch die Ausländerin oder den Ausländer noch durch Dritte gedeckt sind, werden in der Ausländerakte dokumentiert.

6.1.6 Wenn nachweisbar kein Kostenschuldner festgestellt oder haftbar gemacht werden kann bzw. die abzuschiebende Person mittellos ist, werden den Landkreisen und kreisfreien Städten die Kosten nach § 44 Abs. 2 Satz 2 OBG i. V. m. § 6 der Verordnung über Zuständigkeiten im Ausländer- und Asylverfahrensrecht (Ausländer- und Asyl-Zuständigkeitsverordnung – AAZV) durch das Land, vertreten durch die ZABH, erstattet (notwendige Kosten).

6.1.7 Die Erstattung der notwendigen Kosten erfolgt auch in den Fällen einer angeordneten, aber tatsächlich nicht erfolgreich durchgeführten Rückführung.

6.1.8 Eine Kostenerstattung findet nicht statt, wenn die Abschiebung offensichtlich rechtswidrig durchgeführt wurde.

6.1.9 Nach den Haushaltsgrundsätzen der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit erstattet das Land nur die notwendigen und angemessenen Kosten.

6.2 Beitreibung der Kosten

6.2.1 Können Rückführungskosten nach der Erstattung durch das Land von einem Kostenschuldner nach § 66 AufenthG beigetrieben werden, ist die geleistete Zahlung an die ZABH zu überweisen. Die ZABH erhält eine die Zahlung begründende Unterlage.

6.2.2 Die Bankverbindung lautet:

Landeshauptkasse Potsdam,

Landesbank Hessen Thüringen (Helaba)
IBAN: DE 23 3005 0000 7110 4016 22
BIC: WELA DEDD XXX

Verwendungszweck 03 810,
Name der Ausländerin oder des Ausländers.

6.3 Umfang der Kostenhaftung

Der Umfang der Kostenhaftung ist in § 67 AufenthG geregelt. Zu den durch das Land zu erstattenden Kosten gehören die folgenden Positionen mit den jeweils dort festgesetzten Pauschalsätzen. Sofern im Einzelfall höhere und notwendige Kosten als die nachfolgenden Sätze nachgewiesen werden, werden diese erstattet.

6.3.1 Beförderungskosten

  1. Öffentliche Verkehrsmittel
    Hierzu gehören Kosten durch Flug, Eisenbahn, Bus und andere öffentliche Verkehrsmittel. Diese Kosten sind in tatsächlicher Höhe erstattungsfähig und durch detaillierte Rechnung bzw. die Kopie des Tickets nachzuweisen.
     
  2. Dienstkraftfahrzeuge
    Grundlagen für die Erstattung der Kosten bei der Nutzung von Dienstkraftfahrzeugen sind die bei der ZABH entstandenen und durch Kostenblätter nachgewiesenen bzw. mit Hilfe der Kapitalwertmethode/Barwertmethode (VV zu § 7 LHO) ermittelten Kosten. Werden mit einem Dienstfahrzeug Fahrten zum Zwecke der Ab- und Zurückschiebung durchgeführt, so werden folgende Entschädigungssätze erstattet:

    Pkw             0, 45 Euro/km
    Transporter   0, 58 Euro/km

    Voraussetzung für eine Erstattung ist die Vorlage der Ablichtung des Fahrtenbuches.
     
  3. Dienstleistungsunternehmen

    Bei Inanspruchnahme eines Dienstleistungsunternehmens werden als Höchstsatz für Personalkosten 20 Euro pro Stunde und 0,65 Euro pro gefahrenen Kilometer erstattet. Diese Höchstsätze verstehen sich inklusive der gesetzlichen Mehrwertsteuer.

    Die detaillierten Abrechnungen sind beizufügen.

    Die haushaltsrechtlichen Grundsätze sind bei der Auswahl und dem Einsatz des Dienstleistungsunternehmens zu beachten.

    Personalkosten, die nicht durch eine erforderliche amtliche Begleitung entstanden sind, sind nicht erstattungsfähig.

6.3.2 Dolmetscherkosten

Die Erstattung der Dolmetscherkosten erfolgt nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG).

Bei der Abrechnung der Dolmetscherkosten ist in geeigneter Form nachzuweisen, dass diese im Rahmen einer Anhörung gemäß § 28 Abs. 1 VwVfG angefallen sind. Weiterhin sind Kosten erstattungsfähig, welche für vorbereitende Maßnahmen einer Abschiebung entstehen (z. B. nochmalige Selbstangabe, Bestätigung der Reisefähigkeit durch einen Arzt) und Kosten für Maßnahmen, die den Abbruch einer Abschiebung verhindern, z. B. bei Renitenz der abzuschiebenden Person.

6.3.3 Reisekosten für Begleitpersonen

Die Abrechnung erfolgt nach den Grundsätzen des Bundesreisekostengesetzes (BRKG). Eine Kopie der Reisekostenabrechnung ist beizufügen.

6.3.4 Kosten der medizinischen Begleitung

Für den Fall, dass eine Abschiebung mit Begleitung durch medizinisches Fachpersonal durchgeführt werden muss, ist eine vorherige Abstimmung mit der ZABH erforderlich. Derartige Kosten können nur nach vorheriger Kostenübernahmezusage der ZABH erstattet werden. Ein schriftlicher Antrag (auch per E-Mail möglich) an den Fachbereich Haushalt der ZABH ist erforderlich, aus dem sich auch die Notwendigkeit und Angemessenheit der Kosten ergeben muss.

6.3.5 Chartermaßnahmen

Rückführungen mit einem Charter werden grundsätzlich in Amtshilfe durch die ZABH vorbereitet. Liegt bei den Ausländerbehörden Bedarf für eine Chartermaßnahme vor, meldet die ZABH diesen der Bundespolizei und organisiert den Charterflug gemeinsam mit der Bundespolizei und gegebenenfalls Frontex. Im Übrigen bleiben die Ausländerbehörden für den Vollzug der Abschiebungen zuständig. Die ZABH kann in Abstimmung mit den Ausländerbehörden Sammelbusse für die Beförderung zum Flughafen organisieren. Bedarf für eine Chartermaßnahme ist regelmäßig anzunehmen, wenn der ZABH im Rahmen der Meldung gemäß Nummer 7 landesweit mindestens 70 in denselben Zielstaat abzuschiebende Personen gemeldet wurden, bei denen nachvollziehbar keine tatsächlichen oder rechtlichen Abschiebungshindernisse vorliegen. Die ZABH fragt zur Ermittlung des Charterbedarfs die tatsächlich vollziehbar Ausreisepflichtigen aus bestimmten Herkunftsstaaten ab. Die Ausländerbehörden melden der ZABH die Anzahl, der für die Chartermaßnahme in Betracht kommenden Personen.

Daneben führt auch das ZUR Bedarfsabfragen für Chartermaßnahmen durch, die durch die ZABH koordiniert werden.

6.3.6 Reisegeld

Sofern keine Eigenmittel vorhanden sind, kann bei Bedarf zur Deckung der Heimreisekosten im Heimatland ein Reisegeld in Höhe von maximal 100 Euro pro Person gezahlt werden. Es besteht jedoch kein Anspruch auf Reisegeld. Die Zahlung ist zu dokumentieren und als Nachweis der Abrechnung beizufügen.

Die Bundespolizei erwartet, dass die zuständige Ausländerbehörde den abzuschiebenden Personen Verpflegungspakete mitgibt. Die Kosten hierfür werden bei Nachweis anlässlich der Abrechnung erstattet.

6.3.7 Kosten der Amtshilfe

6.3.7.1 Wird eine kostenpflichtige Maßnahme im Wege der Amtshilfe durchgeführt, erfolgt die Durchführung der Amtshilfe nach dem für die ersuchte Behörde geltenden Recht (§ 7 VwVfG).

6.3.7.2 Abschiebungskosten, die der Ausländerbehörde eines anderen Bundeslandes durch eine Abschiebung im Wege der Amtshilfe tatsächlich entstehen, sind dieser auf Antrag nach Maßgabe des § 8 VwVfG zu erstatten. Stehen auf Grund einer von der Ausländerin oder dem Ausländer einbehaltenen Sicherheitsleistung ausreichende Mittel zur Verfügung oder ist ersichtlich, dass die Abschiebungskosten von der Ausländerin oder dem Ausländer oder einem anderen Kostenschuldner durch Leistungsbescheid erhoben werden können, sind der Ausländerbehörde des anderen Bundeslandes auch sonstige Abschiebungskosten nach § 67 Abs. 1 AufenthG zu erstatten (§ 8 Abs. 2 VwVfG).

Entsprechende Kostenabrechnungen sind beizufügen.

6.3.7.4 Führt die ZABH oder die Ausländerbehörde eine Abschiebung im Wege der Amtshilfe durch, beantragt sie bei der ersuchenden Behörde die Erstattung der Kosten entsprechend Nummer 6.3.7.2.

6.3.7.5 Amtshilfen durch die ZABH sind für die Ausländerbehörden des Landes Brandenburg nicht kostenpflichtig.

6.3.7.6 Erfolgt die Abschiebung in Amtshilfe für eine andere Ausländerbehörde des Landes Brandenburg, kann die Kostenerstattung mit dem Hinweis „Amtshilfe für ABH...“ direkt bei der ZABH beantragt werden. Die zuständige Ausländerbehörde muss einen Kostennachweis erhalten und über den Erstattungsantrag bei der ZABH informiert werden.

6.3.7.7 Bei zentral veranlassten Sammelvorführungen und durch die Bundespolizei organisierten Vorführungen bei ausgewählten Botschaften sind die vorgesehenen Zuführungen mit der ZABH (Clearingstelle) abzustimmen. Die Gesamtkosten einer Vorführungsmaßnahme legt die Bundespolizei auf alle angemeldeten Personen um. Die tatsächliche Teilnahme der betroffenen Ausländerinnen und Ausländern soll deshalb sichergestellt werden, da für alle gemeldeten Personen der errechnete Pauschalbetrag zu zahlen ist. Der Pauschalbetrag ist nur dann nicht zu zahlen, wenn entweder die plötzliche Erkrankung der Ausländerin oder des Ausländers aktenkundig nachgewiesen ist oder die Abmeldung von der Maßnahme bis zu fünf Werktage vor dem Vorführungstermin erfolgt.

6.3.8 Sonstige Auslagen

Auslagen für Passersatzpapiere und Passbilder werden in tatsächlicher Höhe erstattet, soweit sie keine Verwaltungsgebühren enthalten. Die Kostenerstattung erfolgt nach Vorlage entsprechender Belege.

6.4 Nicht erstattungsfähige Kosten

Nicht erstattungsfähig sind

  1. Verwaltungsgebühren, die bei der Beschaffung von Passersatzpapieren anfallen (§ 8 Abs. 1 VwVfG). Diese Leistungen sind im Rahmen des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) erstattungsfähig. Im Übrigen werden Auslagen unter 35,00 Euro gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 VwVfG nicht erstattet.
  2. Kosten, die durch einen anderen Rechtsträger zu erstatten sind (z. B. Polizei, Bundespolizei oder Gerichte).
  3. Kosten der Heimunterbringung; dies sind Leistungen nach dem AsylbLG. Kostenträger ist das örtlich zuständige Sozialamt.
  4. Kosten für eine medizinische Betreuung; dies sind Leistungen nach dem AsylbLG. Kostenträger ist das örtlich zuständige Sozialamt.
  5. Kosten für Übergepäck der abzuschiebenden Person.

6.5 Abrechnungsverfahren

6.5.1 Sicherheitsleistung

6.5.1.1 Vorhandene Barmittel des Ausländers, die die Höhe eines monatlichen Taschengeldes nach § 3 Abs. 1 AsylbLG übersteigen, kann bei der Abschiebung durch die Ausländerbehörde bis zur Höhe der voraussichtlich gemäß § 67 AufenthG zu erhebenden Kosten als Sicherheitsleistung gemäß § 66 Abs. 5 AufenthG eingezogen werden. Erfolgt die Einziehung am Flughafen, wird die Ermessensentscheidung in Abstimmung mit den anwesenden Beamten der Bundespolizei getroffen.

6.5.1.2 Als Sicherheitsleistung können auch verwertbare Sachwerte einbehalten werden. Hierbei handelt es sich im Regelfall um pfändbare bewegliche Sachen, deren Pfändung in einem angemessenen Verhältnis zu dem entstehenden Verwaltungsaufwand steht und deren Verwertung mit geringem Aufwand möglich scheint.

6.5.1.3 Auf die Unpfändbarkeit des Eingliederungsgeldes nach § 73 BbgJVollzG wird hingewiesen.

6.5.2 Antragsverfahren

6.5.2.1 Die Ausländerbehörde ist zuständig für die Feststellung und Einziehung aller Abschiebungskosten.

6.5.2.2 Die ZABH teilt der Ausländerbehörde die in der Abschiebungshafteinrichtung und bei Amtshilfeleistung entstandene Höhe der tatsächlichen Kosten in Form eines Forderungsnachweises mit.

6.5.2.3 Die Kostenerstattung erfolgt auf Antrag der Ausländerbehörde. Der Antrag sowie die zahlungsbegründenden Unterlagen sind in einfacher Ausfertigung bei der ZABH einzureichen.

6.5.2.4 Zusätzlich zu den in Nummer 6.3 genannten Unterlagen sind Nachweise zur Rechtmäßigkeit der durchgeführten Maßnahmen in einfacher Form vorzulegen; z. B. Abschlussmitteilung des BAMF oder Vorladung zur Botschaft, jedoch keine Bescheide, Anhörungsprotokolle, Gerichtsbeschlüsse und Ähnliches.

6.5.2.5 Bereits durch Dritte ausgeglichene Zahlungen sind nicht zu berechnen.

6.5.2.6 Es sind Bankleitzahl, IBAN, BIC, Codierung der Ausländerbehörde und ein Bezug, z. B. der Name der Ausländerin oder des Ausländers, anzugeben.

6.5.2.7 Es ist die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Anträge zu bestätigen.

6.5.2.8 Die Anträge sollen grundsätzlich nach erfolgter Abschiebung („haushaltsnah“) eingereicht werden.

6.5.2.9Ist absehbar, dass die Vorbereitung der Abschiebung eine längere Zeit in Anspruch nehmen wird, soll eine jährliche Abrechnung der Teilkosten erfolgen.

6.5.2.10 Forderungen, die bis zum 31. Dezember eines Jahres (Stichtag) entstanden sind, sind bis zum 30. Juni des dritten darauf folgenden Jahres als Endabrechnung oder Teilabrechnung gekennzeichnet, an die ZABH zu übersenden. Danach wird eine Erstattung für Maßnahmen, die vor dem Stichtag erfolgten, nicht mehr vorgenommen.

(Beispiel: Forderungen, die bis zum 31.12.2016 entstehen, können bis zum 30.6.2019 abgerechnet werden.)

6.6 Leistungsbescheid; Verjährung

6.6.1 Die sachliche Zuständigkeit für den Erlass eines Leistungsbescheides nach § 67 Abs. 3 Satz 1 AufenthG richtet sich nach § 71 AufenthG i. V. m. der AAZV. Wird eine Abschiebung im Wege der Amtshilfe durchgeführt, ist die um Amtshilfe ersuchende Behörde sachlich zuständig. Der Leistungsbescheid ist unverzüglich zu erstellen, insbesondere um eine effiziente Sicherung von Ansprüchen (vgl. Nr. 6.6.6) zu gewährleisten.

6.6.2 Die zuständige Behörde muss für die Begleichung der Rückführungskosten durch die Ausländerin oder den Ausländer einen vollstreckbaren Titel erwirken. Es wird auf die unterschiedlichen Verjährungsfristen in § 70 Abs. 1 AufenthG (Fälligkeitsverjährung) und Abs. 2 (Festsetzungsverjährung) hingewiesen.

6.6.3 Danach unterliegen Ansprüche auf Erstattung von Kosten, die im Zusammenhang mit einer Ab- und Zurückschiebung entstehen, nicht der allgemeinen Festsetzungsverjährung des § 20 Verwaltungskostengesetz (VwKostG), sondern lediglich der abschließend in § 70 Abs. 1 AufenthG geregelten sechsjährigen Fälligkeitsverjährung (vgl. Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts BVerwG 1 C 3.13 vom 8.5.2014).

Die Fälligkeit der Kostenschuld richtet sich nach § 17 VwKostG und beginnt mit der Bekanntgabe der Kostenentscheidung.

6.6.4 Für Gebühren und Auslagen (§ 69 AufenthG) gelten die allgemeinen Regeln über die Verjährung von Verwaltungskosten (§ 20 VwKostG in der bis zum 14. 08. 2013 geltenden Fassung). Sie unterliegen der gesonderten vierjährigen Festsetzungsverjährung mit der Folge, dass Zahlungsansprüche spätestens mit Ablauf des vierten Jahres nach ihrer Entstehung verjähren (§ 20 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 VwKostG). Die Verjährungsfrist beginnt mit dem Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Anspruch fällig geworden ist. Die Fälligkeit richtet sich nach § 17 VwKostG. Neben den Fällen des § 20 Abs. 3 VwKostG wird der Lauf der Verjährungsfrist auch in den Fällen des § 70 Abs. 2 AufenthG unterbrochen.

6.6.5 Die Ausländerbehörde soll innerhalb von 3 Tagen nach Erlass des Leistungsbescheides einen Sperrvermerk auf dem Versicherungskonto bei der Deutschen Rentenversicherung eintragen lassen. Sofern die Ausländerin oder der Ausländer die Erstattung der Beiträge zur Rentenversicherung beantragt, können die Rückführungskosten auf diesem Weg ganz oder teilweise beglichen werden.

7. Statistik

Die ZABH erstellt im Auftrag des MIK die Ausreisestatistik nach beigefügter Anlage 5 – Ausreisestatistik. Die Ausländerbehörden berichten der ZABH bis zum 10. des Folgemonats in Form der ausgefüllten Anlage 5 über stattgefundene Ausreisen.

8. Inkrafttreten, Aufhebung von Erlassen, Außerkrafttreten

8.1 Dieser Erlass tritt mit Bekanntgabe in Kraft.

8.2 Gleichzeitig treten

  1. der Erlass Nr. 1/1997 vom 5. März 1997 (Organisationserlass des Ministeriums des Innern zur Durchführung des Asylverfahrensgesetzes in Brandenburg),
  2. der Erlass Nr. 08/2005 vom 22. Juli 2005 (Rückführungen nach Afghanistan sowie Bleiberechtsregelung auf der Grundlage des § 23 AufenthG),
  3. der Erlass Nr. 02/2009 vom 31. März 2009 (Übermittlung von statistischen Angaben),
  4. der Erlass vom 20. November 2009 (Unterstützung der Ausländerbehörden bei der Vorbereitung und Durchführung von Abschiebungen durch die Polizei) und die Erlasse vom 11. Januar 2000 - III/5-50.63 und IV/7.12-2953,
  5. der Erlass Nr. 02/2010 vom 19. April 2010 (Ausländer- und Asylrecht; Rückführung iranischer Staatsangehöriger),
  6. der Erlass Nr. 06/2010 vom 20. Juli 2010 (Kostenumlage bei Sammelvorführungen),
  7. der Erlass Nr. 01/2013 vom 1. Februar 2013 (Kosten der Ab- und Zurückschiebung von Ausländern gemäß § 44 Abs. 2 Satz 2 Ordnungsbehördengesetz),
  8. der Erlass Nr. 11/2013 vom 2. Dezember 2013 (Ausländerrecht: Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei der Beantragung von Sicherungshaft nach § 62 AufenthG),
  9. der Erlass Nr. 2/2014 vom 22. Januar 2014 (Aufenthaltsrecht; Aufenthaltsgewährung von geduldeten jugendlichen, heranwachsenden sowie volljährigen Ausländern bei nachhaltiger Integration, hier: Aussetzung der Abschiebung gem. § 60a Abs. 2 S. 3 AufenthG),
  10. der Erlass Nr. 12/2014 vom 17. November 2014 (Ausländerrecht: Rückführungen nach Westafrika [Ebola-Gebiete]),
  11. der Erlass Nr. 3/2015 vom 25.09.2015 (Statistische Erfassung freiwilliger Ausreisen) und
  12. der Erlass Nr. 5/2016 vom 07.09.2016 (Aufenthaltsbeendigung; Zuständigkeit der Clearingstelle der ZABH für die Beschaffung von Passersatzpapieren)

außer Kraft.

8.3 Die Regelungen dieses Erlasses werden innerhalb von drei Jahren ab Inkrafttreten auf ihre Wirksamkeit evaluiert.

8.4 Dieser Erlass tritt am 31. Dezember 2020 außer Kraft.

Anlagen