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Inanspruchnahme von Informanten, Einsatz von V-Personen und Verdeckten Ermittlern
Inanspruchnahme von Informanten, Einsatz von V-Personen und Verdeckten Ermittlern
vom 21. Februar 1994
(JMBl/94, [Nr. 4], S.55)
Auf der 65. Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister am 4. und 5. November 1993 und der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren am 26. November 1993 ist der Erlaß der nachfolgenden Richtlinien vereinbart worden, die mit sofortiger Wirkung für das Land Brandenburg in Kraft gesetzt werden:
I.
Inanspruchnahme von Informanten und Einsatz von Vertrauenspersonen (V-Personen) im Rahmen der Strafverfolgung
1. Grundsätzliches
1.1 Zur Erfüllung ihrer Aufgaben sind Polizei und Staatsanwaltschaft in zunehmendem Maße auf Informationen und Hinweise aus der Öffentlichkeit angewiesen. Diese lassen sich oft nur gegen Zusicherung der Vertraulichkeit gewinnen.
1.2 Darüber hinaus ist bei bestimmten Erscheinungsformen der Kriminalität der Einsatz von V-Personen erforderlich. Sie können regelmäßig nur dann für eine Mitarbeit gewonnen werden, wenn ihnen die Geheimhaltung ihrer Identität zugesichert wird.
1.3 Die Inanspruchnahme von Informanten und der Einsatz von V-Personen sind als zulässige Mittel der Strafverfolgung in der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, des Bundesgerichtshofs und der Obergerichte anerkannt.
1.4 Der Zeugenbeweis ist eines der wichtigsten Beweismittel, das die Strafprozeßordnung zur Wahrheitserforschung zur Verfügung stellt. Die besondere Natur dieses Beweismittels gebietet es grundsätzlich, daß der Zeuge vor der Staatsanwaltschaft und/oder dem Gericht aussagt. Daher kann Informanten und V-Personen nur nach den folgenden Grundsätzen Vertraulichkeit bzw. Geheimhaltung zugesichert werden.
2. Begriffsbestimmungen
2.1 Informant ist eine Person, die im Einzelfall bereit ist, gegen Zusicherung der Vertraulichkeit der Strafverfolgungsbehörde Informationen zu geben.
2.2 V-Person ist eine Person, die, ohne einer Strafverfolgungsbehörde anzugehören, bereit ist, diese bei der Aufklärung von Straftaten auf längere Zeit vertraulich zu unterstützen, und deren Identität grundsätzlich geheimgehalten wird.
3. Voraussetzungen der Zusicherung der Vertraulichkeit/Geheimhaltung
3.1 Die Inanspruchnahme von Informanten und der Einsatz von V-Personen gebieten eine Abwägung der strafprozessualen Erfordernisse der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme und der vollständigen Sachverhaltserforschung einerseits und der Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch Zusicherung der Vertraulichkeit/Geheimhaltung andererseits. Hierbei ist der Grundsatz des rechtsstaatlichen fairen Verfahrens zu beachten.
- Die Zusicherung der Vertraulichkeit/Geheimhaltung kommt im Bereich der Schwerkriminalität, der Organisierten Kriminalität, des illegalen Betäubungsmittel- und Waffenhandels, der Falschgeldkriminalität und der Staatsschutzdelikte in Betracht.
- Im Bereich der mittleren Kriminalität bedarf es einer besonders sorgfältigen Prüfung des Einzelfalles. Die Zusicherung der Vertraulichkeit/Geheimhaltung wird ausnahmsweise dann in Betracht kommen, wenn durch eine Massierung gleichartiger Straftaten ein die Erfüllung öffentlicher Aufgaben oder die Allgemeinheit ernsthaft gefährdender Schaden eintreten kann.
- In Verfahren der Bagatellkriminalität kommt die Zusicherung der Vertraulichkeit/Geheimhaltung nicht in Betracht.
3.2 Informanten dürfen nur in Anspruch genommen, V-Personen nur eingesetzt werden, wenn die Aufklärung sonst aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. Werden sie in Anspruch genommen bzw. eingesetzt, so ist Ziel der weiteren Ermittlungen das Beschaffen von Beweismitteln, die den strafprozessualen Erfordernissen der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme entsprechen und einen Rückgriff auf diese Personen erübrigen.
3.3 Einem Informanten darf Vertraulichkeit nur zugesichert werden, wenn dieser bei Bekanntwerden seiner Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungsbehörden erheblich gefährdet wäre oder unzumutbare Nachteile zu erwarten hätte.
3.4 Der Einsatz von Minderjährigen als V-Personen ist nicht zulässig.
4. Umfang und Folgen der Zusicherung
Staatsanwaltschaft und Polizei sind an die Zusicherung der Vertraulichkeit/Geheimhaltung gebunden. Die Bindung entfällt grundsätzlich, wenn
- die Information wissentlich oder leichtfertig falsch gegeben wird,
- die V-Person von einer Weisung vorwerfbar abweicht oder sich sonst als unzuverlässig erweist,
- sich eine strafbare Tatbeteiligung des Empfängers der Zusicherung herausstellt,
- die V-Person sich bei ihrer Tätigkeit für die Strafverfolgungsbehörden strafbar macht.
Hierauf ist der Informant/die V-Person vor jeder Zusicherung hinzuweisen.
5. Verfahren
5.1 Über die Zusicherung der Vertraulichkeit/Geheimhaltung entscheidet im Bereich der Staatsanwaltschaft der Behördenleiter oder ein von ihm besonders bezeichneter Staatsanwalt, bei Gefahr im Verzug der Dezernent. Im Polizeibereich werden Regelungen getroffen, die die Entscheidung auf einer möglichst hohen Ebene vorsehen, mindestens auf der Ebene des Leiters der sachbearbeitenden Organisationseinheit.
5.2 Vor der Zusicherung der Vertraulichkeit gegenüber einem Informanten ist die Einwilligung der Staatsanwaltschaft herbeizuführen, es sei denn, daß der Untersuchungszweck gefährdet würde. Ist die Einwilligung nach Satz 1 nicht eingeholt worden, so ist die Staatsanwaltschaft unverzüglich zu unterrichten.
5.3 Soll eine V-Person in einem Ermittlungsverfahren gezielt eingesetzt werden, so ist zur Bestätigung der zugesicherten Geheimhaltung für diesen Einsatz die Einwilligung der Staatsanwaltschaft einzuholen. Kann die Einwilligung nicht rechtzeitig eingeholt werden, so ist die Staatsanwaltschaft unverzüglich über den Einsatz zu unterrichten.
5.4 In begründeten Ausnahmefällen unterrichtet die Polizei die Staatsanwaltschaft auch über die Identität des Informanten/der V-Person. Vertraulichkeit/Geheimhaltung ist zu gewährleisten.
5.5 Die Zusage der Vertraulichkeit/Geheimhaltung umfaßt neben den Personalien auch die Verbindung zu Strafverfolgungsbehörden sowie alle Umstände, aus denen Rückschlüsse auf die Eigenschaft als Informant/V-Person gezogen werden könnten.
5.6 Die Staatsanwaltschaft fertigt über das Gespräch mit der Polizei über die Mitwirkung des Informanten/der V-Person und über die getroffene Entscheidung ohne Nennung des Namens einen Vermerk zu den Generalakten 4110. Die Polizei erhält eine Durchschrift des Vermerks. Vertrauliche Behandlung ist sicherzustellen.
II.
Einsatz Verdeckter Ermittler und sonstiger nicht offen ermittelnder Polizeibeamter im Rahmen der Strafverfolgung
1. Grundsätzliches
1.1 Die qualitativen Veränderungen der Erscheinungsformen der Kriminalität, insbesondere der Organisierten Kriminalität, erfordern dieser Entwicklung angepaßte Methoden der Verbrechensbekämpfung.
1.2 Zu ihnen gehört neben der Inanspruchnahme von Informanten und V-Personen auch der operative Einsatz Verdeckter Ermittler und sonstiger nicht offen ermittelnder Polizeibeamter.
2. Voraussetzungen und Verfahren
2.1 Der Einsatz Verdeckter Ermittler richtet sich nach §§ 110 a bis 110 e StPO.
2.2 Verdeckte Ermittler dürfen keine Straftaten begehen. Eingriffe in Rechte Dritter sind ihnen nur im Rahmen der geltenden Gesetze gestattet. Als gesetzliche Generalermächtigung kann § 34 StGB nicht herangezogen werden. Unberührt bleibt in Ausnahmefällen eine Rechtfertigung oder Entschuldigung des Verhaltens des einzelnen Polizeibeamten z. B. unter den Voraussetzungen der §§ 34, 35 StGB.
2.3 Bei Verletzungen von Rechtsgütern, die zur Disposition des Berechtigten stehen, kann die Rechtswidrigkeit auch unter dem Gesichtspunkt der mutmaßlichen Einwilligung entfallen.
2.4 Die Entscheidung über die Zustimmung der Staatsanwaltschaft trifft der Behördenleiter oder ein von ihm besonders bezeichneter Staatsanwalt. Im Polizeibereich werden Regelungen getroffen, die die Entscheidung über den Einsatz auf einer möglichst hohen Ebene vorsehen, mindestens auf der Ebene des Leiters der sachbearbeitenden Organisationseinheit.
2.5 Beim Einsatz auftretende materiell- oder verfahrensrechtliche Probleme trägt die Polizei an die Staatsanwaltschaft heran. Die Staatsanwaltschaft trifft ihre Entscheidung in enger und vertrauensvoller Zusammenarbeit mit der Polizei.
2.6 Der Verdeckte Ermittler ist von der Strafverfolgungspflicht gemäß § 163 StPO nicht befreit.
2.6.1 Aus kriminaltaktischen Erwägungen können Ermittlungsmaßnahmen, die in den Auftrag des Verdeckten Ermittlers fallen, zurückgestellt werden.
2.6.2 Neu hinzukommenden zureichenden Anhaltspunkten für strafbare Handlungen braucht der Verdeckte Ermittler solange nicht nachzugehen, als dies ohne Gefährdung seiner Ermittlungen nicht möglich ist; dies gilt nicht, wenn sofortige Ermittlungsmaßnahmen wegen der Schwere der neu entdeckten Tat geboten sind.
2.6.3 In den Fällen der Nummern 2.6.1 und 2.6.2 ist die Zustimmung der Staatsanwaltschaft herbeizuführen. Kann die Zustimmung nicht rechtzeitig herbeigeführt werden, so ist die Staatsanwaltschaft unverzüglich zu unterrichten. Nummer 2.5 gilt entsprechend.
2.7 Die Staatsanwaltschaft fertigt über die Gespräche mit der Polizei, über die Mitwirkung des Verdeckten Ermittlers und über die getroffenen Entscheidungen - ohne Nennung des Namens des Verdeckten Ermittlers - Vermerke, die gesondert zu verwahren sind. Die Polizei erhält eine Durchschrift des Vermerks. Vertrauliche Behandlung ist sicherzustellen.
2.8 Die Entscheidungen nach § 110 d StPO trifft die Staatsanwaltschaft im Benehmen mit der Polizei. Nummer 2.4 Satz 1 gilt entsprechend. Die Staatsanwaltschaft setzt die Polizei über ihre Entscheidung vor deren Ausführung in Kenntnis.
2.9 Die Ermittlungstätigkeit sonstiger nicht offen ermittelnder Polizeibeamter richtet sich nach den allgemeinen Bestimmungen. Ergibt sich im Einzelfall die Notwendigkeit, deren Identität im Strafverfahren geheimzuhalten, so ist für den Einsatz die Zustimmung der Staatsanwaltschaft einzuholen. Ist diese nicht rechtzeitig zu erlangen, ist die Staatsanwaltschaft unverzüglich zu unterrichten; sie entscheidet, ob der Einsatz fortgeführt werden soll. Der Staatsanwalt, der für die Entscheidung über die Zustimmung zu dem Einsatz zuständig ist, kann verlangen, daß ihm gegenüber die Identität des nicht offen ermittelten Polizeibeamten offenbart wird. Geheimhaltung ist zu gewährleisten.
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