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Rundschreiben 10/01 (RS 10/01)
Rundschreiben 10/01 (RS 10/01)
vom 9. April 2001
(Abl. MBJS/01, [Nr. 5], S.212)
Empfehlungen zur Einbeziehung von Lesben- und Schwulenorganisationen in die Aufklärungsarbeit über gleichgeschlechtliche Lebensweisen in den Schulen
- Die Schule wahrt gemäß § 4 Abs. 4 Brandenburgisches Schulgesetz (BbgSchulG) die Offenheit und Toleranz u. a. gegenüber unterschiedlichen kulturellen Wertvorstellungen und Empfindungen.
Keine Schülerin und kein Schüler darf aufgrund ihrer oder seiner sexuellen Identität bevorzugt oder benachteiligt werden.
§ 4 Abs. 5 Nr. 5 BbgSchulG sieht vor, dass die Schule bei der Vermittlung von Kenntnissen, Fähigkeiten und Werthaltungen die Fähigkeit und die Bereitschaft der Schülerinnen und Schüler fördert, Beziehungen zu anderen Menschen auf der Grundlage von Achtung , Gerechtigkeit und Solidarität zu gestalten.
Gemäß § 12 Abs. 3 BgbSchulG sind im Rahmen schulischer Sexualerziehung Offenheit und Toleranz gegenüber den verschiedenen Lebensweisen zu beachten. Die Schule hat daher die Aufgabe, Schülerinnen und Schüler über die verschiedenen Varianten menschlicher Sexualität mit ihren wesentlichen Auswirkungen im individuellen und gesellschaftlichen Leben zu informieren, ihnen Kenntnisse zu vermitteln und Einsichten zu ermöglichen. Sie muss dazu beitragen, dass Schülerinnen und Schüler sich über ihre eigene sexuelle Identität finden können und ein verantwortliches und selbstbestimmtes Verhalten zu Sexualität im allgemeinen und zur vorurteilsfreien Selbstfindung im besonderen anbahnen. Dabei geht es nicht nur um biologisches Wissen, sondern um ganzheitliche personale Bezüge. Die Schule ergänzt hier die Sexualerziehung durch die Eltern. - Homosexualität und Heterosexualität sind gleichwertige Varianten menschlicher Sexualität. Die Rahmenlehrpläne bieten vielfältige Möglichkeiten, das Thema Homosexualität und die mit ihr verbundenen gleichgeschlechtlichen Lebensweisen vorzustellen und zu bearbeiten. Beispielhaft nenne ich die Rahmenlehrpläne für die Fächer Politische Bildung, Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde sowie Biologie. Die Thematik kann aber auch unabhängig vom Fach und seinen Rahmenlehrplänen situationsentsprechend und fächerübergreifend erörtert werden. Besonders geeignet hierfür sind z. B. die Fächer Deutsch, Kunst, Musik sowie der Sachunterricht.
- Aufklärung und Gespräche in der Schule über unterschiedliche Lebensformen und Lebensweisen sind dringend geboten, um Kinder und Jugendliche zu tolerantem und demokratischem Handeln zu befähigen und die Würde aller Menschen zu achten. Wohin die Ächtung von Minderheiten in der Gesellschaft führen kann zeigt das Beispiel nationalsozialistischer Herrschaft, unter der Zehntausende von Homosexuellen zunächst verfemt und in den Konzentrationslagern umgebracht wurden. Auch heute gibt es leider immer noch intolerante Einstellungen gegenüber Lesben und Schwulen. Das betrifft die Verächtlichmachung gleichgeschlechtlicher Lebensweisen - nicht selten im Zusammenhang mit der sexuellen Selbstfindung der Jugendlichen. Zum anderen ist gegenwärtig eine hohe Gewaltbereitschaft unter Jugendlichen gegenüber Minderheiten zu verzeichnen. Appelle an Schülerinnen und Schüler zur Toleranz allein genügen nicht. Ein wertvoller Beitrag zum Abbau von Vorurteilen und Diskriminierungen gegenüber Homosexuellen und gleichgeschlechtlichen Lebensweisen kann die Begegnung mit Vertreterinnen und Vertretern von Lesben- und Schwulenorganisationen sein.
- Unverzichtbar für das Gelingen schulischer Sexualerziehung ist die Einbeziehung der Eltern. Gemäß § 12 Abs. 3 BbgSchulG i. V. mit § 81 Abs. 2 müssen Eltern rechtzeitig über Ziel, Inhalt und Formen der Sexualerziehung unterrichtet werden.
- Gemäß § 9 Abs. 1 BbgSchulG sollten die Schulen mit anderen Stellen und öffentlichen Einrichtungen, deren Tätigkeit sich auf die Lebenssituationen junger Menschen und ihrer Familien auswirkt, im Rahmen ihrer Aufgaben und Befugnisse zusammenarbeiten. Die Verantwortung für den Unterricht und damit die Entscheidung, welche schulfremden Personen in den Unterricht einbezogen werden, liegt bei den Lehrkräften. Es besteht die Pflicht, die Schulleiterin oder den Schulleiter darüber zu informieren.
- Lesben- und Schwulenorganisationen aus dem Land Brandenburg haben in den vergangenen Jahren verschiedene Angebote zur Aufklärung von Schülerinnen und Schülern über Homosexualität und gleichgeschlechtliche Lebensweisen unterbreitet und mit Unterstützung des Landes Brandenburg bzw. der Kommunen im Unterricht oder bei anderen schulischen Veranstaltungen entsprechende Projekte durchgeführt.
Die Landeskoordinierungsstellen für LesBiSchwule Belange bieten sich für die Vermittlung und Koordination von Schulveranstaltungen an. - Adressen:
Landeskoordinierungsstelle für LesBiSchwule Belange im Land Brandenburg
Taubenstraße 20
03046 Cottbus
Telefon: 0355/70 28 00
Fax: 0355/38 3 00 86
E-Mail: cottbus@lks-brandenburg.de
Dieses Rundschreiben tritt am 1. August 2001 in Kraft. Gleichzeitig tritt das Rundschreiben 117/93 vom 6. Dezember 1993 (ABl. MBJS 1994 S. 70) außer Kraft.