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Brandenburgisches Vorschriftensystem (BRAVORS)

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Letzte gültige Fassung Änderungshistorie

ARCHIV

Empfehlungen zur Vermeidung von Obdachlosigkeit und zur Verbesserung der Lage obdachloser Personen in den Kommunen des Landes Brandenburg


vom 24. Januar 1997
(ABl./97, [Nr. 08], S.100)

Außer Kraft getreten durch Bekanntmachung des MASGF, MBJS, MSWV und MI vom 12. Juli 2004
(ABl./04, [Nr. 30], S.587)

Inhaltsübersicht

Teil 1
Allgemeines

1.1 Inhalt und Ziel

1.2 Begriff der Obdachlosigkeit

Teil 2
Sozialhilferechtliche Aspekte

2.1 Rechtsgrundlagen

2.2 Zuständigkeit

2.3 Hilfen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG)

2.4 Übernahme von zusätzlichen Kosten beim Mietvertragsabschluß und besondere Kosten bei der Beschaffung eines angemessenen Wohnraumes

2.5 Beratung und Unterstützung, persönliche Betreuung

2.6 Beschaffung und Erhaltung einer Wohnung

Teil 3
Hilfen für Kinder, Jugendliche und ihre Familien

3.1 Aufgaben des örtlichen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe (Jugendamt)

3.2 Hilfen nach dem Achten Buch des Sozialgesetzbuches - Kinder- und Jugendhilfe

Teil 4
Maßnahmen der Arbeitsförderung in Verbindung mit der Schaffung von Wohnraum für Obdachlose

4.1 Maßnahmen für Sozialhilfeempfänger und arbeitslose Personen

4.2 Träger der Maßnahmen

4.3 Finanzierung der Maßnahmen

Teil 5
Ordnungsrechtliche Gesichtspunkte

5.1 Eingriffsvoraussetzung der Ordnungsbehörden

5.2 Inanspruchnahme eines privaten Dritten

5.3 Einweisung in eine bisher als Mietwohnung benutzte Wohnung

5.4 Entschädigung des privaten Dritten und Aufwendungen der Ordnungsbehörde

5.5 Unterbringung in gemeindeeigene Unterkünfte

5.6 Verwaltung der gemeindeeigenen Obdachlosenunterkünfte

5.7 Räumung und Umsetzung

5.8 Umsetzungsfrist

Teil 6
Maßnahmen zur Versorgung von obdachlosen Personen mit Wohnraum

6.1 Vergabe von belegungsgebundenen Wohnungen

6.2 Vorrang vor Unterbringung in Unterkünften

6.3 Versorgung im nichtgebundenen kommunalen Wohnungsbestand

6.4 Kooperationsverträge

6.5 Wohngeld

6.6 Unterbringung in Unterkünften u. ä.

Teil 7
Zusammenarbeit auf kommunaler Ebene

7.1 Grundlage der Zusammenarbeit

7.2 Einrichtungen

Teil 1
Allgemeines

1.1 Inhalt und Ziel

1.1.1 Die Empfehlungen befassen sich mit der Vermeidung von Obdachlosigkeit sowie der Unterbringung und Wiedereingliederung von Obdachlosigkeit bedrohter und obdachloser Personen. Die vorgeschlagenen Maßnahmen sollen den zuständigen Behörden als Leitlinien dienen. Dem Problem der Obdachlosigkeit ist am besten mit vorbeugenden Maßnahmen zu begegnen. Für Fälle, bei denen es trotz vorbeugender Maßnahmen zur Obdachlosigkeit  kommt, enthalten die Empfehlungen Hinweise für die örtlichen Behörden, wie die Probleme bewältigt werden können, insbesondere in enger Zusammenarbeit mit den Verbänden der freien Wohlfahrtspflege.

1.1.2 Gemäß Artikel 1 und 2 Grundgesetz wird jeder Person ein menschenwürdiges Leben und die freie Entfaltung der Persönlichkeit gewährleistet. Nach Artikel 47 Abs. 1 der Verfassung des Landes Brandenburg ist das Land verpflichtet, im Rahmen seiner Kräfte für die Verwirklichung des Rechts auf eine angemessene Wohnung zu sorgen, insbesondere durch Förderung von Wohneigentum, durch Maßnahmen des sozialen Wohnungsbaus, durch Mieterschutz und Mietzuschüsse. Die Räumung einer Wohnung darf nach Artikel 47 Abs. 2 der Verfassung des Landes Brandenburg nur vollzogen werden, wenn Ersatzwohnraum zur Verfügung steht. Nach diesen rechtlichen Vorgaben muß die öffentliche Verwaltung bemüht sein, das Problem der Obdachlosigkeit mit vorbeugenden Maßnahmen zu vermeiden oder, wenn das Problem eingetreten ist, schnellstmögliche Abhilfe zu schaffen.

1.2 Begriff der Obdachlosigkeit

1.2.1 Obdachlos im Sinne dieser Empfehlungen sind Personen,

  1. die ohne Unterkunft sind,
  2. denen der Verlust ihrer Unterkunft unmittelbar bevorsteht,
  3. deren Unterkunft den Mindestanforderungen an eine menschenwürdige Unterbringung nicht entspricht oder deren Unterbringung mit Gefahren verbunden ist und

die dabei nach ihren Einkommens-, Vermögens- oder Familienverhältnissen nicht in der Lage sind, sich und ihren engsten Angehörigen, mit denen sie gewöhnlich zusammenleben (Ehegatte, Kinder, Partner einer Lebensgemeinschaft), aus eigenen Kräften eine Unterkunft zu beschaffen.

1.2.2 Obdachlose Personen sind auch Personen, die, ohne eine eigene Wohnung zu haben, in einer der öffentlichen oder privaten Hand gehörenden, nur der vorübergehenden Unterbringung dienenden (Not-)Unterkunft oder in einem Frauenhaus/einer Frauenschutzwohnung untergebracht oder durch die zuständige Behörde vorübergehend in eine Wohnung eingewiesen worden sind.

1.2.3 Obdachlos im Sinne dieser Empfehlungen ist nicht,

  1. wer nicht seßhaft ist und nach seiner Lebensart auch keine Anzeichen für eine künftige Seßhaftigkeit erkennen läßt;
  2. wer aufgrund behördlicher Zuweisung länger als zwei Jahre in einer auch auf dem freien Wohnungsmarkt vermietbaren Wohnung (Normalwohnung) wohnt.

1.2.4 Für Asylbewerber, andere ausländische Flüchtlinge und Spätaussiedler gelten die für diesen besonderen Personenkreis erlassenen Rechtsvorschriften.

1.2.5 Auf wohnungslose Personen, die längerfristig auf der Straße leben und von den allgemeinen Hilfeangeboten nicht erreicht werden (Nichtseßhafte), kann die Empfehlung nur sinngemäß Anwendung finden (siehe hierzu Nummer 2.5.4).

Teil 2
Sozialhilferechtliche Aspekte

2.1 Rechtsgrundlagen

2.1.1 Durch das Bundessozialhilfegesetz (BSHG) sind für den Bereich der Hilfen für obdachlose Personen verschiedene Hilfemöglichkeiten gegeben.

2.1.2 Aufgabe der Sozialhilfe ist es, dem Empfänger der Hilfe die Führung eines Lebens zu ermöglichen, das der Würde des Menschen entspricht (§ 1 Abs. 2 BSHG).

2.1.3 Der Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt gemäß § 12 BSHG umfaßt die tatsächlichen Kosten von Unterkunft und Heizung, soweit sie nicht unangemessen hoch sind. Die Angemessenheit der Kosten der Unterkunft bemißt sich dabei zum einen an den individuellen Verhältnissen des Hilfesuchenden und zum anderen nach dem örtlichen Mietniveau und den Möglichkeiten des örtlichen Wohnungsmarktes. Auch wenn die Kosten der Unterkunft unangemessen hoch sind, sind sie so lange als Hilfe zum Lebensunterhalt zu übernehmen, als es dem Hilfesuchenden nicht zumutbar oder nicht möglich ist, die Kosten zu senken (§ 3 der Regelsatzverordnung vom 20. Juli 1962 (BGBl. I S. 515), zuletzt geändert durch das Gesetz zur Reform des Sozialhilferechts vom 23. Juli 1996 (BGBl. I S. 1088)). Die Hilfe zum Lebensunterhalt stellt dem Bedürftigen damit die finanziellen Mittel zur Erhaltung seiner Wohnung bereit und ist ein wichtiges Instrument zur Vermeidung von Obdachlosigkeit.

2.1.4 Im Rahmen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG kommen vor allem noch folgende Hilfen in Betracht:

  1. Hilfe zum Lebensunterhalt in Sonderfällen (z. B. Übernahme von Mietschulden) nach § 15 a BSHG,
  2. Beratung und Unterstützung - auch Schuldnerberatung - mit ggf. erforderlicher Übernahme der dafür anfallenden Kosten (§ 17 BSHG).

Personen, bei denen besondere Lebensverhältnisse mit sozialen Schwierigkeiten  verbunden sind und die diese Schwierigkeiten nicht aus eigener Kraft überwinden können, haben einen Rechtsanspruch auf Hilfe in besonderen Lebenslagen nach § 72 BSHG.

2.1.5 Nach § 1 der Verordnung zur Durchführung des § 72 des Bundessozialhilfegesetzes vom 9. Juni 1976 (BGBl. I S. 1469), zuletzt geändert durch Gesetz vom 16. Februar 1993 (BGBl. I S. 239, 252), können die vorgenannten Lebensverhältnisse zum Beispiel bei Personen ohne ausreichende Unterkunft und bei Nichtseßhaften bestehen. Zu den Maßnahmen der Hilfe nach § 72 BSHG gehören auch Maßnahmen bei der Beschaffung und Erhaltung einer Wohnung (§ 8 der Verordnung zur Durchführung des § 72 des Bundessozialhilfegesetzes).

2.2 Zuständigkeit

Für die Gewährung von Hilfen nach dem Bundessozialhilfegesetz für obdachlose Personen sind die örtlichen Träger der Sozialhilfe (Landkreise und kreisfreie Städte) sachlich zuständig (§§ 96, 97, 99 BSHG i. V. m. § 2 des Gesetzes zur Ausführung des Bundessozialhilfegesetzes vom 24. Juli 1991 (GVBl. S. 318), zuletzt geändert durch Gesetz vom 27. Juni 1995 (GVBl. I S. 130)).

2.3 Hilfen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG)

2.3.1 Vorbeugende Hilfen

Nach § 6 Abs. 1 BSHG soll die Sozialhilfe vorbeugend gewährt werden, wenn dadurch eine dem einzelnen drohende Notlage ganz oder teilweise abgewendet werden kann. Zur möglichst frühzeitigen Abwendung sozialer Schwierigkeiten (§ 72 Abs. 2 BSHG), zur Vermeidung ordnungsbehördlichen Einschreitens und kostspieliger Wiedereingliederungsmaßnahmen soll insbesondere Personen mit besonderen sozialen Schwierigkeiten vorbeugende Hilfe gewährt werden. Die vorbeugende Hilfe soll den Hilfebedürftigen vor allem ihre Wohnung erhalten oder die Zwangsräumung so lange verhindern, bis eine angemessene Ersatzwohnung gefunden ist. Alle im folgenden genannten Maßnahmen sollten so rechtzeitig eingeleitet werden, daß eine Obdachlosigkeit möglichst nicht entsteht.

2.3.2 Mietrückstände

2.3.2.1 Nach § 15 a BSHG kann Hilfe zum Lebensunterhalt in den Fällen, in denen sonst die Gewährung von Hilfe nicht möglich ist, gewährt werden, wenn dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Hierzu gehört insbesondere auch die Übernahme von Mietrückständen. Nach dem Gesetz zur Reform des Sozialhilferechts vom 23. Juli 1996 (BGBl. I S. 1088) soll die Hilfe gewährt werden, wenn sie gerechtfertigt ist und ohne sie Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Die Hilfe soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch den Hilfesuchenden nicht sichergestellt ist. Der Hilfesuchende ist hiervon schriftlich zu unterrichten.

Eine wesentliche Voraussetzung für die Übernahme von Mietschulden und damit eine wirksame präventive Maßnahme zur Verhinderung von Obdachlosigkeit ist die Weiterleitung von Informationen über drohende Wohnungslosigkeit. Besondere Bedeutung haben dabei die Mitteilungen der Gerichte bei Räumungsklagen wegen Mietzahlungsverzug, insbesondere durch die verpflichtende Bestimmung zur Mitteilung der Gerichte an den zuständigen örtlichen Träger der Sozialhilfe oder der von diesem beauftragten Stelle (§ 15 a Abs. 2 BSHG). Da die Frist gemäß § 554 Abs. 2 Nr. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches für eine Übernahme der Mietschulden aus Mitteln der Sozialhilfe überaus knapp bemessen ist (ein Monat), sollte ein zügiger Informationsfluß im Falle der Mitteilung durch die Gerichte bei Klagen auf Räumung von Wohnraum wegen rückständigen Mietzinses auf örtlicher Ebene und eine gezielte Information der Betroffenen über kommunale Hilfsangebote gewährleistet sein.

2.3.2.2 Die Übernahme von Mietrückständen sollte insbesondere dann erwogen werden, wenn

  1. dadurch ein Urteil auf Aufhebung eines Mietverhältnisses oder eine drohende Zwangsräumung abgewendet werden kann und
  2. eine andere zweckentsprechende Unterbringung des Mieters und seiner Angehörigen nicht geboten ist.

Eine andere Unterbringung ist in der Regel bei Familien mit Kindern dann nicht geboten, wenn nur eine Unterbringung in einer Behelfsunterkunft in Betracht kommt. Das gilt auch für andere Unterkünfte, die wegen ihres schlechten hygienischen oder baulichen Zustandes Behelfsunterkünften vergleichbar sind.

Daneben sollte den subjektiven Ursachen nachgegangen werden, die die Zahlungsunfähigkeit ausgelöst haben. Die von Obdachlosigkeit bedrohten Personen sollten auf die Hilfemöglichkeiten, insbesondere Beratungsstellen, hingewiesen werden.

2.4 Übernahme von zusätzlichen Kosten beim Mietvertragsabschluß und besondere Kosten bei der Beschaffung eines angemessenen Wohnraumes

Zur Unterstützung des Hilfeempfängers bei der Beschaffung eines angemessenen Wohnraumes können im Einzelfall zusätzliche Kosten beim Mietvertragsabschluß als Sicherheitsleistung für den Vermieter oder besondere Kosten bei der Anmietung von Wohnraum (z. B. Mietkautionen, Genossenschaftsanteile) übernommen werden. An Stelle von Mietkautionen können auch Bürgschaften des Sozialhilfeträgers in Frage kommen.

2.5 Beratung und Unterstützung, persönliche Betreuung

2.5.1 Von den Maßnahmen der persönlichen Hilfe haben Beratung und die persönliche Betreuung eine - auch im Gesetz durch § 8, § 17 und § 72 Abs. 2 BSHG - hervorgehobene Bedeutung. Die persönliche Hilfe des örtlichen Sozialhilfeträgers (§ 8 BSHG) besteht vor allem in der Pflicht zur Beratung in allen sozialen Angelegenheiten, soweit sie nicht von anderen Stellen oder Personen, zum Beispiel den Verbänden der Freien Wohlfahrtspflege, wahrzunehmen ist und nach Sachlage auch rechtzeitig wahrgenommen werden kann.

2.5.2 Durch § 17 BSHG wird diese Beratungspflicht verstärkt. Danach soll der Träger der Sozialhilfe durch Beratung und Unterstützung sowie persönliche Betreuung des Hilfeempfängers mit ihm gemeinsam gezielte Möglichkeiten zur Vermeidung oder Überwindung von Sozialhilfebedürftigkeit auffinden und ihre Realisierung besprechen (§ 17 Satz 1 BSHG). Im Einzelfall kann sich die persönliche Hilfe auch auf die Beratung über die Möglichkeiten der Tilgung von Mietrückständen und andere Zahlungsverpflichtungen sowie auf Verhandlungen mit Vermietern und Wohnungsbauträgern erstrecken. Sofern die weitere Beratung durch eine Schuldnerberatungsstelle oder andere Fachberatungsstelle geboten ist, ist durch den örtlichen Sozialhilfeträger auf ihre Inanspruchnahme hinzuwirken.

Die Gewährung von Hilfe kann auch von der Inanspruchnahme von Beratungsangeboten abhängig gemacht werden. Dabei soll in geeigneten Fällen eine schriftliche Vereinbarung abgeschlossen werden (§ 17 Abs. 2 BSHG).

2.5.3 Personen, bei denen besondere Lebensverhältnisse mit sozialen Schwierigkeiten verbunden sind und die diese Schwierigkeiten nicht aus eigener Kraft überwinden können, haben einen Rechtsanspruch auf Hilfe in besonderen Lebenslagen nach § 72 BSHG. In § 7 der Verordnung zur Durchführung des § 72 BSHG sind einzelne, besonders wichtige Erscheinungsformen der Beratung und persönlichen Betreuung geregelt. Ob ein Hilfesuchender unter die Hilfen nach § 72 BSHG fällt, läßt sich nur nach den Besonderheiten des Einzelfalles feststellen.

2.5.4 Für Nichtseßhafte sollten, soweit der  örtliche Träger der Sozialhilfe zuständig ist und dies für erforderlich hält, niedrigschwellige Angebote, wie Übernachtungsplätze, Tagesaufenthaltsstätten, Suppenküchen, medizinische Grundversorgung, Gesprächsangebote sowie Winternotmaßnahmen, als Überlebenshilfe gemacht werden. Diese Angebote können ein Einstieg in weitergehende Hilfen sein. Diese bestehen in Hilfen zur Seßhaftmachung, für die nach § 2 a Nr. 1 des Gesetzes zur Ausführung des Bundessozialhilfegesetzes der überörtliche Träger der Sozialhilfe zuständig ist.

2.5.5 Selbsthilfeinitiativen obdachloser Personen stärken die Eigenverantwortlichkeit und entlasten somit die kommunale Verwaltung. Sie benötigen allerdings Unterstützung in Form von Beratung und Betreuung durch entsprechende Träger und kommunale Stellen.

2.6 Beschaffung und Erhaltung einer Wohnung

Obdachlosen Personen sollen, sofern sie zum Personenkreis des § 72 BSHG gehören, nach § 72 Abs. 2 BSHG Hilfen bei der Beschaffung und Erhaltung einer Wohnung gewährt werden. Geldleistungen können in Form von Darlehen oder Beihilfen erfolgen.

§ 8 der Verordnung zur Durchführung des § 72 des BSHG hebt insbesondere die Übernahme von Umzugskosten hervor. 

Teil 3
Hilfen für Kinder, Jugendliche und ihre Familien

3.1 Aufgaben des örtlichen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe (Jugendamt)

3.1.1 Das Jugendamt ist eine Fach- und Dienstleistungsbehörde, deren wesentliche Aufgabe das Angebot sozialpädagogischer Beratung und Hilfen für Familien und junge Menschen ist. Es leistet bei Bedarf diese Hilfe auf Wunsch oder Antrag der Sorgeberechtigten oder der jungen Menschen.

Darüber hinaus werden auch an den Orten, wo junge Menschen leben, die sich in der Regel aufgrund ihrer sozialen und persönlichen Situation nicht um Unterstützung bemühen, sozialpädagogische Unterstützungen angeboten.

3.1.2 Das Jugendamt berät Familien mit minderjährigen Kindern und junge Menschen, die von Obdachlosigkeit bedroht oder betroffen sind,

  1. bei der Bewältigung der damit verbundenen schwierigen sozialen und psychischen Situation,
  2. bei der Beantragung und Durchsetzung von Ansprüchen auf Hilfe und
  3. über Leistungen der Jugendhilfe.

Es unterstützt diese Familien und junge Menschen bei Konflikten mit anderen Sozialleistungsträgern und kooperiert mit ihnen mit dem Ziel, das Eintreten von Obdachlosigkeit zu vermeiden oder bereits eingetretene Obdachlosigkeit schnellstmöglich zu beenden. Bei Bedarf gewährt das Jugendamt Leistungen der Jugendhilfe.

3.2 Hilfen nach dem Achten Buch des Sozialgesetzbuches - Kinder- und Jugendhilfe

Ist das Wohl eines Minderjährigen allgemein oder im Zusammenhang mit Wohnungsnot gefährdet, leitet das Jugendamt Maßnahmen zum Schutz des Minderjährigen ein.

3.2.1 Allgemeine Beratungs- und Unterstützungsaufgaben des Jugendamtes

3.2.1.1 Bei Familien mit minderjährigen Kindern, die von Obdachlosigkeit bedroht oder obdachlos sind, ist in der Regel davon auszugehen, daß deren Kinder von den schwierigen Bedingungen, die die Wohnungsnot begleiten oder durch sie verursacht sind, betroffen sind. Dazu gehört,

  1. daß das Kind in dieser Situation keinen ausreichenden Raum zum Spielen und zur Entwicklung seines eigenen Verantwortungsbereiches hat,
  2. daß die Familie aufgrund der schwierigen Wohnungssituation unter starkem materiellen und psychischen Druck steht, der auch zu Aggressionen, Gewalt oder Vernachlässigung führen kann.

Deshalb ist das Jugendamt in besonderer Weise gefordert, diesen Kindern, Jugendlichen und ihren Familien zu helfen.

3.2.1.2 Wird dem Jugendamt bekannt, daß eine Familie mit minderjährigen Kindern oder ein junger Mensch aufgrund von Obdachlosigkeit einer Notunterkunft zugewiesen wurde, soll es diese Familie oder den jungen Menschen über Beratungs- und Hilfsmöglichkeiten in geeigneter Form informieren.

3.2.1.3 Wohnungslose Familien mit minderjährigen Kindern und wohnungslose junge Menschen benötigen eine besondere Unterstützung.

Dazu gehören Angebote der Erziehungsberatung, Familienförderung (z. B. der Familienfreizeit und -erholung), der Kinder- und Jugendfreizeitarbeit sowie im Einzelfall Hilfen zur Erziehung (z. B. Erziehungsberatung, sozialpädagogische Familienhilfe, Erziehungsbeistandschaften, Tagesgruppen oder Unterbringung außerhalb der Familie).

3.2.2 Kindertagesstätten

Bei der Beratung soll das Jugendamt darauf hinwirken, daß Mädchen und Jungen im Vorschulalter aus Familien mit gravierenden Wohnungsproblemen eine Kindertagesstätte auch dann besuchen, wenn die Eltern nicht berufstätig bzw. arbeitslos sind, um die Familie zu entlasten, den Kindern die Möglichkeit der Entwicklung in einem Sozialisationsraum mit Gleichaltrigen und einem kindgerechten Umfeld zu schaffen und Außenseiterpositionen von Kindern aus solchen benachteiligten Familien zu vermeiden.

3.2.3 Schutz der Minderjährigen und Inobhutnahme

Ist das Wohl eines Minderjährigen allgemein oder im Zusammenhang mit Wohnungsnot gefährdet, leitet das Jugendamt, möglichst in Zusammenarbeit mit den Personensorgeberechtigten, Maßnahmen zum Schutz des Minderjährigen ein. Dazu wird auf die beschriebenen Unterstützungsaufgaben des Jugendamtes (Nummer 3.2.1) verwiesen. Werden dem Jugendamt Tatsachen bekannt, die auf eine Gefährdung des Wohls des Kindes hindeuten und sind die Personensorgeberechtigten nicht bereit oder in der Lage, die Gefährdung abzuwenden, informiert das Jugendamt gemäß § 50 Abs. 3 des Achten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VIII) in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. Mai 1993 (BGBl. I S. 637), zuletzt geändert durch Gesetz vom 15. März 1996 (BGBl. I S. 477), das Vormundschaftsgericht.

Gemäß § 42 SGB VIII besteht die Verpflichtung des Jugendamtes, Minderjährige im Rahmen vorläufiger Maßnahmen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen in Obhut zu nehmen. Die Verpflichtung zur Inobhutnahme besteht dann, wenn Kinder oder Jugendliche das wünschen, was z. B. bei obdachlosen Jugendlichen möglich ist. Sie besteht außerdem dann, wenn Kinder oder Jugendliche unabhängig von ihren Familien obdachlos werden (Trebegänger). In diesen Fällen gilt es, neben der Versorgung und Betreuung im Rahmen der Inobhutnahme insbesondere die Perspektiven dieser Minderjährigen gemeinsam mit ihnen und den Personensorgeberechtigten zu klären.

3.2.4 Drohende Obdachlosigkeit Jugendlicher und junger Erwachsener

3.2.4.1 Droht Jugendlichen oder jungen Erwachsenen, die bisher in der Familie gelebt haben, Obdachlosigkeit, soll das Jugendamt prüfen, ob eine Unterbringung gemäß §§ 34 oder 41 SGB VIII sinnvoll ist. Da Obdachlosigkeit eine erhebliche Gefährdung der weiteren Entwicklung des jungen Menschen darstellt, ist in der Regel davon auszugehen, daß die Voraussetzungen für diese Leistungen vorliegen.

3.2.4.2 Bei Jugendlichen und jungen Volljährigen soll die Beendigung von Heimerziehung grundsätzlich nicht zu Obdachlosigkeit führen. Eine Entlassung aus dem Heim, ohne daß Wohnraum zur Verfügung steht, würde den Abschluß der Erziehungshilfe insgesamt gefährden. Deshalb sollen Jugendämter in diesen Fällen von den Möglichkeiten einer Verlängerung der Unterbringung in dem Heim, einer Wohngemeinschaft oder im betreuten Einzelwohnen gemäß § 41 SGB VIII Gebrauch machen. Sollte die Entlassung unvermeidlich sein, soll Unterstützung bei der Suche nach Wohnraum gewährt werden oder insbesondere solche Wohnangebote bereitgestellt werden, die der Entwicklung einer eigenverantwortlichen Lebensführung dienen.

3.2.5 Familienhilfe

3.2.5.1 Besonders wichtig sind Erholungsmaßnahmen für notdürftig untergebrachte Familien, weil sie Kindern und Eltern Gelegenheit bieten, aus der gewohnten, oft bedrückenden Umgebung herauszukommen.

Die Bereitschaft und der Wille zur Wiedereingliederung werden dadurch gestärkt. Staatliche Hilfen können über die Geschäftsstellen der Spitzenverbände der Wohlfahrtspflege und der Familienverbände gegeben werden.

3.2.5.2 Familien und Schwangere in Notunterkünften sollen regelmäßig auf die Möglichkeiten der finanziellen Unterstützung für Schwangere und Familien, vor allen auf die Leistungen der Bundesstiftung "Mutter und Kind - Schutz des ungeborenen Lebens", die Stiftung "Hilfe für Familien in Not - Stiftung des Landes Brandenburg" sowie auf die Leistungen nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz hingewiesen werden.

Teil 4
Maßnahmen der Arbeitsförderung in Verbindung mit der Schaffung von Wohnraum für Obdachlose

4.1 Maßnahmen für Sozialhilfeempfänger und arbeitslose Personen

Durch Maßnahmen der Arbeitsförderung kann Wohnraum für obdachlose Personen oder von Obdachlosigkeit Bedrohte gesichert oder geschaffen werden. Ehemals Arbeitslose können in Arbeitsbeschaffungs- und Qualifizierungsmaßnahmen in Zusammenarbeit mit Fachfirmen Wohnungen modernisieren, instandsetzen oder neu bauen. Für arbeitslose Sozialhilfeempfänger können nach § 19 BSHG und für Langzeitarbeitslose, die nicht der Gruppe der Sozialhilfeempfänger angehören, z. B. mit Hilfe von § 62 d des Arbeitsförderungsgesetzes vom 25. Juni 1969 (BGBl. I S. 582), zuletzt geändert durch Gesetz vom 15. Dezember 1995 (BGBl. I S. 1824, 1836), oder § 249 h des Arbeitsförderungsgesetzes Arbeitsplätze eingerichtet werden. Obdachlose Personen oder von Obdachlosigkeit Bedrohte können als Beschäftigte oder im Rahmen der Erbringung von Selbsthilfeleistungen in diese Projekte einbezogen werden.

4.2 Träger der Maßnahmen

Derartige Projekte ermöglichen eine Verknüpfung von Wohnungsversorgung, Arbeitsbeschaffung und sozialer Integration, die eine gute Zusammenarbeit aller Beteiligten erfordert. Auf örtlicher Ebene sind kompetente Träger zu gewinnen (es bieten sich die "Arbeitsförderungsgesellschaften" oder andere geeignete Einrichtungen oder Unternehmen an), die, unterstützt vom Träger der Sozialhilfe, dem Arbeitsamt, den weiteren regionalen Akteuren der Arbeitsmarkt- und Wohnungspolitik, dem Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen und dem Ministerium für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr, die Vorhaben durchführen.

4.3 Finanzierung der Maßnahmen

In die Finanzierung dieser Projekte können je nach den konkreten Bedingungen vor Ort und in Abhängigkeit der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel Mittel des Landesprogramms "Arbeit statt Sozialhilfe", Beiträge des Trägers der Sozialhilfe und Mittel der Wohnungsbau- und Städtebauförderung einbezogen werden. Bei der Vergabe von Aufträgen in Zusammenhang mit der Landesförderung ist gegebenenfalls die zentrale Vergabestelle des Ministeriums für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr zu beteiligen.

Teil 5
Ordnungsrechtliche Gesichtspunkte

5.1 Eingriffsvoraussetzung der Ordnungsbehörden

5.1.1 Für die Beseitigung der Obdachlosigkeit als eine Aufgabe der Gefahrenabwehr sind die örtlichen Ordnungsbehörden nach §§ 1, 4 und 5 Ordnungsbehördengesetz (OBG) vom 13. Dezember 1991 (GVBl. S. 636) zuständig. Die örtlichen Ordnungsbehörden haben hierbei mit den zuständigen Sozial- und Jugendbehörden zusammenzuarbeiten.

5.1.2 Wer zu dem Kreis volljähriger obdachloser Personen zählt, hat sich grundsätzlich selbst um eine Unterkunft zu bemühen. Dies gilt auch dann, wenn eine vorübergehende Unterbringung in eine der öffentlichen Hand gehörenden Unterkunft oder eine Einweisung durch die zuständige Behörde in eine Wohnung erfolgt ist.

5.1.3 Ein Eingriff der Ordnungsbehörden im Rahmen des § 13 OBG ist erst dann geboten, wenn der Obdachlose trotz ernsthafter Bemühungen aus eigenen Kräften nicht in der Lage ist - wenn auch nur vorübergehend -seine Obdachlosigkeit zu beseitigen und die öffentliche Verwaltung nicht durch vorbeugende Maßnahmen, zum Beispiel durch die Gewährung von sozialen Hilfen (Wohngeld oder Hilfe zum Lebensunterhalt) eine Obdachlosigkeit vermeiden kann.

5.2 Inanspruchnahme eines privaten Dritten

5.2.1 Sind die in Nummer 5.5 genannten Unterkünfte kurzfristig nicht verfügbar, so kann die Ordnungsbehörde nach § 18 OBG einen privaten Dritten, der in sachlicher oder persönlicher Beziehung mit der obdachlosen Person steht, für die Unterbringung heranziehen, sofern ihn die Unterbringung der obdachlosen Person in seinem Besitz oder in seinem Eigentum, nach seiner Leistungsfähigkeit sowie der Art der in Anspruch genommenen Räume am wenigsten belastet.

5.2.2 Die Unterbringung darf keine größere als die zu beseitigende Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung herbeiführen.

5.3 Einweisung in eine bisher als Mietwohnung benutzte Wohnung

Eine Einweisung in eine Wohnung, die bisher von den Betroffenen als Mietwohnung benutzt worden ist, darf nur angeordnet werden, wenn bei Abwägung des individuellen Interesses der für die Unterbringung in Anspruch genommenen Personen mit dem öffentlichen Interesse an der Beseitigung der Obdachlosigkeit letzteres überwiegt.

5.3.1 Bei der Interessenabwägung sollen insbesondere

  1. die Zumutbarkeit der Unterbringung für den Vermieter (Prüfung der Tatbestände des Räumungsurteils; Mietrückstände allein machen den Mieter im Regelfall noch nicht unzumutbar),
  2. das Interesse des Vermieters an der Räumung,
  3. die örtlichen Wohnverhältnisse,
  4. die Größe der Familie sowie ihre Zusammensetzung nach Alter und Geschlecht,
  5. die besondere Belastung des Mieters oder seiner Familie durch Krankheit, Arbeitsunfähigkeit und ähnliches und
  6. die  Erfolglosigkeit anderweitiger Unterbringungsmöglichkeiten

berücksichtigt werden.

5.3.2 Die Inanspruchnahme eines privaten Dritten oder die Unterbringung in (Not-)Unterkünften sollte erst erfolgen, wenn eine Versorgung mit belegungsgebundenem Wohnraum nicht möglich ist, um der Gefahr einer Stigmatisierung der betroffenen Haushalte zu begegnen.

5.3.3 Dauer der Einweisung

5.3.3.1 Die Einweisung in eine Unterkunft ist auf eine unabweisbar notwendige Frist zu beschränken. Die erste Einweisung ist auf höchstens drei Monate, jede weitere Einweisung auf höchstens zwei Monate zu beschränken.

5.3.3.2 Insgesamt darf eine Einweisungsfrist von sechs Monaten nur in begründeten Ausnahmefällen überschritten werden. Das Fehlen von öffentlichen Haushaltsmitteln für den Bau von Obdachlosenunterkünften wird von der Rechtsprechung als Begründung für einen Ausnahmefall nicht anerkannt.

5.3.3.3 Die Einweisung darf nicht so lange andauern, daß die Wirkung eines gerichtlichen Räumungsurteils praktisch aufgehoben wird; dies ist bei Einweisung über den Zeitraum von zwölf Monaten hinaus in jedem Fall anzunehmen.

5.3.3.4 Die zuständigen Ordnungsbehörden haben sich in den Fällen, in denen ein Räumungsurteil vorliegt, vom Tage der Einweisung an ständig um eine anderweitige Unterbringung - notfalls durch Beschaffung oder Errichtung eigener Unterkünfte - zu bemühen, damit die Inanspruchnahme des privaten Dritten unverzüglich beendet wird. Die Pflicht der obdachlosen Person zur Beseitigung ihrer Obdachlosigkeit aus eigenen Kräften bleibt hiervon unberührt.

5.3.3.5 Die Ordnungsbehörde hat die für odachlose Personen beanspruchte Wohnung am Ende der gesetzten Frist zu räumen, es sei denn, daß sich die Einweisung  erledigt hat.

5.3.4 Beendigung der Einweisung

Die Einweisung in eine im Eigentum eines privaten Vermieters stehende Wohnung gilt als erledigt, wenn der Vermieter und die eingewiesene Partei einen Mietvertrag schließen. Dies ist insbesondere anzunehmen, wenn über die Ausgestaltung des öffentlich-rechtlichen Benutzungsverhältnisses hinaus Vereinbarungen hinsichtlich der Zahlung einer Nutzungsentschädigung oder der Dauer der Benutzung getroffen werden.

5.3.5 Form der Verfügung über die Inanspruchnahme

Die Anordnung der Einweisung in eine Unterkunft eines privaten Dritten hat durch schriftliche Ordnungsverfügung gegenüber dem Verfügungsberechtigten oder Räumungsgläubiger der Wohnung zu erfolgen. § 19 OBG ist anzuwenden.

5.4 Entschädigung des privaten Dritten und Aufwendungen der Ordnungsbehörde

5.4.1 In der Ordnungsverfügung über die Inanspruchnahme hat die einweisende Behörde zu erklären, daß sie die Kosten der getroffenen Maßnahme trägt.

5.4.2 Den Vermietern ist eine Nutzungsentschädigung in der Regel in der Höhe der bisher gezahlten Miete, höchstens jedoch der gesetzlich zulässigen Miete, zu zahlen.

5.4.3 Die zuständige Ordnungsbehörde kann in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BGB über die Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches) den Ersatz ihrer Aufwendungen, die durch die Einweisung entstehen, von dem Eingewiesenen verlangen.

5.4.4 Teil III des OBG ist entsprechend anzuwenden.

5.5 Unterbringung in gemeindeeigene Unterkünfte

5.5.1 Grundsätzliche Mindestanforderungen an die Unterkünfte

5.5.1.1 Gemeindeeigene oder der Gemeinde zur Verfügung stehende Unterkünfte sollen den Mindestanforderungen an eine menschenwürdige Unterbringung entsprechen. Die Unterkünfte sollen ausreichenden Schutz vor Witterungseinflüssen und Raum für die notwendigsten Lebensbedürfnisse bieten.

5.5.1.2 Die an eine marktübliche Wohnung zu stellenden Anforderungen bezüglich der Lage, Größe, Einrichtung und sonstigen Verhältnisse brauchen nicht erfüllt zu sein. Es soll jedoch berücksichtigt werden, daß eine angemessene Lebensführung möglich sein soll, um die Förderung der vollen Wiedereingliederung in die Gesellschaft nicht zusätzlich zu erschweren.

5.5.1.3 Bei der Auswahl und Größe der Wohnung soll der Gesundheitszustand unterzubringender Personen in angemessener Weise berücksichtigt werden. Soweit es erforderlich erscheint, ist das Gesundheitsamt zu beteiligen.

5.5.1.4 Durch die Einweisung obdachloser Familien mit Kindern darf eine Gefährdung des Kindeswohls nicht eintreten. Die Entfernung zwischen der Unterbringung und der Schule soll nach Möglichkeit berücksichtigt werden.

5.5.2 Unterkunftsbeschaffenheit

5.5.2.1 Bei der Unterbringung soll auf die bis zum Eintritt der Obdachlosigkeit bestehende Haushaltsgemeinschaft Rücksicht genommen werden. Es besteht jedoch in der Regel kein Anspruch auf Aufrechterhaltung der Familiengemeinschaft zwischen volljährigen Kindern und ihren Eltern.

5.5.2.2 Für Familien mit Kindern sollten mindestens zwei Räume zur Verfügung gestellt werden, die Kindern altersentsprechend ausreichend Spielfläche bieten und die ein getrenntes Schlafen von Eltern und Kindern gestatten. Anderenfalls sollte es möglich sein, Raumeinheiten durch Möbel abzutrennen.

Eine Mindestgröße von acht Quadratmetern pro Person und mindestens zehn Quadratmetern pro Raum soll möglichst gewährleistet werden.

5.5.2.3 Die Unterkunft soll ausreichenden Raum für den zum täglichen Leben unentbehrlichen Hausrat aufweisen. Die Unterstellung anderer Möbelstücke ist Angelegenheit der obdachlosen Person. Die zuständige Behörde sollte ihn hierbei nach Möglichkeit beraten.

5.5.2.4 Unbeschadet der in diesen Empfehlungen festgelegten Mindestanforderungen hat die obdachlose Person weder einen Anspruch auf Räume bestimmter Art, Lage, Größe oder für eine bestimmte Zeitdauer, noch einen Anspruch auf Raum für berufliche Arbeit, sonstige Beschäftigung oder zum Unterbringen von Haustieren. Bei der Einweisung soll im Rahmen der Verhältnismäßigkeit darauf geachtet werden, daß die obdachlose Person ihre wirtschaftliche Existenzgrundlage auf Grund der Unterbringung nicht verliert und sie für die Betroffenen nicht zu unvertretbaren sozialen Härten führt.

5.5.3 Sanitäre Anlagen

5.5.3.1 Wasserzapfstellen sollen sich innerhalb der Unterkunft befinden, brauchen jedoch nicht innerhalb der zugewiesenen Räume angebracht zu sein.

5.5.3.2 Waschgelegenheiten sollten in ausreichender Zahl bereitgestellt werden. Sind sie als Gemeinschaftsanlage ausgestaltet, so sollten für Männer und Frauen getrennte Räume vorhanden sein. Zusätzlich zu einer Waschgelegenheit für fünf bis sieben Benutzer sollten für Familien nach Möglichkeit Duschen vorgesehen werden. In Gemeinschaftsanlagen sollten Duschen vorhanden sein (eine Dusche für zehn Personen oder eine Dusche für eine Familie). Gemeinschaftsunterkünfte sollten verschließbare Zimmer und Sanitärräume für Frauen und Familien haben.

5.5.3.3 Die Toilettenanlagen können als Gemeinschaftsanlagen (getrennte Anlagen für Männer und Frauen) eingerichtet werden. Für fünf bis sieben Benutzer sollte eine Toilette vorhanden sein. Für Männer können statt zwei Toiletten auch eine Toilette und ein Urinalbecken vorgesehen werden.

5.5.3.4 Gemäß §§ 6 und 19 des Gesetzes über den öffentlichen Gesundheitsdienst im Land Brandenburg vom 3. Juni 1994 (GVBl. I S. 178) überwacht das Gesundheitsamt im Hinblick auf die Gesundheitsförderung und Hygieneüberwachung Einrichtungen für obdachlose Personen, berät sie in allen gesundheitlichen Fragen und führt erforderlichenfalls Maßnahmen zum Schutz vor übertragbaren Krankheiten auf der Grundlage des Bundesseuchengesetzes durch.

In Gemeinschaftseinrichtungen sollte für ärztliche Untersuchungen ein Untersuchungsraum zur Verfügung stehen.

5.6 Verwaltung der gemeindeeigenen Obdachlosenunterkünfte

5.6.1 Benutzungsordnung

5.6.1.1 Die gemeindeeigenen Obdachlosenunterkünfte sind in der Regel nichtrechtsfähige öffentliche Anstalten.

5.6.1.2 Die innere Ordnung wird im Rahmen des Anstaltszweckes durch eine Benutzungsordnung geregelt.

5.6.2 Nutzungsentgelte

5.6.2.1 Für die Benutzung der Obdachlosenunterkunft hat die obdachlose Person ein Entgelt zu entrichten. Entsprechend der Möglichkeit, die gemeindliche Obdachlosenunterkunft öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich zu organisieren, gestaltet sich das Entgelt als öffentlich-rechtliche Gebühr oder als privatrechtliches Entgelt.

5.6.2.2 Das Entgelt dient nicht der Kostendeckung, sondern stellt ein Mittel zur Wiedereingliederung der obdachlosen Person in die Gesellschaft dar. Insoweit kann von der Ausnahmeregelung des § 6 Abs. 1 des Kommunalen Abgabengesetzes für das Land Brandenburg vom 27. Juni 1991 (GVBl. S. 200) Gebrauch gemacht werden, wonach bei Einrichtungen, die überwiegend dem Vorteil einzelner Personen oder Personengruppen dienen, in der Regel kostendeckende Gebühren oder privatrechtliche Entgelte zu erheben sind.

5.6.2.3 Das Entgelt ist so zu bemessen, daß es keinen wirtschaftlichen Anreiz bietet, in der Unterkunft zu verbleiben. Nach Ablauf von sechs Monaten sowie nach Ablauf weiterer sechs Monate soll die Gebühr in der Regel erhöht werden, um einen Anreiz zum Verlassen der Unterkunft zu geben. Dies gilt nicht für kinderreiche Familien oder Sozialhilfeempfänger.

5.6.2.4 Die Beitreibung der Entgeltforderung richtet sich nach dem Verwaltungsvollstreckungsgesetz für das Land Brandenburg vom 18. Dezember 1991 (GVBl. S. 661). Bei privatrechtlicher Organisation der Obdachlosenunterkunft erfolgt die Durchsetzung offener Forderungen zivilrechtlich, das heißt vor der Vollstreckung ist ein entsprechender Titel beim zuständigen Amtsgericht zu beantragen.

5.6.3 Ermäßigung und Erlaß des Entgelts

5.6.3.1 Bei Vorliegen besonderer Umstände (zum Beispiel wirtschaftliche Belastung durch Unglücks- oder Krankheitsfälle, Umzug in eine Wohnung des freien Marktes) soll das Entgelt für die Dauer eines angemessenen Zeitraumes ermäßigt oder erlassen werden, um eine Wiedereingliederung aus wirtschaftlichen Gründen nicht zu erschweren.

5.6.3.2 Die Möglichkeit, das Entgelt zu ermäßigen, muß in der Gebührensatzung bzw. der Entgeltordnung festgeschrieben werden. Im übrigen besteht im Einzelfall grundsätzlich die Möglichkeit der Stundung oder des Erlasses von Abgaben nach der Abgabenordnung vom 16. März 1976 (BGBl. I S. 613; ber. 1977 I S. 269), zuletzt geändert durch Gesetz vom 18. Dezember 1995 (BGBl. I S. 1959, 1965), §§ 222 und 227 der Abgabenordnung in Verbindung mit § 12 des Kommunalen Abgabengesetzes. Die Kriterien darüber, in welchen Fällen ein Entgelt oder eine Gebühr ermäßigt oder unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang Forderungen zu stunden oder zu erlassen sind, sollten in einer Dienstanweisung geregelt werden.

5.7 Räumung und Umsetzung

5.7.1 Räumt der Eingewiesene die Unterkunft nicht, obwohl die Voraussetzungen der Obdachlosigkeit weggefallen sind, ist die Einweisung durch Verwaltungsakt aufzuheben.

5.7.2 Die Umsetzung von obdachlosen Personen von einer zugewiesenen in eine andere Unterkunft ist ein Verwaltungsakt. In der Umsetzungsverfügung ist die nunmehr zur Verfügung gestellte Unterkunft nach Lage und Größe anzugeben.

5.7.3 Eine Umsetzung darf nur erfolgen, wenn sie sachlich begründet ist. Ein sachlicher Grund liegt insbesondere dann vor, wenn Räume für größere Familien benötigt werden. Eine Umsetzung ist auch sachgerecht, wenn es zwischen den Bewohnern zu Unruhen, Unfrieden oder strafbaren Handlungen kommt. Die Schuldfrage ist bei der Umsetzung nicht zu klären.

5.7.4 Die Umsetzung von Familien mit Kindern in kleinere Unterkünfte, insbesondere wegen Zahlungsrückstands, soll nach Möglichkeit vermieden werden.

5.8 Umsetzungsfrist

Die Umsetzung ist auch nach Anordnung der sofortigen Vollziehung der Umsetzungsverfügung gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung vom 21. Januar 1960 (BGBl. I S. 17) in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. März 1991 (BGBl. I S. 686), zuletzt geändert durch Gesetz vom 23. November 1994 (BGBl. I S. 3486), im Regelfall erst in einem angemessenen Zeitraum nach ihrer Ankündigung vorzunehmen.

Teil 6
Maßnahmen zur Versorgung von

obdachlosen Personen mit Wohnraum

6.1 Vergabe von belegungsgebundenen Wohnungen

6.1.1 Obdachlose Personen sind nach Möglichkeit in den der Gemeinde zur Verfügung stehenden belegungsgebundenen Wohnungen unterzubringen. Bei der Wohnungsvergabe sollen die obdachlosen Personen auf den Dringlichkeitslisten oder in Prioritätenkatalogen bevorzugt berücksichtigt werden. Nach der Zweiten Verordnung zur Bestimmung von Gebieten mit erhöhtem Wohnungsbedarf vom 6. Dezember 1993 (GVBl. II S. 772) in der jeweils geltenden Fassung haben die dort genannten Gemeinden ein Benennungsrecht. Die Benennung erfolgt nach sozialen Dringlichkeitskriterien.

6.1.2 Obdachlosigkeit wird in Nummer 7 der Verwaltungsvorschrift des Ministeriums für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr zum Wohnungsbindungsgesetz (VV-WoBindG) vom 15. Mai 1995 (ABl. S. 486) als besonderes Dringlichkeitskriterium genannt.

6.1.3 Außerdem werden bei größeren, vom Land geförderten Mietwohnungsbauvorhaben einzelne Besetzungsrechte für die Unterbringung von obdachlosen Personen bzw. von Obdachlosigkeit bedrohten Einzelpersonen und Familien zugunsten der Gemeinden vereinbart und im Grundbuch dinglich gesichert.

6.2 Vorrang vor Unterbringung in Unterkünften

Die Unterbringung von obdachlosen Personen in belegungsgebundenen Wohnungen soll gegenüber der Unterbringung bei privaten Dritten oder in Unterkünften absoluten Vorrang haben. So ist am ehesten gewährleistet, daß die Folgewirkungen der Obdachlosigkeit vermieden werden können.

6.3 Versorgung im nichtgebundenen kommunalen Wohnungsbestand

Bei kommunalen Wohnungsunternehmen haben die Gemeinden auch die Möglichkeit, im nicht gebundenen Wohnungsbestand Einfluß auf die Versorgung von Wohnungsnotfällen zu nehmen. Sie können unter anderem darauf hinwirken, daß ein bestimmter Anteil der Wohnungen an obdachlose Personen vergeben wird.

6.4 Kooperationsverträge

Die Gemeinden können auch mit den sonstigen Wohnungsunternehmen vor Ort Kooperationsverträge mit dem Ziel abschließen, einen bestimmten Anteil der Wohnungen für die Unterbringung obdachloser Personen oder anderer Wohnungsnotfälle zur Verfügung zu stellen.

6.5 Wohngeld

Die Inanspruchnahme von Wohngeld zur finanziellen Sicherung des Wohnens ist durch Information und Beratung zu fördern, um Mietschulden zu vermeiden und möglichen Räumungsklagen zu begegnen.

6.6 Unterbringung in Unterkünften u. ä.

Erst wenn alle Möglichkeiten der Unterbringung von obdachlosen Personen in Wohnungen ausgeschöpft sind, kann eine befristete Unterbringung in Unterkünften, Wohncontainern, Wohnwagen oder in Hotelzimmern erfolgen. Grundsätzlich soll die Unterbringung möglichst dezentral erfolgen, um das Entstehen sozialer Brennpunkte im Vorfeld zu vermeiden.

Teil 7
Zusammenarbeit auf kommunaler Ebene

7.1 Grundlage der Zusammenarbeit

Die Wohnungssicherung und Wohnungsversorgung von Wohnungsnotfällen ist eine Querschnittsaufgabe, die zu ihrer Bewältigung einer Bündelung der verschiedenen Kompetenzen und Ressourcen bedarf. Der kombinierte und abgestimmte Einsatz der Instrumente der Sozial-, Wohnungs- und Ordnungspolitik sollte der jeweiligen Situation vor Ort entsprechend erfolgen. Eine gute Kommunikationsstruktur und ein entsprechender Informationsfluß sind die wesentlichen Voraussetzungen der Zusammenarbeit. Es wird deshalb empfohlen, zur Verhinderung und zum Abbau bestehender Unterkunftslosigkeit einen ämterübergreifenden Plan zur Verhinderung von Obdachlosigkeit und zur Hilfegewährung für obdachlose Personen zu erstellen. Darüber hinaus sollte der Plan eine Bestandsaufnahme über Umfang, Ursachen, Dauer sowie bereits ergriffener Hilfemaßnahmen bei bereits eingetretener Obdachlosigkeit enthalten. Umfang und Struktur der Wohnungsangebote und der Wohnungsnachfrage, Engpässe, insbesondere im Bereich preisgünstiger Wohnungen, sind ebenso zu erfassen wie bereits von obdachlosen Personen genutzte Unterkünfte.

7.2 Einrichtungen

Je nach Möglichkeit und Größe der Gemeinde sollte eine Fachstelle, Arbeitsgemeinschaft, Arbeitskreis oder ähnliche Organisationsform eingerichtet werden. Neben den verschiedenen Ämtern (insbesondere Sozial-, Wohnungs-, Jugend-, Ordnungs- und Gesundheitsämter) und den kommunalen Gleichstellungsbeauftragten sollten darin auch die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege oder soziale Institutionen, Kirchen, die Wohnungswirtschaft, Gerichte und Gerichtsvollzieher, Betroffenenvertretung zusammenarbeiten.

Die Hauptaufgabe der Einrichtung sollte bei der Information, Abstimmung und Koordinierung der verschiedenen Maßnahmen der jeweils Zuständigen liegen. Dadurch wird beim Auftreten von Problemen ein schnelles Eingreifen zum Abwenden einer weiteren Verschlechterung der Situation der Betroffenen ermöglicht.

Die konkrete Ausgestaltung des Aufgabenfeldes der Einrichtung ist von ihrem Mitgliederkreis und den Gegebenheiten vor Ort abhängig.

7.2.1 Integrierte Fachstelle

Die vom Deutschen Städtetag bereits 1987 vorgeschlagene Konzeption der integrierten Fachstelle ist die umfassendste Form der Zusammenarbeit auf kommunaler Ebene. Die Verknüpfung von ordnungsrechtlichen, wohnungs- und sozialpolitischen Maßnahmen in einem Katalog umfaßt die präventiven Hilfen und Beratungsleistungen sowie Maßnahmen zur Betreuung und Unterbringung akuter Wohnungsnotfälle und zur dauerhaften Wohnungsversorgung. Eine optimale Kooperation der mit den verschiedenen Maßnahmen befaßten Dienststellen ist dazu ebenso Voraussetzung wie eine ausreichende Personalausstattung.