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Staatsvertrag über die Flutung der Havelpolder und die Einrichtung einer gemeinsamen Schiedsstelle

Staatsvertrag über die Flutung der Havelpolder und die Einrichtung einer gemeinsamen Schiedsstelle
vom 6. März 2008
(GVBl.I/08, [Nr. 10], S.193)

Die Länder Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen (nachfolgend: die Länder) und die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch die Wasser- und Schifffahrtsdirektion Ost (nachfolgend: der Bund) schließen den folgenden Staatsvertrag:

Präambel

Die Vertragspartner stimmen darin überein, für den Fall eines gefahrbringenden Hochwassers in der Elbe die Notwendigkeit einer Kappung des Elbescheitels durch Flutung und Wasserrückhaltung in der Havelniederung mit den dafür vorgesehenen Poldern nach Maßgabe der Wehrbedienungsvorschrift für die Wehrgruppe Quitzöbel und der Regelung dieses Vertrages zu prüfen und bei Erfordernis durchzuführen. Gefahrbringende Hochwasser können auch durch einen Eisstand oder Eisversatz unterhalb von Wittenberge entstehen, der zu Wasserständen über dem Bemessungshochwasser führen würde.

Die Wehrgruppe Quitzöbel an der Havelmündung und die in der Havelniederung vorhandenen insgesamt sechs Flutungspolder dienen der Abwehr von Hochwassergefahren an Elbe und Havel. Die räumliche Lage der Anlagen und Polder ergibt sich aus dem als Anlage zu diesem Vertrag beigefügten Lageplan. Durch diese Anlagen kann insbesondere die durch Abriegelung der Retentionsräume in der Havelniederung verursachte Hochwasserscheitelaufhöhung in der Elbe unter bestimmten Abflussbedingungen ganz oder teilweise ausgeglichen werden.

Die Elbe, die Untere Havel-Wasserstraße sowie die Wehre Quitzöbel (Durchstichwehr und Altarmwehr mit Kahnschleuse) gehören zum Zuständigkeitsbereich der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes.

Für das Wehr Gnevsdorf ist das Land Brandenburg und für das Wehr Neuwerben das Land Sachsen-Anhalt zuständig. Sie befinden sich wie die zur Aufnahme von Hochwasser vorgesehenen Flutungspolder teils im Land Brandenburg und teils im Land Sachsen-Anhalt.

Die Wasserrückhaltung in den Havelpoldern zur Kappung des Elbescheitels mit Hilfe dieser Anlagen ist nur in einem zeitlich engen Rahmen durch koordinierte Maßnahmen der Länder Brandenburg, Sachsen-Anhalt sowie des Bundes möglich. Die Länder Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen werden als Unterlieger von diesen Maßnahmen berührt.

Artikel 1
Bedienung der Wehre

(1) Der Bund und die Länder Brandenburg und Sachsen-Anhalt erhalten im Rahmen ihrer Zuständigkeit die zur Kappung des Elbescheitels notwendigen Anlagen in einem betriebsfähigen Zustand. Sie führen die Wehrbedienung bei Hochwasser nach Maßgabe der „Richtlinie für die Berechnung der Entlastung des Elbehochwasserscheitels in die Havel und zur Steuerung der Wehrgruppe Quitzöbel“ vom November 1997 (nachfolgend Wehrbedienungsvorschrift), die bereits auf der Grundlage der Vereinbarung der Länder Brandenburg und Sachsen-Anhalt über die Bedienung der Wehrgruppe Quitzöbel zur Abwehr von Hochwassergefahren vom 7. Juli 1993 praktiziert wird und den Vertragspartnern bekannt ist, durch, soweit in diesem Vertrag nichts Abweichendes geregelt ist. Die Wehrbedienungsvorschrift nach Satz 2 wird bei fachlichem Bedarf durch Verwaltungsvereinbarung zwischen den Vertragspartnern ersetzt oder geändert. Zuständig für den Abschluss der Verwaltungsvereinbarung sind die bei den Ländern für Hochwasserschutz zuständigen Mitglieder der Landesregierungen sowie der Präsident oder die Präsidentin der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Ost. Die Anlagen und Polder müssen eine Flutung bis zu einem Wasserstand von 26,40 müNN1 für die Havel am Pegel Havelberg ermöglichen.

(2) Die Vertragspartner gewährleisten die Beachtung der Möglichkeit einer Polderflutung und deren Folgewirkungen bei allen Landesplanungen und wasserrechtlichen Entscheidungen.

Artikel 2
Koordinierungsstelle

(1) Die Vertragspartner bilden eine gemeinsame Koordinierungsstelle mit folgenden Aufgaben:

  1. Ermittlung der Flutungsmöglichkeit auf der Grundlage des Kappungs-/Flutungsmodells und Bewertung des Flutungserfordernisses nach wasserwirtschaftlichen Kriterien,
  2. Erarbeitung einer Entscheidungsempfehlung zur Kappung des Elbescheitels durch eine Polderflutung sowie für die notwendigen Folgemaßnahmen und das gesteuerte Ablassen des Wassers aus den gefluteten Poldern,
  3. Abstimmung über die Bedienung der Wehrgruppe Quitzöbel bei Nichtflutung der Polder.

Sie entsenden jeweils bis zu drei ständige Vertreter und benennen deren persönliche Stellvertreter.

(2) Die Leitung der Koordinierungsstelle übernimmt das Land Sachsen-Anhalt. Die Koordinierungsstelle gibt sich eine Geschäftsordnung. Die Koordinierungsstelle ist unabhängig von Hochwasserlagen mindestens einmal im Jahr einzuberufen. Sie hat sich nach Aufforderung des jeweils zuständigen Aufgabenträgers an Katastrophenschutzübungen zu beteiligen. Beschlüsse fasst die Koordinierungsstelle auf der Grundlage der Wehrbedienungsvorschrift (Artikel 1 Abs. 1 Satz 2) mit einfacher Mehrheit der Vertragspartner. Die Länder Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und der Bund haben jeweils eine Stimme, die Länder Brandenburg und Sachsen-Anhalt jeweils zwei Stimmen.

(3) Bei Hochwassergefahr beruft der Leiter die Koordinierungsstelle spätestens 24 Stunden nach der Vorhersage eines Wasserstandes der Elbe von 680 cm am Pegel Wittenberge2 ein. Die Koordinierungsstelle informiert fortlaufend die ihr von den Vertragspartnern benannten Stellen in geeigneter Form. Bei der Gefahr von Eisstand oder Eisversatz beruft der Leiter die Koordinierungsstelle auf Anforderung eines Vertragspartners unverzüglich ein.

(4) Jeder Vertragspartner trägt seine im Zusammenhang mit der Koordinierungsstelle anfallenden Kosten selbst.

Artikel 3
Polderflutung, Folgemaßnahmen

(1) Hält die Koordinierungsstelle zur Herstellung der Hochwassersicherheit eine Kappung des Elbescheitels durch Flutung von Poldern, Folgemaßnahmen nach der Flutung oder das Ablassen aus den Poldern für erforderlich, gibt sie eine entsprechende Empfehlung an die für Hochwasserschutz zuständigen Mitglieder der Landesregierungen der Länder Brandenburg und Sachsen-Anhalt. Diese entscheiden einvernehmlich und im Benehmen mit dem Präsidenten oder der Präsidentin der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Ost und den Ländern Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen. Für ihre Empfehlung hat die Koordinierungsstelle die Belange aller Vertragspartner abzuwägen.

(2) Die Länder tragen dafür Sorge, dass die zuständigen Landesbehörden und die Öffentlichkeit in den betroffenen Landkreisen in geeigneter Form über die Maßnahmen informiert werden.

Artikel 4
Kosten

(1) Die Betriebs- und Unterhaltungskosten für die wasserwirtschaftlichen Anlagen, insbesondere die Wehre und Schöpfwerke, und die regelmäßigen Unterhaltungskosten für Deiche und Gewässer trägt jeder Vertragspartner im Rahmen seiner Zuständigkeit.

(2) Die Folgekosten, die durch die Flutung verursacht wurden, ermitteln die Länder Brandenburg und Sachsen-Anhalt einvernehmlich. Die Länder beteiligen sich nach Maßgabe des durch die Flutung erwachsenen Vorteils an den Kosten. Die Länder legen im Einzelfall die konkreten Schadenspositionen und den Verteilungsmaßstab für die Kosten entsprechend dem durch die Flutung entstandenen Vorteil einvernehmlich fest.

(3) Die nach Absatz 2 zu ermittelnden und aufzuteilenden Kosten setzen sich zusammen aus

  1. Kosten für die Beseitigung von Schäden an wasserwirtschaftlichen Anlagen in und an Gewässern und Poldern, insbesondere an Wehren, Deichen, Schöpfwerken, Sielen und Durchlässen,
  2. Kosten für die Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit der Gewässer und Polder, insbesondere für Grundräumungen und Uferbefestigungen,
  3. Kosten für operative Tätigkeiten während der Polderflutung, insbesondere für das Fällen von Bäumen einschließlich Ersatzpflanzungen, Reparatur und Ersatzbeschaffungen von Pumpen, erhöhte Energiekosten,
  4. Kosten für die Beseitigung von Schäden an infrastrukturellen Anlagen, insbesondere an Straßen und Wegen,
  5. Kosten für die Abgeltung rechtlich begründeter Entschädigungs- und Ausgleichsansprüche Dritter in den Poldergebieten,
  6. Kosten für sonstige Billigkeitszahlungen an Dritte, soweit die Länder diesbezüglich Einvernehmen hergestellt haben.

Der Maßstab für die Aufteilung der Kosten nach Absatz 2 Satz 2 und 3 auf die Länder richtet sich zu 50 v. H. nach dem jeweiligen Flächenanteil an den bevorteilten überschwemmungsgefährdeten Gebieten und zu 50 v. H. nach dem für diese Gebiete nach den Vorgaben des Wasserhaushaltsgesetzes ermittelten Schadenspotenzial; soweit die Ermittlung des Schadenspotenzials noch nicht erfolgt oder nicht möglich ist, richtet sich der Maßstab zu 50 v. H. nach dem Flächenanteil an den bevorteilten überschwemmungsgefährdeten Gebieten und zu 50 v. H. nach der Zahl der dortigen Einwohner.

(4) Kommt eine Einigung der Länder zur Kostenermittlung und -verteilung nicht zustande, entscheidet die Schiedsstelle abschließend.

Artikel 5
Schiedsstelle

(1) Die Länder richten die gemeinsame Schiedsstelle nach Artikel 4 Abs. 4 bei Bedarf ein. Zu ihrer Besetzung benennt jedes Land innerhalb angemessener Zeit jeweils eine geeignete Person als unabhängigen Gutachter. Das fünfte und zugleich vorsitzende Mitglied der Schiedsstelle wird durch den Präsidenten oder die Präsidentin des Bundesverwaltungsgerichtes benannt. Jedes Mitglied hat eine Stimme. Die Schiedsstelle entscheidet mit einfacher Mehrheit. Ihre Entscheidung ist unanfechtbar und für die Vertragspartner bindend.

(2) Die Kosten des von jedem Land entsandten Mitglieds der Schiedsstelle trägt das entsendende Land. Die Kosten des Vorsitzenden und die allgemeinen Geschäftskosten der Schiedsstelle tragen die Länder zu gleichen Teilen.

Artikel 6
Geltungsdauer und Kündigung

Dieser Vertrag gilt für unbestimmte Zeit. Er kann von jedem Vertragspartner zum Ende eines Kalenderjahres mit einer Frist von zwölf Monaten gekündigt werden. Die übrigen Vertragspartner entscheiden über den Fortbestand des Vertrages. Verpflichtungen zur Kostenerstattung für Hochwasserereignisse, die bei Wirksamwerden der Kündigung andauern oder noch nicht abgewickelt sind, bleiben davon unberührt.

Artikel 7
Inkrafttreten, Außerkrafttreten

Dieser Vertrag bedarf der Ratifikation der Länder. Die Ratifikationsurkunden werden beim Ministerium für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg hinterlegt. Der Vertrag tritt am ersten Tag nach Hinterlegung der letzten Ratifikationsurkunde in Kraft. Zugleich tritt die Vereinbarung der Länder Brandenburg und Sachsen-Anhalt über die Bedienung der Wehrgruppe Quitzöbel zur Abwehr von Hochwassergefahren vom 07.07.1993 außer Kraft. Die Wehrbedienungsvorschrift nach Artikel 1 Abs. 1 Satz 2 bleibt weiterhin gültig.

Potsdam, den 6. März 2008

Für das Land Brandenburg:
Der Ministerpräsident
vertreten durch den Minister für Ländliche Entwicklung,
Umwelt und Verbraucherschutz,

Dr. Dietmar Woidke
gez. Dr. Dietmar Woidke

Potsdam, den 6. März 2008

Für das Land Sachsen-Anhalt:
Der Ministerpräsident
vertreten durch die Ministerin für Landwirtschaft und Umwelt,

Petra Wernicke
gez. Petra Wernicke

Potsdam, den 6. März 2008

Für das Land Mecklenburg-Vorpommern:
Der Ministerpräsident
vertreten durch den Minister für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz,

Dr. Till Backhaus
gez. Dr. Till Backhaus

Potsdam, den 6. März 2008

Für das Land Niedersachsen:
Der Ministerpräsident
vertreten durch den Minister für Umwelt und Klimaschutz,

Hans-Heinrich Sander
gez. Hans-Heinrich Sander

Potsdam, den 6. März 2008

Für die Bundesrepublik Deutschland
Der Präsident der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Ost

Thomas Menzel
gez. Thomas Menzel

 

 

1 Der Wasserstand am Pegel Havelberg wird bei fachlichem Bedarf durch Verwaltungsvereinbarung entsprechend Satz 3 fortgeschrieben.
2 Der Wasserstand am Pegel Wittenberge wird bei fachlichem Bedarf durch

Verwaltungsvereinbarung entsprechend Artikel 1 Abs. 1 Satz 3 fortgeschrieben.

Anlage zum Staatsvertrag über die Flutung der Havelpolder und die Errichtung einer gemeinsamen Schiedsstelle

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