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Unterweisung der ehrenamtlichen Richter
Unterweisung der ehrenamtlichen Richter
vom 16. März 1992
(JMBl/92, [Nr. 4], S.61)
I. Ehrenamtliche Richter in der Strafrechtspflege
- Die Mitwirkung der Schöffen in der Strafrechtspflege soll einer lebensnahen, von Bürgerinnen und Bürgern verstandenen und bejahten Rechtspflege dienen. Das erfordert, bei den Schöffen Interesse, Freude und Verantwortungsgefühl für ihr Ehrenamt zu wecken und zu erhalten und ihnen bewußt zu machen, daß sie als gleichberechtigte Richter an der Wahrheits- und Rechtsfindung teilnehmen. Die Schaffung der Voraussetzungen für eine wirksame Beteiligung der Schöffen an der Strafrechtspflege ist eine wichtige Aufgabe der Justiz. Sie beinhaltet auch, daß der Schöffe in verständlicher Weise mit seinem verantwortungsvollen Amt als ehrenamtlicher Richter, mit dem Gang des Strafverfahrens, mit dem Sinn und dem Zweck staatlichen Strafens und den Arten und dem Vollzug der Strafen und Maßregeln vertraut gemacht wird.
Diesem Ziel dienen die Unterweisungen der Schöffen. - Für die Unterweisung ist der Präsident des Landgerichts verantwortlich.
Die Unterweisung der Jugendschöffen soll nach Möglichkeit von der allgemeinen Unterweisung der Schöffen getrennt durchgeführt werden.
Mit der Unterweisung soll möglichst zu Beginn der Amtszeit der Schöffen begonnen werden. Die Teilnahme ist freiwillig. Die Schöffenunterweisung soll drei halbtägige Veranstaltungen nicht überschreiten. - Mit der Unterweisung der Schöffen sind befähigte Strafrichter (Jugendrichter) und Staatsanwälte (Jugendstaatsanwälte) zu betrauen.
Die Leiter der Staatsanwaltschaften benennen dem Präsidenten des Landgerichts geeignete Staatsanwälte (Jugendstaatsanwälte). - Bei der Unterweisung ist die wissenschaftliche Schulung der Schöffen im Hinblick auf die Anwendung des Strafrechts zu vermeiden, die dazu führen kann, daß die für die Erfüllung der Aufgabe der Laienrichter wesentliche Unbefangenheit und ihr natürliches Denken und Urteilen beeinträchtigt werden. Das Ziel der Unterweisung soll vielmehr darin bestehen, den Schöffen ein Bild von dem Strafverfahren und den Auswirkungen des Urteilsspruchs zu geben, damit sie sich ihrer Aufgaben und ihrer Stellung im Rahmen der Strafrechtspflege bewusst werden.
- Bei der Unterweisung empfiehlt sich die Erörterung folgender Themen:
- der Aufbau der Gerichte und der Staatsanwaltschaften;
- der Gang des Strafverfahrens bis zur Eröffnung des Hauptverfahrens unter Berücksichtigung der Aufgaben der Polizei, der Staatsanwaltschaft und des Ermittlungsrichters;
- die Hauptverhandlung (Tatsachenfeststellung, Beweisaufnahme, Urteilsfindung);
- die an der Hauptverhandlung beteiligten Personen (Berufsrichter und Schöffen als erkennendes Gericht, ihre Rechte und Pflichten, der Angeklagte und sein Verteidiger, der Staatsanwalt und der Nebenkläger);
- die Strafen, ihr Sinn und Zweck unter besonderer Berücksichtigung des Rechtsinstituts der Strafaussetzung zur Bewährung in seiner kriminalpädagogischen Bedeutung und als Mittel zur Resozialisierung des Täters;
- die Maßregeln der Besserung und Sicherung;
- die Rechtsmittel und die Wiederaufnahme des Verfahrens;
- der Strafvollzug;
- das Verhältnis von Urteilsspruch zur Gnade.
Bei der Behandlung dieser Themen vor den Jugendschöffen kommt es darauf an, diesen einen lebendigen Eindruck von dem Zusammenwirken von Jugendrichter, Jugendstaatsanwalt, Verteidiger, Jugendgerichtshilfe, Erziehungsberechtigten und Bewährungshelfer nach dem Jugendstrafverfahren zu vermitteln. Die verschiedenen Möglichkeiten staatlicher Reaktion gegenüber jugendlichen Beschuldigten und das Wesen der Erziehungsmaßregeln, der Zuchtmittel und der Jugendstrafe sollen dem Jugendschöffen vertraut sein. Auch die wesentlichen Gesichtspunkte, die für die Anwendung von § 105 JGG bedeutsam sind, sollen dargelegt werden.
- Im Anschluß an die Unterweisung ist den Schöffen ausreichend Gelegenheit zu geben, selbst das Wort zu ergreifen und Fragen zu stellen.
- Um den Schöffen eine Vorstellung von den Auswirkungen des Urteilsspruchs, insbesondere vom Vollzug der Freiheitsstrafe zu vermitteln, empfiehlt es sich, im Rahmen einer Unterweisung oder im Anschluß daran eine Vollzugsanstalt zu besichtigen. Für Jugendschöffen kommt in erster Linie die Besichtigung einer Jugendarrestanstalt oder Jugendstrafanstalt in Betracht.
II. Ehrenamtliche Richter in der Verwaltungs-, Handels-,Landwirtschafts- und Finanzgerichtsbarkeit
Für die Unterweisung der ehrenamtlichen Richter auf den Gebieten des Verwaltungs-, Handels-, Landwirtschafts- und Finanzrechts sind die unter Abschnitt I genannten Hinweise, soweit nicht auf Besonderheiten der Strafrechtspflege zugeschnitten, entsprechend anzuwenden.
III. Entschädigung
Den ehrenamtlichen Richtern ist für die Teilnahme an dienstlich genehmigten Unterweisungen auf schriftlichen Antrag eine Entschädigung nach den Sätzen zu gewähren, die in dem Gesetz über die Entschädigung der ehrenamtlichen Richter vorgesehen sind. Der Anspruch auf Entschädigung erlischt, wenn er nicht binnen eines Jahres nach der Teilnahme an der Unterweisung bei der Stelle geltend gemacht wird, welche die Entschädigung anzuweisen hat.
IV.
Die Rundverfügung tritt am 1. April 1992 in Kraft.
Der Minister der Justiz
Dr. Bräutigam