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Einführungserlass des Landes Brandenburg zum Gesetz zur Stärkung der Innenentwicklung in den Städten und Gemeinden und weiteren Fortentwicklung des Städtebaurechts und zum Gesetz zur Einführung einer Länderöffnungsklausel zur Vorgabe von Mindestabständen zwischen Windenergieanlagen und zulässigen Nutzungen und zum Gesetz über Maßnahmen im Bauplanungsrecht zur Erleichterung der Unterbringung von Flüchtlingen

Einführungserlass des Landes Brandenburg zum Gesetz zur Stärkung der Innenentwicklung in den Städten und Gemeinden und weiteren Fortentwicklung des Städtebaurechts und zum Gesetz zur Einführung einer Länderöffnungsklausel zur Vorgabe von Mindestabständen zwischen Windenergieanlagen und zulässigen Nutzungen und zum Gesetz über Maßnahmen im Bauplanungsrecht zur Erleichterung der Unterbringung von Flüchtlingen
vom 16. Dezember 2014
(ABl./15, [Nr. 11], S.251)

Vorbemerkungen:

Grundlage dieses Erlasses ist der Mustereinführungserlass der Fachkommission Städtebau der ARGEBAU beschlossen durch die Fachkommission Städtebau am 20. September 2013.

Paragrafen ohne Gesetzesangabe beziehen sich auf die Neubekanntmachung des Baugesetzbuchs - BauGB - vom 23. September 2004 (BGBl. I S. 2414), zuletzt geändert durch Gesetz vom 20. November 2014 (BGBl. I S. 1748).

Inhaltsübersicht

1 Allgemeines 252
1.1 Einführung 252
1.2 Überblick über die Neuregelungen 252
1.3 Infrastrukturfolgekostenschätzer 254
2 Bauleitplanung 254
2.1 Vorrangige Ausrichtung der Bauleitplanung auf die Innenentwicklung (§ 1 Absatz 5 Satz 3) 254
2.2 Versorgungssicherheit (§ 1 Absatz 6 Nummer 8 Buchstabe e) 254
2.3 Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden (§ 1 Absatz 6 Nummer 13) 255
2.4 Begründungsanforderungen bei der Umwandlung von landwirtschaftlich oder als Wald genutzten Flächen (§ 1a Absatz 2 Satz 4) 255
2.5 Naturschutzrechtliche Eingriffsregelung (§ 1a Absatz 3 Satz 5) 256
2.6 Beteiligung der Öffentlichkeit (§ 3 Absatz 1 und 2 sowie § 4a und § 4b) 257
2.7 Darstellungs- und Festsetzungsmöglichkeiten 257
2.7.1 Darstellung zentraler Versorgungsbereiche im Flächennutzungsplan (§ 5 Absatz 2 Nummer 2 Buchstabe d) 257
2.7.2 Steuerung der Ansiedlung von Vergnügungsstätten (§ 9 Absatz 2b) 258
2.8   Unbeachtlichkeit von Fehlern im beschleunigten Verfahren 259
2.9 Erweiterung der Zurückstellungsmöglichkeit (§ 15 Absatz 3) 259
2.10 Städtebauliche Verträge 260
2.10.1 Neuregelung des Erschließungsvertrags 260
2.10.2 Baukulturelle Belange als Gegenstand städtebaulicher Verträge 261
2.11 Ausübung des Vorkaufsrechts zugunsten Dritter (§ 27a) 261
3 Zulässigkeit von Vorhaben 261
3.1 Befreiungen aus Gründen des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden (§ 31 Absatz 2 Nummer 1) 261
3.2 Abweichungen vom Erfordernis des Einfügens bei Wohnzwecken dienenden Anlagen (§ 34 Absatz 3a) 261
3.3 Ausnahmen und Befreiungen bei Innenbereichssatzungen (§ 34 Absatz 5) 262
3.4 Einschränkung der Privilegierung bei gewerblichen Tierhaltungsanlagen 262
3.4.1 Allgemeines 262
3.4.2 Neubau einer baulichen Anlage zur Tierhaltung (§ 3b Absatz 1 und § 3c Satz 1 bis 4 UVPG) 263
3.4.3 Kumulierende Vorhaben 265
3.4.4 Änderungen oder Erweiterungen bisher nicht UVP-pflichtiger Vorhaben und UVP-vorprüfungspflichtiger Vorhaben 265
3.5 Biomasseanlagen (§ 35 Absatz 1 Nummer 6 Buchstabe d) 265
3.6 Begünstigung der Neuerrichtung von ehemals landwirtschaftlich genutzten Gebäuden (§ 35 Absatz 4 Satz 1) 266
4 Besonderes Städtebaurecht 266
4.1 Städtebauliche Sanierungsmaßnahmen (§ 136) 266
4.2 Erhaltungssatzung (§ 172 Absatz 4) 267
4.3 Rückbau- und Entsiegelungsgebot (§ 179) 267
4.3.1 Erweiterung des Rückbau- und Entsiegelungsgebotes 267
4.3.2 Geltungsbereich 267
4.3.3 Abschöpfung von Vermögensvorteilen, die aufgrund gemeindefinanzierten Rückbaus bei Eigentümern eingetreten sind 268
4.3.4   Geltendmachung des Kostenerstattungsbetrages 268
4.3.5 Öffentliche Last des Kostenerstattungsbetrages 268
5 Wertermittlung (§ 192 Absatz 3, § 195 Absatz 1, § 197 Absatz 2, § 198 Absatz 2, § 199 Absatz 2) 268
6 Überleitungsregelungen (§ 245a BauGB, § 25d BauNVO) 269
6.1 Allgemeine Überleitungsvorschriften (§ 233) 269
6.2 Anwendung der geänderten Regelungen der Baunutzungsverordnung auf bestehende Bebauungspläne (§ 245a Absatz 1) 269
6.3 Bauleitplanerische Möglichkeiten der Gemeinden im Hinblick auf die Änderungen der Baunutzungsverordnung (§ 245a Absatz 2) 269
6.4 Bauleitplanerische Möglichkeiten der Gemeinden im Hinblick auf die geänderte Privilegierung von Anlagen der Intensivtierhaltung (§ 245a Absatz 3) 269
6.5 Intensivtierhaltung bei bereits eingeleitetem Zulassungsverfahren (§ 245a Absatz 4) 270
6.6 Überleitungsregelung für in Kraft befindliche Bebauungspläne (§ 25d BauNVO) 270
7 Sonderregelungen für einzelne Länder; Sonderregelungen für Flüchtlingsunterkünfte (§ 246) 270
7.1 Sonderregelungen für Flüchtlingsunterkünfte (§ 246 Absatz 8 bis 10) 270
7.2 Länderöffnungsklausel Mindestabstände zu Windenergieanlagen (§ 249 Absatz 3) 271
8 Baunutzungsverordnung 271
8.1 Kinderbetreuungseinrichtungen in reinen Wohngebieten (§ 3 BauNVO) 271
8.1.1 Allgemein zulässige Kinderbetreuungseinrichtungen 271
8.1.2 Als Ausnahme zulässige Kinderbetreuungseinrichtungen 271
8.1.3 Steuerungsmöglichkeiten 272
8.2 Zulässigkeit von Nebenanlagen 272
8.2.1 Anlagen der Kleintiererhaltungszucht als Nebenanlagen im Sinne von § 14 BauNVO 272
8.2.2 Anlagen zur Nutzung solarer Strahlungsenergie, Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen 272
8.3 Überschreitung der Obergrenzen des § 17 BauNVO 273
8.4 Eingeleitete Bebauungsplanverfahren (§ 25d BauNVO) 274
Anlage zu Nummer 3.4.1 und Nummer 3.4.2 275

1 Allgemeines

1.1 Einführung

Das Gesetz zur Stärkung der Innenentwicklung in den Städten und Gemeinden und weiteren Fortentwicklung des Städtebaurechts vom 11. Juni 2013 (BGBl. I S.1548) ist im Wesentlichen am 20. September 2013 in Kraft getreten. Abweichend davon sind die Änderungen der §§ 11, 124 und 242 sowie § 245a Absatz 2 am 21. Juni 2013 in Kraft getreten. Die Änderungen der §§ 192, 198 sind am 20. Dezember 2013 in Kraft getreten.

Das Gesetz sieht im Anschluss an das Gesetz zur Erleichterung von Planungsvorhaben für die Innenentwicklung der Städte vom 21. Dezember 2006 (BGBl. I S. 3316) weitere Möglichkeiten zur Stärkung der Innenentwicklung vor. Ein besonderer Stellenwert kommt hier der Begrenzung der Flächenneuinanspruchnahme zu. Für die Bauleitplanung sind insoweit insbesondere die Einführung eines Vorrangs der Innenentwicklung (§1 Absatz 5 Satz 3), die erweiterten Begründungsanforderungen bei der Umwandlung von landwirtschaftlich und als Wald genutzten Flächen (§ 1a Absatz2 Satz 4) und die Flexibilisierung bei Überschreitung der Obergrenzen des § 17 der Baunutzungsverordnung (BauNVO) hervorzuheben. Für Bauvorhaben im Außenbereich nach § 35 wird der Bodenschutz, einschließlich des Aspekts der Bodenversiegelung, bereits nach bisherigem Recht durch § 35 Absatz 3 Nummer 5 und Absatz 5 Satz 1 berücksichtigt.

Die Änderungen der Baunutzungsverordnung ergänzen auch die Regelungen des Gesetzes zur Förderung des Klimaschutzes bei der Entwicklung in den Städten und Gemeinden vom 22. Juli 2011 (BGBl. I S. 1509) zur Nutzung erneuerbarer Energien.

Mit den Änderungen der Regelungen zur Wertermittlung sollen die Rahmenbedingungen für die Arbeit der Gutachterausschüsse für Grundstückswerte verbessert werden.

Die beiden anderen Gesetzesänderungen waren demgegenüber nur auf spezielle Themenbereiche begrenzt gewesen, nämlich auf Regelungen zur Windkraft und zur Unterbringung von Flüchtlingen.

1.2 Überblick über die Neuregelungen

Wesentliche Änderungen im Baugesetzbuch (BauGB) sind:

  • § 1 Absatz 5 Satz 3 (Ziele der Bauleitplanung)

    Der Vorrang der Innenentwicklung ist ausdrücklich als ein Ziel der Bauleitplanung bestimmt worden.
  • § 1a Absatz 2 und 3 (Ergänzende Vorschriften zum Umweltschutz)

    Es wurde eine Begründungspflicht für die Umwandlung landwirtschaftlich oder als Wald genutzter Flächen sowie eine der Abwägung unterliegende Verpflichtung zur Schonung landwirtschaftlich nutzbarer Flächen bei der Festlegung von Kompensationsmaßnahmen für Eingriffe in Natur und Landschaft eingeführt.
  • § 5 Absatz 2 Nummer 2 (sogenannter Darstellungskatalog)

    Es ist eine ausdrückliche Darstellungsmöglichkeit für die Ausstattung des Gemeindegebiets mit zentralen Versorgungsbereichen geschaffen worden.
  • § 9 Absatz 2a (Bebauungsplan zur Steuerung der Ansiedlung von Vergnügungsstätten)

    Die Gemeinden können für den nicht beplanten Innenbereich zum Schutz unter anderem von Wohnnutzungen und städtebaulichen Funktionen eines Gebiets entsprechende Festsetzungen in einem Bebauungsplan ohne Baugebietsfestsetzungen treffen.
  • § 11, 124 (städtebauliche Verträge, Erschließungsvertrag)

    Die Möglichkeit, Erschließungsverträge abzuschließen, wurde aus § 124 in § 11 übernommen. Vertragspartner von Erschließungs- und anderen städtebaulichen Verträgen können auch juristische Personen sein, an denen die Gemeinde beteiligt ist.
  • § 15 Absatz 3 (Zurückstellung von Baugesuchen für nach § 35 Absatz 1 Nummer 2 bis 6 privilegierte Anlagen)

    Die Entscheidung kann bei Vorliegen besonderer Umstände um höchstens ein weiteres Jahr ausgesetzt werden.
  • § 27a (Ausübung des Vorkaufsrechts zugunsten Dritter)

    Die Gemeinde kann ein ihr zustehendes Vorkaufsrecht zugunsten Dritter ohne Beschränkung auf bestimmte Verwendungszwecke ausüben.
  • § 31 Absatz 2 Nummer 1 (Ausnahmen und Befreiungen)

    Klarstellung, dass die Gründe des Wohls der Allgemeinheit sich auch auf den Bedarf von Flüchtlingen und Asylbegehrenden erstrecken.
  • § 34 Absatz 3a (Absehen vom Erfordernis des Einfügens)

    Die Nutzungsänderung von zulässigerweise für Gewerbe- und Handwerksbetriebe errichteten baulichen Anlagen zu Wohnzwecken wird erleichtert. Umnutzung von Geschäfts-, Büro- oder Verwaltungsgebäuden in bauliche Anlagen, die der Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden dienen.
  • § 35 Absatz 1 Nummer 4 (privilegierte Anlagen der Intensivtierhaltung)

    Die Privilegierung entfällt bei Anlagen, die mindestens einer Vorprüfung nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung bedürfen.
  • § 35 Absatz 4 (sogenannte begünstigte Vorhaben im Außenbereich)

    In besonderen Fällen ist im Zusammenhang mit der Umnutzung eines ehemals landwirtschaftlich genutzten Gebäudes auch die Neuerrichtung möglich.
  • § 136 Absatz 3 (Beurteilungsmaßstäbe für das Vorliegen städtebaulicher Missstände)

    Die energetische Beschaffenheit eines Gebiets kann bei der Beurteilung städtebaulicher Missstände zu berücksichtigen sein.
  • § 171d (Stadtumbausatzung)

    Durch einen Verweis auf § 16 Absatz 2 wird klargestellt, dass eine Satzung zur Festlegung eines Stadtumbaugebiets entweder selbst bekannt zu machen ist oder bekannt gemacht werden kann, dass eine entsprechende Satzung beschlossen wurde.
  • § 172 (Anspruch auf erhaltungsrechtliche Genehmigung)

    Im Gebiet einer sogenannten Milieuschutzsatzung ist die Genehmigung insoweit zu erteilen, als die Änderungen der Anpassung an die Mindestanforderungen nach der Energieeinsparverordnung dienen.
  • § 179 (Rückbau- und Modernisierungsgebot)

    Die Duldung des Rückbaus kann auch bei sogenannten Schrottimmobilien verlangt werden, die außerhalb des Geltungsbereichs eines Bebauungsplans stehen. Der Eigentümer hat die Kosten bis zur Höhe der durch den Rückbau bewirkten Vermögensvorteile zu tragen.
  • § 197 (Befugnisse des Gutachterausschusses)

    Die Mitwirkungspflichten der Finanzbehörden werden konkretisiert.
  • § 245 (Überleitungsvorschriften)

    Die Änderungen von § 3 Absatz 2 und § 14 Absatz 3 BauNVO gelten grundsätzlich auch für bestehende Bebauungspläne.
  • § 246 Absatz 8 bis 10 (Sonderregelungen für einzelne Länder; Sonderregelungen für Flüchtlingsunterkünfte)
  • § 249 Absatz 3 (Sonderregelungen zur Windenergie)

Wesentliche Änderungen der Baunutzungsverordnung (BauNVO) sind:

  • § 3 (Vorhaben in reinen Wohngebieten)

    Auf den Gebietsbedarf ausgerichtete Anlagen zur Kinderbetreuung sind allgemein zulässig.
  • § 14 Absatz 3 (Anlagen für erneuerbare Energien)

    Bestimmte Anlagen zur Nutzung der Solarenergie und Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen sind in allen Baugebieten als allgemein zulässige Nebenanlagen zu behandeln.
  • § 17 (Obergrenzen für die Bestimmung des Maßes der baulichen Nutzung)

    Die Obergrenzen können unter erleichterten Voraussetzungen im Einzelfall überschritten werden.

1.3 Infrastrukturfolgekostenschätzer

Das Land Brandenburg stellt den Infrastrukturfolgekostenschätzer den Gemeinden kostenfrei zum Download zur Verfügung. Gemeinsames Ziel von Land und Gemeinden muss es sein, eine Balance zwischen den Bedürfnissen einer nachhaltigen Siedlungsentwicklung und einer wirtschaftlich tragfähigen Bautätigkeit für bezahlbaren Wohnraum zu finden. Der demografische Wandel, hohe Infrastrukturkosten sowie Energieeffizienz und Klimaschutz erfordern eine nachhaltige und zukunftsorientierte Siedlungsentwicklung, die sich verstärkt auf den Siedlungsbestand konzentriert. Auch die Novelle des Baugesetzbuchs von 2013 nimmt Veränderungen vor, die den Grundsatz Innenentwicklung vor Außenentwicklung unterstreicht und die für die Innenentwicklung zur Verfügung stehenden Instrumente entwickelt beziehungsweise an die heutigen Anforderungen anpasst.

Eine frühzeitige Abschätzung der finanziellen Auswirkungen von neu auszuweisenden Baugebieten im Vergleich zu Projekten der Innenentwicklung bietet eine wichtige Entscheidungsgrundlage für Kommunen. Sie kann dazu beitragen den Flächenbedarf entscheidend zu reduzieren. Das Ministerium für Infrastruktur und Landesplanung hat deshalb einen Infrastrukturfolgekostenschätzer zur Unterstützung der Kommunen für die Kostenabschätzung entwickeln lassen. Damit besteht die Möglichkeit, überschlägig die Kosten und Folgekosten der Bebauung alternativer Flächen für identische Nutzungen, aber auch alternativer Planungen auf demselben Grundstück zu ermitteln. Die so erhaltenen Daten können in den Entscheidungsprozess der Kommunen einfließen. Die Kommunen, ihre politischen Gremien wie auch ihre Bürger können sich so verdeutlichen, welche Kosten eine Bebauung im Außenbereich im Vergleich zur Inanspruchnahme von Innenbereichsflächen verursacht und auch welche dauerhaften Kosten zukünftig auf der Gemeinde lasten werden. Der Rechner ermöglicht es auch, die Kosten zu ermitteln, die durch eine Überplanung eines bestehenden Wochenendhausgebietes zu einem Wohngebiet zukünftig entstehen werden.

2 Bauleitplanung

2.1 Vorrangige Ausrichtung der Bauleitplanung auf die Innenentwicklung (§ 1 Absatz 5 Satz 3)

§ 1 Absatz 5 bestimmt allgemein die Aufgaben und Ziele der Bauleitplanung. In dem neuen Satz 3 ist bestimmt, dass zur Verwirklichung der in den Sätzen 1 und 2 bestimmten Aufgaben und Ziele die städtebauliche Entwicklung vorrangig durch Maßnahmen der Innenentwicklung erfolgen soll. Die wesentlichen Steuerungs- und Gestaltungsaufgaben der Bauleitplanung sind demnach hauptsächlich auf den Siedlungsbestand auszurichten, um eine ökonomisch, ökologisch und baukulturell belastende Flächenneuinanspruchnahme durch Siedlungsflächen zu vermeiden und stattdessen die Attraktivität und Lebensqualität in den Innenstädten, Ortskernen und Bestandsgebieten zu stärken.

Die neue Bestimmung steht im Zusammenhang mit der Ergänzung der Bodenschutzklausel durch die erweiterten Begründungsanforderungen bei der (Neu-)Inanspruchnahme von land- oder forstwirtschaftlich genutzten Flächen für Siedlungszwecke (§ 1a Absatz 2 Satz 4). Dies ist vor dem Hintergrund der Zielstellung des Bundes - die Neuinanspruchnahme von Flächen für Siedlungs- und Verkehrszwecke bis zum Jahr 2020 auf 30 ha/Tag zurückzuführen - zu sehen.

Hinweise zu den Merkmalen der Innenentwicklung ergeben sich aus § 1a Absatz 2 Satz 1 und § 13a Absatz 1 Satz 1 sowie aus den Begründungsanforderungen des §1a Absatz 2 Satz 4 (siehe Nummer 2.3). Unabhängig davon können Bauleitpläne auch dann dem § 1 Absatz 5 Satz 3 entsprechen, wenn sie der Entlastung und Aufwertung der Innenstadt dienen, wie etwa die Planung einer Umgehungsstraße oder die Verlagerung eines störenden Betriebs. Der in § 1 Absatz 5 Satz 3 formulierte Vorrang von Maßnahmen der Innenentwicklung bei der städtebaulichen Entwicklung schließt andere Maßnahmen nicht aus; er ist nicht im Sinne einer „Baulandsperre“ oder eines „Versiegelungsverbotes“ zu verstehen. Vielmehr ist die vorrangige Ausrichtung der Bauleitplanung auf die Innenentwicklung bei der Festlegung der jeweiligen Ziele der Bauleitplanung (§ 1 Absatz 3 Satz 1) angemessen zu berücksichtigen. Im Übrigen unterliegen die davon berührten Belange der Abwägung nach § 1 Absatz 7.

Unberührt von § 1 Absatz 5 Satz 3 bleibt der unverändert beibehaltene, konkretere Planungsgrundsatz zur Innenentwicklung in der Bodenschutzklausel des § 1a Absatz 2 Satz 1.

2.2 Versorgungssicherheit (§ 1 Absatz 6 Nummer 8 Buchstabe e)

Der bestehende § 1 Absatz 6 Nummer 8 Buchstabe e wird ergänzt um die Formulierung: „einschließlich der Versorgungssicherheit,“. Mit der ausdrücklichen Betonung des Aspekts der Versorgungssicherheit im sogenannten Belangekatalog (§ 1 Absatz 6) soll herausgestellt werden, dass die Kommunen diesen Aspekt bei der Aufstellung von Flächennutzungsplänen und Bebauungsplänen zu berücksichtigen haben.

Insbesondere im Hinblick auf den möglicherweise notwendigen Ausbau oder den zusätzlichen Bau konventioneller Kraftwerke, die zum Ausgleich der fluktuierenden Einspeisung erneuerbarer Energien und zur Systemstabilität benötigt werden, gewinnt der Aspekt der Versorgungssicherheit vor dem Hintergrund der beschlossenen Energiewende an Bedeutung. Eine gesicherte Versorgung mit Elektrizität wird dabei in der Regel überörtlich gewährleistet.

Neue Verfahrenspflichten sind damit nicht verbunden, da der Belangekatalog des § 1 Absatz 6 ohnehin nicht abschließend ist.

2.3 Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden (§ 1 Absatz 6 Nummer 13)

Die übergangsweise Unterbringung von Asylbegehrenden und Flüchtlingen findet in der Regel in Wohnungen und Wohngebäuden sowie in Gemeinschaftsunterkünften statt. Damit stellt sich regelmäßig die komplexe Frage Flüchtlingsunterkünfte bauplanungsrechtlich entweder als Wohnnutzungen oder als Anlagen für soziale Zwecke im Sinne der Baunutzungsverordnung zu beurteilen. Die Belange von Flüchtlingen und Asylbegehrenden stellen nach der klarstellenden Ergänzung des §1 Absatz 6 Nummer 13 in jedem Fall einen bei der Bauleitplanung zu beachtenden Belang dar.

2.4 Begründungsanforderungen bei der Umwandlung von landwirtschaftlich oder als Wald genutzten Flächen (§ 1a Absatz 2 Satz 4)

Nach dem neuen Satz 4 des § 1a Absatz 2 soll die Inanspruchnahme von landwirtschaftlichen oder als Wald genutzten Flächen begründet werden. Diese Regelung steht im inhaltlichen Zusammenhang mit der sogenannten Umwidmungssperrklausel des § 1a Absatz 2 Satz 2, nach der landwirtschaftlich (vgl. § 201) und als Wald (vgl. §2 Absatz 2 des Bundeswaldgesetzes [BWaldG]) genutzte Flächen nur im notwendigen Umfang umgenutzt, also vor allem für bauliche Zwecke in Anspruch genommen werden sollen.

§ 1a Absatz 2 Satz 4 erster Halbsatz beinhaltet die Pflicht zur Begründung der Bauleitpläne nach § 2a und ergänzt sie um eine besondere Begründungsanforderung bei Inanspruchnahme von bislang landwirtschaftlich oder als Wald genutzten Flächen, die im Wesentlichen den von Bebauung freizuhaltenden Außenbereich bilden. Gemäß dem zweiten Halbsatz des § 1a Absatz 2 Satz 4 soll sich die Begründung nicht nur auf die Erläuterung beschränken, warum das Planungsziel nicht auch ohne Neuinanspruchnahme von land- oder forstwirtschaftlich nutzbaren Flächen erreicht werden kann. Vielmehr geht es auch um die Frage, ob auch eine Neuinanspruchnahme in geringerem Umfang dadurch möglich ist, dass zum Beispiel kleinere Grundstücksgrößen, platzsparende Bauweisen oder einfachere Erschließungssysteme vorgesehen werden. Ebenso können Flächenpotenziale für Kompensationsmaßnahmen im siedlungsnahen Bereich definiert werden, etwa zur Schaffung eines Biotopverbunds auf Gewerbe- und Verkehrsbrachen oder auf Rückbauflächen des Stadtumbaus. Dabei ist es eine Frage ordnungsgemäßer Abwägung unter Berücksichtigung der Entwicklungsbedürfnisse und Entwicklungsziele einer Gemeinde, sich für eine sachgerechte Lösung zu entscheiden.

Mit dem neuen Satz 4 soll erreicht werden, dass die Innenentwicklungspotenziale ermittelt und deren Nutzung als planerische Alternativen gegenüber Flächenneuinanspruchnahmen landwirtschaftlich oder als Wald genutzter Flächen für die Erreichung der Planungsziele geprüft werden. Die Begründungspflicht des Satzes 4 unterstützt insofern auch die Ausrichtung der Bauleitplanung auf die Innenentwicklung (§ 1 Absatz 5 Satz 3; siehe Nummer 2.1) und die Bodenschutzklausel des § 1a Absatz 2 Satz 2. Die Begründungsanforderungen dienen dem Zweck, die Entscheidung über die Flächenneuinanspruchnahme auch im Hinblick auf die Erforderlichkeit der Planung im Sinne des § 1 Absatz 3 nachvollziehbar zu machen. Daneben soll sich die Gemeinde mögliche Alternativen zu einer Flächenneuinanspruchnahme bewusst machen und die Gründe einer Entscheidung gegen die Einbeziehung dieser in die Planung darlegen. Ein Nachweis eines unabdingbaren Flächenbedarfs wird damit aber nicht verlangt.

Angesichts der durch das in Rede stehende Änderungsgesetz unterstrichenen Bedeutung des Flächensparziels werden in vielen Fällen Ausführungen zur Berücksichtigung dieses Gesichtspunkts zu den im Sinne des § 2a Satz 2 Nummer 1 wesentlichen Auswirkungen des Bauleitplans gehören. Bei Flächenneuinanspruchnahmen sollen im Rahmen der Begründung Ermittlungen zu den Möglichkeiten der Innenentwicklung zugrunde gelegt werden, zu denen insbesondere Brachflächen, Gebäudeleerstand, Baulücken und andere Innenentwicklungspotenziale, wie beispielsweise die Anwendung des § 34 Absatz 3a (siehe Nummer 3.1), zählen. Maßnahmen der Innenentwicklung können dabei auch mit der Schaffung innerstädtischer Freiraum- und Biotopverbünde verknüpft werden. Zu berücksichtigen sind zudem durch Bebauungsplan festgesetzte, bisher aber nicht genutzte Flächen sowie in Flächennutzungsplänen dargestellte, aber nicht entwickelte Bauflächen.

Die Grundlagen der Begründung des Bedarfs der Flächenneuinanspruchnahme sind weder abschließend („insbesondere“) noch verbindlich. Die Gemeinde entscheidet grundsätzlich selbst, welche Daten für eine plausible und nachvollziehbare Begründung der Flächenneuinanspruchnahme im konkreten Planungsfall angemessen und hinreichend erscheinen. Allerdings muss die Begründung wie auch sonst hinreichend substantiiert und schlüssig nachvollziehbar sein. Zur Ermittlung von Flächenpotenzialen im Innenbereich bieten sich Brachflächenkataster an. Ein aktuelles Baulücken- und Brachflächenkataster kann nicht nur für die nach § 1a Absatz 2 Satz 4 erforderliche Begründung genutzt werden, sondern vor allem auch der Beratung von Grundstücksinteressenten dienen. Aus diesen Gründen wird die Erstellung eines Baulandkatasters nach § 200 Absatz 3 empfohlen. In kleineren Gemeinden kann gegebenenfalls auch die Darstellung der allgemein auf Ortskenntnis beruhenden Sachlage ausreichend sein. Auch der Rückgriff auf vorausgehende Planungen und die diesen Planungen zugrunde liegenden Erhebungen (zum Beispiel Flächennutzungsplanung oder informelle Stadtentwicklungskonzepte), soweit diese hinreichend aktuell sind, ist möglich. Zur Sicherstellung der Aktualität der zur Erläuterung herangezogenen Daten sollte auf Erfassungsmöglichkeiten zurückgegriffen werden, bei denen eine regelmäßige Aktualisierung mit vertretbarem Aufwand möglich ist.

Die Ermittlung der Innenentwicklungspotenziale muss nicht alle denkbaren Flächen erfassen, sondern kann sich auf die Flächen beschränken, die für die konkreten Entwicklungsbedürfnisse geeignet sind. Sollen beispielsweise zusammenhängende Flächen für die Ansiedlung von Gewerbebetrieben mit großem Flächenbedarf entwickelt werden, so kann auf eine Erfassung von kleinen Grundstücken, die aufgrund ihrer Größe und Lage nur für Wohnnutzungen oder kleinere nichtstörende Gewerbebetriebe geeignet sind, verzichtet werden. Eine Ermittlung kann weiter entbehrlich sein, wenn ein vorhandener Betrieb erweitert werden soll, da dann regelmäßig nur Flächen im Anschluss an den Bestand in Betracht kommen. Auch aus einer geringen Bebauungsdichte in einem Baugebiet allein lässt sich noch nicht die Möglichkeit der Nachverdichtung ableiten. Bebauungs- und Grundstücksverhältnisse können eine tatsächliche Nachverdichtung verhindern. Die Möglichkeit einer zusätzlichen eigenständigen Bebauung muss bestehen.

Bestehende Innenentwicklungspotenziale können nur dann einer Flächenneuinanspruchnahme entgegengehalten werden, wenn ihre Aktivierung realistisch ist. Deshalb müssen im Zusammenhang mit der Ermittlung von Flächenpotenzialen gleichzeitig auch deren tatsächliche Nutzungsmöglichkeit und Aktivierbarkeit geprüft werden. Daran kann es unter anderem fehlen, wenn

  • die entsprechenden Gebäude und Grundstücke aufgrund ihrer Lage und ihres Zuschnitts nicht für den Bedarfszweck geeignet sind und deshalb nicht mit Interessenten zu rechnen ist,
  • die Flächen nicht dem Markt zur Verfügung stehen und Verhandlungen mit dem Eigentümer nicht erfolgversprechend sind,
  • ein Flächenbedarf kurzfristig befriedigt werden muss, die Nutzbarmachung der Innenentwicklungspotenziale aber einen längeren Zeitraum benötigt.

Es kann auch nicht verlangt werden, dass vor jeder Flächenneuinanspruchnahme zunächst sämtliche theoretisch zur Verfügung stehenden Flächenpotenziale baulich genutzt werden, wenn dies den Zielen einer klimagerechten und stadtgestalterisch zufriedenstellenden städtebaulichen Entwicklung zuwiderlaufen würde. So kann es sinnvoll sein, zur Erhaltung oder Schaffung guter klimatischer Bedingungen und anderer stadtökologischer und stadtgestalterischer Ziele (vgl. § 1 Absatz 5) vorhandene Freiflächen unbebaut zu lassen oder so zu erweitern und zu entwickeln, dass ein Freiraum- beziehungsweise Biotopverbund entsteht.

Soweit vorhandene Potenziale nicht genutzt werden können, sollte auch dargestellt werden, inwieweit sich die Gemeinde bemüht hat, Hinderungsgründe für deren Nutzung zur Erreichung des Planungsziels auszuräumen. Zur Nachvollziehbarkeit der Begründung bietet sich ferner eine plausible Darstellung der zu erwartenden Bevölkerungsentwicklung beziehungsweise der sonstigen Flächenbedarfe, bezogen auf den Planungshorizont des Bauleitplans, an. Diese Darstellung wird regelmäßig die bisherige Entwicklung berücksichtigen sowie Aussagen enthalten müssen, ob und aus welchen Gründen mit Veränderungen zu rechnen ist. Auch Angaben zur zentralörtlichen Funktion und den regionalen Entwicklungsaufgaben der Gemeinde können für eine nachvollziehbare Begründung erforderlich sein.

2.5 Naturschutzrechtliche Eingriffsregelung (§ 1a Absatz 3 Satz 5)

Der neue § 1a Absatz 3 Satz 5 ordnet die entsprechende Anwendung des § 15 Absatz 3 des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) an. § 15 Absatz 3 BNatSchG hat folgenden Wortlaut:

„Bei der Inanspruchnahme von land- oder forstwirtschaftlich genutzten Flächen für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen ist auf agrarstrukturelle Belange Rücksicht zu nehmen, insbesondere sind für die landwirtschaftliche Nutzung besonders geeignete Böden nur im notwendigen Umfang in Anspruch zu nehmen. Es ist vorrangig zu prüfen, ob der Ausgleich oder Ersatz auch durch Maßnahmen zur Entsiegelung, durch Maßnahmen zur Wiedervernetzung von Lebensräumen oder durch Bewirtschaftungs- oder Pflegemaßnahmen, die der dauerhaften Aufwertung des Naturhaushalts oder des Landschaftsbildes dienen, erbracht werden kann, um möglichst zu vermeiden, dass Flächen aus der Nutzung genommen werden.“

Agrarstrukturelle Belange sind etwa betroffen, wenn die Inanspruchnahme land- oder forstwirtschaftlich genutzter Flächen für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen Auswirkungen auf die Land- oder Forstwirtschaft hat. Für die landwirtschaftliche Nutzung besonders geeignet sind die Böden, die eine besonders hohe Nutzbarkeit aufweisen. Das können sowohl Böden mit hoher Bodengüte als auch Flächen sein, die wirtschaftlich besonders gut nutzbar sind.

Im Sinne agrarstruktureller Belange, aber auch eines ökologischen Stadtumbaus wird die verstärkte Inanspruchnahme von Flächen im Siedlungsbereich für Kompensationsmaßnahmen empfohlen, mit denen funktionslos gewordene Flächen durch Maßnahmen der Entsiegelung, Bepflanzung usw. als miteinander vernetzte, hochwertige und siedlungsnahe Biotope entwickelt werden können.

Eine strikte Verpflichtung zur Beachtung des § 15 Absatz 3 BNatSchG besteht in der Bauleitplanung anders als im Vorhabenzulassungsverfahren nicht, da die Regelung der Abwägung unterliegt. Angesichts der Bedeutung des Flächensparziels insbesondere für die Belange der Landwirtschaft muss sich die Gemeinde aber erkennbar mit dem Anliegen auseinandersetzen.

2.6 Beteiligung der Öffentlichkeit (§ 3 Absatz 1 und 2 sowie § 4a und § 4b)

In die Vorschriften zur Öffentlichkeitsbeteiligung sind klarstellende Regelungen aufgenommen worden:

In § 3 Absatz 1 Satz 3 wird ausdrücklich geregelt, dass Kinder und Jugendliche Teil der Öffentlichkeit sind. Bereits nach bisherigem Recht wurden Kinder und Jugendliche als Adressaten der Vorschrift verstanden (Krautzberger in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand 107. EL 2013, § 3 Rn. 13a). Die ausdrückliche Nennung von Kindern und Jugendlichen betont die politische Zielsetzung, deren Rechte zu stärken und ihre Partizipation zu fördern. Hiermit soll ein Beitrag geleistet werden, die Identifikation und Bindung junger Menschen bezüglich ihres Lebensorts zu stärken und ein Engagement für die lokale Entwicklung wahrscheinlicher zu machen.

Nach § 3 Absatz 2 Satz 2 ist auf die Möglichkeit der Präklusion nach § 47 Absatz 2a der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) hinzuweisen. Mit der Änderung wird der Wortlaut dieser Hinweispflicht an den Wortlaut des § 47 Absatz 2a VwGO angeglichen.

Mit der Ergänzung des § 4a Absatz 1 wird klarstellend betont, dass die Beteiligung auch der Information der Öffentlichkeit dient.

Bereits bisher lässt sich nach § 4b Satz 2 die Einschaltung eines Mediators oder eines Vermittlers für die Durchführung eines anderen Verfahrens zur außergerichtlichen Konfliktbeilegung auf § 4b stützen. Um die Nutzung dieser in vielen Bereichen bewährten oder sich neu entwickelnden Konfliktlösungsverfahren in der Praxis zu stärken, sollen sie durch ihre ausdrückliche Nennung besonders hervorgehoben werden.

Erfasst werden auch andere Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung. Dies können zum Beispiel Verfahren unter Einschaltung von Ombudsleuten oder von Clearingstellen oder andere Verfahren sein, die sich erst neu oder fortentwickeln. Die Einschaltung eines Dritten entbindet die Gemeinde nicht von der Verpflichtung, eine eigene Abwägungsentscheidung zu treffen. Eine Bindung an das Ergebnis des Vermittlungsverfahrens besteht daher nicht. Zur Abstimmung der Gemeinde mit dem Dritten wird ergänzend auf Nummer 2.4.4 des Muster-Einführungserlasses zum Bau- und Raumordnungsgesetz 1998 (BauROG) der Bauministerkonferenz verwiesen. Die Einschaltung eines Mediators oder eines Vermittlers für die Durchführung eines anderen Verfahrens zur außergerichtlichen Konfliktbeilegung kann grundsätzlich auch auf Grundlage eines städtebaulichen Vertrages nach § 11 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 erfolgen.

Neue Verfahrenspflichten zur Beteiligung der Öffentlichkeit sind mit den Änderungen nicht verbunden.

2.7 Darstellungs- und Festsetzungsmöglichkeiten

2.7.1 Darstellung zentraler Versorgungsbereiche im Flächennutzungsplan (§ 5 Absatz 2 Nummer 2 Buchstabe d)

Bei den vorangegangenen Novellierungen des Baugesetzbuchs ist der „zentrale Versorgungsbereich“ zu einem Schlüsselbegriff einer geordneten städtebaulichen Entwicklung geworden (vgl. § 1 Absatz 6 Nummer 4, § 2 Absatz 2 Satz 2, § 9 Absatz 2a und § 34 Absatz3). Die Erhaltung und Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche ist von herausragender Bedeutung für die Stärkung der Innenentwicklung und Urbanität der Städte. Zentrale Versorgungsbereiche dienen insbesondere der Sicherstellung einer wohnortnahen Versorgung, auf die nicht zuletzt wegen der demografischen Entwicklung immer mehr Menschen angewiesen sind. Die Erhaltung und die Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche soll durch die ausdrücklich erwähnte Darstellungsmöglichkeit in § 5 Absatz 2 Nummer 2 weiter gestärkt werden. Die erhoffte Signalwirkung soll das Bewusstsein in den Gemeinden stärken, sich bereits bei der Pflichtaufgabe Flächennutzungsplanung frühzeitig mit der Festlegung zentraler Versorgungsbereiche auf der Basis entsprechender Konzepte zu befassen.

Die Darstellung zentraler Versorgungsbereiche, beispielsweise unterteilt nach Stadtteilzentren oder Nahversorgungsbereichen, war auch nach bisher geltendem Recht bereits möglich („... im Flächennutzungsplan können insbesondere dargestellt werden ...“). So gibt es bereits praktische Beispiele für entsprechende Darstellungen (vgl. zum Beispiel Planspiel zur Novellierung des Bauplanungsrechts „Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Innenentwicklung in den Städten und Gemeinden und weiteren Fortentwicklung des Städtebaurechts“ - Endbericht, Berlin, November 2012, S. 33 ff.).

Die neue gesetzliche Ermächtigung stellt nunmehr ausdrücklich klar, dass im Flächennutzungsplan auch die Ausstattung des Gemeindegebiets mit zentralen Versorgungsbereichen dargestellt werden kann. Damit soll insbesondere erreicht werden, dass Gemeinden ihren informellen Einzelhandels- und Zentrenkonzepten ein stärkeres rechtliches Gewicht geben und dabei zugleich die Koordinierungs- und Steuerungsfunktion des Flächennutzungsplans nutzen. Die Darstellung ist nicht auf bereits bestehende zentrale Versorgungsbereiche beschränkt, sondern kann entsprechend der Aufgabe des Flächennutzungsplans als vorbereitender Bauleitplan auch die noch zu entwickelnden Zentren erfassen.

Die Darstellung von zentralen Versorgungsbereichen im Flächennutzungsplan hat weiterreichende Bedeutung als ein Einzelhandelskonzept, welches als städtebauliches Entwicklungskonzept bei der Bauleitplanung nach § 1 Absatz 6 Nummer 11 zu berücksichtigen ist. Die Regelung unterstützt Bebauungspläne der Gemeinden, mit denen die planungsrechtlichen Voraussetzungen für zentrale Versorgungsbereiche geschaffen werden, und Bebauungspläne, mit denen im Sinne der sogenannten planerischen Feinsteuerung zur Erhaltung und Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche beigetragen wird. Auch kann die Darstellung zentraler Versorgungsbereiche im Flächennutzungsplan die Prüfung des Vorhandenseins und der Größe von zentralen Versorgungsbereichen unterstützen, vor allem auch bei der Anwendung des § 34 Absatz 3; allerdings sind für die Anwendung des § 34 die Darstellungen des Flächennutzungsplans weiterhin nicht verbindlich.

2.7.2 Steuerung der Ansiedlung von Vergnügungsstätten (§ 9 Absatz 2b)

Hintergrund

Dass Spielhallen und andere Vergnügungsstätten nachteilige städtebauliche Auswirkungen haben können, ist bereits in den 1980er Jahren mit einer schon damals als „Spielhallenflut“ bezeichneten Entwicklung beschrieben worden. Solche Auswirkungen sind grundsätzlich unabhängig von gewerbe- und glücksspielrechtlichen Erwägungen. Es geht hier also nicht um die Abwendung der von Spielhallen ausgehenden Suchtgefahr, die die Länder dazu veranlasst hat, insbesondere in den §§ 24 bis 26 des Glücksspielstaatsvertrags spezielle Regelungen zur Zulässigkeit und zur äußeren Gestaltung von Spielhallen zu vereinbaren und in entsprechenden Ländergesetzen hinsichtlich der Mindestabstände zwischen einzelnen Betrieben zu konkretisieren. Im Land Brandenburg kam diese Möglichkeit im Brandenburgischen Spielhallengesetz (BbgSpielhG) vom 4. April 2013 (GVBl. I Nr. 10) zur Anwendung. Erforderlich für eine bauleitplanerische Steuerung sind stets städtebauliche Gründe. Städtebauliche Auswirkungen, die mit der Ansiedlung von Vergnügungsstätten verbunden sind, können vorrangig sogenannte „trading-down-Effekte“ sein. Damit ist eine nachteilige Veränderung der Attraktivität von Standorten besonders für den Einzelhandel und kleinere Dienstleistungsbetriebe gemeint, was insbesondere dann der Fall sein kann, wenn Spielhallen oder andere Vergnügungsstätten nicht zu den sonst den Standort prägenden Angeboten passen und andere Nutzergruppen ansprechen. Zudem kann sich die Nutzungsstruktur eines Gebietes mit der Ansiedlung von Vergnügungsstätten nachhaltig zulasten der bestehenden Nutzungen mit der Folge verändern, dass es zu einer sukzessiven Verdrängung der ursprünglichen Einzelhandelsbetriebe und kleiner Dienstleistungsbetriebe kommen kann. Von einer Ansiedlung von Vergnügungsstätten in der Nachbarschaft können auch Einrichtungen mit besonderem Schutzbedürfnis nachteilig betroffen sein, wie etwa Kinderbetreuungseinrichtungen. Städtebaulich nachteilige Auswirkungen können auch entstehen, wenn - vorwiegend oder teilweise - dem Wohnen dienende Stadt- und Ortsteile betroffen sind.

Der Gesetzgeber hat bereits mit der BauNVO-Novelle 1990 auf den damals virulenten Steuerungsbedarf hinsichtlich der dynamischen Entwicklung bei Spielhallen reagiert und die Systematik der Zuordnung dieser Nutzungsart in der Gebietstypologie der Baunutzungsverordnung grundlegend umgestellt. Vergnügungsstätten sind danach ausschließlich dann zulässig oder ausnahmsweise zulässig, wenn die entsprechende Baugebietsvorschrift dies ausdrücklich vorsieht. Eine Zulassung als sonstiger Gewerbebetrieb ist auf der Grundlage der BauNVO 1990 nicht mehr möglich. Die Gemeinden können in Baugebieten, die nach der BauNVO 1990 festgesetzt sind, die Ansiedlung von Vergnügungsstätten durch Festsetzungen nach § 1 Absatz 5 ff. BauNVO entsprechend ihren städtebaulichen Vorstellungen steuern.

Neues Steuerungsinstrument im Baugesetzbuch

Der Gesetzgeber hat nun eine Regelung geschaffen, die eine solche, auf die Steuerung von Vergnügungsstätten gerichtete Planung auch im nicht beplanten Innenbe-reich erleichtert. Nach dem Vorbild der Regelung zur Erhaltung und Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche in § 9 Absatz 2a (vgl. hierzu Muster-Einführungserlass zum Gesetz zur Erleichterung von Planungsvorhaben für die Innenentwicklung der Städte) ist nun in § 9 Absatz 2b eine Grundlage geschaffen worden, mit der die Ansiedlung von Vergnügungsstätten, insbesondere von Spielhallen, durch einen einfachen Bebauungsplan (§ 30 Absatz 3) ausgeschlossen oder eingeschränkt werden kann. Die neue Regelung ist dem früheren § 2a des Maßnahmengesetzes zum Baugesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. April 1993 (BGBl. I S. 622) nachgebildet. Danach kann für im Zusammenhang bebaute Ortsteile im Sinne von § 34 Absatz 1 in einem Bebauungsplan festgesetzt werden, dass Vergnügungsstätten oder bestimmte Arten von Vergnügungsstätten zulässig oder nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können. Diese Festsetzungen können auch differenziert für einzelne Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans getroffen werden. Unterstützend kann ein städtebauliches „Vergnügungsstättenkonzept“ hilfreich sein. Zulässig sind Festsetzungen eines „Spielhallenbebauungsplanes“ allerdings nur, soweit damit mindestens einer der in der Vorschrift enumerativ aufgeführten öffentlichen Belange verfolgt wird. Der Zweck einer entsprechenden Festsetzung muss demnach darauf gerichtet sein,

  • eine Beeinträchtigung von Wohnnutzungen oder anderen schutzbedürftigen Anlagen wie Kirchen, Schulen und Kindertagesstätten oder
  • eine Beeinträchtigung der sich aus der vorhandenen Nutzung ergebenden städtebaulichen Funktion des Gebiets, insbesondere durch eine städtebaulich nachteilige Häufung von Vergnügungsstätten,

zu vermeiden. Andere öffentliche Belange, wie zum Beispiel die Verhinderung von Beeinträchtigungen des Straßenbildes, sind demgegenüber alleine nicht tragfähig.

Unter dem städtebaurechtlichen Begriff „Vergnügungsstätte“ sind als Sammelbegriff Gewerbebetriebe besonderer Art zusammengefasst. Unter Vergnügungsstätten - mit einer jeweils vorauszusetzenden standortgebundenen Betriebsstätte - sind gewerbliche Nutzungsarten zu verstehen, die sich in unterschiedlicher Ausprägung unter Ansprache (oder Ausnutzung) des Sexual-, Spiel- und/oder Geselligkeitstriebs einer bestimmten gewinnbringenden „Freizeit“-Unterhaltung widmen (vgl. Fickert/Fieseler, BauNVO, 11. Auflage, § 4a Rdnr. 22). Bedeutung gewinnt der Begriff erst durch seine städtebauliche Relevanz.

Der Begriffstypus „Vergnügungsstätte“ bezeichnet im Wesentlichen fünf Unterarten, nämlich: Nachtlokale jeglicher Art und andere Räumlichkeiten, deren Zweck auf Darstellung mit sexuellem Charakter ausgerichtet ist, Diskotheken, Spiel- und Automatenhallen, Swinger-Clubs sowie entsprechend ausgestattete Wettbüros. Streitig ist vor allem die Ausübung von Prostitution in ihren verschiedenen Formen als Bordelle, bordellartige Betriebe und Wohnungsprostitution in Abgrenzung zu einem Gewerbebetrieb und zu einer Vergnügungsstätte (vgl. hierzu ausführlich die Übersicht in Rechtsprechung und Literatur bei Stühler1).

Bei der Bebauungsplanung ist zu berücksichtigen, dass nach dem Brandenburgischen Spielhallengesetz (BbgSpielhG) vom 4. April 2013 (GVBl. I Nr. 10) bereits Beschränkungen der Zulässigkeit von Spielhallen erfolgt sind. Gemäß § 3 Absatz 1 BbgSpielhG ist zwischen Spielhallen ein Mindestabstand von 500 Metern Luftlinie einzuhalten. Da das Brandenburgische Spielhallengesetz keine Ausnahmeregelungen für die Unterschreitung der oben genannten Mindestabstände beinhaltet, kann im Regelfall von der Anwendung des § 9 Absatz 2a zur Steuerung von Spielhallen abgesehen werden. Es wird jedoch empfohlen, auch die für die Ansiedlung von Spielhallen beabsichtigten Planungen unter Maßgabe des Brandenburgischen Spielhallengesetzes zu überprüfen. Die Anwendung des neuen Steuerungsinstruments des § 9 Absatz 2b auf Vergnügungsstätten, die keine Spielhallen im Sinne des § 1 Absatz 2 BbgSpielhG in Verbindung mit § 33c Absatz 1 Satz 1 der Gewerbeordnung (GewO) beziehungsweise § 33d Absatz 1 Satz 1 GewO sind, wird empfohlen, sobald die oben genannten öffentlichen Belange betroffen sind.

Abweichend vom damaligen § 2a des Maßnahmengesetzes zum Baugesetzbuch kann ein Bebauungsplan nach § 9 Absatz 2b nicht nur für Gebiete nach § 34 Absatz 1, sondern auch für Gebiete nach § 34 Absatz 2 aufgestellt werden. Von der neuen Festsetzungsmöglichkeit kann in Gebieten mit qualifiziertem Bebauungsplan kein Gebrauch gemacht werden. Dies ist immer dann von Bedeutung, wenn sich das Erfordernis zur planerischen Steuerung der Zulässigkeit von Vergnügungsstätten nicht nur auf den im Zusammenhang bebauten Ortsteil, sondern auch auf Gebiete mit Bebauungsplan erstreckt, welche auch eingestreut in einem ansonsten ungeplanten Gebiet liegen können. Bei in Bebauungsplänen festgesetzten Baugebieten ist eine Änderung der bestehenden Bebauungspläne auf der Grundlage von § 1 Absatz 5 und 9 BauNVO erforderlich. In der Praxis können die rechtlich selbstständigen Änderungsverfahren und Verfahren zur Aufstellung von Bebauungsplänen nach § 9 Absatz 2b allerdings parallel vorgenommen werden.

Vereinfachtes Verfahren (§ 13)

Eine entsprechende Ergänzung in § 13 Absatz 1 Satz 1 stellt klar, dass die Aufstellung eines einfachen Bebauungsplans zur Steuerung von Vergnügungsstätten auch im vereinfachten Verfahren möglich ist.

2.8 Unbeachtlichkeit von Fehlern im beschleunigten Verfahren

Mit Urteil vom 18. April 2013 (Rs. C 463/11) hat der Europäische Gerichtshof die vom Vorlagegericht vertretene Auslegung der Unbeachtlichkeitsregelung des § 214 Absatz 2a Nummer 1 für mit der Plan-UP-Richtlinie unvereinbar erklärt. In Reaktion auf dieses Urteil wurde die Vorschrift aufgehoben.

Damit sind Verstöße gegen die Voraussetzung des § 13a Absatz 1 Satz 1, dass der Bebauungsplan für die Wiedernutzbarmachung von Flächen, die Nachverdichtung oder andere Maßnahmen der Innenentwicklung aufgestellt wird, dauerhaft beachtlich. Auf Nummer 2.1 des Muster-Einführungserlasses zum Gesetz zur Erleichterung von Planungsvorhaben für die Innenentwicklung der Städte wird hingewiesen.

2.9 Erweiterung der Zurückstellungsmöglichkeit (§ 15 Absatz 3)

Der an § 15 Absatz 3 angefügte Satz 4 ermöglicht, die Entscheidung über ein Baugesuch für ein Vorhaben nach § 35 Absatz 1 Nummer 2 bis 6 um ein weiteres Jahr auszusetzen, wenn hierfür besondere Umstände vorliegen. Als solche Umstände können insbesondere in Betracht kommen:

(1) Gutachten zu Umweltauswirkungen sind nicht abgeschlossen.

Beispiel: Der für naturschutzfachliche Untersuchungen notwendige Zeitraum erfasst bestimmte oder sämtliche Monate eines Kalenderjahres zusammenhängend, etwa vom Februar bis November eines Kalenderjahres.

(2) Stellungnahmen beteiligter Behörden liegen wegen erforderlicher, insbesondere auch rechtlicher Maßnahmen noch nicht vor.

Beispiel: Die Ergebnisse der Ermittlung und Überprüfung der sogenannten harten Tabuzonen durch die Gemeinde (§ 35 Absatz 3 Satz 3), die aus rechtlichen (fachgesetzlichen) Gründen für die Errichtung und den Betrieb von Windenergieanlagen nicht in Betracht kommen, stehen noch aus; sie erfordern die Mitwirkung der beteiligten Behörden. Dabei kann bedeutsam sein, dass die zuständigen Behörden für die Erteilung von Ausnahmen und Befreiungen oder auch für die Änderung von Vorschriften des Fachrechts (zum Beispiel Änderung der Rechtsverordnung über ein Landschaftsschutzgebiet) noch Zeit benötigen.

(3) Die Öffentlichkeitsbeteiligung nach § 3 Absatz 2 und § 4a Absatz 3 (erneute öffentliche Auslegung) und deren Auswertung sind noch nicht abgeschlossen.

(4) Die interkommunale Zusammenarbeit nach § 2 Absatz 2 erfordert eine umfangreichere Abstimmung und damit einen erhöhten Zeitaufwand.

Beispiel: Bei der Aufstellung von interkommunalen Teilflächennutzungsplänen zur Steuerung der Errichtung von Windkraftanlagen müssen neben den Abstimmungen in den einzelnen Gemeinden auch noch zusätzliche Abstimmungen auf interkommunaler Ebene stattfinden. Schon aufgrund der unterschiedlichen Sitzungstermine der einzelnen Gemeinden kommt es zu zeitlichen Verzögerungen.

Die Zurückstellung durch die Genehmigungsbehörde um ein weiteres Jahr setzt einen Antrag der Gemeinde voraus, da die Zurückstellung durch die Genehmigungsbehörde nicht automatisch geschieht. Die Gemeinde als die zur Flächennutzungsplanung verpflichtete Stelle hat auch die Kenntnis über die besonderen Umstände, die die Zurückstellung über den zunächst bis zu einem Jahr bestimmten Zeitraum rechtfertigen.

Der Antrag nach Satz 4 sollte im Blick auf die anstehende Entscheidung über die Genehmigung der betreffenden Vorhaben so rechtzeitig gestellt werden, dass sich die Zurückstellung um einen weiteren Zeitraum unmittelbar an den Ablauf der ersten Zurückstellung anschließt. Die übliche Bearbeitungszeit bei der Genehmigungsbehörde ist dabei zu berücksichtigen. Die Gemeinde legt bei der Antragstellung die besonderen Umstände für die Verlängerung dar.

2.10 Städtebauliche Verträge

2.10.1 Neuregelung des Erschließungsvertrags

Allgemeines

Mit Urteil vom 1. Dezember 2010 (Az. 9 C 8.09) hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass § 124 den Abschluss von Erschließungsverträgen mit Eigengesellschaften nicht gestattet. Darüber hinaus sind durch das Urteil Unsicherheiten im Hinblick auf das Verhältnis von § 124 zu § 11 und die Zulässigkeit des Abschlusses von Folgekostenverträgen bei Erschließungsmaßnahmen entstanden. Mit der Novelle von 2013 werden Verträge über die Erschließung durch eine entsprechende Ergänzung des § 11 ausdrücklich den Regelungen über städtebauliche Verträge zugeordnet. § 124 enthält nur noch die bisher in § 124 Absatz 3 Satz 2 enthaltene Regelung zur Erschließungspflicht nach abgelehntem Vertragsangebot. Zudem ist die Überleitungsregelung des § 242 Absatz 8 angepasst worden. Die Neuregelungen sind bereits am 21. Juni 2013 in Kraft getreten.

§ 11 Städtebaulicher Vertrag

In § 11 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 wird geregelt, dass zu den städtebaulichen Maßnahmen, über deren Vorbereitung und Durchführung städtebauliche Verträge geschlossen werden können, auch die Erschließung durch nach Bundes- oder Landesrecht beitragsfähige oder nicht beitragsfähige Erschließungsanlagen gehört (vgl. § 124 Absatz 2 Satz 1 a. F.). Wie bei sonstigen Verträgen über städtebauliche Maßnahmen (vgl. Krautzberger in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB Stand 107. EL Jan. 2013, § 11 Rn. 111) kann vereinbart werden, dass der Vertragspartner die Maßnahmen ganz oder teilweise auf eigene Kosten durchführt (vgl. § 124 Absatz 2 Satz 2 a. F.). Das sich bislang aus § 124 Absatz 4 für Erschließungsverträge ergebende Schriftformerfordernis folgt nunmehr aus dem für alle städtebaulichen Verträge geltenden § 11 Absatz 3.

Mit der ausdrücklichen Zuordnung von Erschließungsmaßnahmen zu den städtebaulichen Maßnahmen in § 11 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 wird mittelbar zugleich geregelt, dass nach § 11 Absatz 1 Satz 2 Nummer 3 Folgekostenverträge über die Erschließung geschlossen werden können. Denn der Begriff der städtebaulichen Maßnahme ist in beiden Regelungen im gleichen Sinne zu verstehen.

In dem neuen § 11 Absatz 1 Satz 3 wird ausdrücklich geregelt, dass städtebauliche Verträge auch mit juristischen Personen geschlossen werden können, an denen die Gemeinde beteiligt ist. Damit ist insbesondere für Verträge über die Erschließung klargestellt, dass Gemeinden diese auch mit Eigengesellschaften abschließen können.

In § 11 Absatz 2 Satz 3 ist vorgesehen, dass eine Eigenbeteiligung der Gemeinde nicht erforderlich ist, wenn der Vertragspartner Kosten oder sonstige Aufwendungen trägt oder übernimmt (vgl. § 124 Absatz 2 Satz 3 a. F.). Bei Anwendung der Vorschrift ist das Angemessenheitsgebot des § 11 Absatz 2 Satz 1 zu beachten. Danach müssen die vereinbarten Leistungen „den gesamten Umständen nach“ angemessen sein (vgl. § 124 Absatz 3 Satz 1 a. F.). Dies bedeutet nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass die vereinbarten Leistungen im Verhältnis zum Vertragszweck und im Verhältnis untereinander ausgewogen sein müssen, wobei eine wirtschaftliche Betrachtungsweise des Gesamtvorgangs geboten ist (vgl. BVerwG, 10. August 2011 - 9 C 6.10). Aus § 56 Absatz 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) folgt zudem, dass die Leistungen in sachlichem Zusammenhang stehen müssen (vgl. § 124 Absatz 3 Satz 1 a. F.).

§ 124 Erschließungspflicht nach abgelehntem Vertragsangebot

Der neue § 124 übernimmt den Regelungsgehalt des §124 Absatz 3 Satz 2 a. F. Danach ist die Gemeinde verpflichtet, die Erschließung durchzuführen, wenn die Gemeinde einen qualifizierten Bebauungsplan (§ 30 Absatz 1) aufgestellt hat und das zumutbare Angebot zum Abschluss eines städtebaulichen Vertrags über die Erschließung ablehnt.

Durch Änderung des § 242 Absatz 8 wird für Verträge, die vor dem 1. Mai 1993 abgeschlossen worden sind, angeordnet, dass § 124 Absatz 2 Satz 2 in der bis zum 21.Juni 2013 geltenden Fassung weiter anzuwenden ist.

2.10.2 Baukulturelle Belange als Gegenstand städtebaulicher Verträge

In § 11 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 wird ausdrücklich hervorgehoben, dass städtebauliche Verträge auch über die Berücksichtigung baukultureller Belange geschlossen werden können. Damit kann unter anderem die Durchsetzung solcher städtebaulicher und stadtgestalterischer Anliegen erreicht werden, die durch den abschließenden Festsetzungskatalog des § 9 einschließlich der nach § 9 Absatz 4 auf Landesrecht beruhenden (Gestaltungs-)Festsetzungen nicht hinreichend verbindlich gemacht werden können.

2.11 Ausübung des Vorkaufsrechts zugunsten Dritter (§ 27a)

In § 27a ist Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 sowie Absatz 3 Satz 2 geändert worden. Dabei ist in Absatz 1 Nummer1 die bisher bestehende Einschränkung der Zweckbestimmung des gemeindlichen Vorkaufsrechts zugunsten Dritter auf wohnungspolitische Zwecke entfallen, sodass grundsätzlich die Ausübung des Vorkaufsrechts in allen Fällen, in denen nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs ein Vorkaufsrecht der Gemeinde besteht, zugunsten eines Dritten erfolgen kann. Ein verwaltungstechnisch und fiskalisch aufwendiger Durchgangserwerb der Gemeinde kann damit vermieden werden. Die Änderung in Absatz 3 Satz 2 trägt der Änderung in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 durch einen weiter gefassten Anwendungsbereich Rechnung (Folgeänderung).

3 Zulässigkeit von Vorhaben

3.1 Befreiungen aus Gründen des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden (§ 31 Absatz2 Nummer 1)

Es obliegt der Prüfung im jeweiligen Einzelfall, ob eine Ausnahme oder Befreiung in Betracht kommt. Dabei wird es in der Regel auf das zulässige Nutzungsspektrum und die spezifische Zweckbestimmung des Baugebiets sowie auf die geplante Kapazität der Flüchtlingsunterkunft im Verhältnis zu dem baulichen Kontext entscheidend ankommen. Klarstellend ergänzt der Bundesgesetzgeber § 31 Absatz 2 Nummer 1 BauGB insofern, dass die Gründe des Wohls der Allgemeinheit sich auch auf den Bedarf der Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbegehrenden erstrecken.

Wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Grundzüge der Planung berührt werden, liegt es nahe, einen bestehenden Bebauungsplan zu ändern beziehungsweise einen neuen Bebauungsplan aufzustellen. Auch von den Festsetzungen eines in Aufstellung befindlichen Bebauungsplans kann unter den Voraussetzungen des § 31 Absatz 2 BauGB befreit werden.

3.2 Abweichungen vom Erfordernis des Einfügens bei Wohnzwecken dienenden Anlagen (§ 34 Absatz 3a)

§ 34 Absatz 3a Satz 1 Nummer 1 erfasst nunmehr neben der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs und der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung einer zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden baulichen Anlage auch die Nutzungsänderung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs in ein Wohngebäude.

Damit wird der Anwendungsbereich der Vorschrift entsprechend erweitert und dem Gedanken der Stärkung der Innenentwicklung Rechnung getragen. Durch Ermessensentscheidung ermöglicht die Neuregelung zusätzliche bauliche Maßnahmen in vorhandenen in der Regel gewachsenen Gemengelagen und ermöglicht so eine behutsame (Innen-)Entwicklung unter Verzicht auf ein Bebauungsplanverfahren. Insbesondere soll die Nutzungsänderung eines Gewerbe- oder Handwerksbetriebs zu Wohnzwecken mit erfasst werden. Lediglich der umgekehrte Fall einer Nutzungsänderung, also einer Änderung der Wohnnutzung in eine Gewerbe- beziehungsweise Handwerksnutzung, soll auch weiter nicht von der Vorschrift des § 34 Absatz 3a erfasst sein. Die Regelung ist ebenso wie die bisherige nur dann von Bedeutung, wenn das Einfügungsgebot des § 34 Absatz1 nicht erfüllt ist, da anderenfalls das Vorhaben bereits nach § 34 Absatz 1 zulässig ist. Der Rahmen für eine mögliche Erweiterung wird durch das Kriterium des „Dienens“ gefasst. Um Konflikte in Gemengelagen zu lösen, gelten wie bislang auch alle weiteren Voraussetzungen des § 34 Absatz 3a Satz 1 Nummer 2 und 3, also die städtebauliche Vertretbarkeit und die Vereinbarkeit mit öffentlichen Interessen auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen. Dabei ist die Bewertung der „städtebaulichen Vertretbarkeit“ an den Vorschriften des § 1 Absatz 6 und 7 sowie am Trennungsgrundsatz des §50 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) zu messen. Bei der Würdigung nachbarlicher Interessen sind insbesondere die Interessen bereits bestehender Gewerbe- und Handwerksbetriebe zu beachten und zu prüfen, inwiefern unter dem Gesichtspunkt der Beachtung des Rücksichtnahmegebots nach §15 BauNVO Abwehrrechte gegen eine heranrückende Wohnbebauung entstehen könnten. Rechtsfolge des § 34 Absatz 3a bleibt, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen ein Vorhaben im Einzelfall unter ordnungsgemäßer Ermessensausübung zugelassen werden kann.

Abweichung vom Erfordernis des Einfügens bei Umnutzung von Geschäfts-, Büro- oder Verwaltungsgebäuden in bauliche Anlagen, die der Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden dienen

Gemäß § 246 Absatz 8 BauGB kann, befristet bis zum 31. Dezember 2019, von dem Erfordernis des Einfügens abgewichen werden, wenn zulässigerweise errichtete Geschäfts-, Büro- oder Verwaltungsgebäude in bauliche Anlagen umgenutzt werden sollen, die der Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden dienen. Selbiges gilt für deren Erweiterung, Änderung oder Erneuerung. Zu beachten bei der Anwendung des § 34 Absatz 3a in Verbindung mit § 246 Absatz 8 BauGB ist, dass die Voraussetzungen des § 34 Absatz 3a Nummer 1 bis 3 BauGB weiterhin kumulativ vorliegen müssen.

3.3 Ausnahmen und Befreiungen bei Innenbereichssatzungen (§ 34 Absatz 5)

Aufgrund der Änderung des § 34 Absatz 5 Satz 3 ist auch § 31 auf Satzungen nach § 34 Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 entsprechend anwendbar. Daher können auch von den Festsetzungen von sogenannten Entwicklungs- sowie Einbeziehungs- oder Ergänzungssatzungen Ausnahmen oder Befreiungen nach § 31 zugelassen werden. Soweit es sich um faktische Baugebiete nach § 34 Absatz 2 handelt, bei denen sich die Zulässigkeit eines Vorhabens nach seiner Art allein danach richtet, ob es nach der Baunutzungsverordnung in dem jeweiligen Baugebiet zulässig wäre, ergibt sich die Möglichkeit der Zulassung von Ausnahmen und Befreiungen unmittelbar aus § 34 Absatz 2 Halbsatz 2. Ein Rückgriff auf § 34 Absatz 5 Satz 3 ist nur möglich und erforderlich, wenn die Satzung ergänzende Festsetzungen zur Zulässigkeit enthält, von denen abgewichen werden soll. Die Regelung ist auf Klarstellungssatzungen nach § 34 Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 nicht anwendbar, da diese Satzungen nach § 34 Absatz 5 Satz 2 keine ergänzenden Festsetzungen enthalten dürfen.

3.4 Einschränkung der Privilegierung bei gewerblichen Tierhaltungsanlagen

3.4.1 Allgemeines

Gewerbliche Tierhaltungsanlagen sind nur noch gemäß § 35 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 im Außenbereich zulässig, sofern sie nicht einer standortbezogenen oder allgemeinen Vorprüfung oder einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz (UVPG) unterliegen. Für die Frage der Privilegierung kommt es maßgeblich auf die „unterste Schwelle“ der Nummer 7 des Anhangs 1 UVPG und die dort genannten Tierbestandszahlen an (siehe Anlage).

Nicht privilegiert sind Vorhaben zur: „Errichtung, Änderung oder Erweiterung einer baulichen Anlage zur Tierhaltung, die dem Anwendungsbereich der Nummer1 nicht unterfällt und die einer Pflicht zur Durchführung einer standortbezogenen oder allgemeinen Vorprüfung oder einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung unterliegt, wobei bei kumulierenden Vorhaben für die Annahme eines engen Zusammenhangs diejenigen Tierhaltungsanlagen zu berücksichtigen sind, die auf demselben Betriebs- oder Baugelände liegen und mit gemeinsamen betrieblichen oder baulichen Einrichtungen verbunden sind“.

Es wird darauf hingewiesen, dass die Gemeinden bereits durch bisher geltendes Recht verschiedene Möglichkeiten zur Steuerung von Anlagen der Intensivtierhaltung hatten und haben. Deren konsequente Anwendung kann auf Ebene des Flächennutzungsplans Konzentrationszonen mit Wirkungen im Sinne von § 35 Absatz 1 Satz 3 für Vorhaben der gewerblichen Tierhaltung (§ 35 Absatz 1 Nummer 4) darstellen sowie im Rahmen der verbindlichen Bebauungsplanung entsprechende Sondergebiete zur Steuerung von Tierhaltungsanlagen - sowohl landwirtschaftlicher als auch gewerblicher Natur - festsetzen. Zur Vermeidung des Entstehens von Konflikten zwischen Entwicklungsmöglichkeiten der Gemeinde und landwirtschaftlichen beziehungsweise gewerblichen Tierhaltungsanlagen im Außenbereich werden die Gemeinden auch weiterhin angehalten die in § 2 Absatz1 verankerte Pflicht zur Aufstellung der Bauleitpläne wahrzunehmen.

Die bauplanungsrechtliche Prüfung hat sich auf das „Vorhaben“ im Sinne von § 29 Satz 1 zu beziehen. Dabei kann es sich um die Errichtung, Änderung oder Erweiterung einer baulichen Anlage handeln. Die Errichtung bedeutet die Herstellung einer Tierhaltungsanlage. Dazu gehört auch die Neuerrichtung einer Tierhaltungsanlage unter Beseitigung einer vorhandenen. Unter Änderung ist die Umgestaltung der baulichen Substanz einer baulichen Anlage zu sehen, unabhängig davon, ob die Umgestaltung die äußere oder innere Gestalt des Gebäudes betrifft. Erweiterungen sind bauliche Maßnahmen, die den vorhandenen Bestand ergänzen (insoweit kann man auch von quantitativer Änderung sprechen). Maßgeblich ist, dass die bauliche Anlage in städtebaulich relevanter Weise baulich umgestaltet wird.

Von der Neuregelung nicht erfasst ist eine reine Nutzungsänderung. Allgemein ist unter Nutzungsänderung eine Änderung der Nutzungsweise zu verstehen, durch die der Anlage eine von der bisherigen Nutzung abweichende Zweckbestimmung gegeben, das heißt die ihr bisher zugewiesene Funktion in rechtserheblicher Weise geändert wird. Wenn diese Nutzungsänderung von einer Änderung der Bausubstanz begleitet ist, handelt es sich zugleich um eine (bauliche) Änderung, die von der Beschränkung des Privilegierungstatbestandes erfasst wird. Nutzungsänderungen, die nicht mit einer baulichen Änderung verbunden sind, werden von der Beschränkung des Privilegierungstatbestandes jedoch nicht erfasst. Insbesondere wird ein bloßer Wechsel von der landwirtschaftlichen zur gewerblichen Tierhaltung, ohne dass bauliche Maßnahmen vorgenommen werden (zum Beispiel aufgrund der Verpachtung landwirtschaftlicher Nutzfläche), nicht von der Neuregelung in §35 Absatz 1 Nummer 4 erfasst.

Wenn ein Wechsel der Tierart (zum Beispiel Wechsel von Hennenhaltung auf Haltung von Mastschweinen) mit umfassenden baulichen Änderungen der Anlage verbunden ist, handelt es sich um keine bloße Nutzungsänderung, sondern um eine bauliche Änderung, die von der Neuregelung erfasst ist. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn durch die Haltung einer anderen Tierart nachteilige Auswirkungen auf die in § 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) genannten Schutzgüter hervorgerufen werden können (zum Beispiel höhere oder andere Emissionen/Immissionen) und diese höheren oder anderen Emissionen/Immissionen durch die verfahrensführende Genehmigungsbehörde festgestellt worden sind. Wenn ein Wechsel der Tierart beabsichtigt ist, der lediglich der baulichen Betriebsanpassung bedarf, die äußere Gestalt der baulichen Anlage von der Anpassung unberührt bleibt und von der Anpassung nicht die Verpflichtung zur Durchführung einer UVP ausgelöst wird, kann es sich im Einzelfall um ein nach § 35 Absatz 2 genehmigungsfähiges Vorhaben handeln.

Es ist davon auszugehen, dass Reparatur- und Instandsetzungsarbeiten keine Änderung im Sinne des § 29 Absatz 1 und damit auch nicht im Sinne des § 35 Absatz 1 Nummer 4 sind, wenn sie nur die weitere Nutzung des Bestandes in der bisherigen Weise ermöglichen und vom Bestandsschutz gedeckt sind (vgl. Krautzberger in Ernst/ Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB Stand 107.EL Jan. 2013, § 29 Rn. 39). Als Reparaturen werden Maßnahmen betrachtet, die den Bestand eines Gebäudes durch Beseitigung von Mängeln unter Wahrung seines bisherigen Nutzungszwecks unverändert erhalten. Sie umfassen Arbeiten, die dem Verfall einer Anlage entgegenwirken, ohne deren Identität zu verändern. Die Abgrenzung zur Änderung ergibt sich damit aus dem Zweck der baulichen Maßnahme im Einzelfall, aber (zusätzlich) auch aus dem Umfang der beabsichtigten Bauarbeiten. Bauliche Änderungen sind nur dann als unwesentlich anzusehen, wenn sie auf eine Erhaltung des Bestands des Gebäudes und auf die Wahrung seines bisherigen Nutzungszwecks gerichtet sind. Sie dürfen, um noch als unwesentlich zu gelten, nicht von solchem Umfang und solcher Qualität sein, dass sie die Genehmigungsfrage neu aufwerfen (vgl. BVerwG, 10.10.2005 - 4 B 60/05). Ob eine Maßnahme, die aufgrund von nachträglichen Anordnungen beziehungsweise gesetzlichen Änderungen getroffen werden soll, entsprechend der zu Reparatur- und Instandsetzungsarbeiten dargestellten Wertung zu beurteilen ist, bedarf der Prüfung des Einzelfalls.

Für die Beurteilung der Frage, ob es sich bei der Errichtung, Änderung oder Erweiterung einer baulichen Anlage zur Tierhaltung um ein Vorhaben handelt, das einer Pflicht zur Durchführung einer standortbezogenen oder allgemeinen Vorprüfung oder einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterliegt, sind die Bestimmungen der §§3b ff. in Verbindung mit Anlagen 1 und 2 UVPG maßgeblich2.

Anlagen zur Tierhaltung im Sinne von § 35 Absatz 1 Nummer 4 sind Anlagen zur Intensivhaltung oder -aufzucht im Sinne der Anlage 1 zum UVPG.

Gemäß §§ 3b ff. UVPG ist eine UVP-Pflicht beziehungsweise eine Vorprüfung des Einzelfalls für unterschiedliche Fallgruppen vorgesehen. Zu unterscheiden sind:

  1. Neuvorhaben gemäß § 3b Absatz 1 und § 3c Satz 1 bis 4 UVPG,
  2. kumulierende Vorhaben gemäß § 3b Absatz 2 Satz 1 und 2 und § 3c Satz 5,
  3. Änderungen oder Erweiterungen bisher nicht UVP-pflichtiger Vorhaben gemäß § 3b Absatz 3 und § 3c Satz 5 UVPG und Änderungen oder Erweiterungen UVP-pflichtiger Vorhaben gemäß § 3e Absatz 1 UVPG.

3.4.2 Neubau einer baulichen Anlage zur Tierhaltung (§ 3b Absatz 1 und § 3c Satz 1 bis 4 UVPG)

Die Änderung des § 35 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 enthält einschränkende Vorgaben für die Privilegierung gewerblicher Tierhaltungsanlagen. Die Regelung greift immer dann, wenn durch die (erstmalige) Errichtung einer baulichen Anlage zur Tierhaltung im Sinne der Nummer 4 die Größenwerte für obligatorisch UVP-pflichtige Vorhaben (sogenannte „X-Vorhaben“) oder

Beispiele: Die Errichtung einer baulichen Anlage zur Intensivhaltung von 14 999 Hennen ist vom Privilegierungstatbestand erfasst, da der Schwellenwert in Nummer 7.1.3 der Anlage 1 zum UVPG nicht erreicht wird.

Die Errichtung einer baulichen Anlage zur Intensivhaltung oder -aufzucht von 501 Kälbern ist nicht mehr vom Privilegierungstatbestand erfasst und kann im Außenbereich nur nach einer entsprechenden Bauleitplanung der Gemeinde verwirklicht werden, da der Schwellenwert in Nummer 7.6.2 der Anlage 1 zum UVPG überschritten wird.

Bei gemischten Beständen muss das Erreichen der Schwellenwerte rechnerisch ermittelt werden. Die vorhandenen beziehungsweise die geplanten Tierplatzzahlen der jeweiligen Tierart werden durch die Schwellenwerte dividiert und in Prozentzahlen umgerechnet. Ist die Summe der Prozentzahlen mindestens 100 oder höher, wird die Grenze der UVP-Pflichtigkeit erreicht.

Beispiel:
(Anlage zur Intensivtierhaltung oder -aufzucht von Tieren in gemischten Beständen, Nummer 7.1.3)

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 3.4.3 Kumulierende Vorhaben

Die Verpflichtung zur Durchführung einer UVP beziehungsweise einer UVP-Vorprüfung kann auch bei kumulierenden Vorhaben bestehen. Kumulierende Vorhaben sind Vorhaben derselben Art, die gleichzeitig von demselben oder mehreren Trägern verwirklicht werden sollen und in einem engen Zusammenhang stehen (§ 3b Absatz 2 Satz 1 UVPG; bei Vorprüfungsvorhaben: in Verbindung mit § 3c Satz 5 UVPG).

Liegen die Kumulierungsvoraussetzungen vor (siehe Nummer 3.4.2), sind die Größen- oder Leistungswerte beziehungsweise die Prüfwerte der kumulierenden Vorhaben zu addieren und festzustellen, ob die Größen- oder Leistungswerte beziehungsweise Prüfwerte der Anlage 1 zum UVPG erreicht oder überschritten werden.

Für die Annahme eines engen Zusammenhangs sind bei kumulierenden Vorhaben diejenigen Tierhaltungsanlagen zu berücksichtigen, die auf demselben Betriebs- oder Baugelände liegen und mit gemeinsamen betrieblichen oder baulichen Einrichtungen verbunden sind (§35 Absatz 1 Nummer 4 letzter Halbsatz, der den Regelungsgehalt des § 3b Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 UVPG aus Klarstellungsgründen wiederholt).

3.4.4 Änderungen oder Erweiterungen bisher nicht UVP-pflichtiger Vorhaben und UVP-vorprüfungspflichtiger Vorhaben

Änderungen oder Erweiterungen bestehender Vorhaben können gemäß § 3b Absatz 3 beziehungsweise § 3e Absatz 1 UVPG UVP- beziehungsweise UVP-vorprüfungspflichtig sein. § 3b Absatz 3 UVPG regelt dabei den Fall, dass die maßgebenden Größen- und Leistungswerte durch die Erweiterung eines bestehenden (nicht UVP-pflichtigen) Vorhabens erstmals erreicht oder überschritten werden. Das Vorhaben wächst sozusagen in die UVP-Pflicht hinein.

Beispiel 1: Bislang wurden in einer nicht UVP-vorprüfungspflichtigen Anlage 12 000 Hennen gehalten. Künftig sollen durch bauliche Änderungen in der Anlage stattdessen mehr als 3 000 Mastschweine gehalten werden (zwingend UVP-pflichtiges Vorhaben nach § 3b Absatz 3 in Verbindung mit Anlage 1 Nummer 7.7.1 UVPG). Das Vorhaben ist vom Privilegierungstatbestand des § 35 Absatz 1 Nummer 4 BauGB nicht erfasst.

Nach § 3c Satz 5 in Verbindung mit § 3b Absatz 3 UVPG gilt Entsprechendes beim Erreichen der Prüfwerte für eine UVP-Vorprüfung. Demgegenüber setzt § 3e Absatz 1 UVPG voraus, dass bereits ein UVP-pflichtiges Vorhaben vorliegt, das geändert oder erweitert werden soll. Nach § 3e Absatz 1 Nummer 2 UVPG sind alle Änderungen und Erweiterungen UVP-pflichtiger Vorhaben zumindest UVP-vorprüfungspflichtig (unabhängig vom Umfang der Änderung), so dass in diesen Fällen die Neuregelung des § 35 Absatz 1 Nummer 4 Halbsatz 2 greift. Der Ausschluss der Privilegierung ist demnach auch dann gegeben, wenn eine Vorprüfung ergeben würde, dass UVP-Belange nicht erheblich beeinträchtigt sind.

Beispiel 2: Die bestehende Anlage zur Intensivhaltung von Hennen war bereits UVP-pflichtig, weil sie mehr als 60 000 Plätze umfasst (vgl. Anlage 1 Nummer 7.1.1 UVPG). Werden durch eine Erweiterung 1 000 weitere Plätze für Hennen geschaffen, so ist dieses Vorhaben nach § 3e Absatz 1 Nummer 2 UVPG UVP-vorprüfungspflichtig und somit nicht vom Privilegierungstatbestand des § 35 Absatz 1 Nummer 4 erfasst.

3.5 Biomasseanlagen (§ 35 Absatz 1 Nummer 6 Buchstabe d)

Die Neufassung des § 35 Absatz 1 Nummer 6 Buchstabe d regelt, dass die Stromerzeugung aus Biogas nicht mehr an die Beschränkung von 2 Megawatt (MW) Feuerungswärmeleistung gebunden ist. Die für die bauliche Inanspruchnahme des Außenbereichs entscheidende Begrenzung der jährlichen Biogas-Erzeugungskapazität von 2,3 Millionen Normkubikmeter - über die sich maßgeblich die Kubatur der das Landschaftsbild prägenden baulichen Anlagen regelt - gilt jedoch fort. Die Änderung dient dazu, einen flexibleren Anlagenbetrieb für eine bedarfsorientiertere Stromerzeugung insbesondere zum Ausgleich stark schwankender (fluktuierender) Stromerzeugung aus Windkraft und Photovoltaik zu ermöglichen. Es soll damit bei stromerzeugenden Biogasanlagen zeitweise eine höhere Stromerzeugung ermöglicht werden, indem die Gesamtfeuerungsleistung der Biogas nutzenden Energieerzeugungsanlagen, zum Beispiel durch vollständige Ausnutzung des Leistungspotenzials des betriebenen Blockheizkraftwerkes oder durch den Einsatz eines weiteren Blockheizkraftwerkes am Standort der Biogasanlage, erhöht wird, ohne dass die Anlage insgesamt mehr Biogas erzeugt. Es gibt somit keine Beschränkung der Feuerungswärmeleistung.

Hierzu sieht § 35 Absatz 1 Nummer 6 Buchstabe d vor, dass für alle Anlagen zur energetischen Nutzung von Biogas - sowohl solche, die Biogas zur Aufbereitung und Einspeisung in das Erdgasnetz, als auch solche, die Biogas direkt zur Stromerzeugung, zum Beispiel in einem Blockheizkraftwerk (BHKW), erzeugen - ausschließlich der Grenzwert der Biogaserzeugungskapazität von 2,3 Millionen Normkubikmeter gilt. Andere Anlagen im Sinne des § 35 Absatz 1 Nummer 6 Buchstabe d sind nur solche, die zur energetischen Verwertung von Biomasse kein Biogas erzeugen, sondern alle sonstigen mit Biomasse beschickten Feuerungsanlagen (zum Beispiel Holzverbrennungsanlagen). Für diese Anlagen gilt weiterhin die Grenze von 2 MW Feuerungswärmeleistung.

Unverändert bleiben die sonstigen Anforderungen des § 35 Absatz 1 Nummer 6. Insbesondere darf pro Hofstelle oder Betriebsstandort nur eine Biomasseanlage betrieben werden (§ 35 Absatz 1 Nummer 6 Buchstabe c).

Die Änderungen im § 35 Absatz 1 Nummer 4 können sich auch auf die Zulässigkeit von Biomasseanlagen auswirken. Bei Wegfall des Privilegierungstatbestands eines gewerblichen Tierhaltungsbetriebes entfällt auch die Privilegierung für die Biomasseanlage.

3.6 Begünstigung der Neuerrichtung von ehemals landwirtschaftlich genutzten Gebäuden (§ 35 Absatz 4 Satz 1)

Der in § 35 Absatz 4 eingefügte Satz 2 begünstigt unter bestimmten Voraussetzungen die Neuerrichtung ehemals land- oder forstwirtschaftlich genutzter Gebäude (§ 35 Absatz 1 Nummer 1), denen eine neue Nutzung zugewiesen werden soll. Auch für diese Vorhaben gilt die Rechtsfolge des § 35 Absatz 4 Satz 1, wonach ihnen ein Widerspruch zu Darstellungen im Flächennutzungsplan, die Beeinträchtigung der natürlichen Eigenart der Landschaft und/oder die Befürchtung der Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung nicht entgegengehalten werden kann. Der Anwendungsvorrang der Vorschriften in § 35 Absatz 1 Nummer2 ff. bleibt indes bestehen.

Die Regelung zielt als Ausnahmevorschrift auf bestimmte Fallkonstellationen und kommt nur in begründeten Einzelfällen zur Anwendung. Hier kommen nach der Gesetzessystematik jedoch nur städtebauliche (keine persönlichen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen oder andere) Gründe in Betracht. Beispiele für Fälle, in denen die zur Verfügung stehenden bisherigen Instrumente des § 35 Absatz 4 nicht ausgereicht hätten, erhaltenswerte Gebäude im Außenbereich erfolgreich zu erhalten oder anderweitig zu nutzen, sind im Land Brandenburg nicht bekannt. Auch bleibt die juristische Auslegung des unbestimmten Rechtbegriffs des „begründeten Einzelfalls“ abzuwarten. Vor diesem Hintergrund sind die einzelnen folgenden Tatbestandsmerkmale restriktiv zu interpretieren.

  1. Das vorhandene ursprüngliche Gebäude ist vom äußeren Erscheinungsbild auch zur Wahrung der Kulturlandschaft erhaltenswert. Das bloß wirtschaftliche Interesse des Vorhabenträgers an der Neuerrichtung des Gebäudes ist insoweit nicht ausreichend. Mit „äußerem Erscheinungsbild“ ist nur die äußere Gestalt des Gebäudes gemeint.
  2. Das ursprüngliche Gebäude besitzt entgegen dem äußeren Anschein keine erhaltenswerte Bausubstanz mehr (zum Beispiel infolge des Befalls mit Hausschwamm); es ist also so marode, dass nur eine Neuerrichtung in Betracht kommt. Mit Blick darauf, dass es sich um einen begründeten Einzelfall halten muss, ist insoweit grundsätzlich zu fordern, dass Modernisierungs- und Instandsetzungsarbeiten am bestehenden Gebäude baulich und wirtschaftlich unverhältnismäßig wären.
  3. Die äußere Gestalt des neu zu errichtenden Gebäudes entspricht in seiner Kubatur und seinen weiteren prägenden Merkmalen im Wesentlichen dem ursprünglichen Gebäude (§ 35 Absatz 4 Satz 2 Halbsatz 2 in Verbindung mit Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b). § 35 Absatz 4 Satz 3 lässt - wie bislang bereits für die Fälle des § 35 Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 - geringfügige Erweiterungen des neuen Gebäudes gegenüber dem bisherigen Gebäude zu. Als geringfügig dürften dabei jedenfalls solche Abweichungen anzusehen sein, die gemäß der Sonderregelung des § 248 zur sparsamen und effizienten Nutzung von Energie sowie gemäß § 23 Absatz 2 Satz 2 und Absatz 3 Satz 2 BauNVO bei Vor- und Zurücktreten von Gebäudeteilen gelten.
  4. Durch das Vorhaben ist keine stärkere Belastung des Außenbereichs zu erwarten als in den Fällen des §35 Absatz 4 Satz 1. Dieses Tatbestandsmerkmal verlangt wie die sonstigen in § 35 Absatz 4 Satz 1 genannten teilprivilegierten Anwendungsfälle eine Orientierung am Grundsatz des Bestandsschutzes. Letztlich darf sich das neue Vorhaben nicht derartig vom bisherigen land- und forstwirtschaftlich genutzten Gebäude abheben, dass es dem Wesen des §35 Absatz 4 Satz 1 widerspricht.
  5. Nach § 35 Absatz 4 Satz 2 Halbsatz 2 gelten zudem die Vorgaben des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe c bis g entsprechend. Neben der Wahrung der äußeren Gestalt des Gebäudes ist auch zu fordern, dass die bisherige land- oder forstwirtschaftliche Nutzung nicht länger als vor sieben Jahren aufgegeben worden ist (soweit die Länder nicht von der Ermächtigung des § 245b Absatz 2 Gebrauch gemacht haben), das Gebäude im räumlich-funktionalen Zusammenhang mit der Hofstelle des land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes steht, höchstens drei Wohnungen je Hofstelle auch bei einer Nutzungsänderung zu Wohnzwecken entstehen dürfen und eine Verpflichtungserklärung nach § 35 Absatz 4 Satz 1 Buchstabe g abgegeben wird.
  6. Die Neuerrichtung des Gebäudes ist entsprechend dem unter anderem aus § 35 Absatz 3 ableitbaren allgemeinen Rücksichtnahmegebot auch mit nachbarlichen Interessen (zum Beispiel aufgrund bereits ausgeübter land- und forstwirtschaftlicher Nutzungen) vereinbar. Dies wird im Gesetzestext aus Klarstellungsgründen ausdrücklich betont.

Die unter den Buchstaben a bis f genannten Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen.

4 Besonderes Städtebaurecht

4.1 Städtebauliche Sanierungsmaßnahmen (§ 136)

Durch Ergänzungen in § 136 Absatz 2 Satz 2 Nummer 1, Absatz 3 Nummer 1 Buchstabe h und Absatz 4 Satz 2 Nummer 1 sollen die Gemeinden auch mit städtebaulichen Sanierungsmaßnahmen einen Beitrag zum Klimaschutz und zur Klimaanpassung leisten können, zum Beispiel durch eine bessere Ausstattung des Gebiets mit nachhaltigen Versorgungseinrichtungen. Damit wird auf § 1a Absatz 5 Bezug genommen. Die Belange Klimaschutz und Klimaanpassung gewinnen für die Qualität eines Gebiets zunehmend an Bedeutung. Ob und wie die Gemeinden im Sinne einer „klimagerechten Stadterneuerung“ aktiv werden, liegt in ihrem planerischen Ermessen. Hierbei sind die gesetzlichen Voraussetzungen und die jeweiligen örtlichen Verhältnisse zu berücksichtigen.

Die energetische Beschaffenheit, die Gesamtenergieeffizienz der vorhandenen Bebauung und der Versorgungseinrichtungen des Gebiets sind nun zusätzliche Kriterien für die Beurteilung, ob in einem Gebiet städtebauliche Missstände vorliegen. Diese beispielhaft aufgeführten Kriterien sind zusammen mit den anderen in Absatz 3 Nummer 1 genannten Belangen für die Beurteilung der Sanierungsbedürftigkeit zu gewichten. Durch den Bezug auf die „allgemeinen Anforderungen an den Klimaschutz und die Klimaanpassung“ in Absatz3 Nummer 1 Buchstabe h und Absatz 4 Nummer 1 sind insoweit allgemein anerkannte oder mit den einschlägigen Vorschriften vereinbarte Standards zugrunde zu legen; das Verhältnismäßigkeitsgebot ist zu beachten.

Mit der Ergänzung in Absatz 4 Satz 2 Nummer 1 wird verdeutlicht, dass die städtebaulichen Sanierungsmaßnahmen auch der Klimaanpassung dienen und dazu beitragen können, dem Klimawandel entgegenzuwirken. Für die Ausweisung eines Sanierungsgebiets muss eine Vielzahl städtebaulicher Maßnahmen erforderlich sein, die insgesamt eine städtebauliche Aufwertung des Gebiets bewirken. Ein Bestandteil, von mehreren, der städtebaulichen Gesamtmaßnahme kann zum Beispiel die Versorgung des Gebiets durch Erneuerbare-Energie-Anlagen, Solaranlagen, Blockheizkraftwerke oder Fernheizung sein.

4.2 Erhaltungssatzung (§ 172 Absatz 4)

Die Genehmigungstatbestände nach § 172 Absatz 4 Satz3 wurden um die neue Nummer 1a erweitert, um im Geltungsbereich einer sogenannten Milieuschutzsatzung im Sinne des § 172 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 auch für Maßnahmen, die einer Anpassung an die baulichen oder anlagentechnischen Mindestanforderungen der Energieeinsparverordnung dienen, einen Genehmigungsanspruch zu schaffen. Ein entsprechender Genehmigungsanspruch besteht bisher nur für Maßnahmen zur Herstellung des zeitgemäßen Ausstattungszustands einer durchschnittlichen Wohnung unter Berücksichtigung der bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen. Davon wurden die Mindestanforderungen der Energieeinsparverordnung nicht erfasst. Diese Lücke wird somit geschlossen.

4.3 Rückbau- und Entsiegelungsgebot (§ 179)

4.3.1 Erweiterung des Rückbau- und Entsiegelungsgebotes

Mit der Erweiterung des Rückbau- und Entsiegelungsgebotes in § 179 soll den Gemeinden der Umgang mit Problemimmobilien im Sinne von § 177 Absatz 2 und 3 Satz 1 vereinfacht werden. Im Hinblick auf einen denkmalgeschützten Baubestand treten aufgrund der Regelungen in § 175 Absatz 5 und § 177 Absatz 3 Satz 2 und 3 keine Änderungen ein.

4.3.2 Geltungsbereich

Bei Problemimmobilien im Sinne von § 177 Absatz 2 und 3 Satz 1 handelt es sich in der Regel um heruntergekommene, verwahrloste Immobilien (sogenannte Schrottimmobilien), die an unterschiedlichen Standorten innerhalb des Gemeindegebiets gelegen sein können und eine städtebauliche und stadtentwicklungsplanerisch sinnvolle Nutzung des betroffenen Bereichs unmöglich machen oder wesentlich erschweren. Sie sind aufgrund ihrer negativen Ausstrahlung auf die Umgebung ein ernstes stadtentwicklungspolitisches Problem, das dem Ziel einer qualitätsvollen Innenstadtentwicklung widerspricht.

Bisher konnte das Rückbaugebot nur in Bebauungsplangebieten angewendet werden, nicht aber im unbeplanten Innenbereich, wo sich die Problematik ebenfalls häufig stellt. Mit dem Verzicht auf das formale Erfordernis der Aufstellung eines Bebauungsplanes ist das Rückbaugebot für den Anwendungsbereich des § 179 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 zu einem Rechtsinstrument fortentwickelt worden, mit dem unabhängig von der planungsrechtlichen Lage gegen missstands- oder mängelbehaftete Gebäude vorgegangen werden kann. Einem derartigen städtebaulichen Missstand kann nun, wenn sonstige Belange (zum Beispiel des Denkmalschutzes) nicht entgegenstehen, per Rückbaugebot abgeholfen werden. Mit den dort in Bezug genommenen, nicht behebbaren Missständen oder Mängeln im Sinne des § 177 Absatz 2 und 3 Satz 1 sind bereits die geeigneten (bebauungsplanunabhängigen) Maßstäbe für die Erfassung der vernachlässigten Immobilien geregelt, wobei die Anordnung des Rückbaugebots im Übrigen insbesondere erfordert, dass eine alsbaldige Durchführung der Maßnahme aus städtebaulichen Gründen erforderlich ist (§ 175 Absatz 2) und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt bleibt. Dabei muss nicht zwingend eine Folgebebauung beabsichtigt sein. Auch die Herstellung eines Grünzugs, etwa im Zuge der Schaffung eines Biotopverbunds, kann ein städtebaulicher Grund sein.

Aus vorstehenden Gründen sind im bisher geltenden §179 Absatz 1 Satz 1 im Satzteil vor Nummer 1 die Worte „im Geltungsbereich eines Bebauungsplans“ gestrichen worden. Bei dem Rückbau- und Entsiegelungsgebot nach § 179 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 (sowie Satz 2) wurde allerdings an der Planakzessorietät festgehalten und lediglich die Worte „des Bebauungsplans“ durch die Worte „eines Bebauungsplans“ ersetzt.

4.3.3 Abschöpfung von Vermögensvorteilen, die aufgrund gemeindefinanzierten Rückbaus bei Eigentümern eingetreten sind

Auch mit dem angefügten § 179 Absatz 4 verbleibt es generell bei der Duldungspflicht der Eigentümer bezüglich der vollständig oder teilweise zu beseitigenden baulichen Anlage (keine eigene Rückbauverpflichtung). Allerdings sollen die Eigentümer, im Gegensatz zur bisherigen Rechtslage, an den Kosten des Rückbaus von „Schrottimmobilien“ bis zu der Höhe beteiligt werden, bis zu der ihnen Vermögensvorteile durch die Beseitigung der baulichen Anlage entstehen (Kostenerstattungsbetrag). Der Vermögensvorteil wird in der Regel darin bestehen, dass ein frei geräumtes Grundstück einen höheren Verkehrswert hat als ein noch von einer aufstehenden maroden baulichen Anlage zu befreiendes Grundstück. Die Vermögensvorteile können durch Wertermittlungsgutachten der Gutachterausschüsse für Grundstückswerte (§ 192) abschließend bestimmt werden. Zur Ermittlung des Verkehrswertes stehen den Gutachterausschüssen entsprechende Wertermittlungsverfahren zur Verfügung, bei denen der Verkehrswert des Grundstücks vor Beseitigung der baulichen Anlage mit dem Verkehrswert nach der Beseitigung der baulichen Anlage unter Berücksichtigung der Lage und der Nutzungsmöglichkeiten des Grundstücks verglichen wird.

4.3.4 Geltendmachung des Kostenerstattungsbetrages

Der Kostenerstattungsbetrag kann gemäß § 179 Absatz 4 Satz 2 nach der vollständigen oder teilweisen Beseitigung der baulichen Anlage durch Verwaltungsakt geltend gemacht werden.

Für Klagen gegen die Geltendmachung des Kostenerstattungsbetrages ist in § 217 Absatz 1 Satz 1 die Zuständigkeit der Baulandgerichte begründet worden, da diese nach § 217 Absatz 1 Satz 2 auch für Ansprüche des Eigentümers auf Entschädigung oder Übernahme nach § 179 Absatz 3 zuständig sind. Zwischen den Ansprüchen aus § 179 Absatz 3 und 4 besteht ein sachlicher Zusammenhang, der im Streitfall eine einheitliche Zuständigkeit erfordert. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung bezüglich der durch Bescheid geltend gemachten Kostenerstattung hat nach § 224 Satz 1 keine aufschiebende Wirkung.

4.3.5 Öffentliche Last des Kostenerstattungsbetrages

Der Kostenerstattungsbetrag ruht gemäß § 179 Absatz 4 Satz 3 als öffentliche Last auf dem Grundstück. Entsprechende Vorschriften gibt es bereits für den Erschließungsbeitrag nach § 134 Absatz 2 und für den Kostenerstattungsbetrag nach § 135a Absatz 3 Satz 4. Der Begriff „öffentliche Last“ ist gesetzlich nicht definiert. Er ist in Bezug auf § 134 Absatz 2 dahingehend zu verstehen, dass ein auf öffentlich-rechtlicher Grundlage bestehendes dingliches Verwertungsrecht besteht. Er ist ein auf dem öffentlichen Recht beruhendes Grundpfandrecht am belasteten Grundstück, das dem Gläubiger ein Befriedigungsrecht an dem haftenden Grundstück gewährt (siehe unter anderem die Darlegungen von Ernst in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand 107. EL 2013, § 134, Rn. 15 - 24).

Nach der Rechtsprechung des BVerwG zum Erschließungsbeitragsrecht (Urteil vom 15.11.1973 - IV 148.73) richtet sich im Übrigen das Schicksal der Forderung nach dem Kommunalabgabengesetz des Landes Brandenburg (KAG) mit Verweisen auf die Abgabenordnung des Bundes.

Im Falle der Zwangsversteigerung hat die „öffentliche Last“ das Vorrecht der dritten Rangklasse gemäß § 10 Absatz 1 Nummer 3 des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung (ZVG), wenn der Betrag im Zeitpunkt der Beschlagnahme des Grundstücks gemäß § 20 ZVG (= Anordnung der Zwangsversteigerung) nicht länger als vier Jahre im Rückstand ist, anderenfalls in der siebten Rangklasse, es sei denn, die Versteigerung wird wegen des Kostenerstattungsrückstandes betrieben - dann fünfte Rangklasse -. Der Anspruch muss allerdings spätestens im Versteigerungstermin vor der Aufforderung zur Abgabe von Geboten angemeldet werden, wenn der Anspruch in das geringste Gebot aufgenommen werden soll. Bei der Versteigerung wird nur ein Gebot zugelassen, durch das die dem Anspruch des betreibenden Gläubigers vorgehenden Rechte sowie die Verfahrenskosten gedeckt werden. Die rechtzeitige Anmeldung des Anspruches ist erforderlich, da die öffentliche Last nicht aus dem Grundbuch ersichtlich ist, weil sie dort gemäß § 54 der Grundbuchordnung (GBO) nicht eingetragen werden kann. Der öffentliche Glaube des Grundbuchs erstreckt sich daher nicht auf die öffentliche Last. Sollen Forderungen gestundet werden, ist möglichst die Form der Verrentung zu wählen, da dann die einzelnen Rentenbeträge wiederkehrende Leistungen darstellen und daher den Vorrang aus der dritten Rangklasse genießen, soweit es sich um laufende Beiträge und Rückstände aus den letzten beiden Jahren handelt.

5 Wertermittlung (§ 192 Absatz 3, § 195 Absatz 1, § 197 Absatz 2, § 198 Absatz 2, § 199 Absatz 2)

Mit den Änderungen sollen die bundesrechtlichen Rahmenbedingungen für die Arbeit der Gutachterausschüsse für Grundstückswerte verbessert werden. Dies betrifft zum einen die Zusammenarbeit und den Informationsaustausch mit den Finanzbehörden. Hierzu ist der Bedienstete der zuständigen Finanzbehörde nicht nur wie bisher im Rahmen der Bodenrichtwertermittlung, sondern auch bei Ermittlung der sonstigen für die Wertermittlung erforderlichen Daten hinzuzuziehen (§192 Absatz 3 Satz 2). Zum anderen ist der Auskunftsanspruch der Gutachterausschüsse gegenüber den Finanzbehörden für Auskünfte über Grundstücke zum Zwecke der Ermittlung von Verkehrswerten und der für die Wertermittlung erforderlichen Daten einschließlich der Bodenrichtwerte als Ausnahme zum Steuergeheimnis erweitert worden (§ 197 Absatz 2).

Weitere Änderungen sind vorgenommen worden, um von der Praxis aufgeworfene Einzelfragen zu regeln:

  • Mit der Änderung in § 195 Absatz 1 Satz 1 wird ausdrücklich eine Übersendungspflicht für Erbbaurechtsbestellungsverträge auch für solche Erbbaurechte begründet, die erneut bestellt werden.
  • Die Änderung in § 198 Absatz 2 verdeutlicht die Aufgabenstellung der oberen Gutachterausschüsse und zentralen Geschäftsstellen, auch zu einer bundesweiten Grundstücksmarkttransparenz beizutragen.
  • Bei den Verordnungsermächtigungen für die Länder nach § 199 Absatz 2 wird deren Regelungsbefugnis ausdrücklich auch für die Bildung der zentralen Geschäftsstellen (Nummer 1) sowie die Bestimmung der Häufigkeit der Bodenrichtwertermittlung (Nummer 4) aufgenommen.

6 Überleitungsregelungen (§ 245a BauGB, § 25d BauNVO)

6.1 Allgemeine Überleitungsvorschriften (§ 233)

Neben den nachfolgend erläuterten besonderen Überleitungsregelungen gilt auch die allgemeine Überleitungsvorschrift des § 233 über den Abschluss von Bauleitplanverfahren, die vor Inkrafttreten einer Änderung des Baugesetzbuchs eingeleitet worden sind, über die Planerhaltung sowie über die Fortgeltung vorhandener Pläne, Satzungen und Entscheidungen.

6.2 Anwendung der geänderten Regelungen der Baunutzungsverordnung auf bestehende Bebauungspläne (§ 245a Absatz 1)

Änderungen der Baugebietsvorschriften der Baunutzungsverordnung gelten grundsätzlich nur für künftige Bebauungspläne und gegebenenfalls unmittelbar dann, wenn es sich im Einzelfall um ein faktisches Baugebiet handelt (vgl. § 34 Absatz 2).

§ 245a Absatz 1 Satz 1 bestimmt, dass

  • § 3 Absatz 2 Nummer 2 BauNVO zur allgemeinen Zulässigkeit von Kinderbetreuungsanlagen in reinen Wohngebieten sowie
  • § 14 Absatz 3 BauNVO zur Zulässigkeit von Anlagen zur Nutzung solarer Strahlungsenergie und von Kraft-Wärme-Kopplung

auch auf Bebauungspläne Anwendung finden, die vor dem 20. September 2013 in Kraft getreten sind.

Die „Rückwirkung“ auf einen bestehenden Bebauungsplan tritt nach § 245a Absatz 1 Satz 2 in Bezug auf Anlagen zur Kinderbetreuung nicht ein, wenn in diesem Bebauungsplan die bisherige ausnahmsweise Zulässigkeit dieser Anlagen (als Anlagen für soziale Zwecke; § 3 Absatz 3 Nummer 2 BauNVO) durch Festsetzungen nach § 1 Absatz 6 Nummer 1, Absatz 8 und 9 BauNVO noch vor dem 20. September 2013 ausgeschlossen worden ist. Denn in diesem Fall haben die Gemeinden mit einer entsprechenden Festsetzung einen anders lautenden planerischen Willen bekundet, der gesetzlich nicht ignoriert werden soll.

6.3 Bauleitplanerische Möglichkeiten der Gemeinden im Hinblick auf die Änderungen der Baunutzungsverordnung (§ 245a Absatz 2)

Bei Bebauungsplänen, die nach dem 20. September 2013 aufgestellt werden, kann die Zulässigkeit von Anlagen zur Kinderbetreuung (§ 3 Absatz 2 Nummer 2 BauNVO) sowie von Anlagen zur Nutzung von solarer Strahlungsenergie und von Kraft-Wärme-Kopplung (§14 Absatz 3 BauNVO) nach den Vorschriften der BauNVO (vgl. § 1 Absatz 5, 8 und 9 sowie § 14 Absatz 1 Satz 3 BauNVO) eingeschränkt oder ausgeschlossen werden.

§ 245a Absatz 2 Satz 1 stellt klar, dass dies auch in Fällen des § 245a Absatz 1 gilt, wenn also die Neuregelungen in § 3 Absatz 2 Nummer 2 und § 14 Absatz 3 BauNVO auf bestehende Bebauungspläne Anwendung finden. Für die Einschränkung oder den Ausschluss der Zulässigkeit sind die allgemeinen Regeln über die Änderung von Bebauungsplänen, einschließlich der Vorschriften über die Veränderungssperre und die Zurückstellung von Baugesuchen nach §§ 14 bis 18, anwendbar. In der Praxis dürfte im Regelfall ein vereinfachtes Verfahren nach § 13 in Betracht kommen.

Nach § 245a Absatz 2 Satz 2 konnten entsprechende Änderungsverfahren bereits vor dem Eintritt der „Rückwirkung“ nach § 245a Absatz 1 am 20. September 2013 eingeleitet werden. Insbesondere können auch entsprechende Veränderungssperren beschlossen werden. §245a Absatz 2 ist zu diesem Zweck bereits am 21. Juni 2013 in Kraft getreten.

6.4 Bauleitplanerische Möglichkeiten der Gemeinden im Hinblick auf die geänderte Privilegierung von Anlagen der Intensivtierhaltung (§ 245a Absatz 3)

Entfalten Darstellungen zu Tierhaltungsanlagen im Sinne von § 35 Absatz 1 Nummer 4 in Flächennutzungsplänen, die vor dem 20. September 2013 in Kraft getreten sind, Rechtswirkungen nach § 35 Absatz 3 Satz 3, dürfte es im Regelfall dem planerischen Willen der Gemeinden entsprechen, dass diese Rechtswirkungen auch weiterhin für diejenigen Tierhaltungsanlagen gelten, die nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes im Außenbereich privilegiert bleiben. Dies soll in § 245a Absatz 3 Satz 1 daher ausdrücklich geregelt werden. Im Einzelfall kann sich jedoch die Situation ergeben, dass unter Geltung des geänderten § 35 Absatz 1 Nummer 4 die Rechtsfolge des § 245a Absatz 3 Satz 1 im Widerspruch zum planerischen Willen der Gemeinde steht. Zur Wahrung der kommunalen Planungshoheit findet in diesen Fällen § 245a Absatz 3 Satz 1 keine Anwendung. Dies stellt die Gemeinde nach § 245a Absatz 3 Satz 2 in einem Beschluss fest, der ortsüblich bekannt zu machen ist. Mit der ortsüblichen Bekanntmachung des Beschlusses gelten die entsprechenden Darstellungen des Flächennutzungsplans als aufgehoben; der Flächennutzungsplan ist im Wege der Berichtigung anzupassen (§ 245a Absatz 3 Satz 3).

6.5 Intensivtierhaltung bei bereits eingeleitetem Zulassungsverfahren (§ 245a Absatz 4)

Nach § 245a Absatz 4 soll bei Genehmigungsverfahren für gewerbliche Tierhaltungsanlagen, die vor Ablauf des 4. Juli 2012, also dem Tag des Kabinettbeschlusses zum Regierungsentwurf, ordnungsgemäß eingeleitet worden sind, § 35 Absatz 1 Nummer 4 in seiner bisherigen Fassung Anwendung finden. Für die ordnungsgemäße Einleitung des Genehmigungsverfahrens enthält § 3 der Neunten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (9. BImSchV) entsprechende Vorgaben.

6.6 Überleitungsregelung für in Kraft befindliche Bebauungspläne (§ 25d BauNVO)

Ist der Entwurf eines Bauleitplans vor dem 20. September 2013 nach § 3 Absatz 2 des Baugesetzbuchs öffentlich ausgelegt worden, ist auf ihn die Baunutzungsverordnung in der bis zum 20. September 2013 geltenden Fassung anzuwenden. Das Recht der Gemeinde, das Verfahren zur Aufstellung des Bauleitplans erneut einzuleiten, bleibt unberührt (siehe auch Nummer 8.4).

7 Sonderregelungen für einzelne Länder; Sonderregelungen für Flüchtlingsunterkünfte (§ 246)

7.1 Sonderregelungen für Flüchtlingsunterkünfte (§ 246 Absatz 8 bis 10)

Nach § 246 Absatz 8 BauGB kann, befristet bis zum 31.Dezember 2019, von dem Erfordernis des Einfügens abgewichen werden, wenn zulässigerweise errichtete Geschäfts-, Büro- oder Verwaltungsgebäude in bauliche Anlagen umgenutzt werden sollen, die der Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden dienen. Selbiges gilt für deren Erweiterung, Änderung oder Erneuerung. Zu beachten bei der Anwendung des § 34 Absatz 3a in Verbindung mit § 246 Absatz 8 BauGB ist, dass die Voraussetzungen des § 34 Absatz 3a Nummer 1 bis 3 BauGB weiterhin kumulativ vorliegen müssen.

Gemäß § 246 Absatz 9 BauGB gilt befristet bis zum 31.Dezember 2019 für Vorhaben, die der Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbegehrenden dienen, die Begünstigung im Außenbereich nach § 35 Absatz 4 Satz1 BauGB entsprechend, wenn das Vorhaben im unmittelbaren räumlichen Zusammenhang mit nach § 30 Absatz 1 oder § 34 BauGB zu beurteilenden Flächen erfolgen soll. Vorhaben, die der Unterbringung von Flüchtlingen dienen, sind somit auf Außenbereichsflächen in Innenbereichen und auf Außenbereichsflächen, die aufgrund ihrer vorhandenen Lage und Prägung dem Innenbereich zuzuordnen sind, als begünstigte Vorhaben zu behandeln. Vor dem Hintergrund des oben genannten besonderen Beratungsbedarfs wird empfohlen, bei der Prüfung der Zulässigkeit von Flüchtlingsunterkünften im Außenbereich folgende Kriterien anzulegen:

  • Die Ausstattung mit sozialen, infrastrukturellen und verkehrlichen Einrichtungen kann bedarfsgerecht auch auf der potenziellen Fläche für eine Flüchtlingsunterkunft im Außenbereich sichergestellt werden.
  • Das Grundstück soll nur zeitlich befristet zur übergangsweisen Schaffung von Kapazitäten genutzt werden, bis an anderer Stelle ein planungsrechtlich abgesichertes Vorhaben errichtet worden ist.
  • Der Rückbau des - auch zeitlich befristeten - Vorhabens kann gewährleistet werden.

Sollten öffentliche Belange von einem geplanten Vorhaben beeinträchtigt sein, bietet § 35 BauGB keinen Ermessensspielraum. Befreiungen nach § 31 Absatz 2 BauGB sind nicht möglich.

Durch die Ergänzung des § 246 BauGB um den Absatz 10 wird geregelt, dass befristet bis zum 31. Dezember 2019 in Gewerbegebieten (§ 8 BauNVO, auch in Verbindung mit § 34 Absatz 2) für Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünfte oder sonstige Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende von den Festsetzungen des Bebauungsplans befreit werden kann, wenn an dem Standort Anlagen für soziale Zwecke als Ausnahme zugelassen werden können oder allgemein zulässig sind und die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit öffentlichen Belangen vereinbar ist. § 36 gilt entsprechend.

Anlagen für soziale Zwecke, die der Flüchtlingsunterbringung dienen, werden somit in Gewerbegebieten nicht allgemein zulässig. Ihre Zulässigkeit obliegt der Prüfung im Einzelfall. Hat die Gemeinde im Zuge der Abwägung Nutzungen für soziale Zwecke aus städtebaulichen Gründen in Gewerbegebieten ausgeschlossen, bleiben diese auch zukünftig unzulässig. Auch faktische Gewerbegebiete, in denen aufgrund des Emissionsverhaltens der ansässigen Gewerbebetriebe Nutzungen nach § 8 Absatz 3 Nummer 2 BauNVO nicht zulassungsfähig sind, werden von der Regelung des § 246 Absatz 10 BauGB nicht erfasst. In festgesetzten Gewerbegebieten, in denen Anlagen für soziale Zwecke allgemein oder ausnahmsweise zulässig sind, oder in faktischen Gewerbegebieten, in denen Anlagen für soziale Zwecke zulassungsfähig sind, kann jedoch von der abstrakten Gebietsunverträglichkeit (befristet) abgewichen werden. Die Abweichung muss unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar sein.

7.2 Länderöffnungsklausel Mindestabstände zu Windernergieanlagen (§ 249 Absatz 3)

Die Neuregelung fügt dem § 249 BauGB, der seit der Klimaschutznovelle 2011 bereits Regelungen zur Windenergie enthält, den neuen Absatz 3 an. Die Regelung zielt auf Windenergieanlagen im Außenbereich. Absatz 3 Satz 1 sieht vor, dass die Länder bestimmen können, dass der Privilegierungstatbestand des § 35 Absatz 1 Nummer 5 BauGB auf Vorhaben, die der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Windenergie dienen, nur Anwendung findet, wenn sie einen bestimmten Abstand zu den im Landesgesetz bezeichneten zulässigen baulichen Nutzungen einhalten. Für die Errichtung und den Betrieb von Windenergieanlagen finden die übrigen einschlägigen Rechtsvorschriften weiterhin Anwendung. Dies gilt insbesondere für die immissionsschutzrechtlichen Regelungen, unter anderem die Technische Anleitung Lärm (TA Lärm), sowie für die Vorgaben aus dem Luftverkehrsgesetz und dem Schutzbereichsgesetz. Nach Absatz 3 Satz 2 sind die Einzelheiten, insbesondere zur Abstandsfestlegung und zu den Auswirkungen der festgelegten Abstände auf Ausweisungen in geltenden Flächennutzungsplänen und Raumordnungsplänen, in den Landesgesetzen nach Absatz 3 Satz 1 zu regeln. Hierbei sind auch die Anforderungen des Artikels 28 Absatz 2 des Grundgesetzes zu beachten. Die Länder können dabei unter anderem auch Abweichungen von den festgelegten Abständen zulassen.

Für die Inanspruchnahme der Länderöffnungsklausel besteht in Brandenburg kein Erfordernis, da mit der Regionalplanung ein erprobtes Instrument zur Steuerung der Abstände von Windenergieanlagen existiert. In Brandenburg hat sich das gestufte Planungssystem von Landes-, Regional- und Bauleitplanung mit seinen umfangreichen Beteiligungsmöglichkeiten für die Bürger über Jahre hinweg grundsätzlich bewährt, um eine sinnvolle und wirksame Steuerung der Abstände von Windenergieanlagen zu gewährleisten. Vor diesem Hintergrund wird dem unmittelbaren Dialog von Bürgern und Planverfassern im Planungsprozess der Vorzug vor einem formellen Gesetzgebungsverfahren eingeräumt.

8 Baunutzungsverordnung

8.1 Kinderbetreuungseinrichtungen in reinen Wohngebieten (§ 3 BauNVO)

8.1.1 Allgemein zulässige Kinderbetreuungseinrichtungen

Durch eine Ergänzung des § 3 Absatz 2 BauNVO werden „Anlagen zur Kinderbetreuung, die den Bedürfnissen der Bewohner des Gebiets dienen“ bei den in reinen Wohngebieten allgemein zulässigen Anlagen aufgeführt. Der Begriff der Anlagen zur Kinderbetreuung ist umfassend zu verstehen. Darunter fallen zum Beispiel Kindertagesstätten, Kinderkrippen, Kindergärten oder die Kin-
derbetreuung durch Tagesmütter/-väter. Wer Träger der Einrichtung ist, ist dabei ohne Bedeutung. Allgemein zulässig sind nur solche Anlagen, die den Bedürfnissen der Bewohner des Gebiets dienen. Ziel dieser Beschränkung ist weniger, dass nur kleinere Einrichtungen zugelassen werden, bei denen durch spielende Kinder weniger Geräusche erzeugt werden. Vielmehr geht es darum, einen die Qualität des reinen Wohngebiets störenden Fahrverkehr durch Bringen und Abholen der Kinder zu vermeiden. Maßstab der Zulässigkeit ist daher weniger die Größe der Einrichtung, sondern vielmehr ihr Einzugsgebiet. Daher kann in einem Baugebiet mit Geschosswohnungsbau auch eine größere Einrichtung unproblematisch sein, während eine deutlich kleinere Einrichtung in einem durch Einfamilienhausbebauung geprägten Gebiet unter Umständen nicht allgemein zulässig wäre.

Bei dem zu betrachtenden Gebiet ist nicht zwingend nur das in dem jeweiligen Bebauungsplan ausgewiesene Baugebiet zu betrachten. Sachgerecht ist es, auch angrenzende Wohngebiete einzubeziehen, die mit dem konkreten Baugebiet eine städtebauliche Einheit bilden (BT-Drs. 17/13272 S. 19; vgl. auch OVG Rheinland-Pfalz, 28.07.2011 - 1 A 10058/11.OVG).

Die Formulierung „Bedürfnisse der Bewohner des Gebiets“ wird auch in § 3 Absatz 3 BauNVO verwendet und ist vergleichbar mit der in § 4 Absatz 2 Nummer 2 BauNVO enthaltenen Beschränkung von Einrichtungen auf solche, die der Versorgung des Gebiets dienen. Der danach geforderte Gebietsbezug ist gegeben, wenn die Anlage eine Größe hat, die erwarten lässt, dass ihre Kapazität in einem erheblichen Umfang von Bewohnern aus dem umgebenden Gebiet ausgelastet werden wird (BVerwG, 29.10.1998 - 4 C 9/97).

Unabhängig von der Frage des Gebietsbezugs ist auch bei allgemein zulässigen Kinderbetreuungseinrichtungen § 15 BauNVO zu beachten.

8.1.2 Als Ausnahme zulässige Kinderbetreuungseinrichtungen

Größere Kinderbetreuungseinrichtungen, deren Einzugsbereich deutlich über das jeweilige Gebiet hinausgeht, können wie bisher als sonstige Anlagen für soziale Zwecke nach § 3 Absatz 3 Nummer 2 BauNVO zugelassen werden.

Soweit sich abzeichnen sollte, dass der Bedarf für Kinderbetreuungseinrichtungen in dem Gebiet künftig entfallen wird (Folge: späterer Entfall der allgemeinen Zulässigkeit), kann es sich anbieten, den Vorhabenträger auf diese Problematik hinzuweisen oder gegebenenfalls zu prüfen, ob unter den künftigen Verhältnissen die Zulassung einer Ausnahme nach § 3 Absatz 3 Nummer2 BauNVO in Verbindung mit § 31 Absatz 1 möglich wäre.

Zur Zulässigkeit dieser Anlagen wird auf die Arbeitshilfe zur bauplanungsrechtlichen Zulassung von Kindertageseinrichtungen in reinen Wohngebieten der Fachkommission Städtebau vom 27. März 2009 (www.bauministerkonferenz.de) verwiesen.

8.1.3 Steuerungsmöglichkeiten

Als Folge der Aufnahme von Kindertageseinrichtungen in den Katalog der allgemein zulässigen Nutzungen wurde die Gliederungsmöglichkeit des § 1 Absatz 5 BauNVO (Beschränkung oder Ausschluss der allgemein zulässigen Nutzungen) auf reine Wohngebiete erweitert.

Zur Rechtslage bei am 20. September 2013 bereits in Kraft befindlichen Bebauungsplänen wird auf die Nummern 6.1 und 6.2 verwiesen.

8.2 Zulässigkeit von Nebenanlagen

8.2.1 Anlagen der Kleintiererhaltungszucht als Nebenanlagen im Sinne von § 14 BauNVO

§ 14 Absatz 1 Satz 2 BauNVO wird dahingehend ergänzt, dass zu den Einrichtungen und Anlagen für die Tierhaltung auch solche der Kleintiererhaltungszucht gehören.

Erhaltungszucht ist die Züchtung gefährdeter Tierarten oder Pflanzen mit dem Ziel, diese vor dem Aussterben zu bewahren (Quelle: Wikipedia). Das bedeutet, dass nicht jede Form der Kleintierzucht von der Ergänzung umfasst wird, sondern es sich um gefährdete Arten handeln muss, bei denen ohne eine Erhaltungszucht ein Aussterben droht. Weiter ergibt sich aus dem Begriff, dass es sich um eine Zucht von bestehenden anerkannten Arten/Rassen handeln muss.

Gefährdet sind jedenfalls solche Arten, die in der vom Bundesamt für Naturschutz herausgegebenen Roten Liste mit den Gefährdungsklassen 1 bis 4 oder in entsprechenden Listen der Länder aufgeführt sind. Für die Bewertung als Kleintiererhaltungszucht ist dabei gleichgültig, ob eine in Landeslisten in den oben genannten Gefährdungsklassen aufgeführte Art beziehungsweise Rasse auch in dem Land aufgeführt ist, in dem das Vorhaben durchgeführt werden soll.

Im Übrigen gelten die allgemeinen Voraussetzungen der Zulässigkeit von Einrichtungen und Anlagen für die Tierhaltung unverändert auch für Anlagen der Kleintiererhaltungszucht. Das bedeutet insbesondere:

  • Soweit nicht bereits in den Baugebieten nach der Baunutzungsverordnung, wie in Dorfgebieten, Einrichtungen und Anlagen für die Tierhaltung allgemein zulässig sind, muss es sich bei den Einrichtungen und Anlagen für die Kleintiererhaltungszucht um Nebenanlagen handeln, die einzelnen Grundstücken oder dem Baugebiet selbst dienen.
  • Die Anlagen dürfen der Eigenart des Baugebiets nicht widersprechen. Ein Widerspruch kann sich aus der Grundstückssituation ergeben, insbesondere aus der Größe und dem Zuschnitt des Grundstücks oder der Anordnung der Tierhaltungsanlagen auf dem Grundstück.
  • Bei Wohngrundstücken ist die Tierhaltung zulässig, wenn sie in dem Baugebiet üblich und ungefährlich ist und den Rahmen der für eine Wohnnutzung typischen Freizeitbetätigung nicht sprengt. Das ist bei sehr umfangreichen Tierbeständen in der Regel nicht mehr der Fall, unabhängig davon, ob es sich um reine Tierhaltung oder um Kleintiererhaltungszucht handelt.
  • Wird die Kleintiererhaltungszucht gewerblich betrieben, sind die allgemeinen Grenzen der gewerblichen Tätigkeit im jeweiligen Baugebiet zu beachten.

Eine Steuerung von Anlagen der Kleintiererhaltungszucht durch Bebauungsplan ist nach § 14 Absatz 1 Satz3 BauNVO zwar grundsätzlich möglich. In der Regel wird es aber an der städtebaulichen Erforderlichkeit im Sinne des § 1 Absatz 3 fehlen, Anlagen der Kleintiererhaltungszucht anders zu behandeln als andere Anlagen der Kleintierhaltung.

8.2.2 Anlagen zur Nutzung solarer Strahlungsenergie, Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen

§ 14 BauNVO wurde durch einen dritten Absatz ergänzt, nach dem baulich untergeordnete Anlagen zur Nutzung solarer Strahlungsenergie in, an oder auf Dach- und Außenwandflächen oder Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen innerhalb von Gebäuden, die nicht bereits nach den §§ 2 bis 13 zulässig sind, auch dann als Anlagen im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 gelten, wenn die erzeugte Energie vollständig oder überwiegend in das öffentliche Netz eingespeist wird. Damit sind insbesondere auch in reinen Wohngebieten als gewerbliche Vorhaben zu betrachtende Anlagen unter bestimmten Voraussetzungen allgemein zulässig.

Im Einzelnen ist Folgendes zu beachten:

  • Anlagen zur Nutzung solarer Strahlungsenergie können sowohl Photovoltaik- als auch Solarthermieanlagen sein.
  • Die Anlagen müssen in, an oder auf Dach- oder Außenwandflächen angebracht sein.
  • In Dach- und Außenwandflächen sind die Anlagen auch angebracht, wenn sie die Dachhaut oder die Wand bilden. An oder auf Dach- und Außenwandflächen sind die Anlagen angebracht, wenn sie an diesen Flächen befestigt und von ihnen getragen werden. Nicht ausreichend wäre, wenn die Solaranlage auf dem Erdboden errichtet und lediglich zur Stabilisierung am Gebäude befestigt wird. Dagegen kommt es nicht darauf an, ob die Solaranlagen parallel zu den Dach- und Außenwandflächen angebracht oder „aufgeständert“ sind. Nicht erfasst wird die Anbringung der Anlagen an sonstigen baulichen Anlagen wie zum Beispiel Aufschüttungen oder Einfriedungen. Für die Definition des Gebäudes kann auf § 2 Absatz 2 der Brandenburgischen Bauordnung (BbgBO) zurückgegriffen werden. Danach sind Gebäude selbstständig benutzbare, überdeckte bauliche Anlagen, die von Menschen betreten werden können und geeignet oder bestimmt sind, dem Schutz von Menschen, Tieren oder Sachen zu dienen.

Die Anlage muss dem Gebäude baulich untergeordnet sein. Das ist dann der Fall, wenn bei natürlicher Betrachtung das Gebäude und seine sonstige Nutzung die Hauptsache darstellt. Anders zu beurteilen wäre dagegen eine bauliche Anlage, die erkennbar vorrangig dem Zweck dient, Solaranlagen zu tragen, auch wenn sie wie ein Gebäude genutzt werden könnte.

Indizien für eine fehlende Unterordnung können zum Beispiel sein:

  • die von der Solaranlage bedeckte Fläche reicht unter Berücksichtigung der örtlichen Bautradition und der Gebäudegestaltung im Übrigen nicht nur unerheblich über die Dach- beziehungsweise Wandflächen hinaus,
  • bei „aufgeständerten“ Anlagen erwecken diese auch im Verhältnis zur Höhe des Gebäudes den Eindruck, die Hauptsache zu sein.

Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen (KWK-Anlagen) sind nur dann von der Änderung umfasst, wenn sie innerhalb eines Gebäudes im Sinne des § 2 Absatz 2 BbgBO errichtet werden. Dabei spielt es nach dem Wortlaut der Regelung keine Rolle, ob das Gebäude auch anderen Zwecken als der Unterbringung der KWK-Anlage dient.

Für die Zulässigkeit von Anlagen zur Nutzung solarer Strahlungsenergie und Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen gilt Folgendes:

Wird die erzeugte Energie im Wesentlichen selbst genutzt, sind die Anlagen Teil der Hauptanlage und ebenso zulässig wie die Hauptanlage oder sie sind als Nebenanlagen im Sinne des § 14 Absatz 1 BauNVO allgemein zulässig, weil sie dem Nutzungszweck der in dem Baugebiet gelegenen Grundstücke oder des Baugebiets selbst dienen und seiner Eigenart nicht widersprechen.

Sind die Anlagen Hauptanlagen, handelt es sich in der Regel um (nicht störende) gewerbliche Anlagen, für die die allgemeinen Zulässigkeitstatbestände der §§ 2 bis 13 BauNVO gelten. Von einer Hauptanlage ist jedenfalls dann auszugehen, wenn die Energieerzeugung die einzige Nutzung des Grundstücks darstellt oder es sich um eine baulich selbstständige Anlage handelt und die erzeugte Energie vollständig oder in wesentlichen Teilen in das öffentliche Netz eingespeist wird.

Wird der überwiegende Teil der erzeugten Energie in das öffentliche Netz eingespeist, handelt es sich nach dem neuen Absatz 3 um allgemein zulässige Nebenanlagen. Die Regelungen des § 15 BauNVO werden davon nicht berührt mit der Folge, dass die Anlage im Einzelfall am konkreten Standort unzulässig sein kann.

Die Zulässigkeit von Anlagen, die als Haupt- oder Nebenanlagen zu betrachten sind, kann nach § 14 Absatz 1 Satz 3 durch Bebauungsplan eingeschränkt oder ausgeschlossen werden (zum Verhältnis von § 14 Absatz 1 Satz 3 BauNVO zu § 1 Absatz 5 bis 9 vgl. BVerwG, Urt. v. 30.8.2012 - 4 C 1.11 -). Bei der Abwägung sind aber die zu den Belangen des Umweltschutzes gehörende Nutzung erneuerbarer Energien (§ 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe f) und die Erfordernisse des Klimaschutzes (§ 1a Absatz 5) und deren gesteigerte Bedeutung zu berücksichtigen.

Wird die erzeugte Energie überwiegend selbst verbraucht, sind die Anlagen Teil der Hauptanlage (zum Beispiel als Teil des Heizsystems). Eine gezielte Steuerung durch bauplanungsrechtliche Festsetzungen ist regelmäßig nicht möglich. Gestalterische Festsetzungen aufgrund des § 81 BbgBO sind denkbar. Dabei sollte jedoch berücksichtigt werden, dass nach dem Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz eine Verpflichtung besteht, den Wärmeenergiebedarf von neu errichteten Gebäuden durch die anteilige Nutzung von Erneuerbaren Energien zu decken und bei vielen Gebäuden die Verpflichtung am wirtschaftlichsten durch die Nutzung solarer Strahlungsenergie erfüllt werden kann.

Zur Rechtslage bei am 20. September 2013 bereits in Kraft befindlichen Bebauungsplänen wird auf die Nummern 6.1 und 6.2 verwiesen.

8.3 Überschreitung der Obergrenzen des § 17 BauNVO

§ 17 Absatz 1 BauNVO beschränkt das maximal in Bauleitplänen zulässige Maß der Nutzung differenziert nach der Art der Baugebiete.

In der Neufassung des § 17 Absatz 2 Satz 1 BauNVO ist vorgesehen, dass die Obergrenzen „aus städtebaulichen Gründen“ überschritten werden können. Es wird also nicht mehr wie im bisherigen Recht verlangt, dass „besondere Gründe die Überschreitung erfordern“. Damit wird auch der bisher von der Rechtsprechung geforderte „atypische Sonderfall“ entbehrlich.

Nach der neuen Rechtslage ist eine Überschreitung also schon dann - aber auch nur dann - zulässig, wenn städtebauliche Gründe die Überschreitung rechtfertigen. Städtebauliche Gründe ergeben sich aus den örtlichen Gegebenheiten und den städtebaulichen Zielen, die mit dem Bebauungsplan verfolgt werden. Private Investitionsinteressen, also die Interessen der Vorhabenträger etwa in Bezug auf eine hohe bauliche (Aus-)Nutzbarkeit ihrer Grundstücke, sind für sich allein keine städtebaulichen Gründe.

Die städtebaulichen Gründe für die Überschreitung sind in der Begründung des Bebauungsplans (§ 2a, § 9 Absatz 8) darzulegen. Die Überschreitung muss durch (bereits vorhandene) Umstände ausgeglichen sein oder sie muss durch (zu treffende) Maßnahmen ausgeglichen werden, durch die sichergestellt ist, dass die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse nicht beeinträchtigt werden und keine nachteiligen Auswirkungen auf die Umwelt entstehen. Eine Überschreitung der nach der Art der baulichen Nutzung (Gebietstypus) gestaffelten Obergrenzen führt dabei - wie nach bisherigem Recht (BVerwG, Urteil vom 6. Juni 2002 - 4 CN 4.01) - nicht schematisch und zwangsläufig zur Beeinträchtigung der allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse. Umstände oder Maßnahmen können im Übrigen wie nach bisheriger Rechtslage grundsätzlich auch außerhalb des Geltungsbereichs des Bebauungsplans gegeben sein beziehungsweise vorgesehen werden.

Anders als nach früherer Rechtslage werden die Bedürfnisse des Verkehrs nicht mehr ausdrücklich erwähnt, denn die Belange des Verkehrs sind nach § 1 Absatz 6 Nummer 9 ohnehin bei der Aufstellung von Bauleitplänen zu berücksichtigen. Auch das Entgegenstehen öffentlicher Belange wird nicht mehr gesondert erwähnt, da öffentliche Belange nach § 1 Absatz 7 in der Abwägung zu berücksichtigen sind.

§ 17 Absatz 2 Satz 2 BauNVO, wonach die Überschreitungsmöglichkeiten nicht für Wochenendhaus- und Ferienhausgebiete gelten, ist unverändert geblieben.

Die Sonderregelungen für Bestandsgebiete im bisherigen § 17 Absatz 3 BauNVO und im bisherigen § 26a Absatz 1 BauNVO sind aufgehoben worden. Denn die in diesen Vorschriften enthaltenen erleichterten Überschreitungsmöglichkeiten sind in der neuen Regelung des § 17 Absatz 2 Satz 1 BauNVO aufgegangen.

8.4 Eingeleitete Bebauungsplanverfahren (§ 25d BauNVO)

Ist der Entwurf eines Bauleitplans vor dem 20. September 2013 nach § 3 Absatz 2 öffentlich ausgelegt worden, ist auf ihn die Baunutzungsverordnung in der bis zum 20. September 2013 geltenden Fassung anzuwenden. Die Gemeinde kann aber auch das Verfahren neu einleiten mit der Folge, dass die geänderten Regelungen uneingeschränkt anwendbar sind.

Eine Neueinleitung des Bebauungsplanverfahrens hat wegen § 245a Absatz 1 vor allem Bedeutung, wenn die Gemeinde beabsichtigt, die Erleichterungen bei der Überschreitung der Obergrenzen des Maßes der baulichen Nutzung nach § 17 Absatz 2 BauNVO zu nutzen. Bedeutung kann eine Neueinleitung auch für die Kleintiererhaltungszucht (§ 14 Absatz 1 Satz 3 BauNVO) haben.


1 Prostitution und öffentliches Baurecht, BauR 2010, 1013 bis 1016, zuvor ders. Prostitution und öffentliches Recht, unter besonderer Berücksichtigung des Baurechts, NVwZ 1997, 861 Zur Klärung des Steuerungsbedarfs von Vergnügungsstätten durch Bebauungsplanung empfiehlt sich eine frühzeitige Beteiligung der örtlichen Ordnungsbehörden, die gemäß § 5 Absatz 1 BbgSpielhG für das Spielhallenrecht zuständig sind.

2Ergänzend wird auf den „Leitfaden Anwendung und Auslegung der neuen UVP-Vorschriften“ vom 14. August 2003 hingewiesen, der unter folgender Internetadresse heruntergeladen werden kann: http://www.bmu.de/N6379/. die Prüfwerte für vorprüfungspflichtige Vorhaben (sogenannte „A- und S-Vorhaben“) der Anlage 1 zum UVPG erreicht oder überschritten werden. Ein die Tierhaltung betreffender Auszug der Anlage 1 zum UVPG ist als Anlage beigefügt.

Anlagen