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Letzte gültige Fassung

ARCHIV

Anwendung des Europäischen Beihilferechts auf kommunale Unternehmen (Handreichung zum Monti-Paket)


vom 22. November 2006
(ABl./06, [Nr. 49], S.770)

Außer Kraft getreten
(ABl./06, [Nr. 49], S.770)

Im Auftrag des Arbeitskreises III “Kommunale Angelegenheiten“ der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder hat eine Arbeitsgruppe nachstehende Handreichung zu dem Maßnahmepaket der Kommission der Europäischen Gemeinschaften zur Anwendung des Europäischen Beihilferechts auf Unternehmen, die Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse erbringen („Monti-Paket“), erarbeitet. Die Handreichung wurde vom Arbeitskreis III am 19. Juli 2006 gebilligt und den Ländern zur Anwendung empfohlen.

Handreichung zum Monti-Paket

Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften (Kommission) hat am 29. November 2005 ein Maßnahmenpaket („Monti-Paket“) zum europäischen Beihilferecht mit folgenden Regelungen im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht:

  • Entscheidung der Kommission über die Anwendung von Artikel 86 Abs. 2 EG-Vertrag auf staatliche Beihilfen, die bestimmten mit der Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betrauten Unternehmen als Ausgleich gewährt werden (2005/842/EG) = “Freistellungsentscheidung“
  • Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen, die als Ausgleich für die Erbringung öffentlicher Dienstleistungen gewährt werden (2005/C 297/04) = “Gemeinschaftsrahmen“
  • Richtlinie 2005/81/EG der Kommission zur Änderung der Richtlinie 80/723/EWG über die Transparenz der finanziellen Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und den öffentlichen Unternehmen sowie über die finanzielle Transparenz innerhalb bestimmter Unternehmen = “Änderung der Transparenzrichtlinie“.

Die Kommission zieht mit dem Monti-Paket Konsequenzen aus der jüngsten Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) zur Anwendung des europäischen Beihilferechts auf Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind (insbesondere Urteil in der Rechtssache Altmark Trans GmbH und Regierungspräsidium Magdeburg gegen Nahverkehrsgesellschaft Altmark GmbH vom 24.07.2003; Rs. C-280/00;= “Altmark-Trans-Urteil“).

Das Monti-Paket ist für die Rechtmäßigkeit von Ausgleichszahlungen, die Kommunen ihren Unternehmen und Einrichtungen sowie Dritten für die Erfüllung von Aufgaben der Daseinsvorsorge leisten, von herausragender Bedeutung. Die Altmark-Rechtsprechung des EuGH und das Monti-Paket machen es erforderlich, dass die Kommunen ihre Beziehungen zu allen - auch potentiellen - Empfängern von Ausgleichszahlungen überprüfen und, soweit notwendig, rechtlich anpassen. Dazu werden die nachstehenden Hinweise gegeben sowie die Freistellungsentscheidung und der Gemeinschaftsrahmen abgedruckt. Die Hinweise dienen der allgemeinen Erläuterung des Monti-Pakets, sie behandeln nicht besondere Konsequenzen für einzelne Aufgabengebiete (zum Beispiel Krankenhäuser und den sozialen Wohnungsbau).

1. Rechtlicher Rahmen

Materielle Vorgaben für die Gewährung von Beihilfen regelt Artikel 87 Abs. 1 EG-Vertrag. Danach sind, vorbehaltlich abweichender Bestimmungen des Vertrags, “staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen“.

Formelle Vorgaben enthält Artikel 88 Abs. 3 EG-Vertrag, der bestimmt, dass alle Beihilfen vor ihrer Gewährung der Kommission anzumelden (zu “notifizieren“) sind. Vor einer abschließenden Entscheidung der Kommission über die Zulässigkeit der Beihilfe darf diese nicht gewährt werden (Durchführungsverbot). Eine Verletzung des Durchführungsverbots führt zur Nichtigkeit des Vertrags oder Rechtsgeschäfts insgesamt nach § 134 BGB oder zur Rechtswidrigkeit des begünstigenden Verwaltungsakts.

Von den genannten Vorschriften sind grundsätzlich auch öffentliche Unternehmen und Unternehmen, denen besondere oder ausschließliche Rechte gewährt wurden, betroffen (Artikel 86 Abs. 1 EG-Vertrag). Eine Ausnahme hiervon gilt gemäß Artikel 86 Abs. 2 EG-Vertrag für Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind, soweit die Anwendung des Vertrags, hier also des Beihilferechts, die Erfüllung der ihnen übertragenen besonderen Aufgaben rechtlich oder tatsächlich verhindert. Die Entwicklung des Handelsverkehrs darf aber dadurch nicht in einem Ausmaß beeinträchtigt werden, das dem Interesse der Gemeinschaft zuwiderläuft.

Das Monti-Paket knüpft an den in Artikel 86 Abs. 2 EG-Vertrag enthaltenen Vorbehalt an und konkretisiert diesen näher für den Fall kommunaler Ausgleichszahlungen an eigene Unternehmen und Dritte für die Erfüllung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse.

2. Prüfschema

Aus den Vorschriften des EG-Vertrags ergibt sich im Zusammenhang mit der EuGH-Rechtsprechung, der Freistellungsentscheidung und dem Gemeinschaftsrahmen für die Kommunen folgendes Prüfschema:

(1) Liegt eine Beihilfe im Sinne von Artikel 87 Abs. 1 EG-Vertrag gegenüber einem Unternehmen, das Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse (Artikel 86 Abs. 2 EG-Vertrag) erbringt, vor (s. dazu im Einzelnen unter Nummer 3.)?

  • Gewährung einer Zuwendung durch die Kommune oder aus kommunalen Mitteln
  • Wirtschaftliche Begünstigung
    nicht gegeben, wenn:
    • marktübliche Gegenleistung
    • Ausnahme nach Altmark-Trans-Urteil
  • Unternehmen als Begünstigter
  • Selektivität (keine allgemeine Maßnahme)
  • Vorliegen oder Drohen einer Wettbewerbsverfälschung; Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten
    nicht gegeben, wenn:
    • De-minimis-Regelung einschlägig
    • nur lokal beschränkte Auswirkungen
  • Unternehmensgegenstand: Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse

(2) Freistellungsentscheidung

Ergibt die Prüfung nach dem vorstehenden Schema eine Beihilfe für ein Unternehmen, das Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse erbringt, ist festzustellen, ob der Geltungsbereich der Freistellungsentscheidung nach deren Artikel 2 eröffnet ist und ob die dort in den Artikeln 4 und 5 genannten Voraussetzungen für Ausgleichszahlungen vorliegen. Wenn das der Fall ist, ist die Ausgleichs-zahlung mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar und muss nicht gemäß Artikel 88 Abs. 3 EG-Vertrag notifiziert werden (Artikel 3 der Freistellungsentscheidung).

(3) Gemeinschaftsrahmen

Ist der Geltungsbereich der Freistellungsentscheidung nicht eröffnet, ist die beabsichtigte Beihilfe zu notifizieren. Der Gemeinschaftsrahmen ist Grundlage für die Ermessensentscheidung der Kommission über die Genehmigung der Beihilfe nach einer Notifizierung. Solange eine abschließende Kommissionsentscheidung nicht vorliegt, darf die Beihilfe nicht gewährt werden (Durchführungsverbot, s. oben 1.).

Soweit eine Beihilfe gemäß Ziffer 1 nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, stehen die Kriterien der Freistellungsentscheidung für die Praxis im Mittelpunkt der Prüfung.

3. Hinweise zu den Begriffen im Prüfschema

3.1 Gewährung einer Zuwendung durch die Kommune oder aus kommunalen Mitteln

„Staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen“ im Sinne von Artikel 87 Abs. 1 EG-Vertrag umfassen auch Beihilfen der Kommunen; dies gilt auch, wenn die jeweiligen Mittel aus den Europäischen Strukturfonds stammen. “Staat“ ist insoweit als öffentliche Hand zu verstehen. Als kommunale Mittel gelten unter den nachstehend genannten Voraussetzungen aber auch solche Mittel, die durch ein kommunales Unternehmen gewährt werden. Die von ihnen gewährten Mittel sind der Kommune zurechenbar, wenn sie aufgrund ihrer tatsächlichen Kontroll- und Steuerungsmöglichkeiten über einen beherrschenden Einfluss verfügt. Zur Bestimmung des “beherrschenden Einflusses“ ist Artikel 2 Abs. 2 der Transparenzrichtlinie[1] maßgeblich. Danach wird vermutet, dass dieser dann vorliegt, wenn die Kommune unmittelbar oder mittelbar

  • die Mehrheit des gezeichneten Kapitals des Unternehmens besitzt oder
  • über die Mehrheit der mit den Anteilen des Unternehmens verbundenen Stimmrechte verfügt oder mehr als die Hälfte der Mitglieder des Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgans des Unternehmens bestellen kann.

3.2 Wirtschaftliche Begünstigung

3.2.1 Allgemeines; marktübliche Gegenleistung

Zentrales Tatbestandsmerkmal ist das Vorliegen einer Begünstigung. Das im Gemeinschaftsrecht nicht definierte Merkmal ist weit auszulegen. Dem Empfänger muss im Ergebnis ein geldwerter Vorteil gewährt werden. Das kann auf vielfältige Weise geschehen, also nicht nur in Form von Geldzuführungen, sondern zum Beispiel auch durch Grundstücksveräußerungen unter dem marktüblichen Wert oder durch Maßnahmen, die im konkreten Fall die Belastungen des Unternehmens mindern (Befreiung von Soziallasten, Sondertarife, Abgaben und Steuererleichterungen, Entschädigungsregelungen usw.). Dabei ist unerheblich, ob die Zahlung mit oder ohne vertragliche oder gesetzliche Grundlage erfolgt. Auf ihre Beihilfequalität sind daher insbesondere auch Nachschusspflichten auf das Eigenkapital, Gewinn- und Verlustübernahmeverträge, Patronatserklärungen und Bürgschaften zu Gunsten von kommunalen Unternehmen zu überprüfen.

Eine Begünstigung liegt nicht vor, soweit die staatliche Zuwendung durch eine entsprechende marktübliche Gegenleistung des Zuwendungsempfängers ausgeglichen wird. Als Vergleichsmaßstab zur Bestimmung der Marktüblichkeit und damit der Angemessenheit des Verhältnisses von Leistung und Gegenleistung ist der “Marktinvestortest“ heranzuziehen. Danach sind Zuwendungen, die öffentliche Stellen ihren Unternehmen gewähren, dann eine Beihilfe, wenn ein marktwirtschaftlich handelnder privater Kapitalgeber die Leistung unter Rentabilitätsgesichtspunkten nicht oder nicht in der Art und Weise erbracht hätte. Handelt die Kommune dagegen wie ein vernünftiger und umsichtiger Kapitalgeber, ist eine Beihilfe ausgeschlossen. In diese Bewertung dürfen jedoch andere Vorteile für die Gemeinde, die nicht direkt mit dem “Geschäft“ zusammenhängen, wie der Erhalt von Arbeitsplätzen oder Sponsoringaktvitäten, nicht einbezogen werden.

3.2.2 Altmark-Trans-Urteil

Der EuGH hat in seinem Urteil in der Rechtssache Altmark vom 24.07.2003, Rs. C-280/00 festgestellt, dass der für die Erbringung von Dienstleistungen im allgemeinen wirtschaftlichen Interesse gewährte Ausgleich mangels Vorliegen einer Begünstigung dann keine staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 87 EG-Vertrag darstellt, wenn die nachstehenden vier Voraussetzungen erfüllt sind (vgl. Erwägungsgründe 4 und 5 der Freistellungsentscheidung und Rn. 6 des Gemeinschaftsrahmens):

  1. Das begünstigte Unternehmen muss tatsächlich mit der Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen betraut sein, und diese Verpflichtungen müssen klar definiert sein.
  2. Die Parameter, anhand derer der Ausgleich berechnet wird, sind zuvor objektiv und transparent festzulegen.
  3. Der Ausgleich darf nicht über das Maß hinausgehen, das erforderlich ist, um die Kosten der Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen unter Berücksichtigung der dabei erzielten Einnahmen und eines angemessenen Gewinns aus der Erfüllung dieser Verpflichtung ganz oder teilweise zu decken.
  4. Für den konkreten Fall, dass das Unternehmen, das mit der Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen betraut werden soll, nicht im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung ausgewählt wird, mit der sich derjenige Bewerber ermitteln ließe, der diese Dienste zu den geringsten Kosten für die Allgemeinheit erbringen kann, ist die Höhe des erforderlichen Ausgleichs auf der Grundlage einer Analyse der Kosten zu bestimmen, die ein durchschnittliches, gut geführtes und angemessen mit Produktionsmitteln ausgestattetes Unternehmen hätte (s. u. 4.1).

Nach dieser Entscheidung muss also entweder eine Ausschreibung mit dem Ziel durchgeführt werden, das Unternehmen zu ermitteln, das den Dienst am wirtschaftlichs-ten erbringt oder die Höhe des erforderlichen Ausgleichs muss auf der Grundlage eines hypothetischen Vergleichs mit den Kosten eines durchschnittlichen, gut geführten Unternehmens berechnet werden. Ein Ausgleich, der ohne vorherige Ausschreibung gewährt und bei dem nicht die Kosten eines durchschnittlichen, gut geführten Unternehmens zugrunde gelegt werden, ist daher eine Begüns-tigung im Sinne des Artikels 87 Abs. 1 EG-Vertrag.

3.3 Unternehmen als Begünstigter

3.3.1 Der Unternehmensbegriff ist bezogen auf die Teilnahme am Wirtschaftsleben zu verstehen. Als Unternehmen gilt daher jedes Gebilde, das unabhängig von seiner Rechtsstellung und der Art seiner Finanzierung einer wirtschaftlichen Tätigkeit nachgeht. Eine wirtschaftliche Tätigkeit ist jede Tätigkeit, die darin besteht, Güter oder Dienstleistungen auf einem bestimmten Markt anzubieten. Eine Gewinnerzielungsabsicht ist nicht erforderlich. Unternehmen im Sinne des Artikels 87 Abs. 1 EG-Vertrag können auch Einheiten sein, die kommunalrechtlich als nichtwirtschaftliche Unternehmen/Einrichtungen angesehen werden. Die von der EU bisher entwickelte und im Einzelnen noch auslegungsbedürftige Unterscheidung zwischen “wirtschaftlichen“ und “nicht-wirtschaftlichen“ Tätigkeiten ist nicht gleichzusetzen mit dem Begriffspaar “hoheitliche“ und “nicht-hoheitliche“ Aufgaben, da nach deutschem Verfassungsverständnis Pflichtaufgaben der S elbstverwaltung wie zum Beispiel die Abwasser- und Abfallentsorgung zu den hoheitlichen Aufgaben zählen, während diese nach den Vorstellungen der EU-Kommission zweifelsfrei eine wirtschaftliche Dienstleistung sind. Nicht in den Anwendungsbereich des Beihilferechts fällt dagegen insbesondere die Ausübung öffentlicher Gewalt, Tätigkeiten zur Wahrung der inneren und äußeren Sicherheit, nationale Bildungssysteme oder Grundversorgungssysteme der sozialen Sicherheit. Systeme der sozialen Sicherheit sind vor allem dann nicht Unternehmen im Sinne des Beihilferechts, wenn das Gewinnstreben fehlt, ein ausschließlich soziales Ziel verfolgt wird, Leistungen von Gesetzes wegen und unabhängig von der Beitragshöhe erbracht werden oder wenn der Solidaritätsgrundsatz angewandt wird.

3.3.2 Unternehmen im beihilferechtlichen Sinne können daher auch Einrichtungen sein, die rechtlich unselbstständiger Teil der Kommune sind und keine Rechtspersönlichkeit haben, wie zum Beispiel der kommunale Eigenbetrieb beziehungsweise die eigenbetriebsähnliche Einrichtung oder der Regiebetrieb. Sofern diese oder eine ausschließlich kommunale Gesellschaft allein den Eigenbedarf der Kommune decken, fehlt es aber am Marktbezug der Tätigkeit mit der Folge, dass ein Unternehmen in dem hier maßgeblichen Sinne nicht vorliegt.

3.4 Selektivität (keine allgemeine Maßnahme)

Eine Beihilfe liegt nur dann vor, wenn einzelne Unternehmen oder Unternehmenszweige durch die Maßnahme im Verhältnis zur Gesamtheit aller Unternehmen in eine günstigere Position gebracht werden. Keine Beihilfe sind daher zum Beispiel Infrastrukturmaßnahmen, die Unternehmen eine allgemeine, gleichberechtigte Nutzung ermöglichen.

3.5 Vorliegen oder Drohen einer Wettbewerbsverfälschung; Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten

3.5.1 De-minimis-Regelung

Eine Verfälschung des Wettbewerbs oder Beeinträchtigung des Handels zwischen den EU-Mitgliedstaaten liegt dann nicht vor, wenn der finanzielle Vorteil für das Unternehmen geringfügig ist. Nach der “De-minimis-Regelung“ (Verordnung (EG) Nr. 69/2001, ABl. EG Nr. L 10 S. 30 vom 13. Januar 2001) liegt keine staatliche Beihilfe im Sinne des Artikels 87 Abs. 1 EG-Vertrag vor, wenn die Gesamtsumme aller einem Unternehmen gewährten nicht genehmigten Zuwendungen 100.000 Euro (Subventionsäquivalent) bezogen auf einen Zeitraum von drei Jahren nicht übersteigt und auch die übrigen in der Verordnung genannten Voraussetzungen eingehalten sind.

3.5.2 Lokal beschränkte Auswirkungen

Keine Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten liegt bei Beihilfen mit nur lokal beschränkter Auswirkung vor. Bereits die bloße Eignung einer Beihilfe zur Handelsbeeinträchtigung genügt, um eine lediglich lokal beschränkte Auswirkung auszuschließen. Abzustellen ist dabei auf mögliche Auswirkungen sowohl auf der Angebots- als auch auf der Nachfrageseite. Anhaltspunkte dafür, ob nach Auffassung der Kommission lediglich lokal beschränkte Auswirkungen vorliegen, bietet etwa die Entscheidung Schwimmbad “Dorsten“ - KOM vom 12.01.2001, Staatl. Beihilfe N 258/00, vgl. http://www.europa.eu.int/comm/competition/state_aid/register/ii).

3.5.3 Sonstige Fälle

Der Wettbewerb wird auch dann nicht verfälscht, wenn es ihn gar nicht gibt. Das bedeutet, dass Zuwendungen in Bereichen, in denen es keinen Wettbewerb im oder um den Markt gibt, in aller Regel nicht dem Anwendungsbereich des Artikels 87 EG-Vertrag unterfallen. Die Bewilligung von Zuwendungen zu Gunsten eines Unternehmens, das ausschließlich auf einem solchen nicht liberalisierten Markt tätig wird, ist deshalb in der Regel keine Beihilfe. Anders verhält es sich, wenn das begünstigte Unternehmen auch auf liberalisierten Märkten tätig ist, weil dann eine indirekte Auswirkung auf den Wettbewerb nicht ausgeschlossen werden kann.

3.6 Unternehmensgegenstand: Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse

Die Zuwendung muss dazu bestimmt sein, eine Ausgleichszahlung für die Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse darzustellen. Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Inte-resse sind nach Auffassung der Kommission solche Tätigkeiten, die im Interesse der Allgemeinheit erbracht werden und dazu mit besonderen Gemeinwohlverpflichtungen verbunden sind, denen ein Unternehmen aus eigenem wirtschaftlichem Interesse nicht nachkommen würde. Werden Leistungen auf dem Markt angeboten, müssen sie zusätzliche spezifische Merkmale aufweisen, die sie zu einer Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Inte-resse machen, indem sie über die Pflichten sonstiger im relevanten Markt tätiger Unternehmen hinausgehen. Solche Merkmale können zum Beispiel der sozialverträgliche Preis oder ihre besondere Qualität oder die erhöhte Versorgungssicherheit (flächendeckende Versorgung) sein. Es obliegt den Mitgliedstaaten, Dien stleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse zu definieren. Sie haben dabei einen großen Ermessensspielraum, der von der Kommission nur auf offensichtliche Fehler (das heißt missbräuchliche Anwendung im Einzelfall) überprüft wird. In Deutschland regeln die Kommunen die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft und bestimmen im Rahmen der Gesetze insbesondere des Kommunalrechts, welche Leistungen sie als Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse definieren; dieser Begriff wird von dem der Daseinsvorsorge mit umfasst. Dass nach dem Kommunalrecht jede Tätigkeit einer Kommune und eines kommunalen Unternehmens einem öffentlichen Zweck entsprechen muss, ist ein wichtiges Indiz für das Vorliegen einer Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse, reicht für sich jedoch für deren Annahme nicht aus.

Als Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse sind von der Kommission und dem EuGH zum Beispiel der Rettungsdienst, Aufgaben der Arbeitsvermittlung und -förderung, Aufgaben eines Betriebsrentenfonds sowie solche im Verkehrs-, Telekommunikations-, Post-, Energiebereich und der Abfallentsorgung anerkannt worden.

4. Ergänzende Hinweise zur Freistellungsentscheidung

4.1 Allgemeines

In der Freistellungsentscheidung und im Gemeinschaftsrahmen finden sich die ersten drei Kriterien des Altmark-Trans-Urteils wieder. Dagegen enthalten diese das vierte Altmark-Trans-Kriterium nicht; bei ihrer Anwendung muss folglich im Fall der (nicht auf einer Ausschreibung beruhenden) Direktbeauftragung nicht der schwierige Nachweis geführt werden, dass die Ausgleichszahlung aufgrund der Kostenanalyse eines hypothetischen Referenzunternehmens berechnet wurde (hypothetischer Nettokostenansatz). Das bedeutet: Ausgleichszahlungen, für die das vierte Altmark-Trans-Kriterium nicht vorliegt, sind Beihilfen. Die ihrer Berechnung zugrunde gelegten Kosten können erheblich über den Kosten eines Referenzunternehmens liegen. Die entsprechenden Ausgleichszahlungen können aber gleichwohl, soweit die übrigen Voraussetzungen gegeben sind, unter die Freistellungsentscheidung oder den Gemeinschaftsrahmen fallen.

4.2 Zu Artikel 4

4.2.1 Form des Betrauungsakts („öffentlicher Auftrag“)

Der Betrauungsakt muss an ein bestimmtes Unternehmen gerichtet und rechtlich verbindlich sein. Die Erteilung einer allgemein zugänglichen Erlaubnis, bestimmte Tätigkeiten ausüben zu dürfen, reicht nicht aus. Der Betrauungsakt kann aus einem Rechtsakt bestehen, einzelne Elemente des Betrauungsakts können aber auch in verschiedenen aufeinander bezogenen Rechtsakten enthalten sein. Der Betrauungsakt muss nicht notwendigerweise durch eine Rechtsnorm oder einen Verwaltungsakt erfolgen; eine klar umschriebene Formulierung des Auftrags durch die Kommune in einer vertraglichen Regelung reicht aus.

In der Regel wird die Betrauung durch Verwaltungsakt oder privatrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Vertrag erfolgen. In den Fällen, in denen das Unternehmen keine eigene Rechtspersönlichkeit besitzt, wie zum Beispiel ein Eigen- oder Regiebetrieb, erfolgt die Betrauung dagegen notwendigerweise durch einen internen Organisationsakt der Kommune. Bei einer kommunalen Eigengesellschaft kommt für die Betrauung außer dem Vertrag oder Verwaltungsakt auch der Gesellschaftsvertrag in Frage. Falls es zum Beispiel in Satzungen oder Gesellschaftsverträgen jedoch lediglich allgemeine Regelungen geben sollte, bedarf es insbesondere in Bezug auf die Festlegung gemäß Artikel 4 Buchstabe d und e weiterer Konkretisierungen durch Einzelregelungen.

4.2.2 Inhalt des Betrauungsakts

Durch den Betrauungsakt muss sichergestellt werden, dass das Unternehmen die Leistung, für die die Ausgleichszahlung gewährt wird, tatsächlich erbringt. Außerdem müssen der Rechtsakt oder die Rechtsakte die unter Artikel 4 Buchstabe a bis e genannten Regelungen enthalten.

Die Festlegungen gemäß Artikel 4 Buchstabe a und b, gegebenenfalls auch Buchstabe c, werden in vielen Fällen bereits vorliegen. Dabei ist zu beachten, dass der Betrauungsakt nicht ein Unternehmen als solches betrifft, sondern nur die diesem übertragenen, bestimmten Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse; es ist also möglich, dass die Betrauung nur einen Teil der Unternehmenstätigkeit erfasst. Soll ein Unternehmen verschiedene Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse erbringen, müssen diese verschiedenen Dienstleistungen durch einen oder mehrere Betrauungsakte abgedeckt sein.

Um die Beihilfe von der Notifizierungspflicht freizustellen, müssen die in Artikel 4 Buchstabe a bis e genannten Parameter bereits durch den Betrauungsakt festgelegt worden sein, bevor die Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse, die die Ausgleichszahlung auslöst, erbracht wird; sie können also nicht erst dann fixiert werden, wenn nach der Erbringung solcher Dienstleistungen Ausgleichszahlungen anstehen (nach Artikel 10 Satz 2 gilt Artikel 4 Buchstabe c bis e allerdings erst ab 29. November 2006). Die Kommunen haben daher zu überprüfen, inwieweit Betrauungsakte im Sinne der Freistellungsentscheidung vorliegen oder vorzunehmen oder zu ergänzen sind.

Die Parameter für die Berechnung, Überwachung und etwaige Änderung der Ausgleichszahlung gemäß Artikel 4 Buchstabe d sind objektiv und transparent festzulegen; um dem zu entsprechen, sind hierbei die in Artikel 5 Abs. 1 bis 4 genannten Anforderungen zugrunde zu legen. Dabei ist vor allem danach zu differenzieren, ob das Unternehmen eine oder mehrere verschiedene Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse oder daneben auch anderweitige Leistungen erbringt (vgl. Artikel 5 Abs. 2 und 3). Regelungen über den nach einem bestimmten Zeitraum durch den Träger des Unternehmens zu leistenden Defizitausgleich genügen nicht den Anforderungen der Freistellungsentscheidung; es ist vielmehr in transparenter Weise sicherzustellen, dass der Ausgleich nicht zu einer Überkompensation führt und dass er sich nur auf Kosten bezieht, die Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse zurechenbar sind.

Vorkehrungen gegen Überkompensierungen gemäß Artikel 4 Buchstabe e sind durch die Festlegung geeigneter Kontrollmechanismen (vgl. Artikel 6) zu treffen, also etwa durch die Verpflichtung des Unternehmens, in regelmäßigen Abständen anhand der Parameter des Artikels 5 zu berichten. Ebenso sind Verpflichtungen zur Rückzahlung überhöhter Ausgleichszahlungen festzulegen.

Aus kommunalrechtlicher Sicht ist darauf zu achten, dass bei der Betrauung eines dritten, nicht der Kommune gehörenden Unternehmens die Parameter für die Ausgleichszahlung so festgelegt werden, dass die Risikoverteilung zwischen der Kommune und dem Unternehmen dem Grundsatz der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit entspricht. Auf das kommunalrechtliche Gebot der Haftungsbegrenzung gegenüber kommunalen Unternehmen in Privatrechtsform wird hingewiesen.

4.3 Zu Artikel 5

Die Anforderungen des Artikels 5 sind auf das zweite und dritte Altmark-Trans-Kriterium bezogen.

Für die Berechnung der Ausgleichszahlungen an Eigenunternehmen der Kommunen gilt Folgendes:

Erbringt das Unternehmen nur eine Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse, kann sich die Ausgleichszahlung auf einen Verlustausgleich auf der Grundlage aller tatsächlich für das Funktionieren der Dienstleistung erforderlichen Kosten beschränken (vgl. Artikel 5 Abs. 2 Buchstabe a, Abs. 3 Satz 1). Auch für diesen Fall muss vorweg im Rahmen des Betrauungsakts gemäß Artikel 4 Buchstabe d festgesetzt werden, welche Rendite für das Unternehmen als angemessen anzusehen ist (Artikel 5 Abs. 4).

Bei Unternehmen, die sowohl Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse als auch andere Leistungen erbringen, gehört zu den gemäß Artikel 4 Buchstabe d festzulegenden Parametern für die Berechnung der Ausgleichszahlung ein Schlüssel für die Ermittlung der zurechenbaren Kosten, Einnahmen und der Rendite (Artikel 5 Abs. 2 Buchstabe b, c, d, Abs. 3 und 4). Solche Unternehmen sind gemäß Artikel 5 Abs. 5 zur getrennten Buchführung verpflichtet.

4.4 Zu Artikel 6

Alle Verwaltungsebenen haben im Rahmen ihrer Zuständigkeit sicherzustellen, dass die in Artikel 6 vorgesehenen Kontrollen durchgeführt werden, damit keine Ausgleichszahlungen erfolgen, die über die in Artikel 5 der Freistellungsentscheidung bestimmte Höhe hinausgehen. Im kommunalen Bereich kommen für diese Kontrollen eigens mit dieser Aufgabe betraute Organisationseinheiten der Kommune sowie die Organe der örtlichen und überörtlichen Rechnungsprüfung in Betracht. Außerdem können bei Bedarf die Aufträge zur handelsrechtlichen Abschluss-prüfung der Unternehmen von den kommunalen Gesellschaftern entsprechend erweitert werden. Die Aufgaben der Kommunalaufsicht bleiben davon unberührt.

4.5 Zu Artikel 7

Unterlagen, aus denen sich feststellen lässt, ob die beihilferechtlichen Vorgaben eingehalten sind, müssen mindestens zehn Jahre vorgehalten werden. Solche Unterlagen sind insbesondere Jahresrechnungen oder Jahresabschlüsse der Kommune, Jahresabschlüsse und Lageberichte des Unternehmens, die zugrunde liegenden Gremiumsbeschlüsse auf kommunaler und Unternehmensseite und die entsprechenden Buchungsbelege (begründende Unterlagen). Hierbei ist anzumerken, dass diese Unterlagen bereits nach geltendem kommunalem Haushalts- und Wirtschaftsrecht, dem Handels- und dem Steuerrecht dauerhaft oder mindestens zehn Jahre aufzubewahren sind (die Belege allerdings nur sechs Jahre, sofern nicht § 147 AO eine Aufbewahrung von zehn Jahren vorschreibt). Im Handelsrecht enthält § 257 HGB nähere Vorgaben. Im Übrigen sollte die Aufbewahrungspflicht in den Betrauungsakt aufgenommen werden.

Die Freistellungsentscheidung ist im Amtsblatt der Europäischen Union Nr. L 312 S. 67 vom 29. November 2005 und der Gemeinschaftsrahmen im Amtsblatt der Europäischen Union Nr. C 297 vom 29. November 2005 veröffentlicht (http://eur-lex.europa.eu/de/index.htm).


[1] Richtlinie 80/723/EWG über die Transparenz der finanziellen Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und den öffentlichen Unternehmen sowie über die finanzielle Transparenz innerhalb bestimmter Unternehmen.