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Auslegungshilfe zu den Regelungen über die Pflicht zur Umweltverträglichkeitsprüfung

Auslegungshilfe zu den Regelungen über die Pflicht zur Umweltverträglichkeitsprüfung
vom 20. Oktober 2016
(ABl./16, [Nr. 50], S.1512)

Es wird gebeten, die folgenden Erläuterungen und Hinweise zu beachten, die sinngemäße Anwendung für die Straßen und selbstständigen Rad- und Gehwege in der Baulast der Kreise und Gemeinden wird empfohlen.

I. Erfasste Bereiche

Dieser Erlass soll eine Auslegungshilfe bei der Anwendung der Regelungen zur Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) sowohl bei Straßenbauprojekten im Bereich des § 38 des Brandenburgischen Straßengesetzes (BbgStrG) (Landesstraßen, Kreis- oder Gemeindestraßen) als auch bei der Einzelfallvorprüfung (EVP) von Straßenbauprojekten bezüglich Bundesfernstraßen (geregelt in § 3e und Anlage 1 Nummer 14.6 in Verbindung mit § 3c UVPG) im Land Brandenburg sein.

Übersicht: Straßenkategorie, Rechtsgrundlagen bezüglich UVP-Pflicht und erforderliche Entscheidungsformen

StraßenkategorieRechtsgrundlageUVP notwendigEntscheidungsform
Bundesfernstraßen unbedingte UVP-Pflicht: Anlage 1 Nummer 14.3 bis 14.5 zum UVPG JA Planfeststellungsbeschluss
(PFB)
EVP-Pflicht: § 3e UVPG und Anlage 1 Nummer 14.6 in Verbindung mit § 3c UVPG JA PFB
NEIN PFB
Plangenehmigung
Verzicht
Landesstraßen § 38 Absatz 3 Nummer 1 bis 3 BbgStrG oberhalb der Schwellen
JA
PFB
unterhalb der Schwellen,
Rad- und Gehwege
NEIN
PFB
Plangenehmigung
Verzicht
Kreis- oder Gemeindestraßen oberhalb der Schwellen
JA
PFB
Plangenehmigung
Bebauungsplan gemäß § 9 BauGB für Gemeindestraßen
unterhalb der Schwellen, Rad- und Gehwege
NEIN
PFB und Plangenehmigung fakultativ auf Antrag und Kosten des Baulastträgers

kursiv = zu diesen Tatbeständen gibt der Erlass eine Auslegungshilfe

II. Zur Regelung der Umweltverträglichkeitsprüfung für ein Straßenbauprojekt in § 38 BbgStrG

  1. Eine unmittelbare Pflicht zur Prüfung der Umweltverträglichkeit besteht bei allen Vorhaben, die in § 38 Absatz 3 BbgStrG beschrieben sind. Zu den einzelnen Bestimmungen:
    1. § 38 Absatz 3 Nummer 1 BbgStrG

      Als besonders geregelte Kreuzungen sind auch höhengleiche Kreuzungen zu verstehen, deren Regelung dem Verkehr auf der Schnellstraße Vorrang einräumt.
    2. § 38 Absatz 3 Nummer 2 BbgStrG

      Die Regelung über den Bau von/Ausbau zu vier- oder mehrstreifigen Straßen ist ebenso wie in Nummer 1 als zwingende Vorgabe der UVP-Richtlinie entnommen.
    3. § 38 Absatz 3 Nummer 3 BbgStrG

      Unter diese Vorschrift fallen alle planfeststellungsbedürftigen Neu- oder Ausbaumaßnahmen von Straßen mit Ausnahme der Rad- und Gehwege, die in den unter den Buchstaben a bis g benannten Gebieten (zum Beispiel Natur- und Landschaftsschutzgebiete, Wasserschutzgebiete, Luftreinhaltegebiete, Waldgebiete, Biotope usw.) verwirklicht werden sollen. Abgestimmt auf die Wertigkeit des jeweiligen Gebietes sind unterschiedliche Größenordnungen festgelegt, ab denen ein Straßenbauvorhaben UVP-pflichtig ist.

      Bei Vorhaben, die unter die in Buchstabe a genannten besonders sensiblen Gebiete (FFH-, Vogelschutz- und Naturschutzgebiete, Nationalparks, Wasserschutzgebiete der Zone I oder II) fallen, kommt es darauf an, ob sie zu erheblichen Beeinträchtigungen des jeweiligen Gebietes führen können. Dies ist immer dann anzunehmen, wenn die Maßnahme innerhalb eines der genannten Gebiete durchgeführt werden soll. Führt das Straßenbauprojekt außerhalb (aber in der Nähe) vorbei, ist im Einzelfall zu prüfen, ob eine erhebliche Beeinträchtigung des Gebietes zu erwarten ist (Fernwirkungen).

      Der Bau von Rad- und Gehwegen hat in der Regel keine erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt, durch sie wird sogar die Nutzung umweltfreundlicher Verkehrsmittel gefördert. Von einer UVP kann abgesehen werden, solange die Umstände des Einzelfalls nicht ausnahmsweise die vertiefte Prüfung eines Umweltbelangs erfordern. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn der Rad- oder Gehweg in einem FFH-Gebiet verläuft und dort ein prioritäres Biotop überbaut würde.
    4. Um dem übergreifenden, integrativen Ansatz des europäischen Rechts über die Umweltverträglichkeitsprüfung gerecht zu werden, ist in den Fällen, in denen ein geplantes Straßenbauprojekt zwar knapp unterhalb der in § 38 Absatz 3 Nummer 3 Buchstabe b bis g BbgStrG genannten Schwellen bleibt, dann jedoch eine UVP durchzuführen, wenn mindestens zwei der aufgeführten Schwellen zu 75 Prozent erreicht werden.

      Beispiel:

      Eine Straße soll 800 m (mehr als 75 Prozent der in § 38 Absatz 3 Nummer 3 Buchstabe b BbgStrG genannten Länge) durch Biotope und darüber hinaus 3,5 km (mehr als 75 Prozent der Streckenlänge des § 38 Absatz 3 Nummer 3 Buchstabe d BbgStrG) durch ein Landschaftsschutzgebiet führen. Es ist eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen.
    5. Um die einheitlich zu beurteilenden Wirkungen eines Straßenbauprojektes zu erfassen, das in Abschnitten geplant und gebaut werden soll, besteht eine Pflicht zur Durchführung der Umweltverträglichkeitsprüfung auch dann, wenn die Abschnitte zwar verfahrensmäßig getrennt, jedoch in einem engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang verwirklicht werden sollen. Gleiches gilt, wenn mehrere Straßenbauprojekte gleichzeitig in unmittelbarer Nähe (gegebenenfalls durch eine Kreuzung verbunden) geplant und gebaut werden sollen. In diesen Fällen sind die Auswirkungen anderer Straßenbauprojekte mit einzubeziehen. Sie lösen dann eine UVP-Pflicht aus, wenn die in § 38 Absatz 3 Nummer 3 Buchstabe b bis g genannten Schwellen in der Summe überschritten werden.

      Beispiel:

      Der erste Bauabschnitt einer Straße führt 3 km durch ein Biosphärenreservat. Der zweite Abschnitt, der gleich im Anschluss (zeitnah) verwirklicht werden soll, beträgt 1,5 km. Hier ist eine UVP durchzuführen, denn die Schwelle von 4 km wurde insgesamt überschritten. Übersicht: UVP-Pflicht nach Projektgrößen in § 38 Absatz 3 BbgStrG
      Projektab einer Länge in kmGebiete
      Neubau einer Schnellstraße 0 ohne Eingrenzung
      Neubau, Verlegung einer 4-/mehrstreifigen Straße; Ausbau einer bestehenden Straße zu einer 4- oder mehrstreifigen Straße 10 ohne Eingrenzung
      Neu-, Ausbau von Straßen mit Ausnahme der Rad- und Gehwege 0 FFH-, Vogelschutzgebiete; Nationalparks, Naturschutzgebiete, Wasserschutzgebiete der Zone I, II
      > 1 in gesetzlich geschützten Biotopen oder gesetzlich geschützten Landschaftsbestandteilen
      > 3 Wasserschutzgebiete Zone III
      > 4 Biosphärenreservate; Landschaftsschutzgebiete; Denkmalbereiche; Gebiete, die historisch, kulturell oder archäologisch von Bedeutung sind
      > 2,5 Luftreinhalteplanungsgebiete
      > 5 Naturparks oder Waldgebiete
      > 1,5 nur innerhalb geschlossener Ortslage mit überwie gender Wohnbebauung bei aktueller Prognose-DTV mind. 8.000 Kfz/24 h in einem Prognosezeitraum von 10 Jahren
  2. Bei Vorhaben, die nicht aufgrund des § 38 Absatz 3 BbgStrG UVP-pflichtig sind, ist eine Umweltverträglichkeitsprüfung dennoch durchzuführen, wenn das Straßenbauvorhaben ausnahmsweise aufgrund eines anderen Tatbestandes in der Anlage 1 UVPG als UVP-pflichtig erkannt wird (hervorzuheben sind die Nummern 13.18, 17.1, 17.2, 19.1, 19.2). Beispielsweise bei Planung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen mit großflächigen Aufforstungen oder wasserbaulichen Ausbaumaßnahmen sollte dies zusätzlich überprüft werden.
  3. Ist keine UVP notwendig, beantragt der Vorhabenträger bei der Planfeststellungsbehörde die Feststellung, dass keine Verpflichtung zur Durchführung einer UVP besteht. Mit dem Antrag übergibt er die Prüfungsunterlagen und macht einen Entscheidungsvorschlag.

III. Berücksichtigung der Schwellenwerte als Prüfungsmaßstab bei der Einzelfallvorprüfung bezüglich Bundesfernstraßen

Der Bundesgesetzgeber hat sich überwiegend nicht für Schwellenwerte, sondern für einzelfallbezogene Vorprüfungen (EVP) entschieden (siehe Anlage 1 Nummer 14.6 UVPG).

Für die bei einer Vorprüfung zu beantwortende Frage, ob ein Vorhaben erhebliche Umweltauswirkungen haben kann und folglich eine UVP durchzuführen ist, können die für Landesstraßen maßgeblichen Schwellenwerte gemäß § 38 Absatz 3 BbgStrG als Entscheidungsmaßstab entsprechend herangezogen werden.

Bei den Schwellenwerten werden unter Berücksichtigung der Maßstäbe der UVP-Richtlinie, der Rechtsprechung des EuGH und der Bewertung der EU-Kommission die Auswahlkriterien des Anhangs III der UVP-Richtlinie umgesetzt, der die Kriterien für die Vorprüfung beziehungsweise Schwellenwerte enthält.

Die fachliche Wertung des Brandenburgischen Gesetzgebers ist auf die Verfahren für Bundesfernstraßen übertragbar, da die gleichen Schutzgüter und Bewertungsmaßstäbe zu berücksichtigen sind. In den Schwellenwerten sind die Kriterien für die Vorprüfung des Einzelfalls (wie Merkmale der Vorhaben, ihr Standort sowie Merkmale der möglichen Auswirkungen, vergleiche Anlage 2 zum UVPG) erfasst worden.

Durch den Rückgang von Neu- oder großen Ausbauprojekten an Bundesstraßen wird die Mehrzahl der Ausbauprojekte voraussichtlich als „Bau einer sonstigen Bundesstraße“ nach Anlage 1 Nummer 14.6 UVPG zu beurteilen sein.

Bleibt ein Vorhaben unter den in § 38 Absatz 3 BbgStrG angegebenen Schwellenwerten, braucht regelmäßig keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden. Eine allgemeine Ausnahme der Rad- und Gehwege im Sinne von § 38 Absatz 3 Nummer 3 erster Halbsatz BbgStrG sollte in diesem Bereich jedoch nicht erfolgen, da sie in bestimmten Fällen Umweltrelevanz haben können (siehe Nummer 1 Buchstabe c). Die Entscheidung ist von der Planfeststellungsbehörde gemäß § 3a Satz 2 UVPG bekannt zu geben. In diesem Fall kann auch auf eine Planfeststellung oder Plangenehmigung verzichtet werden, wenn die weiteren Voraussetzungen des § 17b Absatz 1 des Bundesfernstraßengesetzes (FStrG) in Verbindung mit § 74 Absatz 7 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) vorliegen.

Werden jedoch Schwellen überschritten, ist davon auszugehen, dass von der Baumaßnahme erhebliche Umweltauswirkungen ausgehen. Daher ist eine förmliche Prüfung der Umweltverträglichkeit geboten. Diese Prüfung erfordert die Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens. Ein Verzicht auf das förmliche Verfahren oder ein Plangenehmigungsverfahren (§ 17b Absatz 1 Nummer 2 FStrG in Verbindung mit § 74 Absatz 6 und 7 VwVfG) kommt dann nicht in Betracht.

Demgegenüber wird bei umfangreichen Neubaumaßnahmen (zum Beispiel Ortsumgehungen) regelmäßig eine Umweltverträglichkeitsprüfung im Rahmen von Planfeststellungsverfahren durchzuführen sein, die auf den Umweltverträglichkeitsstudien der vorgelagerten Planungsstufen aufbaut. Soweit eine förmliche UVP vorgesehen ist, entfällt die Verpflichtung, eine einzelfallbezogene Vorprüfung durchzuführen.

Dieser Einführungserlass wird im Amtsblatt für Brandenburg veröffentlicht und in das elektronische „Brandenburgische Vorschriftensystem“ (BRAVORS) unter der Internetseite www.landesrecht.brandenburg.de eingestellt.

Dieser Erlass tritt am Tag nach der Veröffentlichung im Amtsblatt für Brandenburg in Kraft.