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Runderlass III Nr. 8/1992
Hinweise zur Ausübung der allgemeinen Rechtsaufsicht (Kommunalaufsicht)

Runderlass III Nr. 8/1992
Hinweise zur Ausübung der allgemeinen Rechtsaufsicht (Kommunalaufsicht)

vom 30. April 1992

Die KVerf regelt Inhalt und Befugnisse der Rechtsaufsichtsbehörden. Ergänzend dazu weise ich die Landräte an, die Aufgabe der Kommunalaufsicht entsprechend den nachfolgenden Vorgaben auszuüben.

I.
Grundsätze

Das Ziel der Kommunalaufsicht besteht darin, die Entschlusskraft und Verantwortungsbereitschaft der Gemeinden zu fördern und zu stärken (§ 63 Abs. 1 Satz 2 KVerf). Die Rechtsaufsichtsbehörden sind zu einem aktiven Eintreten zum Schutze der kommunalen Selbstverwaltung aufgefordert.

II.
Gegenstand der allgemeinen Rechtsaufsicht

Gegenstand der allgemeinen Rechtsaufsicht ist die Rechtskontrolle über die Tätigkeit der kommunalen Gebietskörperschaften im Bereich der weisungsfreien Selbstverwaltungs-aufgaben.

Die Rechtsaufsichtsbehörde hat hier sicherzustellen, dass die Verwaltung der kommunalen Gebietskörperschaften im Einklang mit den Gesetzen erfolgt (§§ 63 Abs. 2, 97 KVerf).

Der Begriff des „Gesetzes“ i. S. d. § 63 Abs. 2 KVerf ist weit auszulegen und eher als „Recht“ aufzufassen, so dass auch Verstöße gegen Rechtsverordnungen, Satzungen und Gewohnheitsrecht erfasst werden. Ist den der Aufsicht unterliegenden Körperschaften bei der Wahrnehmung dieser Aufgaben ein Ermessensspielraum eingeräumt, so ist die Rechtsaufsicht auch berechtigt, beim Vorliegen von Ermessensfehlern tätig zu werden.

Bei Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung, bei denen die Aufsichtsbefugnisse des Staates näher ausgestaltet sind (Sonderaufsicht), und bei staatlichen Auftragsangelegenheiten (Fachaufsicht) tritt an die Stelle der Rechtsaufsichtsbehörde die im Gesetz bezeichnete Behörde (Sonderaufsichtsbehörde oder Fachaufsichtsbehörde). Sonder- und Fachaufsicht enthalten in dem jeweiligen Fachgebiet immer auch eine Rechtmäßigkeitskontrolle.

Maßnahmen nach §§ 66 - 68 KVerf dürfen allerdings nur von den Rechtsaufsichtsbehörden angeordnet werden. Sonder- und Fachaufsichtsbehörden müssen sich daher zur Durchsetzung ihrer Weisungen an die Rechtsaufsichtsbehörden wenden. Diese werden dann im Rahmen der Amtshilfe tätig.

In ordnungsbehördlichen Angelegenheiten haben die Sonderaufsichtsbehörden als besondere Aufsichtsbefugnisse das Unterrichtungsrecht (§ 8 OBG) und das Weisungsrecht (§ 9 OBG). Die den Kommunalaufsichtsbehörden auch in ordnungsbehördlichen Angelegenheiten zustehenden allgemeinen Aufsichtsbefugnisse nach §§ 65 - 68 der Kommunalverfassung treten also neben die Aufsichtsbefugnisse der Sonderaufsichtsbe-hörden. Halten die Sonderaufsichtsbehörden die ihnen zustehenden Aufsichtsmittel nicht für ausreichend, so wenden sie sich an die Kommunalaufsichtsbehörden und ersuchen sie, die weitgehenden Mittel der allgemeinen Aufsicht im ordnungsbehördlichen Interesse einzusetzen. Über den Einsatz dieser Mittel entscheiden die Kommunalaufsichtsbehörden in eigener Verantwortung. Sofern Sonderaufsichts- und Kommunalaufsichtsbehörde zusammenfallen (Landrat als allgemeine untere Landesbehörde), hat eine entsprechende Fühlungnahme zwischen den mit der Wahrnehmung der Sonderaufsicht und der Kommunalaufsicht betrauten Stellen innerhalb der Behörde stattzufinden.

III.
Einschreiten der Rechtsaufsicht

Die Rechtsaufsicht wird im öffentlichen, nicht im privaten Interesse ausgeübt. Sie soll das Interesse der Allgemeinheit am rechtsstaatlichen Handeln der der Aufsicht unterliegenden Gebietskörperschaften sichern. Zweck der Aufsicht ist es nicht, Bürgern zu ihrem Recht gegenüber Gemeinden, Städten und Landkreisen zu verhelfen; diesen steht der Rechtsweg gegenüber Handlungen der Gemeinden, Städte und Landkreise offen.

Der Bürger hat damit keinen Rechtsanspruch auf ein Einschreiten der Rechtsaufsichts-behörde.

Ob und inwieweit die Rechtsaufsichtsbehörde gegen Gesetzesverletzungen mit den förm-lichen Mitteln der Rechtsaufsicht einschreitet, unterliegt ihrem pflichtgemäßen Ermessen (Opportunitätsprinzip), d. h. dass die Rechtsaufsichtsbehörde die Mittel einsetzen kann, nicht aber, dass sie dazu verpflichtet ist. Maßgebend für die Ausübung ihres Ermessens ist die Bedeutung der Angelegenheit, das Gewicht der Sache sowie die Folgen des rechtswidrigen Tuns der Gemeinde. Bei der Ausübung des Ermessens ist es von besonderer Bedeutung, wenn der Bürger im Recht ist.

Öffentliche Interessen können durch Verstöße der Gemeinden gegen das Privatrecht genauso berührt werden wie durch Verstöße gegen das öffentliche Recht.

IV.
Maßnahmen der Rechtsaufsichtsbehörden

Die den Rechtsaufsichtsbehörden zur Verfügung stehenden Mittel ergeben sich abschließend aus der KVerf. Bei der Auswahl der Aufsichtsmittel ist das Gebot der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Bei förmlichen Aufsichtsmitteln (§§ 66 - 68 KVerf) sind die Hinweise unter V. zu berücksichtigen.

  1. Die Verpflichtung der Rechtsaufsichtsbehörde, die Entschlusskraft und die Verantwortungsbereitschaft der Gemeinden zu fördern sowie Erfahrungen bei der Lösung kommunaler Aufgaben zu vermitteln (§ 63 Abs. 1 Satz 2 KVerf), umfasst die Erteilung von Rat als vornehmste Aufgabe der Kommunalaufsicht. Sie wird den Schwerpunkt der aufsichtsbehördlichen Tätigkeit ausmachen und schließt neben der Erteilung von Rechtsrat auch die Vermittlung von Erfahrungen bei der Lösung kommunaler Aufgaben ein.

    Insbesondere kleinere Gemeinden mit geringer Verwaltungskraft sind auf die Kenntnisse und Erfahrungen der Aufsichtsbehörden angewiesen.

    Bei ihren Anliegen haben die Städte und Gemeinden allerdings den Dienstweg einzuhalten. Eingaben, die dem Ministerium des Innern unter Umgehung des Dienstweges vorgelegt werden, werden an die Landräte als untere Rechtsaufsichtsbehörden weitergegeben.
  2. Die Rechtsaufsichtsbehörde kann sich jederzeit über alle Angelegenheiten der ihrer Aufsicht unterliegenden Körperschaften unterrichten (§§ 65, 97 KVerf). Ein rechtswidriges Handeln der Gemeinden oder Landkreise wird dabei nicht vorausgesetzt. Vom Unterrichtungsrecht der Rechtsaufsichtsbehörden werden auch diejenigen Vorgänge erfasst, die der Sonder- oder Fachaufsicht unterliegen.

    Dem Unterrichtungsrecht der Aufsichtsbehörde entspricht die Unterrichtungspflicht der Gemeinden, Städte und Landkreise.

    Das Unterrichtungsrecht der Rechtsaufsichtsbehörde erstreckt sich auch auf den nichtöffentlichen Teil von Gemeindevertretungs- und Kreistagssitzungen, da es gegenüber der Rechtsaufsichtsbehörde keine Verschwiegenheitspflicht gibt. Ein Recht der Rechtsaufsichtsbehörde, während der Sitzung das Wort zu ergreifen, besteht nicht.

    Die Rechtsaufsichtsbehörde hat bei der Ausübung ihres Unterrichtungsrechtes das Übermaßverbot zu beachten. So ist die Einführung einer generellen Vorlagepflicht für Angelegenheiten einer bestimmten Art unzulässig. Auslöser des Unterrichtungsrechtes können nur Einzelvorfälle sein.
  3. Dem Beanstandungs- und Aufhebungsrecht der Aufsichtsbehörden (§§ 66, 97 KVerf) unterliegen sowohl die verbindlichen Willensäußerungen der Gemeindevertretung und des Kreistages sowie die Beschlüsse der Ausschüsse als auch die Entscheidungen des Bürgermeisters oder des Landrates mit Wirkung nach außen, soweit diese rechtswidrig sind.

    Der Beanstandung kommt aufschiebende Wirkung zu. Vom Zeitpunkt des Eintritts der aufschiebenden Wirkung an sind alle weiteren Maßnahmen zur Umsetzung bzw. Vollziehung des beanstandeten Beschlusses bzw. der beanstandeten Entscheidung unzulässig.

    Die Aufsichtsbehörde kann auch verlangen, dass die Maßnahme rückgängig gemacht, also aufgehoben wird. Dies gilt auch für bereits vollzogene Maßnahmen. Der Vollzug ist rückgängig zu machen, soweit dies tatsächlich und rechtlich möglich ist.

    Kommt die Gemeinde der Pflicht zur Aufhebung nicht nach, so kann die Aufsichtsbehörde selbst die beanstandeten Beschlüsse oder Anordnungen aufheben und verlangen, dass der Vollzug rückgängig gemacht wird, wenn dies tatsächlich und rechtlich möglich ist.
  4. Soweit die kommunale Gebietskörperschaft die ihr gesetzlich auferlegten Pflichten nicht erfüllt, die erforderlichen Beschlüsse nicht fasst oder nicht ausführt oder sonst nicht so handelt, wie ihr aufgegeben ist, kann die Aufsichtsbehörde die Erfüllung der gesetzlichen Pflicht anordnen (§§ 67, 97 KVerf).

    Anordnungen sind nach §§ 66, 67, 97 KVerf notfalls von der Aufsichtsbehörde im Wege der Ersatzvornahme selbst durchzusetzen. Im Falle der Ersatzvornahme ist die Aufsichtsbehörde berechtigt, anstelle der Gemeinde oder der Stadt selbst zu entscheiden, die erforderlichen Maßnahmen selbst durchzuführen oder durch Dritte durchführen zu lassen. Die Kosten dafür trägt die kommunale Gebietskörperschaft, für die die Rechtsaufsichtsbehörde gehandelt hat.

    Anordnungen gemäß § 67 KVerf kommen nur in Betracht, wenn öffentlich-rechtliche Pflichten nicht erfüllt werden.

    Die Ersatzvornahme (§ 68 KVerf) ist nur dann zulässig, wenn die vorangegangene Anordnung mit Fristsetzung eine Androhung der Ersatzvornahme enthielt. Den Organen kleinerer Gemeinden können u. U. die rechtlichen Konsequenzen einer Nichtbefolgung einer Anordnung unbekannt sein.

V.
Form der aufsichtsbehördlichen Verfügung

Als Verwaltungsakt unterliegt die Verfügung der Rechtsaufsichtsbehörde den entsprechenden Formvorschriften (§§ 37 ff. VwVfG).

  1. Die Verfügung der Rechtsaufsichtsbehörde ergeht schriftlich und ist der Gemeinde mittels Postzustellungsurkunde zuzustellen. Adressat der kommunalaufsichtlichen Verfügung ist die der Aufsicht unterliegende Selbstverwaltungskörperschaft. Maßnahmen der Rechtsaufsichtsbehörde sind daher stets an die Gemeinde bzw. den Landkreis zu richten, deren Organe dann zu entsprechendem Handeln verpflichtet sind. Bei der Beanstandung eines rechtswidrigen Beschlusses der Gemeindevertretung empfiehlt sich beispielsweise folgende Adressierung:

    An die
    Gemeinde X
    Herrn Bürgermeister
    ...
  2. Die Verfügung ist eindeutig als kommunalaufsichtsbehördliche Maßnahme zu kennzeichnen; es empfiehlt sich daher, die Überschrift deutlich sichtbar hervorzuheben:

    Beanstandung

    Im Tenor der Verfügung sind alle aufgrund des vorliegenden Sachverhaltes ergriffenen kommunalaufsichtlichen Maßnahmen mit den dazugehörenden Rechtsgrundlagen aufzuführen; es muss erkennbar sein - beispielsweise anhand der Nr. eines Beschlusses oder des Datums -, welche Beschlüsse oder Anordnungen Gegenstand der kommunalaufsichtlichen Maßnahmen sind. Die Verfügungen der Rechtsauf-sichtsbehörde können mit Bedingungen und Auflagen verbunden werden (vgl. § 36 VwVfG). Soweit gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse angeordnet wird, ist dies ebenfalls im Tenor zum Ausdruck zu bringen.
  3. In der Begründung ist auch darauf einzugehen, was die jeweilige Körperschaft zu tun hat, um die Rechtmäßigkeit ihres Handelns wieder herzustellen. Da kommunalaufsichtliche Maßnahmen im Ermessen der Rechtsaufsichtsbehörde stehen, sind stets besondere Ausführungen zur Ausübung dieses Ermessens erforderlich. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist ebenfalls gesondert zu begründen.
  4. Kommunalaufsichtliche Verfügungen sind mit einer Rechtsbehelfsbelehrung zu versehen. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass § 69 Satz 2 KVerf, der einen Erlass des Widerspruchsbescheides durch die oberste Rechtsaufsichtsbehörde vorsieht, gemäß Art. 9 Abs. 2 EVertr wegen Unvereinbarkeit mit Bundesrecht als verdrängt anzusehen ist, weil die Vorschrift zu § 73 Abs. 1 Nr. 2 VwGO, wonach die Ausgangsbehörde den Widerspruchsbescheid erlässt, wenn die nächsthöhere Behörde eine oberste Landesbehörde ist, im Widerspruch steht. Derzeit fehlt eine entsprechende Regelung in § 185 Abs. 2 VwGO, die es dem Land Brandenburg erlaubt, abweichend von § 73 Abs. 1 Nr. 2 VwGO die obersten Landesbehörden mit den Aufgaben der Widerspruchsbehörden zu betrauen.

    Der Ausgangsbescheid ist daher mit folgender Rechtsbehelfsbelehrung zu versehen:

    „Gegen diese ... (z. B. Beanstandung, Anordnung) kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Widerspruch erhoben werden. Der Widerspruch ist bei ... (Anschrift des Landkreises) schriftlich oder zur Niederschrift einzulegen.“

    Erhebt die betroffene Gemeinde Widerspruch, so hat der Landrat im Falle der Nichtabhilfe einen Widerspruchsbescheid zu erlassen. Dem Widerspruchsbescheid ist nachstehende Rechtsmittelbelehrung beizufügen:

    „Gegen die ... (Kennzeichnung der Ausgangsverfügung) des Landrates (genaue Bezeichnung der Rechtsaufsichtsbehörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat) vom ... kann innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Widerspruchsbescheides Klage bei dem ... Gericht in ... (genaue Anschrift) schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle erhoben werden.

    Die Klage muss den Kläger, den Beklagten und den Streitgegenstand bezeichnen. Sie soll einen bestimmten Antrag enthalten. Die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel sollen angegeben werden.“

    Für die Entscheidung der Streitigkeit in 1. Instanz kommen folgende Gerichte in Betracht:

    • Kreisgericht Potsdam-Stadt
      Kammer für Verwaltungssachen
      Hegelallee 8
      O-1560 Potsdam
    • Kreisgericht Frankfurt/Oder
      Kammer für Verwaltungssachen
      Badgasse 10 a
      0-1200 Frankfurt
    • Kreisgericht Cottbus-Stadt
      Kammer für Verwaltungssachen
      Gerichtsplatz 2
      0-7500 Cottbus

VI.

Ich beabsichtige, noch vor der Sommerpause im Ministerium des Innern ein Zusammentreffen der mit der Kommunalaufsicht beauftragten Sachbearbeiter der Landkreise zu organisieren, auf dem die Fragen der Kommunalaufsicht mit den Mitarbeitern meiner Kommunalabteilung erörtert werden können. Von dieser Veranstaltung werde ich Sie zu gegebener Zeit unterrichten.

gez. A. Ziel

(Ziel)