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Bearbeitung von Wirtschaftsstrafsachen
Bearbeitung von Wirtschaftsstrafsachen
vom 19. Juli 1991
(JMBl/91, [Nr. 7], S.70)
1.
Wirtschaftskriminalität verursacht erheblichen materiellen Schaden. Dieser liegt weit über der Summe der Schäden aller sonstigen Vemögensdelikte. Geschädigt wird nicht nur der einzelne Bürger, betroffen ist auch der Staat. Wirtschaftskriminalität führt zu Finanzierungslücken in den öffentlichen Haushalten und verknappt damit gesellschaftliche Ressourcen. Sie verstärkt zugleich bedenkliche wirtschaftliche Tendenzen wie Oligopol und Monopolbildungen. Neben diesen materiellen Schäden kann Wirtschaftskriminalität zur Folge haben, daß das für unsere Gesellschaft existenznotwendige Vertrauen der Allgemeinheit in die Redlichkeit des wirtschaftlichen Geschehens und der daran Beteiligten nachhaltig erschüttert wird. Eine zielstrebige und zügige Bearbeitung von Wirtschaftsstrafsachen ist daher von vorrangiger Bedeutung. Für eine entsprechende Umsetzung dieser Bearbeitungsgrundsätze haben die Leiter der Staatsanwaltschaften Sorge zu tragen.
2.
Wirtschaftsstrafsachen im Sinne dieser Rundverfügung sind Verfahren wegen der in § 74 c GVG genannten Straftaten. Ferner sind Wirtschaftsstrafsachen Verfahren wegen sonstiger Straftaten, die geeignet sind, das Vertrauen der Allgemeinheit in die Redlichkeit des wirtschaftlichen Geschehens nachhaltig zu erschüttern und für deren Bearbeitung besondere Kenntnisse des Wirtschaftslebens erforderlich sind. Danach können Wirtschaftsstrafsachen z. B. sein Verfahren wegen Verstoßes gegen das AÜG oder gegen § 266 a StGB; in Betracht kommen ferner Fälle von Computerkriminalität, aber auch umfangreiche Verfahren im Zusammenhang mit Produktpiraterie.
3.
Zur wirksamen Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität mit strafrechtlichen Mitteln bedarf es des Einsatzes von Staatsanwälten mit Kenntnissen insbesondere auf den Gebieten des bürgerlichen Rechts, des Gesellschaftsrechts, des Handels- und Wechselrechts, des Konkurs- und Vergleichsrechts und des Steuerrechts sowie mit Erfahrungen im Buchführungs- und Bilanzwesen und möglichst auch im betriebswirtschaftlichen Bereich.
Bei allen Staatsanwaltschaften sind in ausreichender Zahl geeignete Staatsanwälte als Sonderdezernenten für Wirtschaftsstrafsachen zu bestimmen, die auch zu einer der Aufgabe entsprechenden Aus- bzw. Fortbildung und längerfristigen Wahrnehmung der Tätigkeit bereit sind.
4.
1) Gemäß § 143 Abs. 4 GVG wird die Staatsanwaltschaft bei dem Bezirksgericht Potsdam zur Schwerpunkt-Staatsanwaltschaft für Wirtschaftsstrafsachen bestimmt. Ihre örtliche Zuständigkeit erstreckt sich insoweit auf alle Gerichtsbezirke des Landes Brandenburg.
Die Schwerpunkt-Staatsanwaltschaft ist sachlich zuständig für besonders umfangreiche Wirtschaftsstrafsachen und solche Verfahren, die aus anderen Gründen nicht von der an sich örtlich zuständigen Staatsanwaltschaft mit den dieser zur Verfügung stehenden Kräften mit der gebotenen Beschleunigung bearbeitet werden können.
Ist eine Wirtschaftsstrafsache bei einer Staatsanwaltschaft anhängig, die nicht Schwerpunkt-Staatsanwaltschaft ist, und kommt eine Einigung über die Abgabe an die Schwerpunkt-Staatsanwaltschaft nicht zustande, führt der Leiter der Staatsanwaltschaft unverzüglich - in besonders eiligen oder bedeutsamen Fällen durch mündlichen Vortrag - die Entscheidung des Generalstaatsanwalts1) herbei.
2) Bei der Schwerpunkt-Staatsanwaltschaft ist eine Abteilung für Wirtschaftsstrafsachen einzurichten. Der Abteilungsleiter und die Staatsanwälte dieser Abteilung müssen den Anforderungen für Sonderdezernenten in Wirtschaftsstrafsachen nach Nr. 3 dieser Rundverfügung entsprechen.
3) Der Schwerpunkt-Staatsanwaltschaft werden zusätzliche Stellen für Wirtschaftsfachleute (z. B. Wirtschaftsprüfer. Diplomvolkswirte, Betriebswirte, Buchhalter) zugewiesen. Aufgabe der Wirtschaftsfachleute ist es, dem Dezernenten unter dessen Anleitung zuzuarbeiten.
4) Der Generalstaatsanwalt1) läßt sich fortlaufend über die Bearbeitung der Wirtschaftsstrafsachen und die Belastung der Schwerpunkt-Staatsanwaltschaft unterrichten.
1) nach Errichtung dieser Behörde.