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Inhaltsübersicht

1. Einstellungen gegen Auflagen und Weisungen nach § 153 a StPO

  1. Voraussetzungen
  2. Erhebung der öffentlichen Klage
  3. Beantragung eines Strafbefehls
  4. Vorgehensweise bei Anwendung von Jugendstrafrecht
  5. Art und Höhe der Auflage

2. Sanktionslose Einstellung nach § 153 Abs. 1 StPO

  1. Voraussetzungen
  2. Ausschlussgründe

3. Geringe Schuld, Öffentliches Interesse
4. Beteiligung der Gerichte

1. Vorbemerkungen
2. Rechtliche Grundlagen
3. Voraussetzungen
4. Personenkreis und Deliktsgruppen
5. Verfahren

  1. Vermittlungsstellen
  2. Polizei
  3. Staatsanwaltschaften

1. Vorbemerkungen
2. Voraussetzungen
3. Verfahren

  1. Polizei
  2. Staatsanwaltschaft
  3. Verteidigung
  4. Hauptverhandlung

4. Organisatorische Maßnahmen

  1. Koordination
  2. Dienstbereitschaft
  3. Anwaltslisten

1. Deliktskatalog

  1. Anwendungsbereich
  2. Ausschlussgründe

2. Verfahren

  1. Ermittlungstätigkeit der Polizei

aa) Geringfügige Straftaten
bb) Übrige Delikte

  1. Allgemeine Verfahrensgrundsätze

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Beschleunigte Erledigung von Strafverfahren im Bereich der geringfügigen und mittleren Kriminalität; Täter-Opfer-Ausgleich

Beschleunigte Erledigung von Strafverfahren im Bereich der geringfügigen und mittleren Kriminalität; Täter-Opfer-Ausgleich
vom 24. August 2000
(JMBl/00, [Nr. 9], S.114)

geändert durch Allgemeine Verfügung vom 28. November 2002
(JMBl/03, [Nr. 1], S.2)

A. Zielsetzung

Das vereinfachte Ermittlungsverfahren bei der Polizei, das beschleunigte Verfahren nach den §§ 417 ff. StPO und das Strafbefehlsverfahren bilden in Verbindung mit der Einstellung aus Opportunitätsgründen sowie dem Täter-Opfer-Ausgleich und der Schadenswiedergutmachung die Eckpfeiler einer effektiven Strafverfolgung im Bereich der geringfügigen und mittleren Kriminalität.

Die nachfolgenden Grundsätze dienen der Vereinheitlichung der Sachbehandlung für diesen Bereich der Kriminalitätsbekämpfung. Sie sollen ferner die staatsanwaltschaftliche Praxis zu einer vermehrten Anwendung der beschleunigenden Verfahrensarten ermutigen, den Täter-Opfer-Ausgleich und die Schadenswiedergutmachung fördern und die Einstellung aus Opportunitätsgründen unter dem Gesichtspunkt einer möglichst effektiven Strafverfolgung neu regeln.

B. Allgemeine Verfahrensgrundsätze

Der Staatsanwalt prüft in einem frühen Stadium des Verfahrens, in jedem Falle vor Erhebung der öffentlichen Klage, ob ein Antrag auf Erlass eines Strafbefehls oder auf Aburteilung im beschleunigten Verfahren, ein vereinfachtes Jugendverfahren (§§ 76 ff. JGG) oder eine informelle Verfahrenserledigung in Betracht kommt.

Die Einstellung des Verfahrens nach den §§ 153 ff. StPO ist ausgeschlossen, wenn das Verfahren nach § 170 Abs. 2 StPO einzustellen oder weitergehend die Aufnahme von Ermittlungen nach § 152 Abs. 2 StPO mangels zureichender tatsächlicher Anhaltspunkte für eine Straftat abzulehnen ist.

Kommt eine informelle Verfahrensbeendigung in Betracht, wird jeweils auch die Eignung des Verfahrens für einen Täter-Opfer-Ausgleich in die Überlegungen einzubeziehen sein, um diesen zur Grundlage einer Einstellung zu machen oder zumindest im gerichtlichen Verfahren strafmildernd berücksichtigen zu können. Von einem Täter-Opfer-Ausgleich ist dabei abzusehen, wenn eine sanktionslose Einstellung nach § 153 StPO oder § 45 Abs. 1 JGG angemessener erscheint.

C. Erledigungsformen im Einzelnen

I. Einstellungen nach §§ 153, 153 a StPO

Seit 1993 ist der Anwendungsbereich der Ausnahmen vom Legalitätsprinzip von Gesetzes wegen bis in den Bereich der mittleren Kriminalität hinein erweitert und das Erfordernis der Zustimmung des Richters bei der Anwendung der §§ 153, 153 a StPO eingeschränkt. In Fällen, die aus kriminalpolitischer Sicht ein entschlossenes Vorgehen der Strafverfolgungsbehörden notwendig machen, ist gleichwohl von der Anwendung der strafverfahrensrechtlichen Vorschriften zur Einstellung aus Opportunitätsgründen nur restriktiv Gebrauch zu machen.

1. Einstellung gegen Auflagen und Weisungen nach § 153 a StPO

  1. Eine Einstellung nach § 153 a Abs. 1 StPO kommt grundsätzlich bei allen Vergehen in Betracht. Sie ist auch bei einer bedeutenderen Schadenshöhe nicht grundsätzlich ausgeschlossen, es sei denn, dass die Schwere der Schuld oder das Interesse der Allgemeinheit die Erhebung der öffentlichen Klage gebietet.

    Diese Form der Einstellung ist insbesondere dann zu erwägen, wenn eine Einstellung nach § 153 Abs. 1 StPO deshalb ausscheidet, weil der Beschuldigte den Schaden noch nicht ersetzt hat und die Durchführung des Täter-Opfer-Ausgleichs nicht in Betracht kommt.

    Dem Beschuldigten sollte, wo dies nach seinen persönlichen Verhältnissen möglich erscheint, die Schadenswiedergutmachung auferlegt werden. Je nach Schwere der Tat können daneben auch weitere Auflagen in Betracht kommen.
  2. Die Erhebung der öffentlichen Klage liegt demgegenüber nahe, wenn

    aa) der Beschuldigte ein vorsätzliches Gewaltdelikt begangen hat,
    bb) der Beschuldigte bei der Tat besonders roh vorgegangen ist,
    cc) es nach Würdigung der Persönlichkeit des Beschuldigten und der Umstände der Tat zu befürchten ist, dass er weitere Straftaten begehen wird,
    dd) einschlägige Vortaten, die sich in einer früheren Verurteilung oder Verfahrenseinstellung aus Opportunitätsgründen zeigen, erschwerende Umstände bei der Tatbegehung oder das entgegenstehende Interesse der Allgemeinheit eine Einstellung nicht angemessen erscheinen lassen.
  3. Die Beantragung eines Strafbefehls liegt nahe, wenn im Falle eines Ladendiebstahls der Wert der entwendeten Sache 25,00 EUR überschreitet.
  4. Ist Jugendstrafrecht anzuwenden, findet die Rundverfügung des Generalstaatsanwalts des Landes Brandenburg für die Bearbeitung von Jugendstrafsachen bei den Staatsanwaltschaften vom 24. August 1999 (421-2) Anwendung.
  5. Bei der Bestimmung der Art und Höhe der zu erteilenden Auflage ist darauf zu achten, dass sie in einem angemessenen Verhältnis zur Rechtsgutsverletzung steht. Bei der Geldauflage sind insbesondere die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Beschuldigten angemessen zu berücksichtigen. Bei Eigentums- und Vermögensdelikten wird der doppelte Wert des erstrebten Vorteils in der Regel als Anhaltspunkt für die angemessene Höhe einer Geldauflage gelten können. Ist der Beschuldigte arbeits- oder sonst vermögenslos, so soll bevorzugt geprüft werden, ob gemeinnützige Arbeit als Auflage festgelegt werden sollte.

2. Sanktionslose Einstellung nach § 153 Abs. 1 StPO

Ergibt sich aus den Umständen von Tat und Tatbegehung, dass das strafbare Verhalten als eine ausnahmsweise Verfehlung des Beschuldigten anzusehen ist, deren Schuld unterhalb des Durchschnitts gleichartiger Taten liegt, und besteht kein öffentliches Interesse an der Verfolgung, so kann auch eine Einstellung nach § 153 Abs. 1 StPO erfolgen.

  1. Das öffentliche Interesse nach dieser Vorschrift ist in der Regel zu verneinen, wenn

    aa) die Tat sich auf eine Sache im Wert von nicht mehr als 10,00 EUR bzw. einen ähnlich geringfügigen Tatvorteil bezogen hat oder eine unbedeutende Verletzung von Rechten des Opfers erfolgt ist und der Beschuldigte den eingetretenen Schaden (bei Diebstählen einschließlich einer für die Tataufklärung ausgelobten, angemessenen Prämie) ausgeglichen oder sich zumindest nach Kräften um Ausgleich bemüht hat;
    bb) die Tat zwar auf eine Rechtsgutsverletzung oder einen Vorteil oberhalb der unter aa) genannten Geringfügigkeitsgrenze gerichtet war, hinzutretende besondere Umstände aber gleichwohl eine Einstellung rechtfertigen. Dies gilt nicht, sofern der Schaden bei Eigentums- und Vermögensdelikten 25,00 EUR überschreitet.

    Besondere Umstände sind namentlich

    (1) auf Tatsachen beruhende Anhaltspunkte für eine Verminderung der Schuldfähigkeit, sofern die Einholung eines Gutachtens außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache steht,

    (2) eine von dem Beschuldigten glaubhaft dargelegte bereits bestehende oder bevorstehende unverschuldete wirtschaftliche Notlage,

    (3) ein längeres straffreies Vorleben des Beschuldigten, dass die Tat als einmaliges Fehlverhalten erscheinen lässt,

    (4) eine überlange Verfahrensdauer, die die Schuld des Täters gering erscheinen lässt, oder

    (5) Gegebenheiten, die die Tatbegehung im besonderen Maße gefördert haben oder zu fördern geeignet sind.
  2. Dagegen soll in der Regel von einer sanktionslosen Einstellung abgesehen werden,

    aa) wenn der Beschuldigte innerhalb der letzten zwei Jahre wegen einer einschlägigen Vortat verurteilt oder ein Ermittlungsverfahren gegen ihn wegen einer einschlägigen Vortat aus Opportunitätsgründen eingestellt worden ist,
    bb) wenn die Tat unter erschwerenden äußeren Umständen begangen worden ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

    (1) ein systematisches Vorgehen bei der Tat,

    (2) ein Handeln zum Nachteil wehrloser oder sonst hilfloser Opfer,

    (3) ein Zusammenwirken mehrerer Täter oder

    (4) sonstige Umstände, die auf eine erhebliche kriminelle Energie schließen lassen,
    erkennbar geworden sind,

    cc) wenn der Täter durch sein Verhalten zeigt, dass es ihm an Einsicht in das Unrecht seines Tuns fehlt, oder

    dd) wenn das reaktionslose Hinnehmen der Tat die Rechtstreue der Allgemeinheit nicht unerheblich beeinträchtigen würde.

3. Geringe Schuld, Öffentliches Interesse

Ob das Maß der Schuld gering ist, beurteilt sich nach der Gesamtheit der schuldbezogenen Umstände. Anhaltspunkte für die vorzunehmende Gesamtabwägung im Übrigen können neben den zu 2. genannten die in § 46 Abs. 2 StGB angeführten Gesichtspunkte sein.

4. Beteiligung der Gerichte

Soweit es der Zustimmung des Gerichts zur Einstellung des Verfahrens bedarf, legt der Staatsanwalt in kurzer Form dar, aus welchem Grunde die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre und ein öffentliches Interesse an der Verfolgung nicht besteht (§ 153 StPO) bzw. warum Auflagen oder Weisungen geeignet sind, bei geringer Schuld das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu beseitigen (§ 153 a StPO).

II. Täter-Opfer-Ausgleich

1. Vorbemerkungen

Der Täter-Opfer-Ausgleich ist darauf gerichtet, die nach einer Straftat zwischen Täter und Geschädigtem bestehenden Probleme, Belastungen und Konflikte mit Unterstützung durch einen neutralen Vermittler (Schlichter) im persönlichen Kontakt zu bereinigen. Der Täter erhält dabei die Gelegenheit, einen Ausgleich für den materiellen oder immateriellen Schaden, den er dem Opfer zugefügt hat, zu leisten oder zumindest ernsthaft anzustreben. Dadurch soll die Unrechtseinsicht des Täters gefördert und so eine spezialpräventive Wirkung erzielt werden. Auf der Seite des Opfers soll ein Abbau oder jedenfalls eine Verminderung der tatbedingten seelischen und gegebenenfalls auch materiellen Belastung erreicht oder zumindest ernsthaft angestrebt werden.

2. Rechtliche Grundlagen

Rechtsgrundlage für den Täter-Opfer-Ausgleich mit der Folge einer Verfahrenseinstellung geben bei erwachsenen Beschuldigten §§ 153 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 5, Abs. 2, 155 a StPO sowie § 153 b Abs. 1 StPO i. V. m. § 46 a StGB ab. Bei jugendlichen und ihnen gleichstehenden heranwachsenden Beschuldigten eröffnen §§ 45 Abs. 2 und 3, 47 Abs. 1 Nr. 2 und 3, 10 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7, 105, 109 Abs. 2 JGG diesen Weg. Führt der durchgeführte Täter-Opfer-Ausgleich nicht zur Einstellung, so ermöglicht er es nach § 46 a StGB dem Gericht, die Strafe nach § 49 Abs. 1 StGB zu mildern oder - bei Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen - von Strafe abzusehen.

3. Voraussetzungen

Täter und Opfer müssen zu einem Ausgleich auf freiwilliger Basis bereit sein. Dazu gehört auch, dass beide Parteien einen noch regulierungsbedürftigen Schaden und die Form der Wiedergutmachung anerkennen. Dies setzt im Regelfall einen geständigen Beschuldigten voraus, der bestrebt ist, einen Beitrag zur Wiedergutmachung der von ihm begangenen Tat zu erbringen. Durch den Täter-Opfer-Ausgleich darf jedoch nicht unter dem Druck des Ermittlungsverfahrens ein ansonsten umstrittener Anspruch geregelt werden. Im Übrigen reicht die Erfüllung von Schadensersatzansprüchen allein nicht aus; vielmehr muss der Täter einen Beitrag zur Wiedergutmachung der von ihm begangenen Tat erbringen, der durch persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht friedensstiftend wirkt.

4. Personenkreis und Deliktsgruppen

Der Täter-Opfer-Ausgleich ist regelmäßig nur für solche Verfahren geeignet, in denen es um Straftaten gegen ein persönlich geschädigtes Opfer geht. Darüber hinaus ist der Täter-Opfer-Ausgleich aber auch dann anwendbar, wenn eine juristische Person geschädigt worden ist, deren Interessen im Verfahren von einer Person wahrgenommen werden (personifiziertes Opfer).

  1. Für einen Täter-Opfer-Ausgleich mit der Folge der Verfahrensbeendigung durch die Staatsanwaltschaft sind grundsätzlich alle leichten bis mittelschweren Straftaten geeignet. Um solche handelt es sich in der Regel, wenn sich der hinreichende Tatverdacht auf die Begehung einer der folgenden Delikte bezieht:

    aa) Hausfriedensbruch, Beleidigung, Körperverletzung, Bedrohung, Sachbeschädigung, soweit nicht eine Erledigung durch Verweisung auf den Privatklageweg in Betracht zu ziehen ist;
    bb) Diebstahl, Betrug und sonstige Vermögensdelikte;
    cc) Nötigung und in besonders gelagerten Fällen Erpressung.

  2. Für den Täter-Opfer-Ausgleich mit der Folge der Sanktionsminderung sind grundsätzlich alle Straftaten zum Nachteil eines personifizierbaren Opfers geeignet (vgl. § 46 a StGB). Bei schwerwiegenden Straftaten, insbesondere solchen gegen Leib, Leben oder die sexuelle Selbstbestimmung des Opfers wird ein Täter-Opfer-Ausgleich nur auf ausdrücklichen Wunsch des Opfers in Betracht kommen, sofern nicht ohnehin die Traumatisierung des Opfers dem Täter-Opfer-Ausgleich entgegensteht.

5. Verfahren

  1. Vermittlungsstellen

    Zur Durchführung des Täter-Opfer-Ausgleichs bestehen bei den Sozialen Diensten der Justiz Vermittlungsstellen, die mit besonders ausgebildeten Mitarbeitern besetzt sind.

    Diese werden entweder selbst als Schlichter tätig oder bitten andere Mitarbeiter der Sozialen Dienste, andere öffentliche Institutionen (insbesondere die Jugendgerichtshilfe, falls Täter und Opfer das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet haben), Schiedspersonen, geeignete freie Träger oder zur Verschwiegenheit verpflichtete Einzelpersonen, die über die erforderliche Qualifizierung und Eignung verfügen, die Schlichtungsaufgabe im konkreten Fall wahrzunehmen.

    Das weitere Verfahren richtet sich nach § 155 b StPO. Im Einzelnen gilt:

    Der Vermittlungsstelle wird vom Staatsanwalt Einsicht in die Ermittlungsakten gewährt. Privaten Schlichtern werden - von der Vermittlungsstelle zusammengestellte - Informationen aus den Ermittlungsakten übermittelt; eine Aktenweitergabe an private Schlichter hat zu unterbleiben. Öffentliche Stellen, die als Schlichter tätig werden, erhalten, soweit dies für die Durchführung des Täter-Opfer-Ausgleichs erforderlich ist, die Akten oder Ablichtungen aus den Akten. Die beauftragte Stelle darf die übermittelten personenbezogenen Informationen nur verarbeiten und nutzen, soweit dies für die Durchführung des Täter-Opfer-Ausgleichs erforderlich ist und schutzwürdige Interessen des Betroffenen nicht entgegenstehen. Sie darf personenbezogene Informationen nur erheben sowie die erhobenen Informationen verarbeiten und nutzen, soweit der Beschuldigte eingewilligt hat und dies für die Durchführung des Täter-Opfer-Ausgleichs erforderlich ist. Nach Abschluss des Verfahrens gibt der Schlichter die erhaltenen Unterlagen zurück. Die Unterlagen sind, soweit sie personenbezogene Informationen enthalten, von der beauftragten Stelle spätestens nach Ablauf eines Jahres seit Abschluss des Strafverfahrens zu vernichten. Im Übrigen gelten die allgemeinen datenschutzrechtlichen Vorschriften.
  2. Polizei

    Gewinnt die Polizei den Eindruck, dass sich ein Täter-Opfer-Ausgleich anbietet, so regt sie diesen gegenüber der Staatsanwaltschaft an und händigt den Beteiligten ein Merkblatt zum Täter-Opfer-Ausgleich aus. Gegebenenfalls nimmt die Polizei das Einverständnis der Beteiligten mit der Durchführung des Täter-Opfer-Ausgleichs zu den Akten.
  3. Staatsanwaltschaften

    Der Täter-Opfer-Ausgleich sollte bei den Staatsanwaltschaften in der Regel wie folgt ablaufen:

    Der Staatsanwalt prüft unter Zugrundelegung der zu 1. bis 4. dargestellten Grundsätze bereits bei der Erstvorlage der Ermittlungsakten, ob ein Täter-Opfer-Ausgleich in Betracht kommt. Dabei berücksichtigt er insbesondere einen geäußerten Wunsch des Opfers oder des Beschuldigten und Anregungen, die seitens der Polizei, der Jugendgerichtshilfe oder sonstiger Dritter gegeben worden sind.

    Bejaht der Staatsanwalt die grundsätzliche Eignung zum Täter-Opfer-Ausgleich, so schaltet er die Vermittlungsstelle ein. Einer ihrer Mitarbeiter oder ein von ihr vermittelter Schlichter nimmt Kontakt mit dem Opfer und dem Beschuldigten auf, klärt - falls noch erforderlich - deren Bereitschaft zur Durchführung des Täter-Opfer-Ausgleichs und führt ihn gegebenenfalls durch.

    Hat der Täter von sich aus allein oder gemeinsam mit dem Opfer den Schlichter aufgesucht und um Täter-Opfer-Ausgleich nachgesucht, so unterrichtet der Schlichter die zuständige Staatsanwaltschaft.

    Ist der Täter-Opfer-Ausgleich erfolgreich abgeschlossen worden oder hat sich der Täter ernsthaft um einen Täter-Opfer-Ausgleich bemüht, stellt der Staatsanwalt das Ermittlungsverfahren - gegebenenfalls mit Zustimmung des Gerichts - ein bzw. sieht von der weiteren Verfolgung ab. Bei schwererwiegenden Taten oder erheblichen Vorbelastungen des Täters erhebt er unverzüglich die öffentliche Klage gegen den geständigen (vgl. Nr. 3) Beschuldigten, wobei er das Gericht in geeigneter Form ausdrücklich auf den durchgeführten Täter-Opfer-Ausgleich hinweist und diesen auch bei seinen Anträgen berücksichtigt.

III. Beschleunigtes Verfahren

1. Vorbemerkungen

Die mit dem Verbrechensbekämpfungsgesetz in die Strafprozessordnung eingefügten §§ 417 bis 420 ermöglichen mit einer Straffung vor allem des organisatorischen Vorlaufs der Hauptverhandlung eine erhebliche zeitliche Abkürzung des Strafverfahrens. Das beschleunigte Verfahren ergänzt den verfahrensbeschleunigenden Strafbefehl für diejenigen Fälle, in denen die Durchführung einer Hauptverhandlung aus präventiven Gründen erforderlich erscheint, ohne dass nach der Sachlage der organisatorische Aufwand einer herkömmlich vorbereiteten Hauptverhandlung notwendig ist.

2. Voraussetzungen

Das beschleunigte Verfahren ist in allen Fällen in Betracht zu ziehen, in denen die Sache aufgrund eines einfachen Sachverhalts oder einer klaren Beweislage zur sofortigen Verhandlung geeignet ist (§ 417 StPO), die zu verhängende Strafe eine Freiheitsstrafe von einem Jahr (§ 419 Abs. 1 StPO) nicht überschreitet und die Durchführung einer Hauptverhandlung aus präventiven Gründen erforderlich erscheint; anderenfalls ist der Erlass eines Strafbefehls zu beantragen, falls dies rechtlich möglich ist und nach der Sachlage tunlich erscheint.

Das beschleunigte Verfahren ist grundsätzlich für alle Strafverfahren, die den genannten Anforderungen entsprechen, geeignet.

3. Verfahren

  1. Wenn dem ermittelnden Polizeibeamten vor Ort - gegebenenfalls nach fernmündlicher Rücksprache mit dem Staatsanwalt - die Strafsache für ein beschleunigtes Verfahren geeignet erscheint, trifft er die notwendigen Feststellungen im Wege des vereinfachten Verfahrens oder in einer entsprechend gestrafften Form.

    Sofern noch nicht geschehen, unterrichtet er zeitnah den zuständigen Staatsanwalt fernmündlich. Dieser trifft sofort die Entscheidung, ob ein beschleunigtes Verfahren durchgeführt werden soll. Die Polizei stellt sicher, dass die schriftlichen Aufzeichnungen der Staatsanwaltschaft unverzüglich, in der Regel als Fernkopie, zur Verfügung gestellt werden. Darüber hinaus sorgt die Polizei in den Fällen, in denen die Hauptverhandlung sofort durchgeführt wird, für den Transport von Beschuldigten und gegebenenfalls Zeugen. Die Vorführung vorläufig Festgenommener vor den Richter gemäß §§ 127 b Abs. 3 sowie 128 StPO obliegt ebenfalls der Polizei. Allgemeine Regelungen zur Amtshilfe bleiben davon unberührt.
  2. Der Staatsanwalt stellt die Vorstrafen des Beschuldigten durch Einsichtnahme in das staatsanwaltschaftliche Verfahrensregister und Anfrage beim Bundeszentralregister fest. Er setzt sich mit dem Gericht in Verbindung und vereinbart einen Hauptverhandlungstermin. Wenn dies ohne eine wesentliche Zeitverzögerung möglich ist, stellt er den Antrag auf Entscheidung im beschleunigten Verfahren schriftlich in knapp gefasster Form (§ 417 StPO).
  3. In den Fällen des § 418 Abs. 4 StPO stellt er den Kontakt zwischen dem Beschuldigten und einem Rechtsanwalt her, der bereit ist, die Verteidigung kurzfristig zu übernehmen.
  4. Der Staatsanwalt wirkt auf einen Hauptverhandlungstermin möglichst noch am selben oder am folgenden Tag hin. Von der Möglichkeit, einen Antrag nach § 127 b StPO (Hauptverhandlungshaft) zu stellen, macht er zurückhaltend Gebrauch, wenn die Durchführung des beschleunigten Verfahrens auf andere Weise nicht sichergestellt werden kann. Dabei ist zu beachten, dass der Antrag nach § 127 b StPO unter anderem voraussetzt, dass eine unverzügliche Entscheidung im beschleunigten Verfahren wahrscheinlich ist, also dessen gesetzliche und organisatorische Voraussetzungen erkennbar vorliegen.

4. Organisatorische Maßnahmen

  1. Die Leitenden Oberstaatsanwälte führen nach Bedarf Dienstbesprechungen mit den Polizeipräsidenten zur Koordinierung der Zusammenarbeit der Strafverfolgungsbehörden im beschleunigten Verfahren durch. Die Präsidenten der Landgerichte, der Präsident des Amtsgerichts Potsdam und die Direktoren der Amtsgerichte sollen soweit möglich hinzugezogen werden. Absprachen zwischen den jeweiligen Mitarbeitern mit dem Ziel einer an den örtlichen Gegebenheiten orientierten Verbesserung der Zusammenarbeit sind zu fördern.
  2. Die Staatsanwaltschaften richten einen besonderen Eildienst zur Durchführung des beschleunigten Verfahrens ein und halten standardisierte Formulare für die wesentlichen Verfahrensschritte bereit.
  3. In Abstimmung mit der Rechtsanwaltskammer führen die Direktoren der Amtsgerichte und die Leitenden Oberstaatsanwälte Listen von Rechtsanwälten, die bereit sind, kurzfristig die Verteidigung im beschleunigten Verfahren zu übernehmen. Sie gleichen die Listen untereinander ab und stellen sie den zuständigen Richtern und Staatsanwälten zur Verfügung.

D. Zusammenarbeit mit der Polizei

I. Allgemeines

Maßnahmen zur Verfahrensstraffung werden vor allem dann wirksam, wenn sie bereits zu Beginn des Verfahrens, möglichst schon unmittelbar nach der Tat am Tatort eingeleitet werden. Hier kommt den ersten Verfahrensschritten der am Tatort ermittelnden Polizeibeamten und einem engen Kontakt dieser Beamten zur Staatsanwaltschaft besondere Bedeutung zu.

Die Leitenden Oberstaatsanwälte stellen im Einvernehmen mit den Polizeipräsidenten sicher, dass für bei der Zusammenarbeit auftretende Probleme Lösungen gemeinsam erarbeitet werden. Hierzu führen sie auch Dienstbesprechungen durch, zu denen nach Bedarf auch weitere Mitarbeiter hinzugezogen werden, die den Kontakt zwischen Dezernenten und Polizeibeamten fördern.

II. Vereinfachtes Verfahren

Das "Vereinfachte Verfahren zur Bearbeitung minderschwerer Delikte" soll die Ermittlungen, insbesondere die Ermittlungshandlungen der Polizei, mit Hilfe standardisierter Formulare so weit beschränken, wie die Erhebung aller für die Strafverfolgung notwendigen tatsächlichen Feststellungen dies zulässt. Insbesondere verfolgt die Vorgehensweise den Zweck, in den geeigneten Fällen die notwendigen Entscheidungsgrundlagen für die beschleunigenden Verfahrenserledigungen (Opportunitätseinstellung, Täter-Opfer-Ausgleich, beschleunigtes Verfahren und Strafbefehl) möglichst schnell bereitzustellen.

1. Deliktskatalog

Das vereinfachte Ermittlungsverfahren ist grundsätzlich auf alle Straftaten der einfacheren Kriminalität anwendbar, bei denen sich die Beweislage klar und der Sachverhalt einfach darstellt.

  1. Insbesondere sind folgende Straftaten Gegenstand des vereinfachten Verfahrens:

aa) Privatklagedelikte

  • Hausfriedensbruch (§ 123 StGB)
  • Beleidigung (§ 185 StGB)
  • üble Nachrede (§ 186 StGB)
  • Verleumdung (§ 187 StGB)
  • Verletzung des Briefgeheimnisses (§ 202 StGB)
  • vorsätzliche und fahrlässige Körperverletzungen (§§ 223, 229 StGB), sofern nach den erkennbaren Umständen keine schwerwiegende Folge (stationärer Krankenhausaufenthalt etc.) zu erwarten ist, einschließlich der fahrlässigen Körperverletzung im Straßenverkehr
  • Bedrohung (§ 241 StGB)
  • Sachbeschädigung (§ 303 StGB)
  • Straftaten nach dem
  • Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (§§ 4, 6 c, 15, 17, 18, 20)
  • Patentgesetz (§§ 52 Abs. 2, 142 Abs. 1)
  • Gebrauchsmustergesetz (§ 25 Abs. 1)
  • Halbleiterschutzgesetz (§ 10 Abs. 1)
  • Sortenschutzgesetz (§ 39 Abs. 1)
  • Markengesetz (§§ 143 Abs. 1, 144 Abs. 1, 2)
  • Geschmacksmustergesetz (§ 14 Abs. 1)
  • Urheberrechtsgesetz (§§ 106 bis 108)
  • Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der Bildenden Künste und der Photographie (§ 33)

bb) Offizialdelikte

  • Missbrauch von Notrufen (§ 145 StGB)
  • einfacher Diebstahl, einschließlich des Diebstahls geringwertiger Sachen sowie des Haus- und Familiendiebstahls (§§ 242, 247, 248 a StGB)
  • Unterschlagung (§ 246 StGB)
  • unbefugter Gebrauch von Kraftfahrzeugen (§ 248 b StGB)
  • Entziehung elektrischer Energie (§ 248 c StGB)
  • Betrug (§ 263 StGB)
  • Leistungserschleichung (§ 265 a StGB)
  • Fischwilderei (§ 293 StGB)
  • Fahren ohne Fahrerlaubnis (§ 21 StVG)
  • Kennzeichenmissbrauch (§ 22 StVG)
  • Fahren ohne Versicherungsschutz (§§ 1, 6 PflVersG)
  • Vergehen gegen das
  • Betäubungsmittelgesetz (§ 29 Abs. 1), soweit es sich um eine geringe, zum Eigenverbrauch bestimmte Drogenmenge (in keinem Falle mehr als drei Einnahmeeinheiten) handelt
  • Tierschutzgesetz (§ 17)
  • Asylverfahrensgesetz (§ 85).
  1. Nach dem Vereinfachten Ermittlungsverfahren wird insbesondere dann nicht verfahren, wenn mehr als zwei Täter gemeinschaftlich gehandelt haben, wenn nach dem Wissensstand des ermittelnden Beamten Anhaltspunkte für eine antisemitische, fremdenfeindliche oder extremistische Motivation des Täters oder für eine Serientat vorliegen oder wenn zu erwarten ist, dass die Tat über den unmittelbaren Bereich hinaus öffentliches Interesse hervorrufen wird. Im Übrigen soll der eingetretene Schaden oder der Wert des mit der Tat erstrebten Vermögensvorteils in aller Regel einen Betrag in Höhe von 500,00 EUR nicht übersteigen.

2. Verfahren

  1. Art und Umfang der Ermittlungstätigkeit der Polizei werden je nach Bedeutung der Tat nach Entscheidung der Polizei unter Beachtung der folgenden Gesichtspunkte eingeschränkt:

    aa) Geringfügige Straftaten

    Bei geringfügigen Straftaten genügt es, wenn der Beschuldigte nach einer Belehrung gemäß §§ 163 a i. V. m. 136 StPO durch Ankreuzen oder Unterschreiben des Anhörungsformulars die Tat einräumt. Auf Befragen soll er Gelegenheit erhalten, sein Einverständnis mit einer etwaigen Einstellung nach § 153 a StPO oder gegebenenfalls der Durchführung des Täter-Opfer-Ausgleichs zu erklären. Bei den nach den erkennbaren Umständen geringfügigen fahrlässigen Körperverletzungen im Straßenverkehr wird sichergestellt werden müssen, dass der Unfall ausreichend dokumentiert wird, um bei erst später hervortretenden schwereren Schäden vollständige Feststellungen treffen zu können.

    Zu den geringfügigen Straftaten zählen diejenigen Fälle, in denen in der Regel von einer öffentlichen Klage abgesehen und entweder das Verfahren wegen geringer Schuld eingestellt oder der Verletzte auf den Privatklageweg verwiesen wird.

    bb) Übrige Delikte

    Bei den übrigen für das vereinfachte Ermittlungsverfahren geeigneten Delikten wird die Ermittlungstätigkeit gegenüber den geringfügigen Taten entsprechend den Umständen des Falles ausgeweitet, ohne das Ausmaß normaler Ermittlungen zu erreichen.

    Die Polizei fertigt eine gestraffte Niederschrift über die Vernehmung des Beschuldigten und etwaiger Zeugen an und stellt den Sachverhalt in stichwortartiger Form dar. Darüber hinaus wird der Beschuldigte auf die Möglichkeit hingewiesen, sein Einverständnis mit einer Einstellung des Verfahrens nach § 153 a StPO bzw. seine Bereitschaft zur Durchführung des Täter-Opfer-Ausgleichs in die Niederschrift aufzunehmen.

  2. Allgemeine Verfahrensgrundsätze

    Die Polizei trifft die notwendigen Feststellungen unmittelbar am Tatort und hört dort den Beschuldigten und Zeugen zur Sache an.

    In Zweifelsfällen, insbesondere in den Verfahren, in denen ihr ein beschleunigtes Verfahren angemessen erscheint, setzt sich die Polizei fernmündlich mit dem Staatsanwalt in Verbindung. Die Staatsanwaltschaften halten einen Bereitschaftsdienst vor, der in diesen Fällen unmittelbar entscheidet und gegebenenfalls die notwendigen Vorbereitungen trifft.

E. In-Kraft-Treten, Außer-Kraft-Treten

Diese Allgemeine Verfügung tritt mit sofortiger Wirkung in Kraft.

Gleichzeitig tritt die Allgemeine Verfügung "Beschleunigte Erledigung von Strafverfahren im Bereich der geringfügigen und mittleren Kriminalität; Täter-Opfer-Ausgleich" vom 19. November 1998 (JMBl. S. 138) außer Kraft.

F. Wirkung auf andere Verwaltungsvorschriften

Die Rundverfügung "Einstellung von Jugendstrafverfahren nach §§ 45, 47 JGG (Diversion)" vom 20. Mai 1991 (JMBl. S. 38) und die Rundverfügung "Richtlinien für die Staatsanwaltschaften des Landes Brandenburg zur Anwendung der Opportunitätsvorschriften im Betäubungsmittelgesetz" vom 17. September 1993 (JMBl. S. 158) bleiben unberührt.

Potsdam, den 24. August 2000

Der Minister der Justiz und für Europaangelegenheiten

Prof. Dr. Kurt Schelter