Verwaltungsvorschriften des Ministers des Innern zur Durchführung des Ordnungsbehördengesetzes (VwV OBG)
vom 11. Juni 1993
(ABl./93, [Nr. 59], S.1238)
Auf Grund des § 48 des Gesetzes über Aufbau und Befugnisse der Ordnungsbehörden (Ordnungsbehördengesetz - OBG) vom 13. Dezember 1991 (GVBl. S. 636) erlässt der Minister des Innern folgende Verwaltungsvorschriften zugleich als allgemeine Weisung nach § 9 Abs. 2 Buchstabe a des Ordnungsbehördengesetzes:
Teil I.
Aufgaben und Organisation der Ordnungsbehörden
1. Aufgaben der Ordnungsbehörden (Zu § 1)
1.1 Gefahrenbegriff
Eine Gefahr im Sinne dieser Vorschrift besteht dann, wenn nach verständiger Würdigung des Sachverhalts die objektive Möglichkeit eines Schadens für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung (vgl. Nummer 13.1 und 13.1.2) angenommen werden muss. Diese Schadensdrohung kann konkret sein (s. Nummer 13.2); dies ist ein Grund für ordnungsbehördliches Einschreiten. Die Gefahrensituation kann aber auch abstrakt angenommen werden. Das ist dann der Fall, wenn aus einer näher zu beschreibenden Situation nach allgemeiner Lebenserfahrung angenommen werden muss, dass solche Situationen - wenn sie konkret eintreten - zu einem möglichen Schaden führen. Derartige abstrakte Gefahren können vor allem Anlass zum Erlass ordnungsbehördlicher Verordnungen sein (vgl. Teil I, Abschnitt 2).
1.2 Ordnungsbehördliche Aufgaben
Unter ordnungsbehördlichen Aufgaben versteht man die Gefahrenabwehr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung (§ 1 Abs. 1), sowie die Aufgaben, die den Ordnungsbehörden durch spezialgesetzliche Vorschriften übertragen worden sind (§ 1 Abs. 3).
1.3 Subsidiaritätsprinzip
1.3.1
In erster Linie erfüllen die Ordnungsbehörden ihre Aufgaben nach den Rechtsvorschriften, die für das jeweilige Sachgebiet gelten. Das Ordnungsbehördengesetz ist nur insoweit (subsidiär) anzuwenden, als solche besonderen Vorschriften fehlen oder nicht ausreichend sind. Vor Anwendung des Ordnungsbehördengesetzes haben sie vorher zu prüfen, ob die Erfüllung der ordnungsbehördlichen Aufgabe nicht in einer speziell hierzu erlassenen Rechtsvorschrift geregelt ist.
1.3.2
Auch Aufgaben, die nicht Aufgaben der Gefahrenabwehr sind, stellen ordnungsbehördliche Aufgaben dar, wenn sie nach spezialgesetzlichen Regelungen von der zuständigen Behörde als Ordnungsbehörde wahrzunehmen sind (§ 1 Abs. 3 „andere Aufgaben“). Das Ordnungsbehördengesetz ist in diesem Fall subsidiär anzuwenden.
1.4 Zuständigkeit der Polizei
Neben den Ordnungsbehörden ist auch die Polizei für die Gefahrenabwehr zuständig (§ 1 Abs. 1 des Gesetzes über die Aufgaben und Befugnisse der Polizei vom 13.09.1990, GBl. I Nr. 61 S. 1489, zuletzt geändert durch Art. 4 Nr. 8 der Vereinbarung vom 18.09.1990 zur Durchführung und Auslegung des Einigungsvertrages, BGBl. II S. 1239, 1243 in Verbindung mit § 1 des Vorschaltgesetzes zum Polizeigesetz des Landes Brandenburg -VGPolG Bbg vom 11.12.1991, GVBl. S. 636). Im Bereich der Gefahrenabwehr wird die Polizei jedoch nur tätig, soweit die Abwehr der Gefahren durch die Ordnungsbehörden nicht oder nicht rechtzeitig möglich erscheint (§ 2 Gesetz über Aufgaben und Befugnisse der Polizei). Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Ordnungsbehörde
- die erforderlichen Befugnisse (z. B. erkennungsdienstliche Maßnahmen),
- die erforderlichen Mittel zur Durchsetzung der Maßnahme (z. B. Hilfsmittel des unmittelbaren Zwangs u. a. Waffen),
- die erforderlichen Sachkenntnisse fehlen oder
- die Ordnungsbehörde nicht rechtzeitig erreichbar ist (Eilzuständigkeit der Polizei).
2. Vollzugshilfe der Polizei (Zu § 2)
2.1 Vollzugshilfe
Als besondere Form der Amtshilfe leistet die Polizei den Ordnungsbehörden auf Ersuchen Vollzugshilfe. Die Vollzugshilfe beschränkt sich auf Maßnahmen des unmittelbaren Zwangs. Sie wird nur geleistet, wenn die Ordnungsbehörden nicht über die hierzu erforderlichen Dienstkräfte verfügen oder ihre Maßnahmen nicht auf andere Weise selbst durchsetzen können.
2.2 Vollzugskräfte der Ordnungsbehörden
Nach § 1 Nr. 2 der Verordnung über die Bestimmung von Vollzugsdienstkräften vom 04.09.1992 (GVBl. II S. 590) sind die Dienstkräfte der Ordnungsbehörden und Sonderordnungsbehörden Vollzugsdienstkräfte im Sinne des § 28 Verwaltungsvollstreckungsgesetz für das Land Brandenburg vom 18.12.1991 (GVBl. S. 661).
2.3 Amtshilfe
Für Amtshilfeersuchen gelten die Vorschriften der §§ 4 ff des Verwatungsverfahrensgesetzes für das Land Brandenburg (VwVfG Bbg) vom 26.02.1993 (GVBl. I s. 26).
3. Aufbau (Zu § 3)
Die Ordnungsbehörden untergliedern sich in örtliche, Kreis- und Landesordnungsbehörden. Über § 3 hinaus können auch andere Behörden zu Ordnungsbehörden bestimmt werden. Diese Möglichkeit sieht § 11 mit der Regelung über Sonderordnungsbehörden vor (vgl. Nummer 11).
4. Örtliche Zuständigkeit (Zu § 4)
Die Aufsichtsbehörde kann im Interesse einer wirksamen Gefahrenabwehr bei Vorliegen eines Handlungsbedarfs in benachbarten Bezirken mehrerer Ordnungsbehörden eine der beteiligten Ordnungsbehörden für zuständig erklären. Von der Zuständigkeitserklärung nach § 4 Abs. 2 ist nur in zwingend gebotenen Ausnahmefällen Gebrauch zu machen. Ist eine Zuständigkeitserklärung ergangen, so handelt die Ordnungsbehörde auch im benachbarten Bezirk als zuständige Behörde.
5. Sachliche Zuständigkeit (Zu § 5)
Grundsätzlich sind die örtlichen Ordnungsbehörden für die Aufgabe der Gefahrenabwehr zuständig (§ 5 Abs. 1). Nur wenn durch besondere Rechtsvorschrift die Zuständigkeit der Kreisordnungsbehörden oder der Landesordnungsbehörden für spezielle Bereiche der Gefahrenabwehr festgelegt worden ist, ist deren Zuständigkeit gegeben (§ 5 Abs. 2 und Abs. 3). Dies ist in der Regel dann der Fall, wenn die Leistungsfähigkeit der unteren Behörde zur Erfüllung der jeweiligen Aufgabe nicht ausreicht. Da Landesordnungsbehörden die einzelnen Fachminister sind, richtet sich deren Zuständigkeit nach der Geschäftsverteilung der Landesregierung, wenn eine ausdrückliche gesetzliche Regelung fehlt.
6. Außerordentliche Zuständigkeit (Zu § 6)
6.1 Allgemeines
6.1.1
Im Bereich der Gefahrenabwehr können Situationen auftreten, die einen sofortigen Eingriff dringend erfordern. Unter der Voraussetzung der Gefahr im Verzug besteht die Möglichkeit, sowohl von der Regelung der örtlichen Zuständigkeit nach § 4 als auch von der sachlichen Zuständigkeit nach § 5 abzuweichen. Die auf dieser außerordentlichen Zuständigkeit beruhende Befugnis bleibt solange bestehen, bis die örtlich oder sachlich im Regelfall zuständige Behörde in der Lage ist, die ihr obliegenden Aufgaben wahrzunehmen.
6.1.2
Die Möglichkeit, bei Gefahr im Verzug oder in den gesetzlich vorgesehenen Fällen Befugnisse einer anderen Ordnungsbehörde wahrzunehmen, besteht sowohl im Verhältnis der übergeordneten zu den untergeordneten Ordnungsbehörden als auch umgekehrt. Auch im Verhältnis der allgemeinen und der Sonderordnungsbehörden zueinander ist dies grundsätzlich möglich.
6.1.3
Die Regelung besitzt geringe praktische Bedeutung. Bei den heutigen unmittelbar - und schnellstmöglichen Nachrichtenübertragungen und damit der möglichen rechtzeitigen Information der zuständigen Behörde ist es in der Regel nicht notwendig, die Befugnisse einer an sich zuständigen Behörde im Rahmen der außerordentlichen Zuständigkeit durch eine andere Behörde wahrzunehmen.
6.2 Begriff der Gefahr im Verzug
Eine Gefahr im Verzug, die eine Inanspruchnahme der außerordentlichen Zuständigkeit erfordert, liegt vor, wenn ein rechtzeitiges Eingreifen der allgemein zuständigen Behörde zur Gefahrenabwehr objektiv nicht mehr möglich ist und wenn ohne sofortiges eingreifen der an sich unzuständigen Behörde der drohende Schaden tatsächlich eintreten würde.
6.3 Gesetzlich vorgesehene Fälle
Neben dem Ordnungsbehördengesetz sind gesetzliche Vorschriften, welche außerordentliche Zuständigkeiten für Ordnungsbehörden enthalten, zu beachten. Als Beispiele sind hier § 11 Abs. 2 des Tierseuchengesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 28.03.1980 (BGBl. I S. 386) und § 2 Abs. 3 der Verordnung zur Bestimmung von Zuständigkeiten nach dem Tierseuchengesetz und zum Schutz gegen die Aujeszkysche Krankheit (AK) in Schutzgebieten vom 24.04.1991 (GVBl. S. 36), geändert durch Verordnung vom 12.03.1992 (GVBl. II S. 82) zu nennen.
6.4 Nachbarschaftshilfe
Der Hinweis in Nummer 6.3 gilt auch für die Fälle der sogenannten Nachbarschaftshilfe. Eine Kostenerstattung kann die handelnde Ordnungsbehörde von der für den Bezirk örtlich zuständigen Ordnungsbehörde nicht verlangen (vgl. § 44 Abs. 2).
(Nr. 7 und Nr. 8 nicht besetzt)
9. Weisungsrecht gegenüber örtlichen und Kreisordnungsbehörden (Zu § 9)
Die Aufgaben der Ordnungsbehörden nehmen die örtlichen und Kreisordnungsbehörden nach § 3 Abs. 1 als Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung wahr. In § 9 wird dieses Weisungsrecht näher bestimmt. Bei Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung können die Aufsichtsbehörden die Rechtmäßigkeit des Handelns und in einem näher bestimmten Umfang auch die Zweckmäßigkeit des Handelns überprüfen. Das den Aufsichtbehörden eingeräumte Weisungsrecht soll die rechtmäßige und im Rahmen des § 9 auch die zweckmäßige Erfüllung der Aufgabe sichern.
9.1 Rechtsaufsicht
Das Weisungsrecht soll die rechtmäßige Erfüllung ordnungsrechtlicher Aufgaben gewährleisten (§ 9 Abs. 1), in dem die Aufsichtsbehörden das Handeln der Ordnungsbehörden unter allen in Betracht kommenden Rechtsmäßigkeitsaspekten überprüfen können und bei Rechtsverstößen aufsichtsbehördliche Weisungen zulässig sind. Die Ermessensausübung im Einzelfall wird von dem Weisungsrecht nur insoweit berührt, als es um die rechtmäßige Ermessensausübung geht. Wird das Ermessen gar nicht (Ermessensnichtgebrauch), nicht seinem Zweck entsprechend (Ermessensfehlgebrauch) oder nicht innerhalb seiner Grenzen (Ermessensüberschreitung) ausgeübt, folgt daraus, dass die getroffene Entscheidung rechtswidrig ist. In diesem Fall kann die jeweilige Aufsichtsbehörde auch bezüglich der Ermessensausübung von ihrem Weisungsrecht im Rahmen des § 9 Abs. 1 Gebrauch machen.
9.1.1 Sonderordnungsbehörden
Von der Regelung des § 9 werden nur die Aufsichtsbehörden nach § 7 erfasst. Sind Behörden als Sonderordnungsbehörden tätig, erstreckt sich das Weisungsrecht im Rahmen der Fachaufsicht nach § 11 des Landesorganisationsgesetzes vom 25.04.1991 (GVBl. S. 148, geändert durch Gesetz vom 17.06.1991, GVBl. S. 226) auf die rechtmäßige und zweckmäßige Wahrnehmung der Aufgaben. Ordnungsbehörden in kommunaler Trägerschaft zählen nicht zu den Sonderordnungsbehörden im Sinne des § 11 des Landesorganisationsgesetzes und unterliegen damit nicht der Fachaufsicht, sondern nur der Aufsicht im Rahmen des § 9 des Ordnungsbehördengesetzes.
9.2 Zweckmäßigkeitsweisungen
In der Ausübung des Ermessens können die Ordnungsbehörden auch über das Weisungsrecht des § 9 Abs. 1 hinaus gebunden werden. Deshalb sieht § 9 Abs. 2 zwei Varianten des Weisungsrechts vor. Es können einerseits allgemeine und andererseits Einzelweisungen erteilt werden.
9.2.1 Allgemeine Weisungen
Allgemeine Weisungen beschränken sich nicht auf die Regelung eines bestimmten Falles, sondern sollen die einheitliche Behandlung der Rechtsmaterie für die Zukunft ganz allgemein sicherstellen. Allgemeine Weisungen ergehen insbesondere in Form von allgemeinen Verwaltungsvorschriften, Runderlassen oder Rundverfügungen. Die Beachtung der zur Durchführung des Gesetzes erlassenen allgemeinen Weisungen gehört zum gesetzmäßigen Aufgabenvollzug. Bleiben derartige allgemeine Weisungen unbeachtet, sind ohne weiteres Einzelweisungen zur Sicherstellung der rechtmäßigen Aufgabenerfüllung nach § 9 Abs. 1 möglich.
9.2.2 Einzelweisungen
Einer allgemeinen Weisung zur Sicherung einer einheitlichen Durchführung der Aufgaben ist - gegenüber einer im Einzelfall besonderen Weisung - der Vorzug zu geben. Ist eine besondere Weisung nach Lage des Einzelfalles nicht zu vermeiden, ist von der jeweiligen Aufsichtsbehörde zuerst zu prüfen, ob die Notwendigkeit des Eingriffs nicht auf ein gesetzwidriges Handeln der Ordnungsbehörde zurückzuführen ist. In diesem Fall kommt § 9 Abs. 1 zur Anwendung. Handelt die Ordnungsbehörde rechtmäßig, erscheint ihr Handeln jedoch nicht für die Aufgabenerfüllung geeignet oder werden hierdurch überörtliche Interessen gefährdet, kann eine besondere Weisung auch zur zweckmäßigen Erfüllung der ordnungsbehördlichen Aufgabe ergehen. Ein Handeln der an sich zuständigen Behörde wird insbesondere dann ungeeignet sein, wenn sie bei einer auftretenden Gefahr oder einer Beeinträchtigung sonstiger ordnungsbehördlicher Belange dieser nur unzureichend bzw. mit einem nicht wirksamen Mittel begegnet. In diesem Fall kann die Aufsichtsbehörde im Gegensatz zu den Gesetzmäßigkeitsweisungen auch eigene Ermessensüberlegungen anstellen.
9.3 Weisungsrecht gegenüber Ausländer- und Passbehörden
Die Regelung des § 9 Abs. 3 geht davon aus, dass der Bund in diesen Fachbereichen gegenüber den Ländern in bestimmten Fällen ein Weisungsrecht hat. Für diesen Bereich ist deshalb das besondere Weisungsrecht zur Sicherstellung einer zweckmäßigen Aufgabenerfüllung der Aufsichtsbehörden des Landes gegenüber den Ausländer- und Passbehörden ausgedehnt worden.
9.4 Ordnungsbehördliche Verordnungen
Der Erlass von ordnungsbehördlichen Verordnungen ist in jedem Fall uneingeschränkt in das Ermessen der zuständigen Ordnungsbehörde gestellt. Den Ordnungsbehörden steht es unter den Voraussetzungen der §§ 25 und 26 frei, jeweils für ihren Bezirk eine ordnungsbehördliche Verordnung zu erlassen. Die Vorschriften des Teiles II, Abschnitt 2 des Ordnungsbehördengesetzes sind zu beachten.
10. Befugnisse der Kommunalaufsichtsbehörden (Zu § 10)
10.1
Sonderaufsichtsbehörden (z. B. nach § 7) haben in ordnungsbehördlichen Angelegenheiten als besondere Aufsichtsbefugnisse das Unterrichtungsrecht (§ 8) und das Weisungsrecht (§ 9). Die den Kommunalaufsichtsbehörden auch in ordnungsbehördlichen Angelegenheiten zustehenden allgemeinen Aufsichtsbefugnisse nach §§ 65 bis 68 der Kommunalverfassung vom 17. Mai 1990, GBl. I S. 255, zuletzt geändert durch Gesetz vom 22.04.1993, GVBl. I S. 137 (Informationsrecht, Beanstandungs- und Aufhebungsrecht, Anordnungsrecht, Ersatzvornahme) treten also neben die Aufsichtsbefugnisse der Sonderaufsichtsbehörden.
10.2
Reichen die den Sonderaufsichtsbehörden zustehenden Aufsichtsmittel nicht aus, wenden diese sich an die Kommunalaufsichtsbehörden. Diese können dann die weitergehenden Mittel der allgemeinen Aufsicht im ordnungsbehördlichen Interesse einsetzen. Über den Einsatz dieser Mittel entscheiden die Kommunalaufsichtsbehörden in eigener Verantwortung.
10.3
Übt eine Behörde sowohl die Kommunalaufsicht als auch die Sonderaufsicht aus, hat zwischen den mit der Wahrnehmung der Sonderaufsicht und der Kommunalaufsicht befassten Stellen innerhalb der Behörde eine entsprechende Absprache zu erfolgen.
11. Sonderordnungsbehörden (Zu § 11)
11.1
Für spezielle Verwaltungsbereiche kann bestimmt werden, dass die zuständigen Behörden die anfallenden Aufgaben als Sonderordnungsbehörden wahrzunehmen haben (z. B. die Wasserbehörden nach § 4 des Vorschaltgesetzes zur Regelung der Zuständigkeit auf dem Gebiet des Wasserrechts sowie der Gewässerunterhaltung und -sanierung und des Gewässerschutzes vom 25.09.1991, GVBl. S. 444). In solchen Fällen haben die Sonderordnungsbehörden dann alle Rechte und Befugnisse nach dem Ordnungsbehördengesetz, soweit Spezialgesetze nichts anderes bestimmen (vgl. auch Nummer 3).
11.2
Ist dagegen in einem Gesetz nur geregelt, dass z. B. die Ämter und amtsfreien Gemeinden eine Aufgabe als Ordnungsbehörde wahrzunehmen haben, werden diese dadurch nicht direkt zur Sonderverordnungsbehörde. Es wird lediglich klargestellt, das es sich insoweit um eine ordnungsbehördliche Aufgabe handelt (vgl. auch Nummer 1.1).
12. Dienstkräfte der Ordnungsbehörden (Zu § 12)
12.1
Die Ordnungsbehörden haben die ihnen obliegenden Aufgaben mit eigenen Dienstkräften durchzuführen. Hierzu gehören auch Personen, die von den Ordnungsbehörden zur Erfüllung einer begrenzten Vollzugsaufgabe ermächtigt werden und als außerordentliche Organwalter für sie tätig sind. Aus dem behördlichen Ausweis muss der Umfang des übertragenden Aufgabenbereichs hervorgehen. Soweit Vollzugshilfe der Polizei erforderlich wird, ist Nummer 2 zu beachten.
12.2
Da Dienstkräfte der Ordnungsbehörden und Sonderordnungsbehörden gleichzeitig Vollzugsdienstkräfte sind (vgl. Nummer 2.2), gelten bei der Anwendung des unmittelbaren Zwangs die §§ 26 ff des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für das Land Brandenburg (VwVG BB) vom 18.12.1991 (GVBl. S. 661).
12.3
Die Dienstkräfte haben auf Anfrage auch die Dienstbehörde zu benennen, an die etwaige Beschwerden zu richten sind.
Teil II.
Befugnisse der Ordnungsbehörden
Abschnitt 1.
Ordnungsverfügungen
13. Voraussetzungen des Eingreifens (Zu § 13)
Bei der Wahrnehmung der Aufgaben der Ordnungsbehörden bildet § 13 die Rechtsgrundlage für Ordnungsverfügungen, die nicht auf spezielles Bundes- oder Landesrecht gestützt werden können (Generalklausel). Ordnungsverfügungen sind nur dann auf § 13 Abs. 1 des Ordnungsbehördengesetzes zu stützen, soweit keine spezialgesetzliche Regelung hierfür besteht. Bestehen spezialgesetzliche Regelungen, kann das Ordnungsbehördengesetz nur insoweit angewendet werden, als dass das Spezialgesetz nicht abschließend den jeweiligen ordnungsbehördlichen Bereich regelt oder das Spezialgesetz hierfür eine Ermächtigung enthält (Grundsatz der Subsidiarität).
13.1 Begriff der öffentlichen Sicherheit
Unter dem Begriff der öffentlichen Sicherheit versteht man
- den Bestand des Staates, seiner Einrichtungen und seiner Veranstaltungen,
- höherrangige Rechtsgüter wie Leben, Gesundheit, Eigentum, Freiheit und Ehre sowie
- die Unverletzlichkeit der Rechtsordnung (bei einem Verstoß gegen geltende öffentlich-rechtliche Vorschriften liegt stets eine Störung und weitere Gefährdung der öffentlichen Sicherheit vor).
13.1.2 Begriff der öffentlichen Ordnung
Der Begriff der öffentlichen Ordnung umfasst den Inbegriff der Normen, deren Befolgung nach den jeweils herrschenden sozialen und ethischen Anschauungen als unentbehrliche Voraussetzung für ein gedeihliches Miteinander von der überwiegenden Bevölkerung angesehen wird. Diese Wertvorstellungen sind auf den Gebieten der Sittlichkeit, des Anstandes, der religiösen Überzeugung und der Pietät von Bedeutung, wobei zu berücksichtigen ist, dass Wertvorstellungen im Wandel begriffen sind. Ist bereits die öffentliche Sicherheit gefährdet, ist von einer weiteren Prüfung hinsichtlich der Gefährdung der öffentlichen Ordnung abzusehen.
13.2 Gefahrenbegriff
13.2.1
Gefahr im Sinne des § 13 Abs. 1 ist die im Einzelfall bestehende konkrete Gefahr. Unter dem Begriff „konkrete Gefahr“ versteht man, dass der Eintritt eines Schadens bereits begonnen hat und von einer fortdauernden Gefährdung auszugehen ist. Eine konkrete Gefahr liegt aber auch schon dann vor, wenn ein Schaden für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung in absehbarer Zeit mit hinreichender Wahrscheinlichkeit bevorsteht.
13.2.2
Zur Gefahr im Sinne des § 13 Abs. 1 gehört auch die Anscheinsgefahr. Die Anscheinsgefahr ist eine Sachlage, welche die Behörde als gefährlich angesehen hat und unter den gegebenen Umständen bei verständiger Würdigung und hinreichender Sachverhaltsaufklärung als gefährlich ansehen durfte, während im nachhinein die Stichhaltigkeit dieser Annahme erschüttert oder gar widerlegt wird.
13.2.3
Schaden ist jede Verletzung von unter die Begriffe öffentliche Sicherheit und Ordnung fallenden Normen, Rechten und Rechtsgütern.
14. Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Zu § 14)
14.1
In § 14 wird der Begriff der „notwendigen Maßnahmen“ aus § 13 näher spezifiziert. Im einzelnen müssen Maßnahmen geeignet und inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Dem Adressaten muss genau erkennbar sein, was ihm abverlangt wird. Das dem Adressaten aufgegebene Tun oder Unterlassen muss tatsächlich möglich und rechtlich zulässig sein. Er darf nicht zu einem Tun oder Unterlassen verpflichtet werden, das ihm physisch oder psychisch unmöglich ist. Wirtschaftliches Unvermögen begründet keine Unmöglichkeit in diesem Sinne.
14.2
Um verhältnismäßig zu handeln, muss die Ordnungsbehörde sorgfältig die Vor- und Nachteile des Eingreifens sowie der beabsichtigten Maßnahmen abwägen. Es ist das für den Betroffenen und die Allgemeinheit am wenigsten beeinträchtigende - aber zum Erfolg führende - Mittel auszuwählen. Das Übermaßverbot bezieht sich auch auf ein zeitliches Übermaß; das ist insbesondere bei Verfügungen mit Dauerwirkung zu beachten.
14.3
Die getroffenen Maßnahmen dürfen nicht zu einem Nachteil führen, der zu dem erstrebten Erfolg erkennbar außer Verhältnis steht. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist eine der wichtigsten Ausprägungen des Rechtsstaatsprinzips.
15. Ermessen (Zu § 15)
15.1
Die Ordnungsbehörde entscheidet sowohl darüber, ob sie tätig wird (Entschließungsermessen), als auch welche Maßnahmen sie ggf. ergreift (Auswahlermessen). Sie hat dieses Ermessen pflichtgemäß auszuüben. Die Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens verbietet jede Willkür. Es dürfen nur sachliche Gründe entscheidend sein, ob sie tätig wird oder von einem Einschreiten absieht.
15.2
Bei der Auswahl der Mittel und der Störer (vgl. Nummer 16 bis 18) hat sie insbesondere eine sorgfältige Abwägung nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (s. auch Nummer 14) vorzunehmen. Zur rechtmäßigen Ermessensausübung vgl. Nummer 9.1.
16. Verantwortlichkeit für das Verhalten von Personen (Zu § 16)
16.1
Der sogenannte „Handlungsstörer“ ist eine Person, die durch ihr Verhalten eine Gefahr oder den Anschein einer Gefahr hervorgerufen hat. Ein Unterlassen steht dem Handeln gleich, wenn der Betroffene rechtlich zum Tätigwerden verpflichtet ist. Auch wer durch sein Verhalten eine Situation gewollt herbeiführt, in der zwangsläufig von Dritten eine Gefahr ausgeht, ist Verursacher im Sinne des § 16 Abs. 1. Für die Inanspruchnahme des Handlungsstörers ist nur die objektive Verursachung von Bedeutung, der subjektive Schuldvorwurf bleibt hierbei unberücksichtigt. Daraus folgt, dass Maßnahmen der Ordnungsbehörde sich auch gegen Kinder und Einsichtsunfähige richten können.
16.2
Die Pflicht zur Aufsicht einer Person (§ 16 Abs. 2) kann sich aus Gesetz oder Vertrag ergeben.
17. Verantwortlichkeit für den Zustand von Sachen (Zu § 17)
17.1 Eigentümer
Geht von einer Sache eine Gefahr aus, ist grundsätzlich der Eigentümer Adressat für die notwendigen ordnungsrechtlichen Maßnahmen. Wer Eigentümer einer Sache ist, richtet sich nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (§§ 903 ff.).
17.2 Inhaber der tatsächlichen Gewalt
Anstatt gegen den Eigentümer einer Sache könne die ordnungsrechtlichen Maßnahmen auch gegen den Inhaber der tatsächlichen Gewalt gerichtet werden. Inhaber der tatsächlichen Gewalt ist derjenige, der die tatsächliche Einwirkungsmöglichkeit auf die Sache hat. Es ist hierbei unerheblich, ob er dazu eine Berechtigung hat oder nicht (§§ 854 ff. Bürgerliches Gesetzbuch). Übt der Inhaber die tatsächliche Gewalt über eine Sache gegen den Willen des Eigentümers aus, so muss die Ordnungsbehörde ihre Maßnahmen gegen den Inhaber der tatsächlichen Gewalt richten.
17.3 Herrenlose Sachen
Ist der frühere Eigentümer einer Sache nicht zu ermitteln, dann muss die Ordnungsbehörde den gefahrdrohenden Zustand auf eigene Kosten beseitigen.
17.4 Auswahlermessen
Ist der gefahrdrohende Zustand einer Sache von einem Dritten der weder Eigentümer noch Inhaber der tatsächlichen Gewalt ist, verursacht worden, kann die Ordnungsbehörde auch gegen ihn nach § 16 die notwendigen Maßnahmen richten. Unter Umständen können auch beide - Zustandsstörer (§ 17) und Handlungsstörer (§ 16) - zur Beseitigung einer Gefahr herangezogen werden (z. B. Duldung des Eigentümers und Handeln des Verursachers). Die Auswahl des Störers hat nach pflichtgemäßen Ermessen zu erfolgen (vgl. Nummer 15).
18. Inanspruchnahme nicht verantwortlicher Personen (Zu § 18)
Unter bestimmten Voraussetzungen (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 bis 4) kann die Ordnungsbehörde auch gegen eine nicht verantwortliche Person ordnungsrechtliche Maßnahmen treffen. Erleidet jemand durch Maßnahmen der Ordnungsbehörden bei der Inanspruchnahme nach § 18 einen Schaden, ist der Schaden von dem Träger der ordnungsbehördlichen Kosten (§ 44) zu ersetzen (§ 38 Abs. 1 Buchstabe a).
18.1 Gegenwärtige, erhebliche Gefahr
Eine gegenwärtige Gefahr liegt vor, wenn die Einwirkung des schädigenden Ereignisses bereits begonnen hat oder wenn diese Einwirkung unmittelbar oder in allernächster Zeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bevorsteht. Die Gefahr ist erheblich, wenn sie einem bedeutsamen Rechtsgut (insbesondere Leben körperliche Unversehrtheit, Freiheit der Person, wichtige öffentliche Einrichtungen u. ä.) droht.
18.2 Zu § 18 Abs. 1 Nr. 2
Die Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 Nr. 2 sind insbesondere dann gegeben,
- wenn der Verantwortliche nicht zugegen ist oder
- wenn eine Verpflichtung des Verantwortlichen nicht oder nicht rechtzeitig möglich ist oder die zwangsweise Durchsetzung einer solchen Maßnahme nicht oder nicht rechtzeitig gewährleistet erscheint.
18.3 Selbsteintritt der Ordnungsbehörde
Es ist in erster Linie der Ordnungsbehörde selbst, mit den von ihr bereitzustellenden persönlichen und sächlichen Mitteln die zur Abwehr der Gefahr notwendigen Maßnahmen zu treffen. Die Ordnungsbehörde muss hierfür unter Umständen auch einen erheblich verstärkten Einsatz ihrer Mittel in Kauf nehmen, wenn dadurch die Inanspruchnahme des Nichtstörers vermieden werden kann.
18.4 Zu § 18 Abs. 1 Nr. 4
Eine erhebliche eigene Gefährdung im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 4 liegt insbesondere dann vor, wenn durch die Maßnahme gegen den Nichtstörer dessen Leben oder Gesundheit gefährdet würde. Eine Gefahr für das Vermögen des Nichtverantwortlichen ist nur dann erheblich, wenn die Vermögensgegenstände nicht ersetzbar sind oder die Gefährdung des Vermögens im Einzelfall außer Verhältnis zu der abzuwehrenden Gefahr steht. Eine Pflicht im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 4 ist höherwertig, wenn die Rechtsgüter, deren Schutz die Pflicht dient, im Verhältnis zur abwehrenden Gefahr höherwertig sind.
18.5 Zeitliche und sachliche Begrenzung der Maßnahme
In sachlicher Hinsicht bedeutet die Einschränkung des zulässigen Mittels, dass die getroffene Maßnahme nur soweit eingreifen darf, als es zur Beseitigung der Gefahr im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 notwendig ist. In zeitlicher Hinsicht hat die Begrenzung zur Folge, dass die Maßnahme nur für einen solchen Zeitraum getroffen werden darf, den die Ordnungsbehörde benötigt, um mit eigenen Kräften Abhilfe zu schaffen (§ 18 Abs. 2).
19. Form (Zu § 19)
Die Schriftform von ordnungsbehördlichen Verfügungen soll sicherstellen, dass der Ordnungspflichtige ohne Zweifel erkennen kann, was von ihm verlangt wird. Zur Vermeidung von zweifeln hinsichtlich der Form, des Inhalts und der anwendbaren Rechtsmittel ist darüber hinaus eine Verfügung im Sinne des § 19 Abs. 1 ausdrücklich als „Ordnungsverfügung“ zu bezeichnen.
19.1 Begriff der Gefahr im Verzug im Sinne des § 19
Eine Gefahr im Verzug im Sinne des § 19 Abs. 1 Satz 2 liegt vor, wenn ein sofortiges Eingreifen der Ordnungsbehörde erforderlich ist, um einen erheblichen Schaden zu vermeiden und durch Abwarten bis zum Erlass einer schriftlichen Ordnungsverfügung dieser Schaden entstehen würde (s. auch Nummer 6.2).
19.2 Schriftliche Bestätigung
19.2.1
Liegt ein berechtigtes Interesse an der schriftlichen Bestätigung vor, ist auf Verlangen des Betroffenen die Anordnung schriftlich zu bestätigen. Ein berechtigtes Interesse an der schriftlichen Bestätigung ist insbesondere dann nicht gegeben, wenn Rechtsmittel offensichtlich nicht in Betracht kommen.
19.2.2
Eine schriftliche Bestätigung soll erfolgen, wenn der Erlass einer bestätigenden schriftlichen Ordnungsverfügung vor allem im Hinblick auf eine sichere Grundlage für den Lauf der Rechtsmittelfrist (§ 19 Abs. 2) zweckmäßig ist. Dies wird in der Regel dann der Fall sein, wenn die Angelegenheit auf Grund der mündlichen Verfügung nicht zweifelsfrei als erledigt angesehen werden kann.
(Nr. 20 und 21 nicht besetzt)
22. Versagung ordnungsbehördlicher Erlaubnisse (Zu § 22)
22.1 Gebundene Erlaubnis
Bei der gebundenen Erlaubnis muss die Ordnungsbehörde prüfen, ob die Tatbestandsvoraussetzungen, an die der Gesetzgeber die Erlaubnis geknüpft hat, erfüllt sind. Führt diese Prüfung zu einem positiven Ergebnis, muss die Behörde die Erlaubnis erteilen.
22.2 Freie Erlaubnis
Ist die Entscheidung über die Erlaubniserteilung in das Ermessen der Ordnungsbehörde gestellt (freie Erlaubnis), darf eine Versagung über die Tatbestandsprüfung (s. Nummer 22.1) hinaus nur im Hinblick auf eine wirksame Gefahrenabwehr oder die Wahrung sonstiger ordnungsbehördlicher Belange erfolgen. Dies gilt nicht nur für die Entscheidung über die Zurücknahme, sondern bereits für die erstmalige Entscheidung über die beantragte Erlaubnis selbst.
22.3 Nebenbestimmungen zur Erlaubnis
Der allgemeine Grundsatz, dass bei der Entscheidung über den Antrag auf eine gebundene Erlaubnis nur die Voraussetzungen berücksichtigt werden dürfen, welche die speziellen gesetzlichen Vorschriften hierfür vorsehen (s. Nummer 22.1), gilt auch für die Nebenbestimmungen zur Erlaubnis. Nebenbestimmungen sind Bedingungen, Befristungen, Widerrufsvorbehalte, Auflagen und Auflagenvorbehalte. Auch der freien Erlaubnis (s. Nummer 22.2) können Nebenbestimmungen nur beigefügt werden, wenn dies im ordnungsbehördlichen Interesse geboten ist. Im übrigen ist § 36 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vom 26. Februar 1993 (GVBl. I S. 26) in bezug auf die Zulässigkeit von Nebenbestimmungen zum Verwaltungsakt anzuwenden.
(Nr. 23 nicht besetzt)
Abschnitt 2.
Ordnungsbehördliche Verordnungen
24. Allgemeines (Zu § 24)
24.1
Ist eine abstrakte Gefahr (vgl. Nummer 1.1) für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung gegeben, kann eine ordnungsbehördliche Verordnung erlassen werden, deren Beachtung verhindern soll, dass überhaupt ein gefahrdrohender Zustand entsteht.
24.2
Werden Verordnungen auf Grund besonderer landesgesetzlicher Ermächtigungen erlassen, sind die Vorschriften des Ordnungsbehördengesetzes über ordnungsbehördliche Verordnungen nur dann anzuwenden, wenn das Gesetz ausdrücklich zum Erlass einer „ordnungsbehördlichen Verordnung“ ermächtigt. Das gilt jedoch nur insoweit, als das Gesetz selbst keine abweichende Regelungen enthält.
24.3
Soweit dagegen Spezialgesetze zum Erlass von allgemeinverbindlichen Anordnungen ermächtigen, die nicht ausdrücklich als ordnungsbehördliche Verordnungen bezeichnet werden, finden gemäß § 37 Buchstabe b lediglich die Vorschriften der §§ 28, 29 mit Ausnahme von Nr. 2 und § 32 Anwendung.
(Nr. 25 nicht besetzt)
26. Verordnungsrecht der örtlichen und Kreisordnungsbehörden (Zu § 26)
26.1
Ordnungsbehördliche Verordnungen sind nur in unabweisbar notwendigen Fällen zu erlassen. Zunächst ist immer zu prüfen, ob bereits einschlägige Bestimmungen in Gesetzen oder Verordnungen (einschließlich der ordnungsbehördlichen Verordnungen der höheren Behörden - § 27) vorhanden sind, die den Erlass einer ordnungsbehördlichen Verordnung ausschließen oder überflüssig machen. Die Prüfung der Notwendigkeit einer Verordnung besteht auch bezüglich des räumlichen Geltungsbereichs. Besteht ein Regelungsbedarf z. B. nur in einem Gemeindegebiet, ist eine Verordnung, die im ganzen Landkreis gelten soll, unzulässig (s. § 26 Abs. 2).
26.2
Sachlich zusammenhängende und miteinander verwandte Sachverhalte sind in einer ordnungsbehördlichen Verordnung zusammenzufassen. Auf eine bestimmte, allgemein verständliche Fassung der ordnungsbehördlichen Verordnungen ist besonders zu achten.
(Nr. 27 und 28 nicht besetzt)
29. Form (Zu § 29)
29.1
Die äußere Form richtet sich - sofern nicht bei Spezialermächtigungen abweichende Vorschriften bestehen - ausschließlich nach dem Ordnungsbehördengesetz (insbesondere § 29).
29.2 Ermächtigungsgrundlage - § 29 Nr. 3
Die Vorschrift in der Einleitungsformel, auf die Bestimmungen des Gesetzes Bezug zu nehmen (§ 29 Nr. 3), gilt sowohl für diejenigen Verordnungen, deren Ermächtigungsgrundlage die §§ 25 und 26 bilden, als auch für solche, die auf Grund spezieller gesetzlicher Vorschriften als ordnungsbehördliche Verordnungen erlassen werden (vgl. Nummer 24).
29.3 Datum des Erlasses - § 29 Nr. 6
Bei Verordnungen der Minister ist als Datum des Erlasses das Datum der Unterzeichnung durch den Minister anzugeben. Die Ausfertigung von ordnungsbehördlichen Verordnungen der örtlichen und Kreisordnungsbehörden wird durch die Unterschrift des in § 32 Abs. 2 bestimmten Behördenleiters auf der Verordnungsurschrift vollzogen (wegen der Ausfertigung s. i .ü. Nummer 32.). Das Datum dieser Unterzeichnung ist hier als Datum des Erlasses anzugeben.
29.4 Bezeichnung der Behörde - § 29 Nr. 7
29.4.1
Die Behörde, die die Verordnung erlassen hat, ist wie folgt zu bezeichnen:
- Der Fachminister (jeweils genaue Bezeichnung ) ohne einen Hinweis auf seine etwaige Eigenschaft als Sonderordnungsbehörde, z. B. „Der Minister des Innern“ oder „Der Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten“;
- der Oberbürgermeister und der Landrat als Kreisordnungsbehörde, z. B. „Der Landrat des Landkreises Eberswalde als Kreisordnungsbehörde“, „Der Oberbürgermeister der Stadt Potsdam als Kreisordnungsbehörde“;
- der Oberbürgermeister, der Bürgermeister oder der Amtsdirektor als örtliche Ordnungsbehörde, z. B. „Der Oberbürgermeister der Stadt Potsdam als örtliche Ordnungsbehörde“, „Der Bürgermeister der Gemeinde Erkner als örtliche Ordndungsbehörde“ oder „Der Amtsdirektor des Amtes Gramzow als örtliche Ordnungsbehörde“.
29.4.2
Bei der kreisfreien Stadt ist danach zu unterscheiden, ob der Oberbürgermeister als Kreisordnungsbehörde, örtliche Ordnungsbehörde oder unter Umständen auch in beiden Eigenschaften tätig wird.
30. Zuwiderhandlung gegen ordnungsbehördliche Verordnungen (Zu § 30)
Falls ein Bußgeld bei Zuwiderhandlungen gegen in ordnungsbehördlichen Verordnungen aufgestellte Ge- oder Verbote angedroht ist, stellen Zuwiderhandlungen Ordnungswidrigkeiten im Sinne des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten - OWiG - vom 24. Mai 1968 (BGBl. I S.481) in der Fassung vom 19. Februar 1987 (BGBl. I S. 602), zuletzt geändert durch Gesetz vom 30. August 1990 (BGBl. I S.1853) dar. Die Verfolgung und Ahndung von Zuwiderhandlungen gegen ordnungsbehördliche Verordnungen richtet sich daher nach jenem Gesetz (§ 2 OWiG).
30.1 Einziehung - § 30 Abs. 1
In ordnungsbehördlichen Verordnungen kann nur die Einziehung der durch die Zuwiderhandlung gewonnenen oder erlangtem Gegenstände, dagegen nicht die Einziehung der zum Begehen der Ordnungswidrigkeit gebrauchten oder dazu bestimmten Gegenstände angedroht werden.
30.2 Verhältnis der Ordnungswidrigkeit zur Straftat - § 30 Abs. 3
30.2.1
Bei Bußgeldandrohungen in ordnungsbehördlichen Verordnungen ist zu prüfen, ob nicht der Tatbestand in Bundes- oder Landesgesetzen bereits als Straftatbestand geregelt oder mit Geldbuße bedroht ist. Ist eine Handlung gleichzeitig Straftat und Ordnungswidrigkeit, so wird nur das Strafgesetz angewendet. die Handlung kann jedoch als Ordnungswidrigkeit geahndet werden, wenn eine Strafe nicht verhängt wird (§ 21 OWiG).
30.2.2
Der Hinweis auf die Strafvorschrift soll auch dann aufgenommen werden, wenn auf die Aufnahme einer eigenen Bußgeldvorschrift in die Verordnung nicht verzichtet wird.
31. Geltungsdauer (Zu § 31)
Bei der Festlegung der Geltungsdauer ist in jedem Fall zu prüfen, ob eine kürzere Geltungsdauer als 20 Jahre angemessen ist. Hierbei ist zu berücksichtigen, ob es sich um die Regelung von Angelegenheiten handelt, die insbesondere dem zeitlichen Wandel unterliegen oder hinsichtlich derer bereits genügend Erfahrungen bestehen oder nicht. Der Zeitpunkt für das Außerkrafttreten sollte auf das Ende eines Vierteljahres festgesetzt werden.
32. Verkündung (Zu § 32)
Die Ausfertigung von ordnungsbehördlichen Verordnungen der örtlichen und der Kreisordnungsbehörden wird durch die Unterschrift der jeweiligen Behördenleiter (s. § 32 Abs. 2 Satz 1) auf der Verordnungsurschrift unter Angabe der Amtsbezeichnung sowie von Ort und Datum der Unterzeichnung vollzogen. Durch sie wird die wörtliche Übereinstimmung der Originalurkunde der Verordnung mit dem von der Vertretung (s. § 26 Abs. 3) beschlossenen Verordnungstext sowie das ordnungsgemäße Zustandekommen der Verordnung beurkundet und die Verkündung angeordnet.
32.1 Muster der Verkündungsanordnung
Es bedarf zur rechtswirksamen Verkündung ordnungsbehördlicher Verordnungen weder einer ausdrücklichen schriftlichen Bestätigung durch den Behördenleiter noch einer vom Behördenleiter unterzeichneten Bekanntmachungsanordnung. Gleichwohl empfiehlt es sich, die Verkündungsanordnung ausdrücklich wie im nachfolgenden Muster hervorzuheben:
„Auf Grund des § ... wird vom Bürgermeister (Amtsdirektor, Oberbürgermeister, Landrat) der Gemeinde (des Amtes, des Landkreises) ... als örtliche (Kreis-) Ordnungsbehörde gemäß Beschluss der Gemeindevertretung der Gemeinde ... (des Amtsausschusses des Amtes ..., des Kreistages des Landkreises ...) vom ... für das Gebiet der Gemeinde... (des Amtes ..., des Landkreises ...) folgende ordnungsbehördliche Verordnung erlassen:
VerordnungstextDie vorstehende ordnungsbehördliche Verordnung wird hiermit verkündet.
Ort, den ...................................
Der Bürgermeister
(Der Amtsdirektor,
Der Oberbürgermeister,
Der Landrat)
32.3 Verkündungsorgan
In welchem Verkündungsorgan Satzungen der Gemeinden, Ämter und Kreise öffentlich bekannt gemacht werden und somit also auch die ordnungsbehördlichen Verordnungen (§ 32 Abs. 2 Satz 2) verkündet werden müssen, ergibt sich aus der jeweiligen Hauptsatzung (§ 5 Abs. 2 des Gesetzes über die Selbstverwaltung der Gemeinden und Landkreise in der DDR - Kommunalverfassung - vom 17. Mai 1990, GBl. I S. 255, zuletzt geändert durch Gesetz vom 22.04.1993, GVBl. I S. 137).
33. Inkrafttreten (Zu § 33)
Bei der Berechnung der regelmäßigen Frist von einer Woche seit der Verkündung ist der Verkündungstag nicht mitzuzählen. Die ordnungsbehördliche Verordnung tritt daher mit dem Beginn des achten Tages nach Ablauf des Tages, an dem das Verkündungsorgan ausgegeben ist, in Kraft. Zum Beispiel tritt eine am Mittwoch, dem 7. Januar verkündete Verordnung am Donnerstag, dem 15. Januar, 0 Uhr, in Kraft.
(Nr. 34 und 35 nicht besetzt)
36. Wirkung von Gebietsveränderungen (Zu § 36)
Eine Verordnung bleibt immer unbeschadet von Gebietsveränderungen in Kraft, sofern nicht die erlassene Ordnungsbehörde selbst durch die Gebietsveränderung betroffen wird. § 36 Abs. 2 Satz 2 gilt daher für den Fall, dass bei der Neuordnung von Landkreisen die Bezirke der örtlichen Ordnungsbehörden in ihren Grenzen unverändert bleiben.
(Nr. 37 nicht besetzt)
Teil III.
Allgemeine Bestimmungen
(Nr. 38 bis 43 nicht besetzt)
44. Kosten (Zu § 44)
44.1 Kostenträger
Werden die Ordnungs- und Polizeibehörden in Angelegenheiten tätig, hinsichtlich derer beiderseits eine Zuständigkeit besteht, so trägt jede Behörde die Kosten von der ihr selbst eingeleiteten und durchgeführten Maßnahme. Eine Erstattung findet nicht statt. Dies gilt insbesondere auch für den Fall, dass die Polizeibehörde eine Aufgabe durchführt, die sie für unaufschiebbar notwendig hält, welche jedoch bei objektiver Beurteilung auch von der Ordnungsbehörde hätte durchgeführt werden können. Soweit ein Einschreiten durch eine an sich unzuständige Behörde in den Fällen des § 6 erfolgt, trägt die Behörde die Kosten, die die Maßnahme eingeleitet und durchgeführt hat. Eine Kostenerstattung durch die an sich zuständige Behörde erfolgt nicht (§ 44 Abs. 2, s. auch Nummer 6.3).
44.2 Abschiebungs- und Zurückschiebungskosten - § 44 Abs. 2 Satz 2
Eine Übernahme der Kosten für die Abschiebung und Zurückschiebung von Ausländern durch das Land kommt erst dann in Betracht, wenn die Kosten nicht von einer anderen Seite zu tragen sind (vgl. § 24 Abs. 6 und Abs. 6 a Ausländergesetz vom 28.04.1965, BGBl. I S. 353, zuletzt geändert durch Gesetz vom 20.12.1988, BGBl. I S. 2362).
(Nr. 45 nicht besetzt)
Teil IV.
Übergangs- und Schlussvorschriften
(Nr. 46 nicht besetzt)
47. Besondere Regelungen über die Zuständigkeit (Zu § 47)
47.1 Überwachung des ruhenden Verkehrs
Die Überwachungskompetenz für den ruhenden Straßenverkehr beinhaltet auch die Befugnis der örtlichen Ordnungsbehörden geeignete Maßnahmen zu treffen, um eine im Einzelfall bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit abzuwehren. Geeignete Maßnahmen zur Gefahrenabwehr können in diesem Zusammenhang das Versetzen oder unter bestimmten Voraussetzungen auch das Abschleppen eines Fahrzeuges sein. Ein Fahrzeug soll nur dann abgeschleppt werden, wenn eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit besteht (z. B. ein Kraftfahrzeug ist vor einer Feuerwehrausfahrt abgestellt worden, so dass ein möglich notwendiger Einsatz der Feuerwehr behindert wird), der Kraftfahrzeughalter nicht erreichbar oder nicht geeignet ist, um die Gefahr abzuwehren und durch andere Maßnahmen (z. B. Versetzen des Kraftfahrzeuges) ein drohender Schaden nicht abgewendet werden kann. Im übrigen ist der Runderlass des Ministeriums des Innern bezüglich der Sicherstellung von Fahrzeugen durch die Polizei vom 09.09.1991 - IV/2-2744 - (ABl. S. 565) von den örtlichen Ordnungsbehörden sinngemäß anzuwenden; eine Bindung an den Mustervertrag besteht nicht.
47.2 Überwachung von Höchstgeschwindigkeiten und Befolgung von Lichtzeichenanlagen
47.2.1
Der Zuständigkeitsbereich erstreckt sich auf das gesamte Kreisgebiet oder das Gebiet der kreisfreien Stadt. Ausgenommen ist jedoch die Geschwindigkeitsüberwachung auf Autobahnen. Die Zuständigkeit der Polizeipräsidien für die Verkehrsüberwachung bleibt unberührt.
47.2.2
Fest installierte Anlagen im Sinne der Vorschrift sind keine Anlagen, die jederzeit bei Bedarf auf- und abgebaut werden können oder mobil eingesetzt werden. Vielmehr handelt es sich um bauliche Vorrichtungen, die für einen längeren Zeitraum mit dem Boden oder mit Lichtzeichenanlagen fest verbunden sind. Das technische Gerät dagegen kann in mehreren fest installierten Anlagen abwechselnd eingesetzt werden. Sowohl das technische Gerät als auch die hiermit bestückte Überwachungsanlage müssen vor Inbetriebnahme geeicht sein.
47.2.3
Die Auswahl stationärer Überwachungsstandorte hat sich ausschließlich an dem Präventionszweck der Bekämpfung der Hauptunfallursachen zu orientieren. Gefahrenpunkte ergeben sich aus den Gesichtspunkten der Unfallhäufigkeit (Unter Zuhilfenahme von Unfallsteckkarten der Polizei) oder der besonderen Schutzbedürftigkeit bestimmter Bereiche wie z. B. vor Schulen, Kindergärten, Altenheimen oder in Wohngebieten. Die Auswahl hat daher im Benehmen mit den zuständigen Polizeipräsidien zu erfolgen.
47.3 Zuständigkeit für die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten
Die sachliche Zuständigkeit der Kreis- und örtlichen Ordnungsbehörden für die Verfolgung und Ahndung der im Rahmen der jeweiligen Überwachung festgestellten Ordnungswidrigkeiten folgt aus der Verordnung zur Bestimmung der für die Verfolgung und Ahndung von Verkehrsordnungswidrigkeiten zuständigen Verwaltungsbehörden (Verkehrsordnungswidrigkeitenzuständigkeitsverordnung - VOWiZustV) vom 6. April 1993 (GVBl. II S. 194).
48. Inkrafttreten
Diese Verwaltungsvorschriften treten am Tage nach der Verkündung in Kraft.