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Vollzug des Brandenburgischen Psychisch-Kranken-Gesetzes
Gemeinsames Rundschreiben des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen und des Ministeriums des Innern

Vollzug des Brandenburgischen Psychisch-Kranken-Gesetzes
Gemeinsames Rundschreiben des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen und des Ministeriums des Innern

vom 14. Januar 1997

Sehr geehrte Damen und Herren,

nach Inkrafttreten des Brandenburgischen Psychisch-Kranken-Gesetzes ist es bei den zuständigen örtlichen Ordnungsbehörden immer wieder zu Schwierigkeiten in der Handhabung einzelner Vorschriften gekommen. Insbesondere die Regelungen der §§ 12 und 13 Bbg PsychKG über sofortigen Gewahrsam, sofortige Aufnahme und vorläufige Unterbringung waren mehrfach Anlaß zu Nachfragen nach einem angemessenen und pragmatisch anwendbaren Verfahren.

Anregungen des Städte- und Gemeindebundes sowie mehrerer Ordnungsbehörden folgend haben die zuständigen Abteilungen im Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen und im Ministerium des Innern Nachfragen und kritische Anmerkungen aufgegriffen und in einem gemeinsamen Rundschreiben beantwortet. Nach Abstimmung mit den kommunalen Spitzenverbänden kann ich Ihnen nun dieses gemeinsame Rundschreiben zu Ihrer Information und weiteren Verwendung als Anlage überreichen.

Ich bitte Sie, dieses Rundschreiben an alle örtlichen Ordnungsbehörden Ihres Zuständigkeitsbereiches weiterzuleiten und hoffe, daß diese Handreichung für die Lösung der praktischen Probleme bei der Umsetzung des Brandenburgischen Psychisch-Kranken-Gesetzes auf örtlicher Ebene hilfreich sein wird.

Mit freundlichen Grüßen

Im Auftrag

Hoffmann

Anlage

Gemeinsames Rundschreiben des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen und des Ministeriums des Innern zur Anordnung des sofortigen Gewahrsams nach § 12 des Brandenburgischen Psychisch-Kranken-Gesetzes (BbgPsychKG)

Zum Vollzug des § 12 BbgPsychKG ergehen seitens des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen und des Ministeriums des Innern folgende Hinweise:

1 a) Grundsätzliches

§ 12 BbgPsychKG enthält - neben anderen Bestimmungen dieses Gesetzes - die nach Art. 104 des Grundgesetzes und Art. 9 der Landesverfassung erforderliche förmliche Gesetzesgrundlage für eine Freiheitsentziehung.

Im Regelfall sind Unterbringungsverfahren nach Maßgabe des BbgPsychKG gemäß den Vorschriften der §§ 70 ff. des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG) durchzuführen, welches das Verfahren in Unterbringungssachen als Bundesgesetz abschließend regelt. Entsprechend verweist § 11 Abs. 1 BbgPsychKG auf das nach FGG zuständige Gericht.

Die Vorschriften der §§ 12 und 13 BbgPsychKG beziehen sich ausschließlich auf die Fälle, in denen aufgrund einer unmittelbaren Gefahr, die von dem krankheitsbedingten Verhalten einer Person ausgeht, ein sofortiges Eingreifen und damit eine dem Regelverfahren entzogene Form der Einleitung des Unterbringungsverfahrens notwendig wird.

Das BbgPsychKG kann nach dem in § 1 geregelten Anwendungsbereich nur Handlungsgrundlage gegenüber solchen Personen sein, die an einer psychischen Krankheit im Sinne des § 1 Abs. 2 BbgPsychKG leiden. Nur für diesen Personenkreis kann deshalb eine Rechtsgrundlage für ordnungsbehördliche Maßnahmen gegeben werden. Die Formulierung des § 12 Abs. 1 Satz 1 "ist aufgrund des krankheitsbedingten Verhaltens ..." bekräftigt die Einschränkung des Geltungsbereiches des BbgPsychKG auf den genannten Personenkreis. Sie ist nicht als ein Auftrag an die örtliche Ordnungsbehörde zu verstehen, zunächst den Krankheitswert des Verhaltens der Person zu prüfen und erst aufgrund des Ergebnisses einer solchen Prüfung einschreiten zu dürfen. Vielmehr sind die Ordnungsbehörden gemäß § 1 Abs. 1 des Ordnungsbehördengesetzes (OBG) mit der Aufgabe betraut, Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren. Dieser Grundsatz gilt ohne Ansehen des die Gefahr begründenden Tatbestandes. Das BbgPsychKG regelt insoweit nur das Verfahren, das die Ordnungsbehörde einzuhalten hat, wenn die Gefahr aufgrund krankheitsbedingten Verhaltens hervorgetreten ist, und die daraus sich ergebende Einleitung eines Unterbringungsverfahrens nach dem FGG .

b) Abhängigkeitskranke

Abhängigkeitskranke, "bei denen ohne Behandlung keine Aussicht auf Heilung oder Besserung besteht," sind gemäß § 1 Abs. 2 BbgPsychKG von den Vorschriften des Gesetzes erfaßt. Die zitierte Formulierung bedeutet, daß nicht jeder Zustand der Trunkenheit oder Intoxikation als Abhängigkeitskrankheit im Sinne des Gesetzes zu werten ist. Vielmehr läßt sich die hier geforderte Prognose nur durch Fachpersonal und nur im Verlauf der Krankheit, also nicht akut beim ersten Kontakt stellen. An erster Stelle steht im Umgang mit Intoxizierten daher nicht die Frage der Unterbringung nach den Vorschriften des BbgPsychKG, sondern wie bisher die Veranlassung der körperlichen Entgiftung oder gegebenenfalls bei randalierenden Personen die (polizeiliche) Gefahrenabwehr. Im Unterschied zu Patienten, die an einer psychischen Krankheit ohne Abhängigkeitsproblematik leiden, werden auch schwer Abhängigkeitskranke, solange sie nicht straffällig sind, in der Regel nicht sinnvollerweise gegen ihren Willen untergebracht, da in der Behandlung von Abhängigkeitskranken die freiwillige Motivation zur Erreichung der Abstinenz eine wesentliche Bedingung für eine erfolgversprechende Therapie ist.

c) Ordnungsbehördliche Aufgaben

Im Verfahren nach § 12 BbgPsychKG werden - wie dargelegt - von der örtlichen Ordnungsbehörde keine psychiatrischen Fachkenntnisse oder psychologischen Fähigkeiten erwartet. Die Einschätzung, ob eine Gefahr im Sinne des § 12 Abs. 1 BbgPsychKG vorliegt, unterscheidet sich von der Notwendigkeit für die örtlichen Ordnungsbehörden, die Gefahrenlage in anderen Fällen einzuschätzen nur dadurch, daß die von dem Kranken ausgehende Situation sich als unmittelbare Gefahrenlage darstellen muß. Das heißt, daß eine Gefahr für die betroffene oder eine andere Person oder für bedeutende Rechtsgüter (z. B. Leben, körperliche Unversehrtheit, Freiheit der Person, wichtige öffentliche Einrichtungen u. ä.) gegenwärtig andauern muß oder Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, daß sich die Gefahr jederzeit verwirklichen kann.

Die Anordnung des sofortigen Gewahrsams obliegt gemäß § 12 Abs. 1 BbgPsychKG der örtlichen Ordnungsbehörde. Die Ingewahrsamnahme bezieht sich ausschließlich auf die Verhütung einer gegenwärtigen und unmittelbaren Gefahr, nicht auf den Verdacht einer psychischen Krankheit. Die durch die örtliche Ordnungsbehörde vorzunehmende Einschätzung der Gefahrenlage erfordert insofern keine vorherige ärztliche Untersuchung oder die Vorlage eines ärztlichen Zeugnisses. Die örtliche Ordnungsbehörde kann somit im Verfahren nach § 12 BbgPsychKG eine vorherige Beteiligung des Amtsarztes oder eines sonstigen Arztes nicht zur Voraussetzung für eigenes Tätigwerden machen. Gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 BbgPsychKG muß eine gemäß § 12 Abs. 1 in Gewahrsam genommene Person unverzüglich der diensthabenden Ärztin oder dem diensthabenden Arzt der psychiatrischen Krankenhauseinrichtung vorgestellt werden. Erst bei diesem Verfahrensschritt ist der Verdacht einer psychischen Krankheit für das ordnungsbehördliche Handeln von Bedeutung. Befindet sich am Einsatzort bereits ein Arzt (z. B. Hausarzt, Rettungsarzt), bestehen keine Bedenken dagegen, daß dieser gegenüber den Vertretern der Ordnungsbehörde bei der Einschätzung des Vorliegens einer psychischen Krankheit und der daraus entstehenden Selbst- oder Fremdgefährdung beratend tätig wird. § 13 Abs. 1 BbgPsychKG steht einer solchen beratenden Tätigkeit nicht entge­gen. Denn aus dieser Einschätzung ergeben sich die weiteren Verfahrensschritte, die gemäß § 13 Abs. 1 BbgPsychKG durch die örtliche Ordnungsbehörde vorgenommen werden müssen. Letztlich aber obliegt die für das Verfahren verbindliche Einschätzung der psychischen Krankheit und der aus ihr resultierenden Gefährdung der zuständigen Krankenhauseinrichtung im Rahmen der Entscheidung über die sofortige Aufnahme (s. u. lit. d).

Die vor einer Anordnung des sofortigen Gewahrsams vorzunehmende Abwägung zwischen dem Schutzbedürfnis der Öffentlichkeit und der Beeinträchtigung der persönlichen Freiheit der betroffenen Person hat durch die örtliche Ordnungsbehörde zu erfolgen, da die Anordnung des sofortigen Gewahrsams nach § 12 BbgPsychKG in ihre ausschließliche Zuständigkeit fällt. Ggf. ist die Rettungsleitstelle darüber zu unterrichten, wie der zuständige Beamte der örtlichen Ordnungsbehörde zu erreichen ist. Weder das Ordnungsbehördengesetz noch das Brandenburgische Polizeigesetz (BbgPolG) enthalten eine Ermächtigung für die Polizei, anstelle der Ordnungsbehörde deren Aufgabe wahrzunehmen. Unberührt bleibt jedoch die Zuständigkeit der Polizei für die Gefahrenabwehr gemäß § 2 BbgPolG, soweit ein Handeln der Ordnungsbehörde nicht oder nicht rechtzeitig möglich erscheint. Die Polizei hat hierzu die ihr im Polizeigesetz eingeräumten Befugnisse. Vom BbgPsychKG unberührt bleibt somit die Befugnis der Polizei, unter den Voraussetzungen des § 17 BbgPolG in Verbindung mit der Polizeigewahrsamsordnung vom 5. April 1995 (ABl. S. 402) auch eine psychisch kranke Person in polizeilichen Gewahrsam zu nehmen. Speziell auf derartig gelagerte Fälle nimmt § 12 Abs. 2 Satz 2 BbgPsychKG bezug.

d) Sofortige Aufnahme

Die verbindliche Entscheidung darüber, ob eine die Notwendigkeit einer Unterbringung begründende psychiatrische Diagnose vorliegt, trifft gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 BbgPsychKG der diensthabende Arzt der zuständigen psychiatrischen Krankenhauseinrichtung. Insoweit wird, auch wenn der gemäß § 12 Abs. 2 BbgPsychKG unverzüglich zu unterrichtende sozialpsychiatrische Dienst nicht sofort zur Verfügung steht, das fachärztliche Urteil, welches gemäß § 8 Abs. 2 BbgPsychKG als Voraussetzung für die Unterbringung gefordert ist, spätestens durch die Anwendung des § 13 Abs. 1 BbgPsychKG eingeholt.

e) Unmittelbare Gefahr im psychiatrischen Krankenhaus

Da das aufnehmende Krankenhaus gemäß § 13 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit § 10 Abs. 2 Satz 1 BbgPsychKG und der nach dieser Vorschrift zu erlassenden Rechtsverordnung mit hoheitlicher Gewalt beliehen ist, erübrigt sich im Falle einer im Krankenhaus auftretenden Gefahrensituation die Hinzuziehung der örtlichen Ordnungsbehörde. Vielmehr kann in diesen Fällen das Krankenhaus unter Beachtung der Vorschriften des § 8 und des § 13 BbgPsychKG selbständig tätig werden. Letzteres gilt allerdings nur, wenn die Person, von der die unmittel­bare Gefahr ausgeht, sich bereits in einem Krankenhaus befindet, in dem Unterbringungen nach dem Brandenburgischen Psychisch-Kranken-Gesetz vollzogen werden bzw. welches durch die Rechtsverordnung nach § 10 Abs. 2 Satz 1 BbgPsychKG benannt und mit hoheitlicher Gewalt beliehen ist.

f) Ausländer und Asylbewerber

Ausländer- und asylrechtliche Vorschriften enthalten keine Beschränkungen für Anordnungen des sofortigen Gewahrsams. So ist § 12 BbgPsychKG uneingeschränkt anwendbar auf Ausländer sowie Asylbewerber, die sich in einer Aufnahmeeinrichtung befinden.

Im Fall einer Anordnung ist unverzüglich die örtliche zuständige Ausländerbehörde zu informieren, in deren Bezirk der Asylbewerber bislang seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte.

Werden Maßnahmen nach § 13 BbgPsychKG eingeleitet und befindet sich die Einrichtung i. S. d. § 10 BbgPsychKG in einem Bezirk, der außerhalb des Zuständigkeitsbereichs der bisherigen Ausländerbehörde liegt, wechselt die Zuständigkeit der Ausländerbehörde. Da die Maßnahme nicht nur von vorübergehender Natur ist, ändert sich der gewöhnliche Aufenthalt des Betroffenen, so daß die Ausländerbehörde zuständig ist, in deren Bezirk sich die Einrichtung befindet.

Besteht für den Asylbewerber die Verpflichtung, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, ist das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge im Fall einer Anordnung i. S. d. § 12 BbgPsychKG zu informieren.

2. Verfahrensfragen

Die Anordnung des sofortigen Gewahrsams durch die örtliche Ordnungsbehörde nach § 12 BbgPsychKG ist ein Verwaltungsakt. Auf die Schriftform der Anordnung kann unter den Voraussetzungen des § 19 Abs. 1 Satz 2 OBG verzichtet werden. Eine Rechtsbehelfsbelehrung ist in diesem Fällen nach § 19 Abs. 2 Satz 2 OBG nicht erforderlich.

Davon unabhängig kann nach § 2 Abs. 2 BbgPsychKG gegen eine Maßnahme zur Regelung einzelner Angelegenheiten nach diesem Gesetz der Rechtsweg eingeschlagen werden. Dies gilt somit auch im Falle des § 12 BbgPsychKG. Da nach § 11 Abs. 1 Satz 3 BbgPsychKG durch die Anordnung des sofortigen Gewahrsams ein Unterbringungsverfahren eingeleitet wird, gilt für den bei Einlegung eines Rechtsbehelfs einzuschlagenden Rechtsweg das Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (vgl. § 70 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 5 FGG).

Im Hinblick auf die sich aus Art. 104 Abs. 2 des Grundgesetzes ergebende Frist von längstens 48 Stunden nach Ingewahrsamnahme bis zur Herbeiführung eines richterlichen Beschlusses ist es wichtig, daß die örtliche Ordnungsbehörde den Beginn des sofortigen Gewahrsams dokumentiert und den Zeitpunkt des Wirksamwerdens ihrer Anordnung nachweisen kann.

3. Transport

Der Transport der betroffenen Person zur zuständigen psychiatrischen Krankenhauseinrichtung sollte nach Möglichkeit als Krankentransport gemäß § 2 des Brandenburgischen Rettungsdienstgesetzes (BbgRettG) durch den Rettungsdienst durchgeführt werden. Unberührt hiervon bleibt die Mitwirkung der Polizei im Wege der Vollzugshilfe (§ 12 Abs. 1 Satz 2 BbgPsychKG in Verbindung mit § 2 OBG). Für die Vollzugshilfe gelten die §§ 50 bis 52 BbgPolG. Der Transport muß unverzüglich in die zuständige psychiatrische Krankenhauseinrichtung erfolgen, die in der nach § 10 Abs. 2 BbgPsychKG zu erlassenden Rechtsverordnung benannt ist.

Als Krankentransport im Zusammenhang mit einer Unterbringungsmaßnahme gilt für die Kosten des Transports § 35 BbgPsychKG. Hat die örtliche Ordnungsbehörde den sofortigen Gewahrsam angeordnet und wird in der anschließenden fachärztlichen Untersuchung festgestellt, daß der unmittelbaren Gefahr kein psychiatrischer Befund ursächlich zugrunde lag, gilt für die Kosten nicht § 35 BbgPsychKG, sondern § 44 Abs. 2 OBG.

4. Beteiligung des Sozialpsychiatrischen Dienstes

Die Unterrichtung des sozialpsychiatrischen Dienstes (SpD) gemäß § 12 Abs. 2, § 13 Abs. 3 BbgPsychKG hat unverzüglich zu erfolgen. Die genannten Regelungen verpflichten insoweit die zuständigen Behörden zur Unterrichtung, doch ist der sozialpsychiatrische Dienst nicht zu unverzüglichem Handeln verpflichtet. Der Prüfungspflicht gemäß § 12 Abs. 3 BbgPsychKG ist auch Genüge getan, wenn der sozialpsychiatrische Dienst unmittelbar nach Kenntnisnahme von der Unterrichtung durch die Ordnungsbehörde tätig wird.

Denn die in § 12 Abs. 3 BbgPsychKG geforderte Prüfung ist keine diagnostische Abklärung des Krankheitsbildes, die durch einen erfahrenen Facharzt allein vorgenommen werden könnte. Sie bezieht sich vielmehr auf die genaue Kenntnis bzw. Prüfung der Lebensumstände der betroffenen Person, auf eventuelle aktuell aggravierende Erlebnisse oder äußere Einflüsse, die durch Maßnahmen des therapeutischen Teams oder des Bezugstherapeuten beim SpD aufgefangen werden könnte. Insofern kann die Prüfungspflicht des SpD die zunächst zum Eingreifen verpflichteten Stellen auch nicht von der Pflicht zur sofortigen Gefahrenabwehr entbinden.

Die Verpflichtung zu einer sofortigen Prüfung im Rahmen einer 24-stündige Rufbereitschaft ließe zudem die Gefahr entstehen, daß eine Entscheidung nach § 12 Abs. 3 BbgPsychKG unter hohem Zeitdruck durch einen Mitarbeiter des zuständigen Sozialpsychiatrischen Dienstes getroffen werden müßte, der die betroffene Person nicht hinreichend kennt und dadurch den Gesamtumständen des Einzelfalles eben gerade nicht in hinreichender Art und Weise Rechnung tragen könnte. Dies würde jedoch dem Sinn und Zweck der Vorschrift, nämlich eine ausgewogene und sachgerechte Entscheidung treffen zu sollen, nicht mehr gerecht werden.

Zur näheren Ausgestaltung der gegenseitigen Unterrichtung von örtlicher Ordnungsbehörde, sozialpsychiatrischem Dienst, Rettungsleitstelle und psychiatrischer Krankenhauseinrichtung wird eine möglichst schriftlich zu fixierende Vereinbarung zwischen den genannten Behörden und Einrichtungen in jedem Landkreis empfohlen. In dieser Vereinbarung könnten auch weitere Fragen (z. B. Transport) geregelt werden.

Schlußbemerkung

Die vorstehend gegebenen Erläuterungen und Klarstellungen werden nicht alle Probleme lösen können, die in besonderen Einzelfällen entstehen. Es werden sich insofern vor Ort ebenso immer wieder spezifische Fragen der organisatorischen Ausgestaltung ergeben können, wie ein nachhaltiger Fortbildungsbedarf entstehen mag. Es ist beabsichtigt, unter Einbeziehung des MASGF auf regionaler Ebene entsprechende Fortbildungsangebote durchzuführen.

In verschiedenen Landkreisen und kreisfreien Städten sind schon bislang Lösungen für die Umsetzung der hier zu beachtenden Vorschriften gefunden worden, die in durchaus unterschiedlicher Weise gesetzeskonformes Handeln der vor Ort tätigen Personen sicherstellen. Über solche Lösungsansätze wie auch über sinnvolle Maßnahmen im Bereich der hier spezifisch erforderlichen Fortbildung für die Mitarbeiter der Ordnungsbehörden scheint der Austausch über die jeweiligen Kreis- und Stadtgrenzen hinaus ein gangbarer, aber wohl auch unverzichtbarer Weg zu sein.

Potsdam, den 14.1.1997

Im Auftrag

Dr. Steppuhn

Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen

Im Auftrag

Hoffmann

Ministerium des Innern