Hinweis: brandenburg.de hat seine Internet-Seiten auf barrierefreien Zugriff optimiert und verwendet deshalb standardisiertes CSS (Stylesheets). Sollte Ihr Browser dieses nicht korrekt anzeigen, unterstützt er nicht die üblichen Webstandards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Brandenburgisches Vorschriftensystem (BRAVORS)

A | A | A |
Aktuelle Fassung Anlagen (2)

Erlass des Ministeriums für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz und des Ministeriums für Infrastruktur und Landwirtschaft zur Bewirtschaftung des Gebietes von gemeinschaftlicher Bedeutung "Heldbockeichen"


vom 15. September 2011
(ABl./11, [Nr. 44], S.1915)

Dieser Erlass regelt auf der Grundlage des § 32 Absatz 4 des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2542) die erforderlichen Maßnahmen zur Umsetzung von Artikel 6 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wild lebenden Tiere und Pflanzen (ABl. L 206 vom 22.07.1992, S. 7), zuletzt geändert durch die Richtlinie 2006/105/EG vom 20. November 2006 (ABl. L 363 vom 20.12.2006, S. 368) - Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie). Er benennt die Erhaltungsziele und erforderliche Erhaltungsmaßnahmen sowie deren Umsetzungsinstrumente in Anlage 2. Die Umsetzung erfolgt direkt durch die zuständigen Behörden oder wird von ihnen unterstützt. Der Bewirtschaftungserlass ist im Rahmen des behördlichen Handelns zu beachten.

1 Bewirtschaftungsgegenstand

Der in Anlage 1 (Kartenskizze) näher bezeichnete Geltungsbereich des Erlasses auf den Flächen der Stadt Potsdam umfasst das Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung (FFH-Gebiet) mit der Bezeichnung “Heldbockeichen“ und der Gebietsnummer DE 3544-305 sowie Flächen, die zur Erweiterung des FFH-Gebietes vorgesehen sind.

Der Bereich des FFH-Gebietes hat eine Größe von rund 22 Hektar und umfasst Flächen in folgenden Fluren:

GemeindeGemarkungFlur
Stadt Potsdam Nedlitz 1;
Stadt Potsdam Potsdam 1; 26.

Des Weiteren werden Maßnahmen für eine benachbarte Fläche von circa 11 Hektar festgelegt, die für den günstigen Erhaltungszustand der Gesamtpopulation des Heldbocks (Cerambyx cerdo) im Potsdamer Nordraum von besonderer Bedeutung ist. Für diese Fläche ist die Meldung als FFH-Gebiet vorgesehen. Dieser Bereich umfasst Flächen in folgenden Fluren:

GemeindeGemarkungFlur
Stadt Potsdam Nedlitz 1;
Stadt Potsdam Potsdam 1.

Der Geltungsbereich des Erlasses hat insgesamt eine Größe von rund 33 Hektar.

Die Grenze des Geltungsbereichs dieses Erlasses ist in der Kartenskizze (Anlage 1) und im Maßstab 1 : 10 000 in der Biotoptypenkarte, in der Karte der FFH-Lebensraumtypen (LRT), in der Zielkarte sowie in Liegenschaftskarten eingezeichnet. Maßgeblich ist die Einzeichnung in den Liegenschaftskarten. Der Erlass und die Karten sind beim Landesamt für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz in Potsdam, bei der Stadt Potsdam als untere Naturschutzbehörde, beim Landesbetrieb Forst Brandenburg, Serviceeinheit Belzig, von jedermann während der Dienstzeiten einsehbar.

Beschreibung des Gebietes von gemeinschaftlicher Bedeutung und der Erweiterungsflächen

Das FFH-Gebiet “Heldbockeichen“ liegt im nördlichen Teil der Stadt Potsdam und wird der kontinental geprägten naturräumlichen Haupteinheit “Brandenburgisches Heide- und Seengebiet“ (D12) zugeordnet. Das Gebiet besteht aus zwei Teilflächen: Die nördliche Fläche umfasst einen Teil des forstwirtschaftlich genutzten “Nedlitzer Holzes“, einen Teil der durch Alteichen geprägten Allee der Straße “Am Golfplatz“ sowie den “Remisenpark“ - ein Bestandteil des Volksparkes “Am Bornstedter Feld“. Die südliche Fläche wird als “Großer Schragen“ bezeichnet und ist ebenfalls Teil des Volksparkes. Wertvolle Laubmischwälder und hainartige Eichenbestände unterschiedlichen Alters kennzeichnen das Gebiet. Es umfasst straßenbegleitende Alteichen, Ruderalflächen, Vorwälder und gärtnerisch gestaltete Flächen.

Im Geltungsbereich des Bewirtschaftungserlasses befindet sich als dritte Teilfläche eine eichengeprägte Waldfläche von rund 11 Hektar; sie erstreckt sich zwischen der Nedlitzer Straße und dem Ufer des “Jungfernsees“. Die Fläche wird nördlich vom Gelände der ehemaligen Grauen Kasernen und südlich vom Gelände der ehemaligen Roten Kasernen und von Grünflächen und Kleingärten begrenzt. Der aktuell von einer Teilpopulation des Heldbockes besiedelte Bereich befindet sich in einem räumlichen Zusammenhang mit dem Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung und hat eine hohe Bedeutung für die Sicherung eines günstigen Erhaltungszustandes der Gesamtpopulation der Art im Potsdamer Nordraum.

3 Erhaltungsziele

Die folgenden Erhaltungsziele sind aus dem Standarddatenbogen zum FFH-Gebiet “Heldbockeichen“ abgeleitet. Ziel ist die Erhaltung und Entwicklung der Tierart von gemeinschaftlichem Interesse im Sinne des Anhangs II der Richtlinie 92/43/EWG und der Biotope von gemeinschaftlichem Interesse - natürliche Lebensraumtypen im Sinne des Anhangs I der Richtlinie. Der Erlass dient somit der Erhaltung und Entwicklung der Population des Heldbocks (Cerambyx cerdo), des Waldmeister-Buchenwaldes (Asperulo-Fagetum) und der alten bodensauren Eichenwälder auf Sandebenen mit Quercus robur (Stiel-Eiche).

4 Beschreibung, Bewertung und ökologische Erfordernisse der Lebensraumtypen (LRT) nach Anhang I und der Arten nach Anhang II der FFH-Richtlinie

Waldmeister-Buchenwald, LRT-Nummer 9130, Größe rund 0,3 Hektar, Erhaltungszustand B

Der Lebensraumtyp kommt im nördlichen Teil des “Nedlitzer Holzes“ vor und ist Bestandteil eines größeren, zusammenhängenden Buchenwaldgebietes, das forstlich bewirtschaftet wird. Der Wald ist durch einen gut bis bestwüchsigen Buchen- und Buchen-Eichenbestand geprägt, weist eine gut ausgebildete Krautschicht und eine gering entwickelte Strauchschicht auf. Neben der dominierenden Rotbuche (Fagus sylvatica) sind insbesondere am Rande des Gebietes alte Eichen (Quercus spec.) vorhanden. Die inneren Bestände sind durch einen geringen Anteil stehenden und liegenden Totholzes geprägt und weisen Naturverjüngung auf. Angestrebt werden eine extensive forstwirtschaftliche Bewirtschaftung und die Erhöhung des Strukturreichtums.

Alte bodensaure Eichenwälder auf Sandebenen mit Quercus robur (Stiel-Eiche), LRT-Nummer 9190, Größe rund 11,5 Hektar, Erhaltungszustand B und C

Bei diesem Lebensraumtyp handelt es sich um Laubmischwälder mit Stiel-Eiche (Quercus robur) und Trauben-Eiche (Quercus petraea) auf sauren, nährstoffarmen, frisch bis mäßig trockenen Standorten. Der Lebensraumtyp kommt im Gebiet auf zwei Teilflächen vor. Der Bereich im “Nedlitzer Holz“ steht unter forstlicher Nutzung. Die alten Eichen wurden flächig mit jungen Buchen unterpflanzt. Weiterhin kommt der Lebensraumtyp auch am “Großen Schragen“ vor und ist durch einen gut strukturierten Laubmischwaldbestand gekennzeichnet, der von alten Eichen und Rotbuchen wertbestimmt ist. Auf einem großen Teil der Fläche ist ein starker Aufwuchs von Ahorn (Acer spec.) und Robinie (Robinia pseudoacacia) zu verzeichnen. In beiden Teilflächen gibt es innerhalb der Bestände auf Grund des Lichtmangels nur sehr geringe Eichennaturverjüngung. Die Förderung der Eichenverjüngung, ein geringer forstlicher Bewirtschaftungsgrad, die sukzessive Entnahme der Robinie, die Erhaltung des Strukturreichtums am Schragen und eine Erhöhung des Anteils an stehendem und liegendem Totholz im “Nedlitzer Holz“ werden angestrebt. Eichennaturverjüngung ist zu bevorzugen, bei Ausbleiben sind Nachpflanzungen mit Pflanzmaterial geeigneter lokaler Herkunft vorzunehmen.

Heldbock (Cerambyx cerdo), Erhaltungszustand B

Der am Geburtsbaum bleibende, ortstreue Käfer mit geringer Verbreitungstendenz benötigt Schadstellen aufweisende, lebende, besonnte und starkstämmige alte Stiel- und Traubeneichen als Brutstätten und Larvalhabitat. Alle Teile des Gebietes sind innerhalb der Waldbereiche und der Allee Alteichen in unterschiedlichen Anteilen vom Heldbock besiedelt. Dem Bestand am “Großen Schragen“ und dem Waldbereich zwischen den ehemaligen Roten und Grauen Kasernen kommt hierbei eine herausragende Bedeutung zu. Bedeutsam zur Erhaltung des Habitates des Heldbockes ist, dass abgängige Alteichen so lange wie möglich im Bestand oder an der Straße erhalten bleiben. Strukturreiche, unterschiedliche Altersklassen aufweisende, lichte Eichenmischbestände sind zu erhalten und zu entwickeln. Die Eichenverjüngung ist als langfristige Sicherung von Heldbockhabitaten in den Beständen zu fördern, wobei Naturverjüngung anzustreben ist. Bei Ausbleiben von Naturverjüngung sind Nachpflanzungen mit Pflanzmaterial geeigneter lokaler Herkunft vorzunehmen. Auflichtungsmaßnahmen zur Freistellung alter Eichen sind insbesondere am Schragen, im “Nedlitzer Holz“ und im Waldbereich zwischen den ehemaligen Roten und Grauen Kasernen notwendig. Aus Verkehrssicherungsgründen an den Wegen oder der Straße gefällte Habitatbäume oder entfernte Starkästen sollen in benachbarten Waldbeständen abgelegt werden. In den Waldbereichen mit der Funktion “Grünfläche“ soll die Wegeführung situationsgerecht angepasst werden, um Fällungen von Alteichen aus Verkehrssicherungsgründen zu vermeiden.

Der Bestand und die Entwicklung der Population sollen regelmäßig kontrolliert, Brutbäume entsprechend markiert werden.

Erläuterung

A - hervorragender Erhaltungszustand
B - guter Erhaltungszustand
C - durchschnittlicher oder beschränkter Erhaltungszustand

5 Bestand und Bewertung weiterer Arten und Biotope

Nach § 30 BNatSchG in Verbindung mit § 32 des Brandenburgischen Naturschutzgesetzes (BbgNatSchG) geschützte Biotope:

Wald zwischen den ehemaligen Roten und Grauen Kasernen

Der rund 11 Hektar große Waldbereich ist gekennzeichnet durch einen sehr gut strukturierten, meist lichten Eichenmischwald beziehungsweise Eichen-Buchenmischwald. Er ist bisher nicht Bestandteil der FFH-Gebietsmeldung, ist aber für eine Nachmeldung vorgesehen. Der Bestand ist aktuell bereits von einer aktiven und etablierten Teilpopulation des Heldbockes besiedelt. Er bietet ein außergewöhnlich günstiges Potenzial für die weitere Entwicklung der Population. Teilweise ist ein Aufwuchs von Ahorn zu verzeichnen, welcher entfernt werden soll. Der Strukturreichtum des Bestandes ist zu erhalten und weiter zu entwickeln, die Verjüngung von Eichen weiter zu fördern. Eichennaturverjüngung ist anzustreben; bei Ausbleiben einer Eichennaturverjüngung soll mit standortnahem Material nachgepflanzt werden.

Ruderalflächen

Es handelt sich um zwei- bis mehrjährige, ruderal geprägte Kraut- und Staudenfluren mit jungen, teilweise in kleinen Gruppen vorkommenden Stiel- und Traubeneichen, Ulmen (Ulmus spec.) und Hainbuchen (Carpinus betulus). Die wiesenartig genutzten Ruderalflächen werden entlang der Wege zum Großteil ab Juli gemäht, wodurch artenreiche Übergangsgesellschaften zwischen Ruderal- und Wiesenvegetation entstehen. In diesem Bereich werden eine weitere extensive Pflege und der Erhalt einzelner Bäume und Baumgruppen, insbesondere von Eichen, angestrebt.

Vorwald

Im südlichen Teil des Großen Schragens ist ein der angrenzenden Waldgesellschaft entsprechender baum- und strauchartiger Vorwald vorhanden. Der Lebensraum weist eine mosaikartige Struktur von Vorwald und gehölzfreier Fläche auf. Bestandsbildende Baumarten sind Stiel- und Traubeneichen, Rotbuche, Birke (Betula pendula), Pappel (Populus spec.) und Ulme. Ziel ist, einen eichendominierten, gut strukturierten, lichten Laubmischwald zu entwickeln, um die Habitatansprüche des Heldbockes nachhaltig zu entwickeln und zu schützen.

6 Erhaltungsmaßnahmen

Die geeigneten Maßnahmen zur Umsetzung der unter Nummer 3 benannten Erhaltungsziele sind in Anlage 2 aufgeführt.

Unberührt bleiben Erhaltungs- und Entwicklungsmaßnahmen, die durch die zuständige Naturschutzbehörde angeordnet, zugelassen oder durchgeführt werden.

Besonderer Handlungsbedarf zur Sicherung eines günstigen Erhaltungszustandes der Gesamtpopulation des großen Eichenheldbocks besteht in der Erhaltung der vorhandenen Alteichen und der Erhaltung beziehungsweise der Anlage eines ausreichenden Potenzials an nachwachsenden Stiel- und Trauben-eichen unterschiedlicher Altersklassen in möglichst lichten Beständen.

Änderungen der Erhaltungs- und Entwicklungsmaßnahmen bedürfen der Zustimmung des Ministeriums für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz und bei Betroffenheit des Ministeriums für Infrastruktur und Landwirtschaft.

7 Projekte

Es wird darauf hingewiesen, dass Projekte vor ihrer Zulassung oder Durchführung auf ihre Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen eines Natura-2000-Gebiets zu überprüfen sind, wenn sie einzeln oder im Zusammenwirken mit anderen Projekten oder Plänen geeignet sind, das Gebiet erheblich zu beeinträchtigen, und nicht unmittelbar der Verwaltung des Gebiets dienen. Die Maßstäbe für die Verträglichkeit ergeben sich aus den Erhaltungszielen im Standarddatenbogen.

8 Umsetzung

Für die Betreuung, Koordinierung und Kontrolle der Umsetzung des Bewirtschaftungserlasses ist die untere Naturschutzbehörde verantwortlich. Die Durchsetzung der einzelnen Erhaltungsmaßnahmen beziehungsweise deren Berücksichtigung im Vollzug obliegt der jeweilig zuständigen Fachbehörde, die darüber die zuständige Naturschutzbehörde auf Anforderung informiert.

Es wird darauf hingewiesen, dass seitens der Eigentümer/Nutzer eine entsprechende Kooperationsbereitschaft vorliegt, um die Maßnahmen zur Sicherung des FFH-Gebietes auf der Grundlage von Vereinbarungen umzusetzen.

9 Inkrafttreten

Dieser Erlass tritt am Tage nach seiner Veröffentlichung im Amtsblatt für Brandenburg in Kraft.

Anlagen