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Anweisung für die Behandlung der in amtlichen Gewahrsam gelangten Gegenstände (Gewahrsamssachenanweisung)
Anweisung für die Behandlung der in amtlichen Gewahrsam gelangten Gegenstände (Gewahrsamssachenanweisung)
vom 2. September 1992
(JMBl/92, [Nr. 9], S.128)
I. Allgemeine Bestimmungen
1. Gelangen Gegenstände in den amtlichen Gewahrsam einer Justizbehörde, so haben alle beteiligten Bediensteten darauf zu achten, daß die Gegenstände vor Verlust, Verderb und Beschädigung geschützt sind. Insbesondere ist darauf zu achten, daß Gegenstände, die wegen ihrer Beschaffenheit oder ihrer besonderen Bedeutung für einen künftigen Empfangsberechtigten eine besonders vorsichtige Behandlung erfordern, mit entsprechender Sorgfalt behandelt werden.
2.
(1) Die in amtlichen Gewahrsam gelangten Gegenstände sind in den Akten, zu denen sie gehören, besonders zu vermerken. Der Vermerk ist auf der Innenseite des Aktenumschlags oder auf einem Vorblatt anzubringen. In dem Vermerk sind neben den einzelnen Gegenständen die Aktenblätter anzugeben, deren Inhalt die für die Aufbewahrung bedeutsamen Umstände (z. B. Einlieferung, Weitergabe, Rückgabe, Einziehung) betrifft. Auf Urkunden, die in amtlichen Gewahrsam gelangt sind, ist ferner mit Bleistift das Aktenzeichen des Vorganges zu notieren, zu dem sie gehören.
(2) Dem Einlieferer eines in amtlichen Gewahrsam gegebenen Gegenstandes ist auf Verlangen über die Einlieferung eine Bescheinigung zu erteilen.
(3) Bei der Weitergabe eines Gegenstandes ist der Verbleib aktenkundig zu machen. Gerät ein Gegenstand in Verlust oder wird er beschädigt, so ist dies unverzüglich dem Behördenleiter anzuzeigen.
3. Urkunden und sonstige Gegenstände, die im Falle des Verlustes nicht ohne Schwierigkeiten oder erhebliche Kosten ersetzt werden können, sind bei zeitweiliger Weggabe der Akten aus den Geschäftsräumen der Behörde zurückzubehalten, sofern die Beifügung nicht ausdrücklich angeordnet ist. Bei Versendung durch die Post sind die Richtlinien für die Behandlung von Postsendungen zu beachten.
4.
(1) Für die Aufbewahrung gelten die Bestimmungen der Abschnitte II und III. Gegenstände, die eines besonderen Schutzes vor Verlust oder Beschädigung bedürfen, sind in die besonders gesicherte Aufbewahrung (Abschnitt III) und Gegenstände, die eines solchen Schutzes nicht bedürfen, in die einfache Aufbewahrung (Abschnitt II) zu nehmen.
(2) Eines besonderen Schutzes vor Verlust oder Beschädigung bedürfen insbesondere Geld, Schecks, Kostbarkeiten, Gegenstände aus Edelmetall, Wertpapiere und sonstige Urkunden, deren Besitz für die Geltendmachung von Rechten erforderlich ist (z. B. Sparbücher, Hypothekenbriefe, Bürgschaftsurkunden, Depotscheine), alle Gegenstände und Urkunden, denen aus sonstigen Gründen besonderer Wert zukommt (z. B. technische Geräte in Patentstreitigkeiten, sonstige wichtige Beweisstücke, Verleihungsurkunden, Fahrzeugscheine und -briefe), in Strafverfahren beschlagnahmte Rausch- und Betäubungsmittel (Opium, Morphin, Heroin, Haschisch usw.) sowie Waffen nebst Munition.
(3) Bei der Vorlage von Urkunden, insbesondere bei Personenstandsurkunden, deren Wiederbeschaffung für die Beteiligten mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden ist, ist zu prüfen, ob beglaubigte Abschriften oder Ablichtungen für die Akten genügen und die Originalurkunden sofort zurückgegeben werden können.
5.
(1) Ist zweifelhaft, ob ein Gegenstand in die einfache oder die besonders gesicherte Aufbewahrung zu nehmen ist, so obliegt die Entscheidung dem Sachbearbeiter.
(2) Dieser kann auch anordnen, daß
- Gegenstände, für welche die einfache Aufbewahrung in Betracht kommt, der besonders gesicherten Aufbewahrung und
- Gegenstände, für welche die besonders gesicherte Aufbewahrung in Betracht kommt, ausnahmsweise (z. B. bei nur kurzfristiger Aufbewahrung) der einfachen Aufbewahrung
zugeführt werden.
II. Einfache Aufbewahrung
6.
(1) Die einfache Aufbewahrung obliegt der Geschäftsstelle. Sie hat hierbei die allgemeinen Anordnungen des Behördenleiters (Abs. 2) und etwaige besondere Anordnungen des Sachbearbeiters zu beachten.
(2) Der Behördenleiter ordnet allgemein an, wie die einfache Aufbewahrung durchzuführen ist (z. B. Aufbewahrung bei Akten, in offenen oder verschließbaren Fächern, Schränken oder Schreibtischkästen). Schutzbedürftige Gegenstände, deren einfache Aufbewahrung der Sachbearbeiter für ausreichend erklärt hat (Nr. 5 Abs. 2 Buchst. b), sind - sofern der Sachbearbeiter nichts anderes anordnet - unter Verschluß zu nehmen. Deshalb ist stets auch die Möglichkeit einer Aufbewahrung unter Verschluß vorzusehen.
7.
(1) Gegenstände, die bei den Akten aufbewahrt werden, sind durch Einlegen in einen mit den Akten verbundenen Umschlag oder in sonst geeigneter Weise gegen das Herausfallen zu sichern.
(2) Bei Gegenständen, die außerhalb der Akten aufbewahrt werden, ist auf der Umhüllung oder auf einem an dem Gegenstand zu befestigenden Zettel das Aktenzeichen anzugeben.
III.
A. Aufbewahrung durch die Geschäftsstelle
8.
(1) Stehen der Geschäftsstelle ausreichend sichere Aufbewahrungsmöglichkeiten (Stahlschrank oder dergleichen) zur Verfügung, so führt sie die Aufbewahrung selbst durch. Der Behördenleiter bestimmt in diesem Fall für alle Abteilungen der Geschäftsstelle einen Bediensteten des mittleren Dienstes zum Aufbewahrungsverantwortlichen.
(2) Geldbeträge
- die im Einzelfall 200,- DM übersteigen,
- bei deren Verwahrung der Gesamtbetrag des aufbewahrten Geldes 3.000,- DM übersteigen würde,
sollen stets an die Kasse (Nr. 15) abgeliefert werden. Soweit für die Aufbewahrung ein Panzerschrank mit Kombinationsschloß zur Verfügung steht, erhöhen sich die in Satz 1 genannten Beträge
zu a) auf 800,- DM
zu b) auf 6.000,- DM
9.
Der Aufbewahrungsverantwortliche hat über die ihm übergebenen Gegenstände jahrgangsweise eine Aufbewahrungsliste nach dem Muster der Anlage zu führen; dabei sind die hierzu gegebenen Erläuterungen zu beachten. In der Liste darf nichts radiert oder sonst unleserlich gemacht werden. Soweit es (insbesondere bei größeren Behörden) erforderlich erscheint, kann zu der Liste ein Namensverzeichnis geführt werden; die Entscheidung hierüber trifft der Behördenleiter.
10.
(1) Die Annahme zur Aufbewahrung und die Herausgabe sind schriftlich zu verfügen. Wird die Annahmeverfügung dem Aufbewahrungsverantwortlichen in Urschrift vorgelegt, so hat er sie mit einem Vermerk über die Erledigung unter Angabe der Nummer der Aufbewahrungsliste zu den Akten zurückzugeben. Wird sie ihm in Ausfertigung zugeleitet, so hat er über die Annahme eine Anzeige zu den Sachakten zu erstatten. Herausgabeverfügungen sind stets in Ausfertigung vorzulegen; sie verbleiben mit den Belegen über die Herausgabe (Quittungen, Postscheine) bei dem Aufbewahrungsbeamten. Die Ausfertigungen der Annahme- und Herausgabeverfügungen sind nach der Folge der Listennummern aufzubewahren.
(2) Wird ein Gegenstand an einen Bediensteten vorübergehend herausgegeben, so ist die mit der Empfangsbescheinigung des Bediensteten versehene Herausgabeverfügung an Stelle des herausgegebenen Gegenstandes aufzubewahren und gegen Rückgabe des Gegenstandes zurückzugeben. In die Aufbewahrungsliste ist in diesen Fällen nichts einzutragen.
11.
(1) Der Aufbewahrungsverantwortliche hat die verwahrten Gegenstände unter sicherem Verschluß zu halten. Das Nähere regelt der Behördenleiter. Dieser kann auch anordnen, daß der Verschluß durch zwei Bedienstete vorzunehmen ist.
(2) Auf der Umhüllung des Gegenstandes oder auf einem an ihm zu befestigenden Zettel sind die Nummern der Aufbewahrungsliste und das Aktenzeichen zu vermerken. Urkunden sind nach der Folge der Listennummern aufzubewahren.
12. Für die Prüfung der Aufbewahrungsliste gelten die Bestimmungen des § 9 Abs. 6 der Aktenordnung entsprechend.
B. Aufbewahrung durch die Zahlstelle
13. Hat die Geschäftsstelle keine ausreichend sicheren Aufbewahrungsmöglichkeiten, besteht aber bei der Behörde eine Zahlstelle, so obliegt die Aufbewahrung der Zahlstelle. Zum Aufbewahrungsverantwortlichen ist in diesem Fall der Verwalter der Zahlstelle zu bestellen. Dieser kann bei Kreisgerichten am Sitz eines Bezirksgerichts zugleich auch zum Aufbewahrungsverantwortlichen für die Geschäftsstellen des Bezirksgerichts bestellt werden, sofern das Kreisgericht der Dienstaufsicht des Präsidenten des Bezirksgerichts untersteht; die Entscheidung hierüber trifft der Präsident des Bezirksgerichts.
14.
(1) Die der Zahlstelle übergebenen Gegenstände sind in gleicher Weise aufzubewahren wie der Zahlstellenbestand. Aufbewahrtes Geld ist vom Zahlstellenbestand getrennt zu halten. Die Prüfung der Aufbewahrungsliste obliegt dem Aufsichtsbeamten der Zahlstelle. Bei Geschäftsprüfungen der Zahlstelle sind stets auch zugleich die aufbewahrten Gegenstände auf ihre Vollzähligkeit zu überprüfen.
(2) Im übrigen gelten die Bestimmungen des Unterabschnitts A entsprechend.
C. Aufbewahrung durch die Kasse
15. Sind die Voraussetzungen zur Aufbewahrung durch die Geschäftsstelle oder Zahlstelle nicht gegeben, so erfolgt die Aufbewahrung durch die für die Behörde zuständige Kasse. Die Kasse behandelt die ihr zur Aufbewahrung zugeleiteten Gegenstände als Verwahrungen. Sollen Geldbeträge in den eingelieferten Stücken erhalten bleiben, so ist dies bei der Ablieferung besonders anzuordnen; die Stücke sind in diesem Fall der Kasse auf dem Kurierweg zuzuleiten. Die Quittung über die Ablieferung an die Kasse ist zu den Sachakten zu nehmen.
16. Der Kasse gegenüber ist der Sachbearbeiter zur Verfügung über die abgelieferten Gegenstände berechtigt; er erläßt die erforderlichen Kassenanordnungen.
IV. Rückgabe
17.
(1) Nach Erledigung einer Sache (§ 7 der Aktenordnung) ist von Amts wegen zu prüfen, ob von den Beteiligten zu den Akten gegebene Gegenstände, insbesondere Urkunden, zurückzugeben sind. Über die Rückgabe entscheidet der Sachbearbeiter.
(2) Urkunden, die zu einem durch Urteil erledigten bürgerlichen Rechtsstreit eingereicht sind, darf die Geschäftsstelle auch ohne Anordnung des Sachbearbeiters zurückgeben, wenn die Rechtskraft des Urteils aktenkundig oder binnen sechs Monaten seit der Verkündung des Urteils kein Rechtsmittel eingelegt ist und keine Bedenken aus § 443 ZPO entgegenstehen.
18. Die Rückgabe ist nur gegen Empfangsbescheinigung zulässig, sofern nicht der Nachweis auf andere Weise (z. B. durch Einschreibesendungen) gesichert ist.
19.
(1) Ist der Empfangsberechtigte oder sein Aufenthalt nicht zu ermitteln, so findet, wenn die Herausgabepflicht nicht auf Vertrag beruht, § 983 BGB Anwendung. Beruht die Herausgabepflicht auf Vertrag, so ist, wenn die Rückgabe aus den in § 372 BGB aufgeführten Gründen nicht möglich ist, nach §§ 372 ff. BGB zu verfahren.
(2) Ist auf Einziehung, Verfallerklärung, Unbrauchbarmachung oder Vernichtung von Gegenständen erkannt, so gelten die §§ 63 bis 86 der Strafvollstreckungsordnung und die dazu ergangenen Ausführungsbestimmungen.
V. Sonstige Bestimmungen
20.
(1) Die Bestimmungen dieser Anordnung finden keine Anwendung auf das Hinterlegungswesen, die vom Gerichtsvollzieher in Gewahrsam genommenen Sachen, Fundsachen, die Habe der Gefangenen, die zum Musterregister niedergelegten Muster und Modelle sowie die in die besondere amtliche Verwahrung genommenen Verfügungen von Todes wegen.
(2) Im übrigen bleiben die besonderen Vorschriften, in denen die Behandlung der im amtlichen Gewahrsam befindlichen Gegenstände für bestimmte Fälle geregelt ist, unberührt. Dies gilt insbesondere für
- amtlich verwahrte Gegenstände in Strafsachen (Nummern 74 bis 76 der Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren und § 9 der Aktenordnung),
- Führerscheine nach Entziehung der Fahrerlaubnis oder Verhängung eines Fahrverbotes (§§ 56 und 59 a der Strafvollstreckungsordnung) und
- Urkunden in Grundbuchsachen (§ 9 Abs. 3 der Vorläufigen Brandenburgischen Aktenordnung für die Grundbuchämter vom 17.12.1991 - 3850-I.1. -).
Der Minister der Justiz
In Vertretung
Dr. Faupel