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Verfassung des Landes Brandenburg

Verfassung des Landes Brandenburg
vom 20. August 1992
(GVBl.I/92, S.298)

zuletzt geändert durch Gesetz vom 5. Dezember 2013
(GVBl.I/13, [Nr. 42])

Der Landtag hat am 14. April 1992 den Entwurf einer Landesverfassung verabschiedet. Die Brandenburger Bevölkerung hat ihn am 14. Juni 1992 durch Volksentscheid angenommen. Die Verfassung wird hiermit verkündet:

Inhaltsverzeichnis

1. Hauptteil:
Grundlagen

Artikel 1 Land Brandenburg
Artikel 2 Grundsätze der Verfassung
Artikel 3 Staatsvolk
Artikel 4 Landesfarben und -wappen

2. Hauptteil:
Grundrechte und Staatsziele

1. Abschnitt:
Geltung und Rechtsschutz

Artikel 5 Geltung
Artikel 6 Rechtsschutz

2. Abschnitt:
Freiheit, Gleichheit und Würde

Artikel 7 Schutz der Menschenwürde
Artikel 7a Schutz des friedlichen Zusammenlebens
Artikel 8 Recht auf Leben
Artikel 9 Freiheit der Person
Artikel 10 Freie Entfaltung der Persönlichkeit
Artikel 11 Datenschutz
Artikel 12 Gleichheit
Artikel 13 Gewissens-, Glaubens- und Bekenntnisfreiheit
Artikel 14 Sonn- und Feiertage
Artikel 15 Unverletzlichkeit der Wohnung
Artikel 16 Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis
Artikel 17 Freizügigkeit
Artikel 18 Asylrecht, Verbot der Auslieferung und Abschiebung
Artikel 19 Meinungs- und Medienfreiheit
Artikel 20 Vereinigungsfreiheit

3. Abschnitt:
Politische Gestaltungsrechte

Artikel 21 Recht auf politische Mitgestaltung
Artikel 22 Wahlen und Volksabstimmungen
Artikel 23 Versammlungsfreiheit
Artikel 24 Petitionsrecht

4. Abschnitt:
Rechte der Sorben/Wenden

Artikel 25 Rechte der Sorben/Wenden

5. Abschnitt:
Ehe, Familie, Lebensgemeinschaften und Kinder

Artikel 26 Ehe, Familie und Lebensgemeinschaften
Artikel 27 Schutz und Erziehung von Kindern und Jugendlichen

6. Abschnitt:
Bildung, Wissenschaft, Kunst und Sport

Artikel 28 Grundsätze der Erziehung und Bildung
Artikel 29 Recht auf Bildung
Artikel 30 Schulwesen
Artikel 31 Wissenschaftsfreiheit
Artikel 32 Hochschulen
Artikel 33 Weiterbildung
Artikel 34 Kunst und Kultur
Artikel 35 Sport

7. Abschnitt:
Kirchen und Religionsgemeinschaften

Artikel 36 Rechtsstellung
Artikel 37 Eigentum und Staatsleistungen
Artikel 38 Seelsorge

8. Abschnitt:
Natur und Umwelt

Artikel 39 Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen
Artikel 40 Grund und Boden

9. Abschnitt:
Eigentum, Wirtschaft, Arbeit und soziale Sicherung

Artikel 41 Eigentum und Erbrecht
Artikel 42 Wirtschaft
Artikel 43 Land- und Forstwirtschaft
Artikel 44 Strukturförderung
Artikel 45 Soziale Sicherung
Artikel 46 Nothilfe
Artikel 47 Wohnung
Artikel 48 Arbeit
Artikel 49 Berufsfreiheit
Artikel 50 Mitbestimmung
Artikel 51 Koalitionsfreiheit und Streikrecht

10. Abschnitt:
Gerichtsverfahren und Strafvollzug

Artikel 52 Grundrechte vor Gericht
Artikel 53 Grundrechte im Strafverfahren
Artikel 54 Strafvollzug

3. Hauptteil:
Die Staatsorganisation

1. Abschnitt:
Der Landtag

Artikel 55 Der Landtag
Artikel 56 Freies Mandat der Abgeordneten
Artikel 57 Indemnität
Artikel 58 Immunität
Artikel 59 Zeugnisverweigerungsrecht
Artikel 60 Entschädigung
Artikel 61 Abgeordnetenanklage
Artikel 62 Wahlperiode, Neuwahl
Artikel 63 Wahlprüfung
Artikel 64 Sitzungen
Artikel 65 Beschlußfassung
Artikel 66 Anwesenheitspflicht und Zutrittsrecht
Artikel 67 Fraktionen
Artikel 68 Geschäftsordnung
Artikel 69 Präsidium
Artikel 70 Ausschüsse
Artikel 71 Petitionsausschuß
Artikel 72 Untersuchungsausschüsse
Artikel 73 Enquete-Kommissionen
Artikel 74 Landesbeauftragte

2. Abschnitt:
Die Gesetzgebung

Artikel 75 Gesetzesinitiative
Artikel 76 Volksinitiative
Artikel 77 Volksbegehren
Artikel 78 Volksentscheid
Artikel 79 Verfassungsänderungen
Artikel 80 Rechtsverordnungen
Artikel 81 Verkündung, Inkrafttreten

3. Abschnitt:
Die Landesregierung

Artikel 82 Zusammensetzung
Artikel 83 Wahl des Ministerpräsidenten
Artikel 84 Ernennung und Entlassung der Minister
Artikel 85 Beendigung der Amtszeit
Artikel 86 Konstruktives Mißtrauensvotum
Artikel 87 Vertrauensfrage
Artikel 88 Eid
Artikel 89 Willensbildung
Artikel 90 Vorsitz, Beschlußfassung, Geschäftsführung
Artikel 91 Vertretungsbefugnis, Verträge
Artikel 92 Begnadigungsrecht
Artikel 93 Beamte
Artikel 94 Unterrichtungspflicht der Regierung
Artikel 95 Unvereinbarkeit

4. Abschnitt:
Die Verwaltung

Artikel 96 Verwaltungsorganisation
Artikel 97 Kommunale Selbstverwaltung
Artikel 98 Gebietsänderungen
Artikel 99 Gemeindesteuern
Artikel 100 Kommunale Verfassungsbeschwerde

5. Abschnitt:
Das Finanzwesen

Artikel 101 Haushaltsplan
Artikel 102 Übergangsermächtigung
Artikel 103 Kreditaufnahme
Artikel 104 Ausgabendeckung
Artikel 105 Haushaltsüberschreitungen
Artikel 106 Rechnungslegung und Rechnungsprüfung
Artikel 107 Landesrechnungshof

6. Abschnitt:
Die Rechtspflege

Artikel 108 Rechtsprechung
Artikel 109 Berufung der Richter
Artikel 110 Ehrenamtliche Richter
Artikel 111 Richteranklage
Artikel 112 Verfassungsgericht
Artikel 113 Zuständigkeit des Verfassungsgerichtes

7. Abschnitt:
Übergangs- und Schlußbestimmungen

Artikel 114 Errichtung des Verfassungsgerichtes
Artikel 115 Verfassungsgebende Versammlung
Artikel 116 Neugliederung des Raumes Brandenburg-Berlin
Artikel 117 Inkrafttreten der Verfassung

Präambel

Wir, die Bürgerinnen und Bürger des Landes Brandenburg, haben uns in freier Entscheidung diese Verfassung gegeben,

im Geiste der Traditionen von Recht, Toleranz und Solidarität in der Mark Brandenburg,
gründend auf den friedlichen Veränderungen im Herbst 1989,
von dem Willen beseelt, die Würde und Freiheit des Menschen zu sichern, das Gemeinschaftsleben in sozialer Gerechtigkeit zu ordnen, das Wohl aller zu fördern, Natur und Umwelt zu bewahren und zu schützen, und entschlossen, das Bundesland Brandenburg als lebendiges Glied der Bundesrepublik Deutschland in einem sich einigenden Europa und in der Einen Welt zu gestalten.

1. Hauptteil:
Grundlagen

Artikel 1
(Land Brandenburg)

(1) Brandenburg ist ein Land der Bundesrepublik Deutschland.

(2) Das Land gliedert sich in Gemeinden und Gemeindeverbände.

(3) Die Landeshauptstadt ist Potsdam.

Artikel 2
(Grundsätze der Verfassung)

(1) Brandenburg ist ein freiheitliches, rechtsstaatliches, soziales, dem Frieden und der Gerechtigkeit, dem Schutz der natürlichen Umwelt und der Kultur verpflichtetes demokratisches Land, welches die Zusammenarbeit mit anderen Völkern, insbesondere mit dem polnischen Nachbarn, anstrebt.

(2) Das Volk ist Träger der Staatsgewalt.

(3) Das Volk des Landes Brandenburg bekennt sich zu den im Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, in der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, in der Europäischen Sozialcharta und in den Internationalen Menschenrechtspakten niedergelegten Grundrechten.

(4) Die Gesetzgebung wird durch Volksentscheid und durch den Landtag ausgeübt. Die vollziehende Gewalt liegt in den Händen der Landesregierung, der Verwaltungsbehörden und Selbstverwaltungsorgane. Die Rechtsprechung ist unabhängigen Richtern anvertraut.

(5) Die Bestimmungen des Grundgesetzes gehen denen der Landesverfassung vor. Die Gesetzgebung ist an Bundesrecht und Landesverfassung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

Artikel 3
(Staatsvolk)

(1) Bürger im Sinne dieser Verfassung sind alle Deutschen im Sinne des Artikels 116 Absatz 1 des Grundgesetzes mit ständigem Wohnsitz im Land Brandenburg. Einwohner im Sinne dieser Verfassung sind alle Personen mit ständigem Wohnsitz im Land Brandenburg, unabhängig von der Staatsangehörigkeit.

(2) Deutsche im Sinne des Grundgesetzes haben in Brandenburg gleiche Rechte und Pflichten, soweit nicht ein gesetzlicher Vorbehalt für die Bürger Brandenburgs besteht.

(3) Angehörige anderer Staaten und Staatenlose mit Wohnsitz im Land Brandenburg sind den Deutschen im Sinne des Grundgesetzes gleichgestellt, soweit nicht diese Verfassung oder Gesetze etwas anderes bestimmen.

Artikel 4
(Landesfarben und -wappen)

Die Landesfarben sind rot und weiß. Das Landeswappen ist der rote märkische Adler auf weißem Feld.

2. Hauptteil:
Grundrechte und Staatsziele

1. Abschnitt:
Geltung und Rechtsschutz

Artikel 5
(Geltung)

(1) Die den Einzelnen und den gesellschaftlichen Gruppen in dieser Verfassung gewährleisteten Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt, Rechtsprechung und, soweit diese Verfassung das bestimmt, auch Dritte als unmittelbar geltendes Recht.

(2) Soweit nach dieser Verfassung ein Grundrecht durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren. In keinem Fall darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden. In dem einschränkenden Gesetz ist das Grundrecht unter Angabe des Artikels zu nennen.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

Artikel 6
(Rechtsschutz)

(1) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, steht ihm der Rechtsweg offen.

(2) Jeder kann mit der Behauptung, durch die öffentliche Gewalt in einem in dieser Verfassung gewährleisteten Grundrecht verletzt zu sein, Verfassungsbeschwerde beim Landesverfassungsgericht erheben. Das Nähere regelt ein Gesetz, das die vorherige Erschöpfung des Rechtsweges und ein besonderes Annahmeverfahren vorsehen kann.

(3) Verletzt die öffentliche Gewalt eine Pflicht des öffentlichen Rechts, die ihr einem anderen gegenüber obliegt, so haftet ihr Träger nach Maßgabe der Gesetze dem anderen für den daraus entstandenen Schaden.

2. Abschnitt:
Freiheit, Gleichheit und Würde

Artikel 7
(Schutz der Menschenwürde)

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt und Grundlage jeder solidarischen Gemeinschaft.

(2) Jeder schuldet jedem die Anerkennung seiner Würde.

Artikel 7a
(Schutz des friedlichen Zusammenlebens)

Das Land schützt das friedliche Zusammenleben der Menschen und tritt der Verbreitung rassistischen und fremdenfeindlichen Gedankenguts entgegen.

Artikel 8
(Recht auf Leben)

(1) Jeder hat das Recht auf Leben, Unversehrtheit und Achtung seiner Würde im Sterben. In die Rechte auf Leben und Unversehrtheit darf nur aufgrund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(2) Für den Schutz des ungeborenen Lebens ist insbesondere durch umfassende Aufklärung, kostenlose Beratung und soziale Hilfe zu sorgen.

(3) Niemand darf grausamer, unmenschlicher, erniedrigender Behandlung oder Strafe und ohne seine freiwillige und ausdrückliche Zustimmung medizinischen oder wissenschaftlichen Versuchen unterworfen werden.

Artikel 9
(Freiheit der Person)

(1) Die Freiheit der Person ist unverletzlich. Sie kann nur aufgrund eines Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen eingeschränkt werden.

(2) Über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung entscheidet allein der Richter. Vor jeder richterlichen Entscheidung über Anordnung oder Fortdauer eines Freiheitsentzugs ist dem Betroffenen Gelegenheit zu geben, einen Rechtsbeistand seiner Wahl beizuziehen. Ferner ist unverzüglich eine Person des Vertrauens zu benachrichtigen; bei Jugendlichen haben die Erziehungsberechtigten ein Recht auf Verfahrensbeteiligung.

(3) Bei jeder nicht auf richterlicher Anordnung beruhenden Freiheitsentziehung sind unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von vierundzwanzig Stunden, eine richterliche Anhörung und spätestens bis zum Ende des Tages nach dem Ergreifen eine richterliche Entscheidung herbeizuführen.

(4) Festgehaltene Personen dürfen weder körperlich noch seelisch mißhandelt oder Schikanen ausgesetzt werden.

Artikel 10
(Freie Entfaltung der Persönlichkeit)

Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die Verfassung und die ihr entsprechenden Gesetze verstößt.

Artikel 11
(Datenschutz)

(1) Jeder hat das Recht, über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten selbst zu bestimmen, auf Auskunft über die Speicherung seiner persönlichen Daten und auf Einsicht in Akten und sonstige amtliche Unterlagen, soweit sie ihn betreffen und Rechte Dritter nicht entgegenstehen. Personenbezogene Daten dürfen nur mit freiwilliger und ausdrücklicher Zustimmung des Berechtigten erhoben, gespeichert, verarbeitet, weitergegeben oder sonst verwendet werden.

(2) Einschränkungen sind nur im überwiegenden Allgemeininteresse durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes im Rahmen der darin festgelegten Zwecke zulässig. Jede Erhebung personenbezogener Daten ist dem Berechtigten zur Kenntnis zu geben, sobald der Zweck der Erhebung dies zuläßt.

(3) Der aufgrund bundesrechtlicher Vorschriften einzurichtende Verfassungsschutz des Landes unterliegt einer besonderen parlamentarischen Kontrolle. Ihm stehen keine polizeilichen Befugnisse zu. Er darf die Polizei auch nicht im Wege der Amtshilfe um Maßnahmen ersuchen, zu denen er selbst nicht befugt ist.

Artikel 12
(Gleichheit)

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. Jede Willkür und jede sachwidrige Ungleichbehandlung ist der öffentlichen Gewalt untersagt.

(2) Niemand darf wegen der Abstammung, Nationalität, Sprache, des Geschlechts, der sexuellen Identität, sozialen Herkunft oder Stellung, einer Behinderung, der religiösen, weltanschaulichen oder politischen Überzeugung oder aus rassistischen Gründen bevorzugt oder benachteiligt werden.

(3) Frauen und Männer sind gleichberechtigt. Das Land ist verpflichtet, für die Gleichstellung von Frau und Mann in Beruf, öffentlichem Leben, Bildung und Ausbildung, Familie sowie im Bereich der sozialen Sicherung durch wirksame Maßnahmen zu sorgen.

(4) Das Land, die Gemeinden und Gemeindeverbände sind verpflichtet, für die Gleichwertigkeit der Lebensbedingungen von Menschen mit und ohne Behinderungen zu sorgen.

Artikel 13
(Gewissens-, Glaubens- und Bekenntnisfreiheit)

(1) Die Freiheit des Gewissens, des Glaubens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich; ihre ungestörte Ausübung wird gewährleistet.

(2) Niemand ist verpflichtet, seine religiöse oder weltanschauliche Überzeugung zu offenbaren. Die Behörden haben nur so weit das Recht, nach der Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft zu fragen, wie davon Rechte und Pflichten abhängen.

(3) Niemand darf zur Teilnahme an einer religiösen oder weltanschaulichen Handlung oder zur Benutzung einer religiösen Eidesform gezwungen werden.

(4) Kann ein Bürger staatsbürgerliche Pflichten nicht erfüllen, weil sie seinem Gewissen widersprechen, soll das Land ihm im Rahmen des Möglichen andere, gleichbelastende Pflichten eröffnen. Dies gilt nicht für Abgaben.

Artikel 14
(Sonn- und Feiertage)

(1) Das Land schützt die Sonntage und staatlich anerkannten Feiertage als Tage der Arbeitsruhe.

(2) Die mit Sonn- und Feiertagen verbundenen Traditionen sind zu achten.

(3) Das Nähere regelt ein Gesetz.

Artikel 15
(Unverletzlichkeit der Wohnung)

(1) Die Wohnung ist unverletzlich.

(2) Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter oder aufgrund richterlicher Entscheidung, bei Gefahr im Verzuge auch durch die in den Gesetzen vorgesehenen anderen Organe angeordnet und nur in den dort vorgeschriebenen Formen durchgeführt werden.

(3) Eingriffe und Beschränkungen dürfen im übrigen nur zur Abwehr einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr für einzelne Personen, aufgrund eines Gesetzes auch zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere zur Behebung von Raumnot, zur Bekämpfung von Seuchengefahr oder zum Schutze gefährdeter Kinder und Jugendlicher vorgenommen werden.

Artikel 16
(Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis)

(1) Das Briefgeheimnis sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis sind unverletzlich.

(2) Eingriffe sind nur aufgrund eines Gesetzes zulässig, das eine parlamentarische Kontrolle vorsehen kann und eine mindestens nachträgliche richterliche Kontrolle vorsehen muß.

Artikel 17
(Freizügigkeit)

(1) Alle Menschen haben das Recht auf Freizügigkeit.

(2) Das Recht, sich an jedem beliebigen Ort aufzuhalten und niederzulassen, darf nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden.

Artikel 18
(Asylrecht, Verbot der Auslieferung und Abschiebung)

(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.

(2) Ausländer dürfen nicht in ein Land ausgeliefert oder abgeschoben werden, in dem für sie die Gefahr der Todesstrafe oder Folter besteht.

Artikel 19
(Meinungs- und Medienfreiheit)

(1) Jeder hat das Recht, Informationen und Meinungen in jeder Form frei zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen oder anderen, rechtmäßig erschließbaren Quellen zu unterrichten. Die Geltung dieser Rechte in Dienst- und Arbeitsverhältnissen darf nur aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden.

(2) Die Freiheit der Presse, des Rundfunks, des Films und anderer Massenmedien ist gewährleistet. Das Gesetz hat durch Verfahrensregelungen sicherzustellen, daß die Vielfalt der in der Gesellschaft vorhandenen Meinungen in Presse und Rundfunk zum Ausdruck kommt.

(3) Gesetzliche Einschränkungen zum Schutze der Kinder und Jugendlichen sowie der Ehre und anderer wichtiger Rechtsgüter sind zulässig. Kriegspropaganda und öffentliche, die Menschenwürde verletzende Diskriminierungen sind verboten.

(4) Hörfunk und Fernsehen haben die Aufgabe, durch das Angebot einer Vielfalt von Programmen zur öffentlichen Meinungsbildung beizutragen. Neben den öffentlich-rechtlichen Anstalten sind private Sender aufgrund eines Gesetzes zuzulassen. Dabei ist ein Höchstmaß an Meinungsvielfalt zu gewährleisten.

(5) Rechtmäßige journalistische Tätigkeit darf durch Zeugnispflicht, Beschlagnahme und Durchsuchung nicht behindert werden.

(6) Eine Zensur findet nicht statt.

Artikel 20
(Vereinigungsfreiheit)

(1) Alle Menschen haben das Recht, Parteien, Verbände, Vereine, Gesellschaften und andere Vereinigungen zu gründen und ihnen beizutreten. Alle Vereinigungen haben das Recht, ihre innere Ordnung frei und selbständig zu bestimmen.

(2) Vereinigungen, die nach ihrem Zweck oder ihrer Tätigkeit gegen die Verfassung, die Strafgesetze oder die Völkerverständigung verstoßen, sollen aufgrund eines Gesetzes Beschränkungen unterworfen oder verboten werden.

(3) Parteien und Bürgerbewegungen, die sich öffentlichen Aufgaben widmen und auf die öffentliche Meinungsbildung einwirken, müssen in ihrer inneren Ordnung demokratischen Grundsätzen entsprechen. Die Freiheit ihrer Mitwirkung an der politischen Willensbildung ist zu gewährleisten.

3. Abschnitt:
Politische Gestaltungsrechte

Artikel 21
(Recht auf politische Mitgestaltung)

(1) Das Recht auf politische Mitgestaltung ist gewährleistet.

(2) Jeder hat nach Maßgabe der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung das gleiche Recht auf Zugang zu öffentlichen Ämtern, soweit nicht für die Wahrnehmung hoheitlicher Befugnisse etwas anderes gesetzlich bestimmt ist. Eine Entlassung oder Disziplinierung wegen einer Betätigung in Bürgerinitiativen, Verbänden, Religionsgemeinschaften oder Parteien ist unzulässig.

(3) Alle Menschen haben das Recht, sich in Bürgerinitiativen oder Verbänden zur Beeinflussung öffentlicher Angelegenheiten zusammenzuschließen. Diese haben das Recht auf Information durch alle staatlichen und kommunalen Stellen und auf Vorbringen ihrer Anliegen bei den zuständigen Stellen und Vertretungskörperschaften. Das Nähere regelt ein Gesetz.

(4) Jeder hat nach Maßgabe des Gesetzes das Recht auf Einsicht in Akten und sonstige amtliche Unterlagen der Behörden und Verwaltungseinrichtungen des Landes und der Kommunen, soweit nicht überwiegende öffentliche oder private Interessen entgegenstehen.

(5) Wer durch öffentliche oder private Vorhaben in seinen rechtlich geschützten Interessen betroffen wird, hat das Recht auf Verfahrensbeteiligung. Dieses Recht steht auch Zusammenschlüssen von Betroffenen zu. Das Nähere regelt ein Gesetz.

Artikel 22
(Wahlen und Volksabstimmungen)

(1) Jeder Bürger hat nach Vollendung des sechzehnten Lebensjahres das Recht, zum Landtag und zu den kommunalen Vertretungskörperschaften zu wählen; nach Vollendung des achtzehnten Lebensjahres hat jeder Bürger das Recht, in diese gewählt zu werden. Anderen Einwohnern Brandenburgs sind diese Rechte zu gewähren, sobald und soweit das Grundgesetz dies zuläßt.

(2) Jeder Bürger hat mit Vollendung des sechzehnten Lebensjahres das Recht, sich an Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheiden sowie an Einwohneranträgen, Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden zu beteiligen. Andere Einwohner haben das Recht, sich an Volksinitiativen und Einwohneranträgen zu beteiligen; das Recht, sich an Volksbegehren und Volksentscheiden sowie an Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden zu beteiligen, ist ihnen zu gewähren, sobald und soweit das Grundgesetz dies zuläßt.

(3) Wahlen und Volksabstimmungen sind allgemein, unmittelbar, gleich, frei und geheim. Zur Teilnahme an Wahlen sind Parteien, politische Vereinigungen, Listenvereinigungen und einzelne Bürger berechtigt. Die Abgeordneten werden nach einem Verfahren gewählt, das die Persönlichkeitswahl mit den Grundsätzen der Verhältniswahl verbindet. Wahlprüfung und Abstimmungsprüfung stehen den Volksvertretungen für das jeweilige Wahlgebiet zu. Für die Abstimmungsprüfung des Volksentscheides nach Artikel 116 Abs. 1 gelten die mit dem Land Berlin vereinbarten abweichenden Regelungen im Staatsvertrag zur Regelung der Volksabstimmungen in den Ländern Berlin und Brandenburg über den Neugliederungs-Vertrag. Die Entscheidungen unterliegen der gerichtlichen Nachprüfung.

(4) Wer sich um einen Sitz in einer Volksvertretung bewirbt, hat Anspruch auf eine zur Vorbereitung seiner Wahl erforderliche Freistellung. Niemand darf gehindert werden, das Abgeordnetenmandat anzustreben, zu übernehmen und auszuüben. Eine Kündigung oder Entlassung ist nur zulässig, wenn Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur fristlosen Kündigung berechtigen.

(5) Das Nähere regelt ein Gesetz. Das Gesetz kann insbesondere vorsehen, daß die in den Absätzen 1 bis 4 genannten Rechte nur innehat, wer bereits für eine bestimmte Dauer Bürger oder Einwohner im Wahl- oder Abstimmungsgebiet ist. Das Gesetz kann auch vorsehen, daß Beamte, Angestellte des öffentlichen Dienstes und Richter nicht zugleich Mitglied im Landtag oder in kommunalen Vertretungskörperschaften sein können.

Artikel 23
(Versammlungsfreiheit)

(1) Alle Menschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und unbewaffnet zu versammeln.

(2) Versammlungen und Demonstrationen unter freiem Himmel können anmeldepflichtig gemacht und bei unmittelbarer Gefahr für die öffentliche Sicherheit unter strikter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit eingeschränkt, aufgelöst oder verboten werden.

Artikel 24
(Petitionsrecht)

Jeder hat das Recht, sich einzeln oder gemeinschaftlich mit Anregung, Kritik und Beschwerde an den Landtag, die kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften und jede sonstige staatliche oder kommunale Stelle zu wenden. Es besteht Anspruch auf Bescheid in angemessener Frist.

4. Abschnitt:
Rechte der Sorben/Wenden

Artikel 25
(Rechte der Sorben/Wenden)

(1) Das Recht des sorbischen/wendischen Volkes auf Schutz, Erhaltung und Pflege seiner nationalen Identität und seines angestammten Siedlungsgebietes wird gewährleistet. Das Land, die Gemeinden und Gemeindeverbände fördern die Verwirklichung dieses Rechtes, insbesondere die kulturelle Eigenständigkeit und die wirksame politische Mitgestaltung des sorbischen/wendischen Volkes.

(2) Das Land wirkt auf die Sicherung einer Landesgrenzen übergreifenden kulturellen Autonomie der Sorben/Wenden hin.

(3) Die Sorben/Wenden haben das Recht auf Bewahrung und Förderung der sorbischen/wendischen Sprache und Kultur im öffentlichen Leben und ihre Vermittlung in Schulen und Kindertagesstätten.

(4) Im Siedlungsgebiet der Sorben/Wenden ist die sorbische/wendische Sprache in die öffentliche Beschriftung einzubeziehen. Die sorbische/wendische Fahne hat die Farben Blau, Rot, Weiß.

(5) Die Ausgestaltung der Rechte der Sorben/Wenden regelt ein Gesetz. Dies hat sicherzustellen, dass in Angelegenheiten der Sorben/Wenden, insbesondere bei der Gesetzgebung, sorbische/wendische Vertreter mitwirken.

5. Abschnitt:
Ehe, Familie, Lebensgemeinschaften und Kinder

Artikel 26
(Ehe, Familie und Lebensgemeinschaften)

(1) Ehe und Familie sind durch das Gemeinwesen zu schützen und zu fördern. Besondere Fürsorge wird Müttern, Alleinerziehenden und kinderreichen Familien sowie Familien mit behinderten Angehörigen zuteil.

(2) Die Schutzbedürftigkeit anderer auf Dauer angelegter Lebensgemeinschaften wird anerkannt.

(3) Wer in Ehe, Familie oder einer anderen Lebensgemeinschaft psychische oder physische Gewalt erleidet, hat Anspruch auf Hilfe und Schutz des Gemeinwesens.

(4) Die Hausarbeit, die Erziehung der Kinder, die häusliche Pflege Bedürftiger und die Berufsarbeit werden gleichgeachtet.

Artikel 27
(Schutz und Erziehung von Kindern und Jugendlichen)

(1) Kinder haben als eigenständige Personen das Recht auf Achtung ihrer Würde.

(2) Eltern haben das Recht und die Pflicht zur Erziehung ihrer Kinder.

(3) Kinder genießen in besonderer Weise den Schutz von Staat und Gesellschaft. Wer Kinder erzieht, hat Anspruch auf angemessene staatliche Hilfe und gesellschaftliche Rücksichtnahme.

(4) Kindern und Jugendlichen ist durch Gesetz eine Rechtsstellung einzuräumen, die ihrer wachsenden Einsichtsfähigkeit durch die Anerkennung zunehmender Selbständigkeit gerecht wird.

(5) Kinder und Jugendliche sind vor körperlicher und seelischer Vernachlässigung und Mißhandlung zu schützen. Wird das Wohl von Kindern oder Jugendlichen gefährdet, insbesondere durch Versagen der Erziehungsberechtigten, hat das Gemeinwesen die erforderlichen Hilfen zu gewährleisten und die gesetzlich geregelten Maßnahmen zu ergreifen.

(6) Das Land, die Gemeinden und Gemeindeverbände fördern, unabhängig von der Trägerschaft, Kindertagesstätten und Jugendfreizeiteinrichtungen.

(7) Jedes Kind hat nach Maßgabe des Gesetzes einen Anspruch auf Erziehung, Bildung, Betreuung und Versorgung in einer Kindertagesstätte.

(8) Kinderarbeit ist verboten.

6. Abschnitt:
Bildung, Wissenschaft, Kunst und Sport

Artikel 28
(Grundsätze der Erziehung und Bildung)

Erziehung und Bildung haben die Aufgabe, die Entwicklung der Persönlichkeit, selbständiges Denken und Handeln, Achtung vor der Würde, dem Glauben und den Überzeugungen anderer, Anerkennung der Demokratie und Freiheit, den Willen zu sozialer Gerechtigkeit, die Friedfertigkeit und Solidarität im Zusammenleben der Kulturen und Völker und die Verantwortung für Natur und Umwelt zu fördern.

Artikel 29
(Recht auf Bildung)

(1) Jeder hat das Recht auf Bildung.

(2) Das Land ist verpflichtet, öffentliche Bildungseinrichtungen zu schaffen und berufliche Ausbildungssysteme zu fördern.

(3) Jeder hat das Recht auf gleichen Zugang zu den öffentlichen Bildungseinrichtungen, unabhängig von seiner wirtschaftlichen und sozialen Lage und seiner politischen Überzeugung. Begabte, sozial Benachteiligte und Menschen mit Behinderungen sind besonders zu fördern.

Artikel 30
(Schulwesen)

(1) Es besteht allgemeine Schulpflicht.

(2) Das Schulwesen steht unter der Aufsicht des Landes. Bei der Gestaltung wirken Eltern, Lehrer und Schüler sowie ihre Vertretungen und Verbände mit.

(3) Das Schulwesen muß Offenheit, Durchlässigkeit und Vielfalt der Bildungsgänge gewährleisten.

(4) Für die Aufnahme in weiterführende Schulen sind neben dem Wunsch der Erziehungsberechtigten Fähigkeiten, Leistungen und Neigungen des Schülers maßgebend.

(5) Das Land und die Träger kommunaler Selbstverwaltung haben die Pflicht, Schulen einzurichten und zu fördern. Für diese Schulen besteht Schulgeldfreiheit. Lern- und Lehrmittelfreiheit sind durch Gesetz zu regeln.

(6) Das Recht zur Errichtung von Schulen in freier Trägerschaft wird nach Maßgabe von Artikel 7 Absatz 4 des Grundgesetzes gewährleistet. Die Träger haben Anspruch auf einen öffentlichen Finanzierungszuschuß.

Artikel 31
(Wissenschaftsfreiheit)

(1) Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei.

(2) Forschungen unterliegen gesetzlichen Beschränkungen, wenn sie geeignet sind, die Menschenwürde zu verletzen oder die natürlichen Lebensgrundlagen zu zerstören.

(3) Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

Artikel 32
(Hochschulen)

(1) Hochschulen haben im Rahmen der Gesetze das Recht auf Selbstverwaltung, an der Lehrende, andere Beschäftigte und Studierende beteiligt sind.

(2) Das Recht der Errichtung von Hochschulen in freier Trägerschaft wird gewährleistet.

(3) Der Zugang zum Hochschulstudium steht jedem offen, der die Hochschulreife besitzt. Der Erwerb der Hochschulreife durch Berufstätige und der Zugang zum Hochschulstudium ohne Hochschulreife sind zu erleichtern.

(4) Zur Ausbildung ihrer Geistlichen haben die Kirchen das Recht, eigene Anstalten mit Hochschulcharakter zu errichten und zu unterhalten. Entsprechendes gilt für Religionsgemeinschaften. Die Besetzung der Lehrstühle an den staatlichen theologischen Fakultäten erfolgt im Benehmen mit den Kirchen.

(5) Das Nähere regelt ein Gesetz.

Artikel 33
(Weiterbildung)

(1) Die Weiterbildung von Erwachsenen ist durch das Land, die Gemeinden und Gemeindeverbände zu fördern. Das Recht auf Errichtung von Weiterbildungseinrichtungen in freier Trägerschaft ist gewährleistet.

(2) Jeder hat das Recht auf Freistellung zur beruflichen, kulturellen oder politischen Weiterbildung. Das Nähere regelt ein Gesetz.

Artikel 34
(Kunst und Kultur)

(1) Die Kunst ist frei. Sie bedarf der öffentlichen Förderung, insbesondere durch Unterstützung der Künstler.

(2) Das kulturelle Leben in seiner Vielfalt und die Vermittlung des kulturellen Erbes werden öffentlich gefördert. Kunstwerke und Denkmale der Kultur stehen unter dem Schutz des Landes, der Gemeinden und Gemeindeverbände.

(3) Das Land, die Gemeinden und Gemeindeverbände unterstützen die Teilnahme am kulturellen Leben und ermöglichen den Zugang zu den Kulturgütern.

Artikel 35
(Sport)

Sport ist ein förderungswürdiger Teil des Lebens. Die Sportförderung des Landes, der Gemeinden und Gemeindeverbände ist auf ein ausgewogenes und bedarfsgerechtes Verhältnis von Breitensport und Spitzensport gerichtet. Sie soll die besonderen Bedürfnisse von Schülern, Studenten, Senioren und Menschen mit Behinderungen berücksichtigen.

7. Abschnitt:
Kirchen und Religionsgemeinschaften

Artikel 36
(Rechtsstellung)

(1) Es besteht keine Staatskirche.

(2) Kirchen und Religionsgemeinschaften ordnen und verwalten ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes. Sie verleihen ihre Ämter ohne Mitwirkung des Staates oder der bürgerlichen Gemeinde.

(3) Das Land anerkennt den Öffentlichkeitsauftrag der Kirchen und Religionsgemeinschaften. Sie sind Körperschaften des öffentlichen Rechts, soweit sie es bisher waren. Andere Religionsgemeinschaften erlangen auf Antrag die gleichen Rechte, wenn ihre Satzung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bieten und sie den in Artikel 2 Absatz 1 genannten Grundsätzen und den Grundrechten dieser Verfassung nicht widersprechen.

(4) Kirchen und Religionsgemeinschaften dürfen, soweit sie Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, von ihren Mitgliedern Steuern aufgrund der staatlichen Steuerlisten erheben.

(5) Vereinigungen zur gemeinschaftlichen Pflege einer Weltanschauung werden den Religionsgemeinschaften gleichgestellt.

Artikel 37
(Eigentum und Staatsleistungen)

(1) Das Eigentum und andere Rechte der Kirchen, Religionsgemeinschaften und ihrer Einrichtungen an ihrem für Kultus-, Bildungs- und Wohltätigkeitszwecke bestimmten Vermögen werden gewährleistet.

(2) Die den Kirchen und Religionsgemeinschaften gemäß Gesetz, Vertrag oder sonstigen Rechtstiteln zustehenden Leistungen des Landes und der Träger der kommunalen Selbstverwaltung können nur durch Vereinbarung abgelöst werden. Soweit solche Vereinbarungen das Land betreffen, bedürfen sie der Bestätigung durch Landesgesetz.

Artikel 38
(Seelsorge)

In Heimen, Krankenhäusern, Strafanstalten und ähnlichen öffentlichen Einrichtungen sowie bei der Polizei sind Gottesdienste, Seelsorge und andere religiöse Handlungen den Kirchen und Religionsgemeinschaften nach Maßgabe der bestehenden Bedürfnisse zu ermöglichen. Artikel 13 Absatz 3 findet Anwendung.

8. Abschnitt:
Natur und Umwelt

Artikel 39
(Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen)

(1) Der Schutz der Natur, der Umwelt und der gewachsenen Kulturlandschaft als Grundlage gegenwärtigen und künftigen Lebens ist Pflicht des Landes und aller Menschen.

(2) Jeder hat das Recht auf Schutz seiner Unversehrtheit vor Verletzungen und unzumutbaren Gefährdungen, die aus Veränderungen der natürlichen Lebensgrundlagen entstehen.

(3) Tier und Pflanze werden als Lebewesen geachtet. Art und artgerechter Lebensraum sind zu erhalten und zu schützen.

(4) Die staatliche Umweltpolitik hat auf den sparsamen Gebrauch und die Wiederverwendung von Rohstoffen sowie auf die sparsame Nutzung von Energie hinzuwirken.

(5) Land, Gemeinden, Gemeindeverbände und sonstige Körperschaften des öffentlichen Rechts haben die Pflicht, die Umwelt vor Schäden oder Belastungen zu bewahren und dafür Sorge zu tragen, daß Umweltschäden beseitigt oder ausgeglichen werden. Öffentliche und private Vorhaben bedürfen nach Maßgabe der Gesetze des Nachweises ihrer Umweltverträglichkeit. Eigentum kann eingeschränkt werden, wenn durch seinen Gebrauch rechtswidrig die Umwelt schwer geschädigt oder gefährdet wird.

(6) Die Entsorgung von Abfällen, die nicht im Gebiet des Landes entstanden sind, ist unter Berücksichtigung der Besonderheiten Berlins nur in Ausnahmefällen zulässig und auszuschließen, sofern sie nach ihrer Beschaffenheit in besonderem Maße gesundheits- oder umweltgefährdend sind. Das Nähere regelt ein Gesetz.

(7) Das Land, die Gemeinden und Gemeindeverbände sind verpflichtet, Informationen über gegenwärtige und zu erwartende Belastungen der natürlichen Umwelt zu erheben und zu dokumentieren; Eigentümer und Betreiber von Anlagen haben eine entsprechende Offenbarungspflicht. Jeder hat das Recht auf diese Informationen, soweit nicht überwiegende öffentliche oder private Interessen entgegenstehen. Das Nähere regelt ein Gesetz.

(8) Die Verbandsklage ist zulässig. Anerkannte Umweltverbände haben das Recht auf Beteiligung an Verwaltungsverfahren, die die natürlichen Lebensgrundlagen betreffen. Das Nähere regelt ein Gesetz.

(9) Das Land wirkt darauf hin, daß auf dem Landesgebiet keine atomaren, biologischen oder chemischen Waffen entwickelt, hergestellt oder gelagert werden.

Artikel 40
(Grund und Boden)

(1) Die Nutzung des Bodens und der Gewässer ist in besonderem Maße den Interessen der Allgemeinheit und künftiger Generationen verpflichtet. Ihre Verkehrsfähigkeit kann durch Gesetz beschränkt werden. Grund und Boden, der dem Lande gehört, darf nur nach Maßgabe eines Gesetzes veräußert werden. Seine Nutzung ist vorzugsweise über Pacht und Erbbaurecht zu regeln.

(2) Der Abbau von Bodenschätzen bedarf der staatlichen Genehmigung. Dabei ist dem öffentlichen Interesse an der schonenden Nutzung des Bodens besonderes Gewicht beizumessen.

(3) Land, Gemeinden und Gemeindeverbände sind verpflichtet, der Allgemeinheit den Zugang zur Natur, insbesondere zu Bergen, Wäldern, Seen und Flüssen, unter Beachtung der Grundsätze für den Schutz der natürlichen Umwelt freizuhalten und gegebenenfalls zu eröffnen.

(4) Die Einrichtung und Erhaltung von Nationalparks, Natur- und Landschaftsschutzgebieten sind zu fördern. Naturdenkmale stehen unter öffentlichem Schutz. Das Nähere regelt ein Gesetz.

(5) Das Land wirkt darauf hin, daß militärisch genutzte Liegenschaften verstärkt einer zivilen Nutzung zugeführt werden.

9. Abschnitt:
Eigentum, Wirtschaft, Arbeit und soziale Sicherung

Artikel 41
(Eigentum und Erbrecht)

(1) Eigentum und Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch hat zugleich dem Wohle der Allgemeinheit zu dienen.

(3) Das Land fördert eine breite Streuung des Eigentums, insbesondere die Vermögensbildung von Arbeitnehmern durch Beteiligung am Produktiveigentum.

(4) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen.

(5) Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel können durch ein Gesetz, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt, in Gemeineigentum oder in andere Eigentumsformen zum Wohle der Allgemeinheit überführt werden. Für die Entschädigung gilt Absatz 4 Satz 3 entsprechend.

Artikel 42
(Wirtschaft)

(1) Jeder hat das Recht auf freie Entfaltung wirtschaftlicher Eigeninitiative, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die Verfassung und die ihr entsprechenden Gesetze verstößt. Das Land strebt Wettbewerb und Chancengerechtigkeit an.

(2) Das Wirtschaftsleben gestaltet sich nach den Grundsätzen einer sozial gerechten und dem Schutz der natürlichen Umwelt verpflichteten marktwirtschaftlichen Ordnung. Der Mißbrauch wirtschaftlicher Macht ist unzulässig und zu verhindern.

Artikel 43
(Land- und Forstwirtschaft)

(1) Die Nutzung des Bodens durch die Land- und Forstwirtschaft muß auf Standortgerechtigkeit, Stabilität der Ertragsfähigkeit und ökologische Verträglichkeit ausgerichtet werden.

(2) Das Land fördert insbesondere den Beitrag der Land- und Forstwirtschaft zur Pflege der Kulturlandschaft, zur Erhaltung des ländlichen Raumes und zum Schutz der natürlichen Umwelt.

Artikel 44
(Strukturförderung)

Das Land gewährleistet eine Strukturförderung der Regionen mit dem Ziel, in allen Landesteilen gleichwertige Lebens- und Arbeitsbedingungen zu schaffen und zu erhalten.

Artikel 45
(Soziale Sicherung)

(1) Das Land ist verpflichtet, im Rahmen seiner Kräfte für die Verwirklichung des Rechts auf soziale Sicherung bei Krankheit, Unfall, Invalidität, Behinderung, Pflegebedürftigkeit und im Alter zu sorgen. Soziale Sicherung soll eine menschenwürdige und eigenverantwortliche Lebensgestaltung ermöglichen.

(2) In Notlagen, die ein menschenwürdiges Leben nicht ermöglichen und die durch eigene Kräfte und Mittel nicht behoben werden können, besteht ein Anspruch auf Sozialhilfe.

(3) Errichtung und Unterhaltung von Einrichtungen für die Beratung, Betreuung und Pflege im Alter, bei Krankheit, Behinderung, Invalidität und Pflegebedürftigkeit sowie für andere soziale und karitative Zwecke sind staatlich zu fördern, unabhängig von ihrer Trägerschaft. In Heimen stehen den Bewohnern Mitentscheidungsrechte zu.

Artikel 46
(Nothilfe)

Jeder Mensch ist bei Unglücksfällen, Katastrophen und besonderen Notständen nach Maßgabe der Gesetze zur Nothilfe verpflichtet.

Artikel 47
(Wohnung)

(1) Das Land ist verpflichtet, im Rahmen seiner Kräfte für die Verwirklichung des Rechts auf eine angemessene Wohnung zu sorgen, insbesondere durch Förderung von Wohneigentum, durch Maßnahmen des sozialen Wohnungsbaus, durch Mieterschutz und Mietzuschüsse.

(2) Die Räumung einer Wohnung darf nur vollzogen werden, wenn Ersatzwohnraum zur Verfügung steht. Bei einer Abwägung der Interessen ist die Bedeutung der Wohnung für die Führung eines menschenwürdigen Lebens besonders zu berücksichtigen.

Artikel 48
(Arbeit)

(1) Das Land ist verpflichtet, im Rahmen seiner Kräfte durch eine Politik der Vollbeschäftigung und Arbeitsförderung für die Verwirklichung des Rechts auf Arbeit zu sorgen, welches das Recht jedes einzelnen umfaßt, seinen Lebensunterhalt durch freigewählte Arbeit zu verdienen.

(2) Unentgeltliche Berufsberatung und Arbeitsvermittlung werden gewährleistet. Soweit eine angemessene Arbeitsgelegenheit nicht nachgewiesen werden kann, besteht Anspruch auf Umschulung, berufliche Weiterbildung und Unterhalt.

(3) Die Arbeitnehmer haben ein Recht auf sichere, gesunde und menschenwürdige Arbeitsbedingungen. Männer und Frauen haben Anspruch auf gleiche Vergütung bei gleichwertiger Arbeit.

(4) Auszubildenden, Schwangeren, Alleinerziehenden, Kranken, Menschen mit Behinderungen und älteren Arbeitnehmern gebührt besonderer Kündigungsschutz.

Artikel 49
(Berufsfreiheit)

(1) Jeder hat das Recht, seinen Beruf frei zu wählen und auszuüben. In diese Freiheit darf nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(2) Öffentliche, für alle gleiche Arbeits- und Dienstpflichten sind nur für besondere, durch Gesetz festgelegte Zwecke zulässig.

Artikel 50
(Mitbestimmung)

Die Beschäftigten und ihre Gewerkschaften haben nach Maßgabe der Gesetze das Recht zur Mitbestimmung in Angelegenheiten der Betriebe, Unternehmen und Dienststellen.

Artikel 51
(Koalitionsfreiheit und Streikrecht)

(1) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen (Koalitionen) zu bilden, ist für jeden und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig.

(2) Das Recht der Koalitionen umfaßt insbesondere den Abschluß von Tarifverträgen, die für allgemein verbindlich erklärt werden können. Gewerkschaften haben nach Maßgabe der Gesetze das Recht auf Zutritt zu allen Betrieben, Unternehmen und Dienststellen. Das Streikrecht wird gewährleistet.

10. Abschnitt:
Gerichtsverfahren und Strafvollzug

Artikel 52
(Grundrechte vor Gericht)

(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.

(2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.

(3) Alle Menschen sind vor Gericht gleich und haben Anspruch auf rechtliches Gehör.

(4) Jeder hat Anspruch auf ein faires und zügiges Verfahren vor einem unabhängigen und unparteiischen Gericht. Die Öffentlichkeit darf nur nach Maßgabe des Gesetzes ausgeschlossen werden.

(5) Niemand darf gezwungen werden, gegen sich selbst oder durch Gesetz bestimmte nahestehende Personen auszusagen.

Artikel 53
(Grundrechte im Strafverfahren)

(1) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(2) Jeder wegen einer Straftat Beschuldigte oder Angeklagte ist so lange als unschuldig anzusehen, bis er rechtskräftig verurteilt ist.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat aufgrund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(4) Ein Beschuldigter kann sich in jeder Lage des Verfahrens des Beistandes eines Verteidigers bedienen.

Artikel 54
(Strafvollzug)

(1) Im Strafvollzug ist die Würde des Menschen zu achten; er muß darauf ausgerichtet sein, den Strafgefangenen zu befähigen, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen.

(2) Der entlassene Strafgefangene hat nach Maßgabe der Gesetze einen Anspruch auf Hilfe zu seiner Wiedereingliederung.

3. Hauptteil:
Die Staatsorganisation

1. Abschnitt:
Der Landtag

Artikel 55
(Der Landtag)

(1) Der Landtag ist die gewählte Vertretung des Volkes.

(2) Die Opposition ist ein wesentlicher Bestandteil der parlamentarischen Demokratie. Sie hat das Recht auf Chancengleichheit.

Artikel 56
(Freies Mandat der Abgeordneten)

(1) Die Abgeordneten sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden. Niemand darf einen Abgeordneten zwingen, gegen sein Gewissen oder seine Überzeugung zu handeln.

(2) Die Abgeordneten haben insbesondere das Recht, im Landtag und seinen Ausschüssen das Wort zu ergreifen, Fragen und Anträge zu stellen sowie bei Wahlen und Beschlüssen ihre Stimme abzugeben. Fragen an die Regierung sind unverzüglich nach bestem Wissen und vollständig zu beantworten. Das Nähere regelt die Geschäftsordnung.

(3) Den Abgeordneten ist Zugang zu den Behörden und Dienststellen des Landes zu gewähren. Diese haben ihnen auf Verlangen Auskünfte auch aus Dateien zu erteilen sowie Akten und sonstige amtliche Unterlagen vorzulegen. Das Verlangen ist an die Landesregierung oder, sofern es ihn betrifft, an den Landesrechnungshof zu richten. Die Auskunft sowie die Vorlage der Akten und sonstigen amtlichen Unterlagen haben unverzüglich und vollständig zu erfolgen.

(4) Die Erteilung von Auskünften oder die Vorlage von Akten und sonstigen amtlichen Unterlagen darf nur abgelehnt werden, wenn überwiegende öffentliche oder private Interessen an der Geheimhaltung dies zwingend erfordern. Die Entscheidung ist dem Abgeordneten mitzuteilen und zu begründen.

Artikel 57
(Indemnität)

Ein Abgeordneter darf zu keiner Zeit wegen seiner Abstimmung oder wegen einer Äußerung im Landtag, in einem seiner Ausschüsse oder in einer Fraktion gerichtlich oder dienstlich verfolgt oder sonst außerhalb des Landtages zur Verantwortung gezogen werden. Dies gilt nicht für verleumderische Beleidigungen.

Artikel 58
(Immunität)

Jede Strafverfolgungsmaßnahme gegen einen Abgeordneten, jede Haft und jede sonstige Beschränkung seiner persönlichen Freiheit sind auf Verlangen des Landtages auszusetzen, wenn durch sie die parlamentarische Arbeit des Landtages beeinträchtigt wird.

Artikel 59
(Zeugnisverweigerungsrecht)

Die Abgeordneten sind berechtigt, über Personen, die sich ihnen in ihrer Eigenschaft als Abgeordnete anvertraut haben, und über Tatsachen, die sie in dieser Eigenschaft vertraulich erfahren haben, das Zeugnis zu verweigern. Soweit dieses Zeugnisverweigerungsrecht reicht, sind Durchsuchung und Beschlagnahme unzulässig. Das Recht der Zeugnisverweigerung erlischt nicht durch die Beendigung des Mandats.

Artikel 60
(Entschädigung)

Mitglieder des Landtages erhalten eine ihrer Verantwortung entsprechende und ihre Unabhängigkeit sichernde Entschädigung. Das Nähere regelt ein Gesetz.

Artikel 61
(Abgeordnetenanklage)

(1) Ein Abgeordneter, der in gewinnsüchtiger Weise seinen Einfluß oder sein Wissen als Abgeordneter in einer das Ansehen des Landtages gröblich gefährdenden Weise mißbraucht, kann vor dem Verfassungsgericht unter Anklage gestellt werden.

(2) Der Antrag auf Erhebung der Anklage muß von mindestens einem Drittel der Mitglieder des Landtages unterzeichnet sein und bedarf der Zustimmung einer Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder des Landtages.

(3) Das Verfassungsgericht kann auf Verlust des Mandats erkennen.

Artikel 62
(Wahlperiode, Neuwahl)

(1) Der Landtag wird vorbehaltlich der nachfolgenden Bestimmungen auf fünf Jahre gewählt. Die Neuwahl findet frühestens siebenundfünfzig und spätestens sechzig Monate nach Beginn der Wahlperiode statt. Der Landtagspräsident bestimmt im Einvernehmen mit dem Präsidium des Landtages den Wahltag.

(2) Der Landtag kann sich durch Beschluß einer Mehrheit von zwei Dritteln seiner Mitglieder auflösen.

(3) Im Falle einer Auflösung des Landtages erfolgt die Neuwahl innerhalb von siebzig Tagen.

(4) Der Landtag tritt spätestens am dreißigsten Tag nach seiner Wahl zusammen. Damit endet die Wahlperiode des vorhergehenden Landtages.

Artikel 63
(Wahlprüfung)

(1) Die Wahlprüfung ist Aufgabe des Landtages. Dieser entscheidet auch, ob ein Abgeordneter sein Mandat im Landtag verloren hat.

(2) Gegen die Entscheidung des Landtages ist die Beschwerde an das Verfassungsgericht zulässig.

(3) Das Nähere regelt ein Gesetz.

Artikel 64
(Sitzungen)

(1) Der Präsident des Landtages kann den Landtag jederzeit einberufen. Er muß den Landtag unverzüglich einberufen, wenn mindestens ein Fünftel der Mitglieder des Landtages oder die Landesregierung dies verlangen.

(2) Der Landtag verhandelt öffentlich. Die Öffentlichkeit kann mit den Stimmen von zwei Dritteln der anwesenden Mitglieder ausgeschlossen werden. Über den Antrag ist in nichtöffentlicher Sitzung zu entscheiden. Bei Ausschluß der Öffentlichkeit ist eine öffentliche Begründung zu geben.

(3) Wahrheitsgetreue Berichte über öffentliche Sitzungen des Landtages und seiner Ausschüsse bleiben von jeder Verantwortlichkeit frei.

Artikel 65
(Beschlußfassung)

Der Landtag faßt seine Beschlüsse mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen, es sei denn, diese Verfassung bestimmt etwas anderes. Für die vom Landtag vorzunehmenden Wahlen können durch ein Gesetz oder die Geschäftsordnung des Landtages Ausnahmen zugelassen werden.

Artikel 66
(Anwesenheitspflicht und Zutrittsrecht)

(1) Ein Fünftel der anwesenden Mitglieder des Landtages oder ein Drittel der Mitglieder eines Ausschusses kann die Anwesenheit eines jeden Mitgliedes der Landesregierung verlangen.

(2) Die Mitglieder der Landesregierung und ihre Beauftragten haben zu den Sitzungen des Landtages und seiner Ausschüsse Zutritt. Mitglieder der Regierung haben Rederecht. Das Nähere regelt die Geschäftsordnung.

(3) Absatz 2 gilt nicht für Untersuchungsausschüsse.

Artikel 67
(Fraktionen)

(1) Fraktionen bestehen aus Mitgliedern des Landtages. Sie wirken mit eigenen Rechten und Pflichten als selbständige und unabhängige Gliederungen an der Arbeit des Landtages mit und unterstützen die parlamentarische Willensbildung. Insofern haben sie Anspruch auf angemessene Ausstattung. Die Bildung einer Fraktion nach der Konstituierung des Landtages bedarf dessen Zustimmung. Das Nähere regelt ein Gesetz.

(2) Ein Fraktionszwang ist unzulässig.

Artikel 68
(Geschäftsordnung)

Der Landtag gibt sich eine Geschäftsordnung.

Artikel 69
(Präsidium)

(1) Der Landtag wählt in seiner ersten Sitzung aus seiner Mitte ein Präsidium, bestehend aus dem Präsidenten, Vizepräsidenten und weiteren Mitgliedern. Jede Fraktion ist berechtigt, im Präsidium vertreten zu sein.

(2) Präsident, Vizepräsident sowie die anderen Mitglieder des Präsidiums können durch Beschluß des Landtages abgewählt werden. Die Abwahl ist gültig, wenn zwei Drittel der Mitglieder des Landtages zugestimmt haben.

(3) Rechte und Pflichten des Präsidiums und seiner Mitglieder regelt die Geschäftsordnung des Landtages.

(4) Der Präsident vertritt den Landtag nach außen. Er ernennt und entläßt die Beschäftigten des Landtages. Er übt das Hausrecht und die Polizeigewalt im Landtagsgebäude aus. Eine Durchsuchung oder Beschlagnahme in den Räumen des Landtages darf nur mit Einwilligung des Landtagspräsidenten vorgenommen werden. Er verfügt über die Einnahmen und Ausgaben des Landtages nach Maßgabe des Haushaltsplanes.

Artikel 70
(Ausschüsse)

(1) Der Landtag bildet Ausschüsse aus seiner Mitte.

(2) Die Zusammensetzung der Ausschüsse sowie die Regelung der Vorsitze in den Ausschüssen ist nach den Grundsätzen der Verhältniswahl vorzunehmen. Jede Fraktion hat das Recht, mit mindestens einem Mitglied in jedem Ausschuß vertreten zu sein. Fraktionslose Abgeordnete haben das Recht, in einem Ausschuß mit Stimmrecht mitzuarbeiten.

(3) Die Ausschüsse werden im Rahmen der ihnen vom Landtag erteilten Aufträge tätig. Innerhalb ihres Aufgabenbereiches können sie sich auch aus eigener Initiative mit einer Sache befassen und dem Landtag Empfehlungen unterbreiten.

Artikel 71
(Petitionsausschuß)

(1) Der Petitionsausschuß entscheidet über die an den Landtag gerichteten Eingaben, soweit nicht der Landtag selbst entscheidet.

(2) Alle Behörden und Verwaltungseinrichtungen des Landes und der Kommunen haben dem Ausschuß auf sein Verlangen jederzeit Zutritt zu gestatten, Auskünfte auch aus Dateien zu erteilen sowie Akten und sonstige amtliche Unterlagen vorzulegen. Die Gerichte haben in Angelegenheiten der Rechtsprechung nur Auskunftshilfe zu leisten.

(3) Das Nähere regelt ein Gesetz.

Artikel 72
(Untersuchungsausschüsse)

(1) Der Landtag hat das Recht und auf Antrag eines Fünftels seiner Mitglieder die Pflicht, einen Untersuchungsausschuß einzusetzen. Der Gegenstand der Untersuchungen ist in einem Beschluß festzulegen. Der Untersuchungsauftrag darf gegen den Willen der Antragsteller nicht verändert werden.

(2) Bei der Einsetzung jedes neuen Untersuchungsausschusses wechselt der Vorsitz unter den Fraktionen in der Reihenfolge ihrer Stärke. Der Vorsitzende hat im Ausschuß kein Stimmrecht.

(3) Die Untersuchungsausschüsse haben das Recht, Beweise zu erheben. Sie sind dazu verpflichtet, wenn dies von den Antragstellern oder einem Fünftel der Ausschußmitglieder beantragt wird. Die Beweiserhebung ist unzulässig, wenn sie offensichtlich nicht im Rahmen des Untersuchungsauftrages liegt. Das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis bleibt unangetastet. Gerichte, Behörden und Verwaltungseinrichtungen des Landes und der Kommunen sind zur Rechts- und Amtshilfe, einschließlich der Beweiserhebung und Aktenvorlage, verpflichtet.

(4) Berichte der Untersuchungsausschüsse unterliegen nicht der gerichtlichen Nachprüfung. Die Gerichte sind frei, den festgestellten Sachverhalt zu würdigen.

(5) Das Nähere regelt ein Gesetz.

Artikel 73
(Enquete-Kommissionen)

Der Landtag hat das Recht auf Einsetzung von Enquete-Kommissionen. Jede Fraktion ist berechtigt, mit mindestens einem Mitglied in jeder Enquete-Kommission vertreten zu sein. Das Nähere regelt ein Gesetz.

Artikel 74
(Landesbeauftragte)

(1) Zur Wahrung des Grundrechts auf Datenschutz nach Artikel 11 wählt der Landtag ohne Aussprache einen Landesbeauftragten für Datenschutz. Vor seiner Wahl findet eine Anhörung in einem vom Landtag bestimmten Ausschuß statt. Er wird vom Präsidenten des Landtages ernannt und unterliegt dessen Dienstaufsicht. In Ausübung seines Amtes ist er unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen. Er kann sich jederzeit an den Landtag wenden. Alle Behörden und Verwaltungseinrichtungen des Landes und der Kommunen sind verpflichtet, ihm auf Verlangen Akten und sonstige amtliche Unterlagen vorzulegen und herauszugeben, Auskunft auch aus Dateien zu erteilen sowie Zutritt zu allen Diensträumen zu gewähren.

(2) Der Landtag kann weitere Beauftragte wählen. Absatz 1 Satz 3 gilt entsprechend, soweit nicht gesetzlich etwas anderes bestimmt ist.

(3) Das Nähere regelt ein Gesetz.

2. Abschnitt:
Die Gesetzgebung

Artikel 75
(Gesetzesinitiative)

Gesetzesvorlagen können aus der Mitte des Landtages, durch die Landesregierung oder im Wege des Volksbegehrens eingebracht werden.

Artikel 76
(Volksinitiative)

(1) Alle Einwohner haben das Recht, dem Landtag im Rahmen seiner Zuständigkeit bestimmte Gegenstände der politischen Willensbildung zu unterbreiten. Diese Volksinitiative kann auch Gesetzentwürfe und Anträge auf Auflösung des Landtages einbringen. Die Initiative muß von mindestens zwanzigtausend Einwohnern, bei Anträgen auf Auflösung des Landtages von mindestens einhundertfünfzigtausend Stimmberechtigten unterzeichnet sein. Ihre Vertreter haben das Recht auf Anhörung.

(2) Initiativen zum Landeshaushalt, zu Dienst- und Versorgungsbezügen, Abgaben und Personalentscheidungen sind unzulässig.

Artikel 77
(Volksbegehren)

(1) Stimmt der Landtag einem Gesetzentwurf, einem Antrag auf Auflösung des Landtages oder einer anderen Vorlage nach Artikel 76 innerhalb von vier Monaten nicht zu, findet auf Verlangen der Vertreter der Initiative ein Volksbegehren statt.

(2) Hält die Landesregierung oder ein Drittel der Mitglieder des Landtages das Volksbegehren für unzulässig, haben sie das Verfassungsgericht anzurufen.

(3) Ein Volksbegehren ist zustande gekommen, wenn mindestens achtzigtausend Stimmberechtigte innerhalb von sechs Monaten dem Volksbegehren zugestimmt haben. Ein Antrag auf Auflösung des Landtages bedarf der Zustimmung von mindestens zweihunderttausend Stimmberechtigten.

Artikel 78
(Volksentscheid)

(1) Entspricht der Landtag nicht binnen zwei Monaten dem Volksbegehren, so findet innerhalb von weiteren drei Monaten ein Volksentscheid statt. Der Landtag kann einen konkurrierenden Gesetzentwurf oder eine sonstige Vorlage nach Artikel 76 mit zur Abstimmung stellen. Der Landtagspräsident hat die mit Gründen versehenen Gesetzentwürfe oder die anderen zur Abstimmung stehenden Vorlagen in angemessener Form zu veröffentlichen.

(2) Ein Gesetzentwurf oder eine andere Vorlage nach Artikel 76 ist durch Volksentscheid angenommen, wenn die Mehrheit derjenigen, die ihre Stimme abgegeben haben, jedoch mindestens ein Viertel der Stimmberechtigten, zugestimmt hat.

(3) Bei Verfassungsänderungen sowie bei Anträgen auf Auflösung des Landtages müssen zwei Drittel derjenigen, die ihre Stimme abgegeben haben, mindestens jedoch die Hälfte der Stimmberechtigten, für die Verfassungsänderung oder die Auflösung des Landtages gestimmt haben. Es zählen nur die gültigen Ja- und Nein-Stimmen.

Artikel 79
(Verfassungsänderungen)

Die Verfassung kann nur durch ein Gesetz geändert werden, das den Wortlaut der Verfassung ausdrücklich ändert oder ergänzt. Hierzu bedarf es der Zustimmung einer Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder des Landtages oder eines Volksentscheides nach Artikel 78 Absatz 3.

Artikel 80
(Rechtsverordnungen)

Die Ermächtigung zum Erlaß einer Rechtsverordnung kann nur durch Gesetz erteilt werden. Das Gesetz muß Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung bestimmen. Die Rechtsgrundlage ist in der Verordnung anzugeben. Ist durch Gesetz vorgesehen, daß eine Ermächtigung weiter übertragen werden kann, so bedarf es zur Übertragung der Ermächtigung einer Rechtsverordnung.

Artikel 81
(Verkündung, Inkrafttreten)

(1) Der Landtagspräsident hat die vom Landtag beschlossenen oder durch Volksentscheid angenommenen Gesetze unverzüglich auszufertigen und im Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Brandenburg zu verkünden.

(2) Rechtsverordnungen werden von der Stelle, die sie erläßt, ausgefertigt und vorbehaltlich anderer gesetzlicher Bestimmungen im Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Brandenburg verkündet.

(3) Jedes Gesetz und jede Rechtsverordnung soll den Tag des Inkrafttretens bestimmen. Fehlt eine solche Bestimmung, so treten sie mit dem vierzehnten Tag nach Ablauf des Tages in Kraft, an dem das Gesetzblatt ausgegeben worden ist.

(4) Nach Maßgabe eines Gesetzes können die Ausfertigung von Gesetzen und Rechtsverordnungen und deren Verkündung in elektronischer Form vorgenommen werden.

3. Abschnitt:
Die Landesregierung

Artikel 82
(Zusammensetzung)

Die Regierung des Landes Brandenburg besteht aus dem Ministerpräsidenten und den Landesministern.

Artikel 83
(Wahl des Ministerpräsidenten)

(1) Der Landtag wählt den Ministerpräsidenten mit der Mehrheit seiner Mitglieder ohne Aussprache in geheimer Abstimmung. Vorschlagsberechtigt ist jeder Abgeordnete.

(2) Erhält im ersten Wahlgang keiner der Vorgeschlagenen die Mehrheit, findet ein zweiter Wahlgang statt. Kommt die Wahl auch in diesem Wahlgang nicht zustande, so ist gewählt, wer in einem weiteren Wahlgang die meisten Stimmen erhält.

(3) Kommt die Wahl des Ministerpräsidenten innerhalb von drei Monaten nach der Konstituierung des Landtages nicht zustande, so gilt der Landtag als aufgelöst.

Artikel 84
(Ernennung und Entlassung der Minister)

Der Ministerpräsident ernennt und entläßt die Minister.

Artikel 85
(Beendigung der Amtszeit)

(1) Die Amtszeit des Ministerpräsidenten endet mit dem Zusammentritt eines neuen Landtages, die Amtszeit der Minister auch mit jeder anderen Art der Beendigung des Amtes des Ministerpräsidenten. Der Ministerpräsident und die Minister können jederzeit ihren Rücktritt erklären.

(2) Der Ministerpräsident und auf sein Ersuchen die Minister sind verpflichtet, die Geschäfte bis zum Amtsantritt ihrer Nachfolger fortzuführen.

Artikel 86
(Konstruktives Mißtrauensvotum)

(1) Der Landtag kann dem Ministerpräsidenten das Mißtrauen nur dadurch aussprechen, daß er mit den Stimmen der Mehrheit seiner Mitglieder einen Nachfolger wählt.

(2) Zwischen der Aussprache über den Antrag im Landtag und der Wahl müssen mindestens achtundvierzig Stunden liegen, höchstens jedoch sieben Tage.

Artikel 87
(Vertrauensfrage)

Findet ein Antrag des Ministerpräsidenten an den Landtag, ihm das Vertrauen auszusprechen, nicht die Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder des Landtages, so kann sich der Landtag innerhalb von zwanzig Tagen auflösen, wenn er nicht in dieser Frist mit den Stimmen der Mehrheit seiner Mitglieder einen anderen Ministerpräsidenten gewählt hat. Macht der Landtag von diesen Befugnissen keinen Gebrauch, so hat der Ministerpräsident das Recht, den Landtag innerhalb weiterer zwanzig Tage aufzulösen.

Artikel 88
(Eid)

Der Ministerpräsident und die Minister der Landesregierung leisten vor Übernahme der Geschäfte vor dem Landtag folgenden Eid:

"Ich schwöre, daß ich meine ganze Kraft dem Wohle der Menschen des Landes Brandenburg widmen, ihren Nutzen mehren, Schaden von ihnen wenden, das mir übertragene Amt nach bestem Wissen und Können unparteiisch verwalten, Verfassung und Gesetz wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde."

Der Eid kann auch mit einer religiösen Beteuerung geleistet werden.

Artikel 89
(Willensbildung)

Der Ministerpräsident bestimmt die Richtlinien der Regierungspolitik und ist dafür dem Landtag verantwortlich. Innerhalb dieser Richtlinien leitet jeder Minister den ihm anvertrauten Geschäftsbereich selbständig und unter eigener Verantwortung gegenüber dem Landtag.

Artikel 90
(Vorsitz, Beschlußfassung, Geschäftsführung)

(1) Der Ministerpräsident führt den Vorsitz in der Landesregierung. Die Regierung faßt ihre Beschlüsse mit Stimmenmehrheit. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Ministerpräsidenten.

(2) Der Ministerpräsident leitet die Geschäfte nach einer von der Landesregierung beschlossenen Geschäftsordnung.

Artikel 91
(Vertretungsbefugnis, Verträge)

(1) Der Ministerpräsident vertritt das Land nach außen. Er kann diese Befugnis auf ein anderes Mitglied der Landesregierung oder auf nachgeordnete Stellen übertragen.

(2) Staatsverträge, insbesondere Verträge, die sich auf Gegenstände der Gesetzgebung beziehen oder Aufwendungen erfordern, für die Haushaltsmittel nicht vorgesehen sind, bedürfen der Zustimmung des Landtages.

Artikel 92
(Begnadigungsrecht)

Der Ministerpräsident übt im Einzelfall für das Land das Begnadigungsrecht aus. Er kann diese Befugnis übertragen.

Artikel 93
(Beamte)

Die Landesregierung ernennt und entläßt die Beamten des Landes. Sie kann diese Befugnis übertragen.

Artikel 94
(Unterrichtungspflicht der Regierung)

Die Landesregierung ist verpflichtet, den Landtag und seine Ausschüsse über die Vorbereitung von Gesetzen und Verordnungen, über Grundsatzfragen der Raumordnung, der Standortplanung und Durchführung von Großvorhaben frühzeitig und vollständig zu unterrichten. Das gleiche gilt für die Mitwirkung im Bundesrat sowie die Zusammenarbeit mit dem Bund, den Ländern, anderen Staaten und der Europäischen Union, soweit es um Gegenstände von grundsätzlicher Bedeutung geht. Artikel 56 Absatz 4 gilt entsprechend.

Artikel 95
(Unvereinbarkeit)

Der Ministerpräsident und die Minister dürfen kein anderes besoldetes öffentliches Amt innehaben, kein Gewerbe und keinen Beruf ausüben. Kein Mitglied der Regierung darf einem auf wirtschaftliche Betätigung gerichteten Unternehmen oder einem seiner Organe angehören. Über Ausnahmen entscheidet der Landtag.

4. Abschnitt:
Die Verwaltung

Artikel 96
(Verwaltungsorganisation)

(1) Die Organisation der staatlichen Landesverwaltung und die Regelung der Zuständigkeiten werden durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes festgelegt. Aufgaben, die von nachgeordneten Verwaltungsbehörden zuverlässig und zweckmäßig erfüllt werden können, sind diesen zuzuweisen.

(2) Die Einrichtung der staatlichen Behörden obliegt der Landesregierung. Sie kann diese Befugnis übertragen.

(3) Die Aufgaben der Verwaltung werden durch Beamte und Verwaltungsangehörige wahrgenommen, die parteienunabhängig arbeiten und der Verfassung und den Gesetzen verpflichtet sind. Beamte leisten einen Diensteid. Angestellte legen ein Gelöbnis ab.

Artikel 97
(Kommunale Selbstverwaltung)

(1) Gemeinden und Gemeindeverbände haben das Recht der Selbstverwaltung. Dem Land steht nur die Rechtsaufsicht gegenüber Gemeinden und Gemeindeverbänden zu.

(2) Gemeinden und Gemeindeverbände erfüllen in ihrem Gebiet alle Aufgaben der örtlichen Gemeinschaft, die nicht nach dieser Verfassung oder kraft Gesetzes anderen Stellen obliegen.

(3) Das Land kann die Gemeinden und Gemeindeverbände durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes verpflichten, Aufgaben des Landes wahrzunehmen und sich dabei ein Weisungsrecht nach gesetzlichen Vorschriften vorbehalten. Werden die Gemeinden und Gemeindeverbände durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes zur Erfüllung neuer öffentlicher Aufgaben verpflichtet, so sind dabei Bestimmungen über die Deckung der Kosten zu treffen. Führen diese Aufgaben zu einer Mehrbelastung der Gemeinden oder Gemeindeverbände, so ist dafür ein entsprechender finanzieller Ausgleich zu schaffen.

(4) Die Gemeinden und Gemeindeverbände sind in Gestalt ihrer kommunalen Spitzenverbände rechtzeitig zu hören, bevor durch Gesetz oder Rechtsverordnung allgemeine Fragen geregelt werden, die sie unmittelbar berühren.

(5) Das Nähere regelt ein Gesetz.

Artikel 98
(Gebietsänderungen)

(1) Das Gebiet von Gemeinden und Gemeindeverbänden kann aus Gründen des öffentlichen Wohls geändert werden.

(2) Das Gebiet von Gemeinden kann durch Vereinbarung der Gemeinden mit Genehmigung der Rechtsaufsichtsbehörde, durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes geändert werden. Die Auflösung von Gemeinden gegen deren Willen bedarf eines Gesetzes. Vor einer Änderung des Gemeindegebietes muß die Bevölkerung der unmittelbar betroffenen Gebiete gehört werden.

(3) Das Gebiet von Gemeindeverbänden kann durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes geändert werden. Die Auflösung von Landkreisen bedarf eines Gesetzes. Vor der Entscheidung ist die gewählte Vertretung des Gemeindeverbandes zu hören.

(4) Das Nähere regelt ein Gesetz.

Artikel 99
(Gemeindesteuern)

Die Gemeinden haben zur Erfüllung ihrer Aufgaben das Recht, sich nach Maßgabe der Gesetze eigene Steuerquellen zu erschließen. Das Land sorgt durch einen Finanzausgleich dafür, daß die Gemeinden und Gemeindeverbände ihre Aufgaben erfüllen können. Im Rahmen des Finanzausgleichs sind die Gemeinden und Gemeindeverbände an den Steuereinnahmen des Landes angemessen zu beteiligen.

Artikel 100
(Kommunale Verfassungsbeschwerde)

Gemeinden und Gemeindeverbände können Verfassungsbeschwerde mit der Behauptung erheben, daß ein Gesetz des Landes ihr Recht auf Selbstverwaltung nach dieser Verfassung verletzt.

5. Abschnitt:
Das Finanzwesen

Artikel 101
(Haushaltsplan)

(1) Das Land hat bei seiner Haushaltswirtschaft im Rahmen der Erfordernisse des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts dem Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen gegenwärtiger und künftiger Generationen Rechnung zu tragen.

(2) Alle Einnahmen und Ausgaben des Landes sind in den Haushaltsplan einzustellen. Bei Landesbetrieben und bei Sondervermögen brauchen nur die Zuführungen oder Ablieferungen eingestellt zu werden. Ein Nachtragshaushaltsplan kann sich auf einzelne Einnahmen und Ausgaben beschränken. Der Haushaltsplan und der Nachtragshaushaltsplan haben in Einnahmen und Ausgaben ausgeglichen zu sein.

(3) Der Haushaltsplan wird für ein Haushaltsjahr oder mehrere Haushaltsjahre, nach Jahren getrennt, vor Beginn des ersten Haushaltsjahres durch das Haushaltsgesetz festgestellt. Für Teile des Haushaltsplanes kann vorgesehen werden, daß sie für unterschiedliche Zeiträume, nach Haushaltsjahren getrennt, gelten.

Artikel 102
(Übergangsermächtigung)

Ist bis zum Schluß eines Haushaltsjahres der Haushaltsplan für das folgende Jahr nicht festgestellt, so ist bis zu seinem Inkrafttreten die Landesregierung ermächtigt:

  1. alle Ausgaben zu leisten, die nötig sind,
    1. die gesetzlich bestehenden Einrichtungen zu erhalten und gesetzlich beschlossene Maßnahmen durchzuführen,
    2. die rechtlich begründeten Verpflichtungen des Landes zu erfüllen,
    3. die Bauten, Beschaffungen und sonstigen Leistungen fortzusetzen, für die durch den Haushaltsplan des Vorjahres bereits Beträge bewilligt worden sind;
  2. Kredite bis zur Höhe eines Viertels der Endsumme des abgelaufenen Haushaltsplanes für je drei Monate aufzunehmen, soweit nicht Einnahmen aus Steuern und Abgaben und Einnahmen aus sonstigen Quellen die Ausgaben unter Ziffer 1 decken.

Artikel 103
(Kreditaufnahme)

(1) Die Aufnahme von Krediten sowie die Übernahme von Bürgschaften, Garantien oder sonstigen Gewährleistungen, die zu Ausgaben in künftigen Haushaltsjahren führen können, bedürfen einer der Höhe nach bestimmten Ermächtigung durch Gesetz. Die Einnahmen aus Krediten dürfen die im Haushaltsplan veranschlagten Ausgaben für Investitionen nicht überschreiten. Ausnahmen sind nur zulässig zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts im Sinne von Artikel 101 Absatz 1.

(2) Das Nähere regelt ein Gesetz.

Artikel 104
(Ausgabendeckung)

Beschlüsse des Landtages, welche Ausgaben mit sich bringen, müssen bestimmen, wie diese Ausgaben gedeckt werden.

Artikel 105
(Haushaltsüberschreitungen)

Überplanmäßige und außerplanmäßige Ausgaben bedürfen der Zustimmung des Ministers der Finanzen. Er darf sie nur im Falle eines unvorhergesehenen und unabweisbaren Bedürfnisses erteilen. Das Nähere regelt ein Gesetz.

Artikel 106
(Rechnungslegung und Rechnungsprüfung)

(1) Über die Verwendung aller Einnahmen und Ausgaben, das Vermögen und die Schulden des Landes hat der Minister der Finanzen im folgenden Haushaltsjahr zur Entlastung der Landesregierung dem Landtag Rechnung zu legen.

(2) Der Landesrechnungshof prüft die Haushaltsrechnung sowie die Ordnungsmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der Haushalts- und Wirtschaftsführung. Die Ergebnisse der Prüfung werden dem Landtag und der Landesregierung in einem jährlichen Bericht übergeben. Die Regierung nimmt dazu vor dem Landtag Stellung. Das Nähere regelt ein Gesetz.

Artikel 107
(Landesrechnungshof)

(1) Der Landesrechnungshof ist eine selbständige, nur dem Gesetz unterworfene oberste Landesbehörde. Seine Mitglieder genießen richterliche Unabhängigkeit.

(2) Die Mitglieder des Landesrechnungshofes werden vom Landtag ohne Aussprache mit der Mehrheit seiner Mitglieder gewählt. Vor ihrer Wahl findet eine Anhörung in einem vom Landtag bestimmten Ausschuß statt. Das Nähere regelt ein Gesetz.

6. Abschnitt:
Die Rechtspflege

Artikel 108
(Rechtsprechung)

(1) Die Richter sind unabhängig und nur Recht und Gesetz unterworfen.

(2) An der Rechtsprechung sind Frauen und Männer aus dem Volke als ehrenamtliche Richter nach Maßgabe der Gesetze zu beteiligen.

Artikel 109
(Berufung der Richter)

(1) Über die Berufung in ein Richteramt entscheidet der zuständige Minister gemeinsam mit dem Richterwahlausschuß. Der Richterwahlausschuß besteht mindestens zu zwei Dritteln aus Abgeordneten. In ihm müssen alle Fraktionen vertreten sein. Den Vorsitz führt der zuständige Minister ohne Stimmrecht. Das Nähere regelt ein Gesetz.

(2) Die Präsidenten der oberen Landesgerichte werden vom Richterwahlausschuß auf Vorschlag der Landesregierung gewählt.

(3) Die nach Absatz 1 und 2 berufenen oder gewählten Richter sind von der Landesregierung zu ernennen. Sie kann diese Befugnis auf das zuständige Mitglied der Landesregierung übertragen.

(4) Errichtet das Land mit anderen Ländern gemeinsame Gerichte, kann durch Staatsvertrag Abweichendes bestimmt werden.

Artikel 110
(Ehrenamtliche Richter)

(1) Den ehrenamtlichen Richtern dürfen durch ihre Tätigkeit keine Nachteile entstehen. Während ihrer Amtszeit ist eine Kündigung oder Entlassung nur zulässig, wenn Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber oder Dienstherren zur fristlosen Kündigung berechtigen.

(2) Ehrenamtliche Richter können eine Vertretung an den Gerichten wählen, die ihre Interessen wahrnimmt. In ihrer Funktion haben ehrenamtliche Richter einen Anspruch auf Weiterbildung.

Artikel 111
(Richteranklage)

Wenn ein Richter im Amte oder außerhalb des Amtes gegen die Grundsätze des Grundgesetzes oder gegen die verfassungsmäßige Ordnung des Landes verstößt, so kann das Bundesverfassungsgericht mit Zwei-Drittel-Mehrheit auf Antrag der Mehrheit der Mitglieder des Landtages anordnen, daß der Richter in ein anderes Amt oder in den Ruhestand zu versetzen ist. Im Falle eines vorsätzlichen Verstoßes kann auf Entlassung erkannt werden.

Artikel 112
(Verfassungsgericht)

(1) Das Verfassungsgericht des Landes ist ein allen anderen Verfassungsorganen gegenüber selbständiger und unabhängiger Gerichtshof des Landes.

(2) Das Verfassungsgericht besteht aus dem Präsidenten, dem Vizepräsidenten und sieben weiteren Verfassungsrichtern. Das Verfassungsgericht setzt sich zu je einem Drittel aus Berufsrichtern, Mitgliedern mit der Befähigung zum Richteramt oder Diplomjuristen und Mitgliedern zusammen, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen müssen.

(3) Durch Gesetz kann die Zahl der Richter auf zwölf erhöht und das Gericht in zwei Spruchkörper gegliedert werden.

(4) Die Verfassungsrichter werden für die Dauer von zehn Jahren vom Landtag ohne Aussprache gewählt. Bei der Wahl ist anzustreben, daß die politischen Kräfte des Landes angemessen mit Vorschlägen vertreten sind. Die Wiederwahl eines Verfassungsrichters ist ausgeschlossen. Vor der Wahl findet eine Anhörung in einem vom Landtag bestimmten Ausschuß statt. Gewählt sind die Kandidaten, die in geheimer Abstimmung die Stimmen einer Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder des Landtages erhalten haben.

(5) Zum Verfassungsrichter kann gewählt werden, wer mindestens fünfunddreißig Jahre alt und zum Deutschen Bundestag wählbar ist. Die Mitglieder des Verfassungsgerichtes dürfen keinem anderen Verfassungsorgan des Bundes oder eines Landes angehören.

(6) Das Nähere regelt ein Gesetz, das auch eine Höchstaltersgrenze für Verfassungsrichter vorsehen kann.

Artikel 113
(Zuständigkeit des Verfassungsgerichtes)

Das Verfassungsgericht entscheidet:

  1. über die Auslegung dieser Verfassung aus Anlaß von Streitigkeiten über den Umfang der Rechte und Pflichten eines obersten Landesorgans oder anderer Beteiligter, die durch diese Verfassung oder in der Geschäftsordnung des Landtages oder der Regierung mit eigenen Rechten ausgestattet sind;
  2. bei Meinungsverschiedenheiten oder Zweifeln über die förmliche und sachliche Vereinbarkeit von Landesrecht mit dieser Verfassung auf Antrag der Landesregierung oder eines Fünftels der Mitglieder des Landtages;
  3. über die Vereinbarkeit eines Landesgesetzes mit dieser Verfassung, wenn ein Gericht das Verfahren gemäß Artikel 100 Absatz 1 des Grundgesetzes ausgesetzt hat;
  4. über Verfassungsbeschwerden (Artikel 6 Absatz 2);
  5. in allen anderen ihm durch diese Verfassung oder durch Gesetz zugewiesenen Angelegenheiten.

7. Abschnitt:
Übergangs- und Schlußbestimmungen

Artikel 114
(Errichtung des Verfassungsgerichtes)

Die bei der Errichtung des Verfassungsgerichtes zu wählenden Richter werden für eine Amtszeit von fünf Jahren gewählt. Ihre einmalige Wiederwahl für zehn Jahre ist möglich.

Artikel 115
(Verfassungsgebende Versammlung)

(1) Die Verfassung verliert ihre Gültigkeit, wenn eine verfassungsgebende Versammlung eine neue Verfassung mit der Mehrheit von zwei Dritteln ihrer Mitglieder beschlossen und in einem Volksentscheid die Mehrheit der Abstimmenden der neuen Verfassung zugestimmt hat.

(2) Die Bürger haben das Recht, die Wahl einer verfassungsgebenden Versammlung zu verlangen, die eine neue Landesverfassung erarbeitet. Dazu müssen zehn Prozent der Stimmberechtigten eine entsprechende Initiative unterzeichnet haben.

(3) Über die Durchführung der Wahl zu einer verfassungsgebenden Versammlung findet ein Volksentscheid statt. Die Wahl wird durchgeführt, wenn zwei Drittel derjenigen, die ihre Stimme abgegeben haben, jedoch mindestens die Hälfte der Stimmberechtigten, zugestimmt haben.

(4) Der Landtag kann mit der Mehrheit von zwei Dritteln seiner Mitglieder durch Gesetz die Wahl einer verfassungsgebenden Versammlung beschließen.

(5) Das Nähere regelt ein Gesetz.

Artikel 116
(Neugliederung des Raumes Brandenburg-Berlin)

(1) An der Gestaltung einer Vereinbarung zur Vereinigung der Länder Brandenburg und Berlin ist der Landtag frühzeitig und umfassend zu beteiligen. Die Vereinbarung bedarf zu ihrer Ratifizierung der Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder des Landtages sowie der Zustimmung in einem Volksentscheid nach Maßgabe der Vereinbarung.

(2) Die Vereinbarung nach Absatz 1 kann vorsehen, daß von ihrem Inkrafttreten an bis zur Bildung des gemeinsamen Landes Befugnisse des Landtages und der Landesregierung auf gemeinsame Gremien und Ausschüsse der Länder Brandenburg und Berlin übertragen werden.

Artikel 117
(Inkrafttreten der Verfassung)

Diese Verfassung tritt am Tage nach ihrer Verkündung in Kraft.