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Runderlass in kommunalen Angelegenheiten, Ministerium des Innern, Nr. 10/2003
Grundstücksveräußerungen gem. § 90 der Gemeindeordnung (GO) für das Land Brandenburg,
Genehmigungsfreistellungsverordnung vom 4. September 2003, GVBl. II, Nr. 25, S. 577 (Runderlass Nr. 10/2003)

Runderlass in kommunalen Angelegenheiten, Ministerium des Innern, Nr. 10/2003
Grundstücksveräußerungen gem. § 90 der Gemeindeordnung (GO) für das Land Brandenburg,
Genehmigungsfreistellungsverordnung vom 4. September 2003, GVBl. II, Nr. 25, S. 577 (Runderlass Nr. 10/2003)

vom 23. Oktober 2003

I. Allgemeines

1. Nach dem geltenden § 90 GO in der Fassung der letzten Änderung durch Art. 4 des Gesetzes zur Entlastung der Kommunen von pflichtigen Aufgaben vom 04. Juni 2003 (GVBl. I Nr. 9 vom 10. Juni 2003 S.172, 174; Entlastungsgesetz) sind alle Vermögensveräußerungen genehmigungsfrei, deren Erlös den vollen Wert erreicht. Voraussetzung ist weiterhin die Feststellung der Entbehrlichkeit. In der am 17. Oktober 2003 (GVBl. II, S. 577) verkündeten Genehmigungsfreistellungsverordnung (GenehmFV) werden die Feststellung des vollen Wertes von Grundstücken und wirtschaftlichen Beteiligungen erläutert und weitere Rechtsgeschäfte von der Genehmigungspflicht freigestellt.

2. Die für Gemeinden geltenden Regelungen des § 90 Abs. 3 GO finden über § 63 Abs. 1 Landkreisordnung für die Landkreise, über § 11 Satz 2 Amtsordnung für die Ämter und über § 8 Abs. 1 des Gesetzes über kommunale Gemeinschaftsarbeit im Land Brandenburg für die Zweckverbände Anwendung. Die Geltung der GenehmFV ergibt sich für die Landkreise aus § 67 Abs. 2 Landkreisordnung, für die Ämter aus § 16 Abs. 1 Amtsordnung und für die Zweckverbände aus § 27 Abs. 3 des Gesetzes über kommunale Gemeinschaftsarbeit im Land Brandenburg.

II. Zu den Regeln der GenehmFV im Einzelnen:

1. Mit § 1 Abs. 1 wird die Veräußerung von sonstigen Vermögensständen von der Genehmigungspflicht freigestellt, soweit diese nicht unentgeltlich erfolgt oder einer unentgeltlichen Veräußerung gleichkommt. Hiervon sind alle Vermögensgegenstände erfasst, die nicht Absatz 2 unterfallen. Soweit entspricht dieser Absatz der bisherigen Regelung in § 90 Abs. 3 Buchstabe a GO alter Fassung.

2. Neu ist jedoch, dass gemäß § 1 Abs. 2 die Veräußerung von Unternehmen und Beteiligungen gemäß § 90 Abs. 3 GO genehmigungspflichtig ist. Bisher waren gemäß § 90 Abs. 3 Buchstabe a GO alter Fassung diese Veräußerungen nur genehmigungspflichtig, wenn sie unentgeltlich erfolgten. Jetzt besteht Genehmigungspflicht, wenn die Veräußerungen unter Wert erfolgt. Näheres dazu wird in § 3 ausgeführt. Diese Änderung ist auf den Wegfall der Genehmigungspflicht gemäß § 110 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 i. V. m. Abs. 4 GO alter Fassung zurückzuführen.

3. In § 2 wird in den Absätzen 1 bis 3 definiert, wann der volle Wert bei einer Veräußerung von Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten (im folgenden Grundstücke genannt) erreicht ist. Gemäß Absatz 1 ist die Veräußerung dann nicht genehmigungsfrei, wenn der Kaufpreis später als 6 Monate nach Vertragsschluss fällig wird. Ohne Verzinsung wird durch den Aufschub der volle Wert nicht erreicht. Mit Verzinsung ist der Vertrag mit der im nachfolgenden Punkt angeführten Ausnahme genehmigungspflichtig.

4. Zur Zahlung des Kaufpreises ist es ausreichend, wenn das Geld nach 6 Monaten auf dem Notaranderkonto hinterlegt ist und ab dem 6 Monatszeitpunkt die Zinsen der Kommune zustehen. Der volle Wert wird durch die Verzinsung erreicht.

5. Die weiteren Bestimmungen der Absätze 2 und 3 regeln, unter welchen Voraussetzungen der volle Wert bei Grundstücken als erreicht gilt und verpflichten die kommunale Körperschaft, das Erreichen des vollen Wertes bei einer Veräußerung nachzuweisen. Diese Nachweise sind zu den Akten zu nehmen. Ob bei einer Eintragung in das Grundbuch der Nachweis vorzulegen ist, wird von den einzelnen Grundbuchpflegern unterschiedlich gesehen. Wenn der Wert nicht vorschriftsmäßig ermittelt wurde, kann nicht nachgewiesen werden, dass eine Veräußerung zum vollen Wert gemäß § 90 Abs. 3 GO erfolgt. In diesem Fall ist das Rechtsgeschäft genehmigungspflichtig.

6. In Absatz 3 Ziffer 1 werden als Nachweis für unbebaute Grundstücke geeignete Bodenrichtwerte gefordert. Zum Führen des Nachweises sollte eine Bodenrichtwertauskunft von dem zuständigen Gutachterausschuss bzw. der Geschäftsstelle des Gutachterausschusses eingeholt werden. Geeignet sind die Bodenrichtwerte dann, wenn Lage, Nutzung und Größe des Grundstückes nicht erheblich von den Vergleichsgrundstücken abweichen. Wenn diese Voraussetzungen nicht vorliegen oder daran Zweifel bestehen, sind andere Nachweismethoden (z.B. Gutachten, Ausschreibung) anzuwenden.

7. Gegenüber der bisherigen Regelung gilt gemäß Absatz 3 Ziffer 2 der volle Wert auch als erreicht, wenn nach einer bedingungsfreien Ausschreibung zum Höchstgebot verkauft wird. Bei der Ausschreibung darf keine Zweckbindung (natürlich außer einer baurechtlichen) angegeben werden. Alle Angaben, die den Bieterkreis einschränken könnten, sind zu unterlassen (Ausnahme: Vorlage von Aussagen zur Liquidität des Bieters). Liegt ein gutachtlicher Wert vor, kann dieser mit "Verkehrswert lt. Gutachten" angegeben werden. Es empfiehlt sich aber, diesen nicht als Mindestpreis zu beziffern. Ein Mindestgebot muss nicht angegeben werden; eine solche Angabe wird aber empfohlen, wenn Minimalgebote ausgeschlossen werden sollen.

8. Ausschreibungen von Grundstücken unterliegen nicht einer formalen Verdingungsordnung wie z. B. VOL/VOB. Allerdings unterliegen sie einer zivilrechtlichen Inhalts- und Verfahrenskontrolle. Die im Text einer Ausschreibung enthaltenen Aussagen sind verbindlich. Wird in der Ausschreibung der Verkauf zum Höchstgebot versprochen und ein niedrigeres Gebot findet die alleinige Berücksichtigung, steht dem Höchstbietenden Schadensersatz zu.

Andererseits bietet die Formfreiheit auch die Möglichkeit, ein Bieterverfahren nach einer Veröffentlichung durchzuführen. Sind mehrere Interessenten vorhanden, empfiehlt es sich, dieses Verfahren anzuwenden, um den höchstmöglichen Verwertungserlös zu erzielen. Auf die Anwendung dieser Verfahrens ist im Ausschreibungstext hinzuweisen.

9. Eine genehmigungsfreie Veräußerung aufgrund einer Ausschreibung liegt nur dann vor, wenn das Angebot hinreichend publiziert wurde. Dabei ist darauf abzustellen, dass der potentielle Interessentenkreis erreicht wird. Auf genaue Festlegungen in der Verordnung wurde verzichtet, da die Art der veräußerten Immobilie den Umfang der notwendigen Publikation bestimmt. Dabei gilt die Grundregel: Je höher der potenzielle Wert des Objektes ist, umso umfangreicher und großflächiger muss die Ausschreibung angelegt sein. Zur Veröffentlichung bieten sich Ausschreibungsblätter, die regional, überregional sowie die bundesweit erscheinende Presse und entsprechende Internet seiten an. Die Publikation kann auch durch einen Makler wahrgenommen werden oder ein Makler wird zusätzlich mit der Verwertung beauftragt.

Für das Ausschreibungsverfahren werden folgende Mindeststandards festgesetzt:

  1. Alle Ausschreibungen sind mindestens einmal in der Presse zu veröffentlichen. Die alleinige Ausschreibung in einem Amtsblatt oder im Internet genügt einer hinreichenden Publikation nicht.
  2. Bei folgenden zu veräußernden Liegenschaften ist es erforderlich, die Ausschreibung mindestens in drei für jedermann zugänglichen Publikationen zu veröffentlichen, wovon mindestens eine bundesweit erscheint:
  • ein Grundstück in einem Gewerbegebiet oder in einem Kerngebiet,
  • es ist mit einem Gebäude bebaut, in dem sich mehrere Mieteinheiten befinden,
  • es handelt sich um ein größeres vermietbares Sanierungsobjekt oder
  • es handelt sich um eine weiterverwertbare Liegenschaft in einem Einfamilienhausgebiet, welches mit mehreren Häusern bebaubar ist.
  1. Handelt es sich um gewerblich nutzbare Liegenschaften von übergeordneter Bedeutung und erheblicher Größe, ist die Ausschreibung mindestens in einer europaweit erscheinenden Publikation zu veröffentlichen. Dabei ist zusätzlich die "Mitteilung der Kommission betreffend Elemente staatlicher Beihilfe bei Verkäufen von Bauten oder Grundstücken durch die öffentliche Hand" (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 97 Nr. C 209/3) i. V. m. dem Runderlass des Ministeriums des Innern in kommunalen Angelegenheiten Nr. 02/2002 vom 14.01.2002 zu beachten.

10. Vor einer Auktion gemäß Absatz 3 Ziffer 3 ist eine Immobilie immer auszuschreiben, da auch eine Auktion erfahrungsgemäß nur einen Teil des möglichen Interessentenkreises erreicht. Hierbei ist insbesondere an lokale Interessenten zu denken. Im Übrigen verweise ich auf meinen Runderlass 9/2002 vom 03.07.2002, Teil I. Teil II ist nicht mehr einschlägig, wenn vor der Auktion ausgeschrieben wurde.

11. In Absatz 4 werden alle Veräußerungen freigestellt, mit denen bestimmte gesetzliche Regelungen erfüllt werden. Damit kann dahingestellt bleiben, ob die gesetzlich geregelte Preisbestimmung den vollen Wert gemäß § 90 GO erreicht. Wird aber aufgrund von Öffnungsvorschriften von der gesetzlichen Wertermittlung abgewichen und sind die Voraussetzungen der §§ 1 bis 2 nicht erfüllt, ist die Veräußerung genehmigungspflichtig.

12. Die Eintragung einer Mehrerlösklausel gemäß Absatz 5 ist notwendig, um Spekulationen zu Lasten der Kommune vorzubeugen. Andere, darüber hinausgehende Klauseln und längere Zweckbindungsfristen, wie sie eventuell durch Förderprogramme gefordert werden, sind für die Genehmigungsfreiheit unbeachtlich.

13. Absatz 6 beinhaltet die Einbringung von Grundstücken als Sacheinlage in eine Gesellschaft. Grundsätzlich ist auch eine kostenlose Einbringung genehmigungsfrei. Dabei ist aber der Verkehrswert zu ermitteln, damit dieser entsprechend bilanziert werden kann. Z. B. ist die Einbringung von Grundstücken eines Eigenbetriebes in eine Eigengesellschaft nicht genehmigungsfrei, wenn nur der Bilanzwert übernommen wird.

Satz 2 sichert die Rückübertragung der Grundstücke bei einer vorzeitigen Beendigung der Übertragung der Aufgabenerfüllung.

14. In § 3 wird definiert, wann der volle Wert bei der Veräußerung von Unternehmen und Unternehmensbeteiligungen erreicht wird. Die Regelungen ersetzen nicht vollständig das nunmehr entfallene Genehmigungsverfahren gemäß § 110 GO, sondern stellen nur auf die Höhe der Erlöse ab. Trotzdem ist weiterhin Voraussetzung, dass die veräußerte Unternehmensbeteiligung für die Kommune gemäß § 90 Abs. 1 GO entbehrlich ist. Auf § 106 Abs. 1 GO wird hingewiesen.

15. Zur Ausschreibung gemäß Ziffer 1 verweise ich auf die vorstehenden Ausführungen unter den Ziffern II.7., 8. und 9.. Ergänzend lege ich fest, dass der volle Wert aufgrund einer Ausschreibung nur erreicht wird, wenn zumindest gemäß Ziffer 9. Buchstabe b ausgeschrieben wurde.

16. Zur Vermeidung von möglicherweise erheblichen Kosten für die Gemeinde sollte in der Regel davon abgesehen werden, eine Wertermittlung auf Grundlage eines durch einen Wirtschaftsprüfer oder eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft erstellten Wertgutachtens gemäß Ziffer 2 vorzusehen. Vielmehr ist es ausreichend, wenn der Marktwert im Rahmen einer offenen Ausschreibung gemäß Ziffer 1 ermittelt wird.

17. Die bekannten Verfahren zur Unternehmensbewertung werden in den Grundsätzen zur Durchführung der Unternehmensbewertung des Institutes der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e. V. (IDW) beschrieben. Die konkrete Methode ist durch den Wirtschaftsprüfer anhand der Art des Unternehmens und dem Zweck der Veräußerung festzulegen. Nicht zulässig ist das sogenannte "Stuttgarter Verfahren" (vgl. u.a. OLG Köln - 4 U 31/97) zur Erreichung einer generellen Genehmigungsfreiheit nach der GenehmFV.

18. Die GenehmFV ist keine Vergabevorschrift. Ob bei der Veräußerung eines Unternehmens oder einer Beteiligung im Einzelfall die Bestimmungen des Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen einzuhalten sind oder der Vertragsabschluss sonstigen gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen insbesondere unter den Gesichtspunkten der Nichtdiskriminierung und Transparenz (Artikel 12 EG) unterliegt, ist nach diesem Bundes- und Gemeinschaftsrecht zu beurteilen und ist nicht Gegen-stand des Genehmigungsverfahrens nach § 90 Abs. 3 GO. Dies kommt u. a. in Betracht, wenn zuvor zwischen der Gemeinde oder dem Gemeindeverband und dem ganz oder teilweise zu veräußernden Unternehmen ein Vertrag über entgeltliche Leistungen abgeschlossen wurde, der ganz oder teilweise nach der Wirksamkeit der Veräußerung zu erfüllen ist.

19. Wasser und Bodenverbände gemäß § 3 Gewässerunterhaltungsverbandsgesetz gehören nicht zu den Zweckverbänden gemäß § 4.

20. Sollte eine Bescheinigung erforderlich sein, dass eine Genehmigung nicht erforderlich ist, ist diese von der veräußernden Kommune in notwendiger Form (vgl. OLG Jena, Beschluss vom 18.09.2000 - 6 w 547/00) auszustellen. Sie muss die Behörde erkennen lassen und Unterschrift und Siegel enthalten (vgl. § 29 Abs. 3 Grundbuchordnung). Ein sogenanntes "Negativattest" wird durch die zuständige Kommunalaufsichtsbehörde in der Regel nicht erteilt.

III. Übergangsregeln:

1. Mit In-Kraft-Treten des Gesetzes zur Entlastung der Kommunen von pflichtigen Aufgaben vom 04. Juni 2003 sind alle Vermögensveräußerungen genehmigungsfrei, deren Erlös den vollen Wert erreicht. Das betrifft auch diejenigen Rechtsgeschäfte, die vor In-Kraft-Treten des Entlastungsgesetzes abgeschlossen wurden und nach bisherigen Recht genehmigungspflichtig waren und über deren Genehmigungsfähigkeit noch nicht kommunalaufsichtlich entschieden wurde. Gleiches gilt für die Anwendung der GenehmFV.

2. Für diese noch nicht entschiedenen Grundstücksgeschäfte ist jedoch der volle Wert nur nachgewiesen, wenn die Wertermittlung den zum Zeitpunkt des Rechtsgeschäftes geltenden Vorschriften entsprach. Dem liegt zugrunde, dass z. B. die jeweiligen Regelungen zur Geltungsdauer der Verkehrswertgutachten den Gegebenheiten des Grundstücksmarktes entspricht. So war z. B. Anfang der 90er Jahre noch von stark schwankenden Preisen auszugehen. Die jährlich ermittelten Bodenrichtwerte hatten aufgrund der schwachen Datenbasis noch keine Stabilität.

3. Wurden die unter 9. bis 11. genannten Regeln zur Ausschreibung eingehalten, ist die Veräußerung von Grundstücken genehmigungsfrei. Gleiches gilt für die Auktion.

4. Bestehen Zweifel, ob eine Genehmigungspflicht vorliegt, ist eine Genehmigung zu beantragen und, soweit ein Antrag vorliegt, ggf. eine Genehmigung zu erteilen.

5. Veräußerungen von Unternehmen sind nur nach dem neuen Recht zu bewerten.

Im Auftrag

Hoffmann