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Runderlass in kommunalen Angelegenheiten, Ministerium des Innern, Nr. 9/2001
Rückwirkendes Inkraftsetzen von Satzungen

Runderlass in kommunalen Angelegenheiten, Ministerium des Innern, Nr. 9/2001
Rückwirkendes Inkraftsetzen von Satzungen

vom 9. Oktober 2001

Außer Kraft getreten am 26. August 2014 durch Aufhebungsrunderlass Nr. 1/2014 vom 26. August 2014

In der Vergangenheit wurden in einer Vielzahl von verwaltungsgerichtlichen Streitverfahren kommunale Satzungen für gesamtnichtig erklärt, weil bei der Rechtsetzung (nach § 5 Abs. 4 GO nicht heilbare) Fehler im Genehmigungs- und im Bekanntmachungsverfahren auftraten oder weil die Satzungen materiell gegen geltendes Recht verstießen. Gleichermaßen wurden Sat­zungen wegen ebensolcher Mängel kommunalaufsichtlich - unter der Maßgabe der Aufhebung - beanstandet oder von den betroffenen Kommunen in eigenständiger Erkennung der Fehler außer Kraft gesetzt.

In allen genannten Fällen ist das Inkraftsetzen einer neuen Satzung erforderlich. Dabei ist es oftmals (z. B. zur Heilung bereits ausgereichter Bescheide) notwendig, diesen neuen Satzungen eine Rückwirkung beizumessen. Entsprechende Anfragen aus dem kommunalen Raum zur Zulässigkeit eines solchen rückwirkenden In-Kraft-Tretens im Kommunalabgaben- sowie Zweckverbandsrecht geben mir Anlass zu den nachstehenden Erläuterungen, Hinweisen und Empfehlungen :

Inhaltsübersicht

I. Grundsätze

1. Verfassungsrechtliche Grundlagen

2. Abgrenzungskriterien des Bundesverfassungsgerichtes

II. Anwendungsfälle

1. Generelle Rückwirkungsmöglichkeiten bei Satzungen
1.1 Hauptsatzungen
1.1.1 Fehlerhafte Ausfertigung / Bekanntmachung
1.1.2 Fehlerhafte Bekanntmachungsregelungen
1.1.3 Weitere fehlerhafte Regelungen in der Hauptsatzung
1.2 Verbandssatzungen
1.2.1 Gründungssatzung
1.2.2 Konstitutive Änderungen der Verbandssatzung
1.2.3 Deklaratorische Änderungen der Verbandssatzung
1.3. Abgabenrechtliche Satzungen
1.3.1 Grundsätze
1.3.2 Kommunale Aufwand- u. Verbrauchsteuern nach § 3 KAG
1.3.3 Verwaltungs- und Benutzungsgebühren
1.3.4 Straßenausbaubeiträge nach § 8 KAG
1.3.5 Anschlussbeiträge der Wasserver- und Abwasserentsorgung
1.3.6 Festsetzungsverjährung
1.4. Haushaltssatzungen
1.4.1 Beschlussfassung
1.4.2 In-Kraft-Tretens-Regelung
1.4.3 Bekanntmachung
1.4.4 Erneute Beschlussfassung
1.5. Eigenbetriebssatzungen
1.5.1 Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften
1.5.2 Folgen einer unwirksamen/nichtigen Hauptsatzung
1.5.3 Rückwirkung in anderen Fällen
1.6. Satzungen zur Bildung/Benutzung öffentlicher Einrichtungen

2. Rückwirkende Satzungen bei Gemeindezusammenschlüssen

3. Fehlerquellen beim Erlass rückwirkender Satzungen
3.1 Verfahren des rückwirkenden Satzungserlasses
3.2 Rückwirkende In-Kraft-Tretens-Regelung in der Satzung
3.3 Ersatz nichtiger Satzungen
3.4 Beachtung des Schlechterstellungsverbotes
3.5 Aufheben der bisherigen Satzung

I.
Grundsätze

1. Verfassungsrechtliche Grundlagen

Grundsätzlich verstößt ein rückwirkendes Inkraftsetzen von Satzungen gegen das Rechts­staatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) und das darin verankerte Vertrauensschutz­prinzip. Dieses verlangt, dass es dem Bürger möglich ist, sein Verhalten an den Anforderungen der Rechts­ordnung auszurichten, was wiederum voraussetzt, dass die Vorschriften, deren Beachtung man verlangt, zuvor auch erlassen und bekanntgegeben worden sind. Vertrauensschutz verbietet eine nachträgliche Änderung der Rechtslage zu Lasten des Bürgers. Eine Rück­wirkung kann daher nur in solchen Fallkonstellationen in Betracht kommen, in denen Vertrauensschutz nicht besteht oder in denen das Vertrauen aus anderen Gründen nicht schutzwürdig ist.

Satzungen können daher ausnahmsweise, wenn dadurch nicht gegen die Anforderungen des Rechtsstaatsprinzips verstoßen wird, auch rückwirkend in Kraft gesetzt werden.

2. Abgrenzungskriterien des Bundesverfassungsgerichts

In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass Satzungen mit rückwirkender Kraft unter den gleichen Voraussetzungen erlassen werden können, unter denen auch rückwirkende Gesetze des Staates zulässig sind (OVG Münster, Urteil vom 8. Okt. 1969, II A 217/67, DVBl. 1970, 430 [431]). Diese Voraussetzungen sind durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungs­gerichts insbesondere durch den Beschluss des Zweiten Senats vom 23. März 1971, 2 BvL 2/66, 2 BvR 168, 196, 197, 210, 472/66 (BVerfGE 30, 367) herausgearbeitet worden.

Das Bundesverfassungsgericht hat zunächst eine Unterscheidung von echter (retroaktiver) Rückwirkung und unechter (retrospektiver) Rückwirkung getroffen (BVerfGE 30, 367[386]):

„Echte (retroaktive) Rückwirkung in diesem Sinne liegt vor, wenn das Gesetz nachträglich ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift; dies steht im Gegensatz zur Einwirkung auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen (sogenannte unechte, retrospektive Rückwirkung).“

Unechte Rückwirkung ist in der Regel zulässig, echte hingegen grundsätzlich nicht. Nur beim Vorliegen besonderer Umstände ist eine echte Rückwirkung ausnahmsweise zulässig (BVerfGE 30, 367 [387 ff.]):

Fallgruppe 1: „Ein Schutz des Vertrauens ist dann nicht gefordert, wenn in dem Zeitpunkt, auf den der Eintritt der Rechtsfolge vom Gesetz zurückbezogen wird, mit einer solchen Regelung zu rechnen war.“
Fallgruppe 2:

 
„Auf das geltende Recht kann sich der Bürger auch dann nicht verlassen, wenn die Rechtslage unklar und verworren oder lückenhaft ist (...) oder in einem Maße systemwidrig und unbillig, dass ernsthafte Zweifel an deren Verfassungsmäßigkeit bestehen (...). In diesen Fällen fordert das Rechtsstaatsprinzip selbst, dass die Rechtssicherheit und Gerechtigkeit durch eine klärende Regelung rückwirkend hergestellt wird.“
Fallgruppe 3: „Das Vertrauen der Betroffenen auf die geltende Rechtslage bedürfte auch dann nicht des Schutzes gegenüber sachlich begründeten rückwirkenden Gesetzesänderungen, wenn dadurch kein oder nur ganz unerheblicher Schaden verursacht worden wäre.“
Fallgruppe 4: „Darüber hinaus können zwingende Gründe des allgemeinen Wohls, die dem Gebot der Rechtssicherheit übergeordnet sind, eine Rückwirkung rechtfertigen.“

Daneben sind weitere Fallgruppen anerkannt worden, zumeist einschlägig sind allerdings die vorstehend genannten. Vor allem die Fallgruppen 1 und 2 haben in der kommunalrechtlichen Praxis erhebliche Bedeutung erlangt.

Unechte Rückwirkung hingegen ist grundsätzlich zulässig, es sei denn, der Vertrauensschutz der betroffenen Bürger hat stärkeres Gewicht als das gesetzgeberische Anliegen.

Demgegenüber legt der 2. Senat anstelle der vorgenannten Terminologie des 1. Senats das Begriffspaar zeitliche Rückbewirkung von Rechtsnormen und tatbestandliche Rückanknüpfung von Rechtsnormen zugrunde. Im Rahmen des vorliegenden Erlasses kann darauf nicht weiter eingegangen werden; großenteils sollen diese Differenzierungen deckungsgleich sein und zu gleichen Ergebnissen führen. Verwiesen sei daher u.A. auf die nachfolgenden Darstel­lungen: Jarass/Pieroth, GG, Art. 20 RdNr. 47; Stüsser, Die Rückwirkung in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, Jura 1999, 545.

II.
Anwendungsfälle

1. Generelle Rückwirkungsmöglichkeiten bei Satzungen

Von den im Abschnitt I genannten Grundsätzen, unter denen das rückwirkende Inkraftsetzen von Satzungen zulässig ist, haben rein tatsächlich zumeist nur die Fallgruppe 1 (Bürger musste mit einer solchen Regelung im Zeitpunkt der Rückwirkung rechnen) und Fallgruppe 2 (unklare, verworrene oder lückenhafte Rechtslage) praktische Bedeutung erlangt. Daher soll im Folgen­den nur auf diese Punkte eingegangen werden.

Satzungen können allgemein unter folgenden Voraussetzungen rückwirkend in Kraft gesetzt werden :

  1. Die zu erlassende Satzung dient dem rückwirkenden Ersatz einer gerichtlich für nichtig/unwirksam erklärten Satzung oder einer Satzung, deren Beschluss durch die Kommunalaufsichtsbehörde aufgehobenen bzw. beanstandet worden ist. Da eine (wenn auch unwirksame) Satzung vorlag und der Bürger insoweit die Absicht der Körperschaft, die in Rede stehenden Regelungen zu erlassen, kannte, kann er sich nicht auf Vertrauensschutz berufen.
  2. Die zu erlassende Satzung dient dem Ersatz einer Satzung, welche die betroffene Kommune selbst nach nochmaliger Prüfung (z. B. anhand kommunalaufsichtlicher Hinweise, Rechtsprechung u. Ä.) aufgrund materieller oder formeller Mängel für unwirksam hält.
    Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass nicht jeder materielle Fehler einer Satzung zu deren Gesamtnichtigkeit führt. Leidet eine kommunale Satzung an einem materiellen Fehler, weil eine Einzelvorschrift dieser Satzung unwirksam ist, so hängt die Beantwortung der Frage, welche Auswirkungen dieser Mangel für die Gesamtwirksamkeit der Satzung hat, im Übrigen von der Bedeutung der fehlerhaften Satzungsbestimmung ab. Handelt es sich bei dieser Bestimmung nicht um eine unbedingt erforderliche (weil vom einschlägigen Landesrecht nicht zwingend geforderte) Vorschrift, so schlägt deren Fehlerhaftigkeit nicht auf die Wirksamkeit der Satzung durch. In solchen Fällen bleibt nach der einhelligen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung die Wirksamkeit der Satzung in analoger Anwendung des Rechtsgedankens aus § 139 BGB unberührt, soweit angenommen werden kann, der Satzungsgeber hätte die Satzung auch ohne die fehlerhafte Bestimmung erlassen.

Darüber hinaus ist bei den einzelnen Satzungsarten Folgendes zu beachten :

1.1 Hauptsatzungen

Das Vorhandensein einer wirksamen Hauptsatzung ist nach ständiger verwaltungs­gerichtlicher Rechtsprechung aller Bundesländer Grundvoraussetzung für den rechts­wirksamen Erlass jeglichen weiteren Ortsrechts (Satzungen, ordnungsbehördliche Verordnungen, etc.), da die Hauptsatzung die Form der Bekanntmachung von Ortsrecht und die Form der Bekanntmachung von Zeit, Ort und Tagesordnung der nächsten Gemeindevertretungssitzung regelt. Ist die Hauptsatzung insgesamt unwirksam/nichtig, so ist auch das gesamte auf ihrer Basis erlassene weitere Ortsrecht nichtig, da es - in Ermangelung einer wirksamen Bekanntmachungsregelung - nicht wirksam in Kraft gesetzt werden konnte.

Grundsätzlich ist es in diesen Fällen zunächst zwar ausreichend, die nichtige Hauptsat­zung nochmals neu für die Zukunft zu erlassen. Die fehlerhafte Bekanntmachung der auf Grundlage der nichtigen Hauptsatzung vormals erlassenen weiteren Satzungen wird dadurch jedoch nicht geheilt, so dass all diese Satzungen durch nochmalige Bekannt­machung neu in Kraft gesetzt werden müssen. In den Fällen, in denen eine solche Neuschaffung einer Satzung nicht ausreichend ist, sondern es vielmehr einer rückwirkenden Satzung bedarf (z. B. bei noch nicht bestandskräftigen Bescheiden etc.), muss die gesamte Satzung zuvor nochmals (mit geänderter In-Kraft-Tretens-Vorschrift) neu durch die Gemeindevertretung beschlossen, neu ausgefertigt und neu bekanntgemacht werden.

Dieser teilweise sehr erhebliche Aufwand des Neuerlasses der Satzungen kann nur umgangen werden, wenn und soweit der rückwirkende Ersatz der nichtigen Hauptsatzung zulässig ist. Bei der Klärung dieser Zulässigkeitsfrage sind folgende Fallgruppen zu unterscheiden.

1.1.1 Fehlerhafte Ausfertigung/Bekanntmachung

Ist die Hauptsatzung selbst fehlerhaft ausgefertigt bzw. fehlerhaft bekanntgemacht worden, so ist sie und das auf ihrer Grundlage erlassene Ortsrecht insgesamt nichtig. Dieser Verfahrensfehler ist gemäß § 5 Abs. 4 GO auch nicht heilbar.

Um den eingangs skizzierten Aufwand für die Neubekanntmachung des auf Basis der nichtigen Hauptsatzung erlassenen (möglicherweise sehr umfänglichen) Ortsrechtes zu umgehen, wird es in diesem Fall als zulässig angesehen, eine inhaltsgleiche Hauptsatzung mit Rückwirkung zu beschließen und in Kraft zu setzen. Das OVG Münster (U. v. 30.6.1975 - 3 K 519/72 - OVGE 31, 141) hat eine solche rückwirkende Heilung der Hauptsatzung ohne nähere Begründung zugelassen. Gründe der Rechtssicherheit dürften auch nach hiesiger Rechtsauffassung in diesem Fall den Vorrang vor dem Vertrauensschutz des Bürgers haben, da sich dieser naturgemäß ohnehin auf den inhaltlichen Bestand der Hauptsatzung beziehen wird und weniger auf das Rechtsetzungsverfahren. Das BVerfG (BVerfGE 22, 330, 348) hat im Übrigen ausgeführt, dass ein Vertrauen auf die wirkliche Rechtslage, also auf die Ungültigkeit der fraglichen Norm, schon durch den Rechtsschein der Gültigkeit, den die noch nicht ausdrücklich aufgehobene Norm erzeugt, ausgeschlossen werde. Dies gelte insbesondere, wenn der angegriffenen Regelung lediglich Bedenken formeller Art entgegen stünden, weshalb der Gesetzgeber nicht gehindert sein könne, den formellen Fehler zu berücksichtigen und die in ihrer Gültigkeit umstrittene Bestimmung rückwirkend durch eine gültige Norm gleichen Inhalts zu ersetzen.

1.1.2 Fehlerhafte Bekanntmachungsregelungen

Sind die Regelungen der Hauptsatzung über die Form der Bekanntmachung von Satzungen (§ 5 GO) und/oder die Regelung über die Form der Bekanntmachung von Zeit, Ort und Tagesordnung der nächsten Gemeindevertretungssitzung (§ 42 GO) unwirksam, so schlägt diese Unwirksamkeit ebenfalls auf die gesamte Hauptsatzung und die Be­kanntmachung des auf Grundlage dieser Hauptsatzung erlassenen weiteren Ortsrechtes durch. Ein rückwirkender Erlass einer neuen (geänderten) Hauptsatzung mit nunmehr rechtswirksamen Bekanntmachungsregelungen verstößt in diesen Fällen als echte Rückwirkung regelmäßig gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes, da der Bürger mit einer solchen Änderung zum Zeitpunkt der Rückwirkung nicht rechnen konnte. Die rückwirkende Änderung der Bekanntmachungsregelung ist insoweit unzulässig.

Leidet die Hauptsatzung an einem der genannten Fehler, so kann nur eine neue Hauptsatzung mit Wirkung für die Zukunft erlassen werden. Die erstmalige öffentliche Bekanntmachung einer Wirksamkeit beanspruchenden Hauptsatzung erfolgt in der Form, die sie selbst in ihrer Veröffentlichungsnorm festlegt (vgl. i. E. OVG Brandenburg, B. v. 28.6.2000 - 2 A 45/00 - VwRR-MO 2000, 332).

Bestehen im Übrigen rechtliche Zweifel daran, ob die getroffenen Bekanntmachungsregelungen der alten Hauptsatzung (und damit die Satzung selbst) unwirksam waren, so wird empfohlen, die Neufassung der Hauptsatzung vorsorglich nach den bisher geltenden Bekanntmachungsregeln der alten Hauptsatzung und nach den Bekanntmachungsregeln der neu zu erlassenden Hauptsatzung öffentlich bekanntzumachen (vgl. VG Frankfurt (Oder), B. vom 10.Mai 2001 - 5 L 26/01 -).

1.1.3 Weitere fehlerhafte Regelungen in der Hauptsatzung

Materiell dürften nur die in 1.1.2 genannten Mängel zur Gesamtnichtigkeit einer Hauptsatzung führen. Zwar sieht das Gesetz eine Reihe weiterer pflichtiger Inhalte für die Hauptsatzung vor und diese kann darüber hinaus auch weiter fakultative Regelungen enthalten (vgl. hierzu Runderlass in kommunalen Angelegenheiten Nr. 6/1999 vom 1.6.1999). Diese Satzungsvorschriften regeln - entsprechend der rechtlichen Einordnung der Hauptsatzung als internes Organisationsrecht - allerdings hauptsächlich Verfahrens­vorschriften und interne Mitwirkungsbefugnisse. Eine Belastung von Bürgern durch solche Vorschriften scheidet mangels Außenwirkung ­deshalb aus (OVG Weimar, Urteil vom 03.02.1999 - 4 N 547/98 -, ThürVbl. 1999, 212). Insofern besteht rechtlich keine Notwendigkeit, solche Verfahrens- und internen Mitwirkungsregelungen rückwirkend zu heilen. Um jedoch im Einzelfall zu vermeiden, dass dennoch von einem Verwaltungsgericht die Gesamtnichtigkeit der Hauptsatzung festgestellt wird, sollten Fehlerkorrektu­ren an einer Hauptsatzung grundsätzlich in Form einer Neufassung für die Zukunft in Volltext und nicht in Form einer Änderungssatzung vorgenommen werden.

1.2 Verbandssatzungen

Es ist zu differenzieren zwischen der Gründungssatzung (1.2.1), den konstitutiven Änderungen der Verbandssatzung (1.2.2) sowie den deklaratorischen Änderungen der Verbandssatzung (1.2.3).

1.2.1 Gründungssatzung

Die Gründungssatzung ist die zur Bildung des Zweckverbandes vereinbarte Verbandssatzung (§ 9 Abs. 1 Satz 1 GKG). Ihre Bekanntmachung führt zur Entstehung des Zweckverbandes als Körperschaft des öffentlichen Rechts und zum Aufgabenübergang von den Verbandsmitgliedern auf den Zweckverband (§§ 11 Abs. 2 Satz 1, 5 Abs. 1 Satz 1 und 6 Abs. 1 Satz 1 GKG).

Ein rückwirkendes Entstehen des Zweckverbandes ist ausgeschlossen. Dies stellen der Wortlaut des § 11 Abs. 1 Satz 1 GKG („Der Zweckverband entsteht am Tage nach der öffentlichen Bekanntmachung ... soweit nicht ... ein späterer Zeitpunkt bestimmt ist“) sowie die Begründung zum GKG 1991 („Eine rückwirkende Inkraftsetzung des Verbandssatzung und der Genehmigung ist nach dem Gesetz nicht zulässig“) klar.

Fehlt es an einer wirksamen Gründungssatzung scheidet somit ihr rückwirkender Erlass ebenso wie die rückwirkende Änderung einzelner Bestimmungen, die gegen den sog. Pflichtinhalt (§ 9 Abs. 2 GKG) verstoßen, aus. In diesen Fällen bedarf es - soweit nicht § 11 Abs. 2 Satz 2 GKG eingreift - einer neuen Gründung des Zweckverbandes unter Einhaltung sämtlicher Voraussetzungen nach den §§ 9 bis 11 GKG.

Gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 GKG stellen Gründungsfehler, wie beispielsweise Verstöße gegen den Pflichtinhalt der Verbandssatzung, das Entstehen des Zweckverbandes nicht in Frage, soweit eine ordnungsgemäße Bekanntmachung gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 GKG erfolgt ist. Dies gilt allerdings nur für die nach dem 8. Juli 1998, dem In-Kraft-Treten des § 11 Abs. 2 Satz 2 GKG, entstandenen Zweckverbände. Die Verbandssatzung bedarf in solchen Fällen lediglich einer Änderung mit Wirkung für die Zukunft. Für die Wasserver- und Abwasserentsorgungsverbände wurde die rückwirkende Heilung von Verstößen gegen den Pflichtinhalt der Gründungssatzung durch das Stabilisierungsgesetz bewirkt.

1.2.2 Konstitutive Änderungen der Verbandssatzung

Für die von der Verbandsversammlung gemäß § 20 GKG zu beschließenden Änderungen der Verbandssatzung gelten die Bestimmungen des § 11 GKG entsprechend (§ 20 Abs. 6 GKG). Auch diese Änderungen können daher grundsätzlich erst nach ihrer Bekanntmachung durch die Aufsichtsbehörde Wirksamkeit erlangen. Darunter fallen sämtliche auf den Status des Zweckverbandes als Körperschaft des öffentlichen Rechts sowie seinen Aufgabenbestand gerichtete Änderungen der Verbandssatzung. Seit dem 13. April 1999, der Aufhebung des § 20 Abs. 4 Satz 2 GKG a. F., gilt dies auch für den Beitritt und das Ausscheiden von Verbandsmitgliedern. Ferner ist eine rückwirkende Änderung von Namen und Sitz des Zweckverbandes sowie der Form seiner öffentlichen Bekanntmachungen nicht zulässig.

Ausnahmen von dem Rückwirkungsverbot kommen nur für Änderungen der Verbandssatzung in Betracht, die allein interne Wirkung haben, also nur den Zweckverband und seine Mitglieder berühren, und einstimmig beschlossen werden. Hierzu zählen u. a. Änderungen zur Zusammensetzung und zu den Zuständigkeiten der Verbandsorgane. In diesen Fällen kann sich ein der Änderung entgegenstehendes schutzwürdiges Vertrauen Dritter nicht gebildet haben, so dass die „entsprechende“ Heranziehung des Rückwirkungsverbots des §11 Abs. 2 Satz 1 GKG nicht sachgerecht wäre.

1.2.3 Deklaratorische Änderungen der Verbandssatzung

Änderungen der Verbandssatzung, die durch den Wegfall von Verbandsmitgliedern bedingt sind (§ 21 Abs. 1 GKG) sowie ihre öffentliche Bekanntmachung (§ 21 Abs. 4 GKG) haben lediglich deklaratorische Wirkung. Die Änderung im Mitgliederbestand tritt hier kraft Gesetzes unmittelbar durch das Wirksamwerden der Gebietsänderung, die einer eigenen öffentlichen Bekanntmachung bedarf, ein.

In diesen Fällen ist die Änderung der Verbandssatzung rückwirkend - jeweils bezogen auf den Zeitpunkt der eingetretenen Gebietsänderung - in Kraft zu setzen, um die Übereinstimmung der Verbandssatzung mit der anderweitig geänderten Rechtslage zu gewährleisten. § 21 Abs. 4 GKG verweist dementsprechend allein auf den Absatz 1 des § 11 GKG.

Die Auflösung des Zweckverbandes gemäß § 20a Abs. 2 Satz 1 GKG stellt ebenfalls eine Änderung durch außerhalb des Verbandes liegende Ereignisse dar. Eine Änderung der Verbandssatzung kommt hier allerdings nicht in Betracht, da der Zweckverband bereits kraft Gesetzes als aufgelöst gilt und daher keine Satzungen mehr erlassen kann. Es obliegt der Aufsichtsbehörde, in ihrem Veröffentlichungsblatt auf die eingetretenen Rechtsfolgen sowie den Zeitpunkt ihres Wirksamwerdens hinzuweisen (§ 20a Abs. 2 Satz 3 GKG).

1.3 Abgabenrechtliche Satzungen

Die unter Abschnitt I und Abschnitt II Nr. 1 lit. a) und b) genannten Voraussetzungen für ein rückwirkendes Inkraftsetzen finden im Kommunalabgabenrecht analog Anwendung. Darüber hinaus bestehen die folgenden Besonderheiten :

1.3.1 Grundsätze

Die Erhebung einer Kommunalabgabe bedingt im Regelfall eine Satzung, die zum Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Abgabenpflicht wirksam ist (zu Ausnahmen im Beitragsrecht nach § 8 KAG vgl. Abschnitt II-1.3.3 und II-1.3.4). Lag eine solche Satzung vor Entstehen der sachlichen Abgabenpflicht nicht vor und soll bzw. muss die Abgabe trotzdem auch für den vergangenen Zeitraum erhoben werden, so ist zu prüfen, inwieweit der Erlass einer rückwirkenden Satzung möglich ist. Ein rückwirkender Satzungserlass ist dabei in Anwendung der eingangs (Abschnitt I) genannten Rechtsgrundsätze nur möglich, wenn der Bürger zu dem Zeitpunkt, auf den die Satzung rückwirken soll, mit der Erhebung dieser Abgabe rechnen musste. Diese Voraussetzung ist gegeben, wenn :

  1. zuvor eine entsprechende Abgabensatzung bestand, die im Nachhinein gerichtlich für nichtig erklärt, kommunalaufsichtlich aufgehoben oder von der Kommune selbst als unwirksam oder zu unbestimmt/lückenhaft erkannt wurde und die nunmehr nur rückwirkend ersetzt werden soll;
  2. zum Zeitpunkt, auf den die Satzung zurückwirken soll, der Erhebungswille der Kommune durch eine hinreichende öffentliche Diskussion im kommunalpolitischen Bereich bekannt war (vgl. z. B. OVG Magdeburg, U. v. 18.3.1998 - A 2 S 317/96). Dies wäre z. B. der Fall, wenn die Gemeindevertretung in öffentlicher Sitzung in der Vergangenheit beschlossen hatte, dass eine solche Abgabe erhoben werden soll. Auch eine damalige Bekanntmachung der Erhebungsabsicht im amtlichen Verkündungsblatt der Kommune könnte diesen Zweck erfüllen.
  3. das Gesetz vorschreibt, dass die Abgabe pflichtig zu erheben ist, so dass der Bürger nicht davon ausgehen konnte, von einer solchen Abgabe befreit zu bleiben. Dies ist u. a. bei Gewässerunterhaltungsgebühren nach § 7 KAG, Erschließungsbeiträgen nach § 127 ff. BauGB, Gebühren für die vorläufige Unterbringung in Übergangseinrichtungen nach § 5 LAufnG, Rettungsdienstgebühren nach § 10 BbgRettG und grundsätzlich auch bei Straßenausbaubeiträgen nach § 8 KAG der Fall. Hier korrespondiert mit der Erhebungspflicht auch die Pflicht zum Erlass einer entsprechenden Abgabensatzung. Die jeweils betroffene Körperschaft ist also nicht nur zum Erlass einer ggf. rückwirkenden Satzung berechtigt, sondern vielmehr verpflichtet. Eine Ausnahme hiervon bilden die Erschließungsbeiträge nach BauGB, da bei diesen die sachliche Beitragspflicht nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgericht erst mit In-KraftTreten einer wirksamen Beitragssatzung entsteht. Insoweit bedarf es einer rückwirkenden Erschließungsbeitragssatzung nur in den Fällen, in denen sich die bisherige Satzung als unwirksam erwiesen hat und bereits ausgereichte Beitragsbescheide geheilt werden sollen.

Für die rückwirkende Änderung von rechtswidrigen Einzelvorschriften einer im übrigen aber wirksamen Abgabensatzung gelten die vorstehenden Ausführungen entsprechend. Insoweit ist hier zu prüfen, inwieweit der Bürger mit der für ihn belastenden Änderung der einzelnen zu ändernden Regelungen in der Satzung zum Zeitpunkt, auf den die Rückwirkung zielen soll, rechnen musste (vgl. auch II.3.4 - Schlechterstellungsverbot).

1.3.2 Kommunale Aufwand- und Verbrauchsteuern nach § 3 KAG

Nach §§ 1,3 KAG sind die Gemeinden und Gemeindeverbände befugt, Steuern zu erheben. Definition und Zweck der Steuer engen die Möglichkeiten der Rückwirkung im Vergleich zu leistungs- bzw. aufwandsorientierten Abgaben (z. B. Gebühren, Beiträge) ein. Unter Steuern sind nach § 3 AO 1977 Geldleistungen zu verstehen, die keine Gegenleistung für eine besondere Leistung der Kommune darstellen, sondern die allein zum Zwecke der Erzielung von allgemeinen Einnahmen einem bestimmten Kreis von Personen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand erfüllt ist, an den die Steuerpflicht anknüpft. Das gemeindliche Steuerfindungsrecht nach KAG beschränkt sich gemäß Art. 105 Abs. 2a GG auf diejenigen Aufwand- und Verbrauchsteuern, die nicht mit bundesrechtlich geregelten Steuern gleichartig sind. Praktische Bedeutung haben bislang in Brandenburg nur die Aufwandsteuern erlangt. Mit einer Aufwandsteuer wird die besondere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit einer natürlichen Person besteuert, welche durch eine über das übliche Maß hinausgehende Einkommensverwendung für den persönlichen Lebensbedarf (z. B. für das Vorhalten einer zweiten Wohnung neben der Hauptwohnung, für das Halten eines Hundes oder für das Ausüben der Jagd) gekennzeichnet ist.

Soweit Steuerbescheide, die wegen einer nichtigen Steuersatzung rechtswidrig sind, durch eine neue Satzung rückwirkend geheilt werden sollen, so ist dies nur durch eine rückwirkende Satzung, nicht aber durch eine rückwirkende Genehmigung einer Satzung möglich. Eine Satzungsgenehmigung ist ein stets allein auf die Zukunft gerichteter Rechtsakt (§ 122 Abs. 1 GO), der nicht mit Rückwirkung versehen werden kann.

Ob der Steuersatzung Rückwirkung beigemessen werden kann, richtet sich im Übrigen nach den im Abschnitt I und Abschnitt II.1 dargelegten Grundsätzen. Aus der eingangs skizzierten rechtlichen Definition von Steuern und insbesondere der Gegenleistungsfreiheit folgt allerdings, dass eine rückwirkende Erhöhung des Steuersatzes anlässlich des rückwirkenden Ersatzes der Steuersatzung im Regelfall unzulässig sein wird.

Hiervon grundsätzlich zu unterscheiden ist die Frage, ob eine mit Wirkung für die Zukunft erlassene Steuersatzung auch auf diejenigen steuerlichen Tatbestände erstreckt werden darf, die bereits vor In-Kraft-Treten dieser Satzung erfüllt waren.

In der kommunalen Praxis wird dies insbesondere beim erstmaligen Erlass einer Zweitwohnungsteuersatzung (für diejenigen Zweitwohnungen, die jemand bereits vor dem In-Kraft-Treten der Satzung innehat) und bei der erstmaligen Regelungen zur Höherbesteuerung gefährlicher Hunde (für die bereits vor In-Kraft-Treten der Satzung gehaltenen Hunde) von Bedeutung sein. Nach einer Entscheidung des BVerwG (U. v. 19.1.2000 - 11 C 8.99) ist eine solche Erstreckung des Geltungsbereiches der Satzung auf bereits vormals gehaltene Hunde zulässig. Die Haltung eines Hundes ist nach Auffassung des Gerichtes ein noch nicht abgeschlossener Sachverhalt, so dass ein Erstrecken der Steuerpflicht auf diese Hunde keine echte, sondern vielmehr eine unechte Rückwirkung darstellt, deren Zulässigkeit erheblich geringeren Schranken unterworfen ist, als die echte Rückwirkung (vgl. Abschnitt I). Dies gilt im Ergebnis für das Innehaben von Zweitwohnungen analog. Soweit die Erstreckung der entsprechenden Steuersatzung auf bereits gehaltene Hunde bzw. bereits inne gehabte Zweitwohnungen zu unbilligen Härten für den Steuerpflichtigen führt, kann die steuererhebende Kommune dem im Einzelfall bei der Steuererhebung durch Billigkeitsmaßnahmen (z. B. Stundung, Teilerlass) begegnen.

1.3.3 Verwaltungs - und Benutzungsgebühren

Die oben dargelegten Grundsätze für die Prüfung der Zulässigkeit einer Rückwirkung finden auch hinsichtlich des In-Kraft-Tretens von Verwaltungs- und Benutzungsgebührensatzungen Anwendung. Daraus ist abzuleiten, dass das Verfassungsrecht auch einer Rückwirkung einer Verwaltungs- oder Benutzungsgebührensatzung nicht generell entgegensteht, weil das Vertrauen des Bürgers auf die Gebührenfreiheit der Inanspruchnahme der Verwaltungsleistung oder der Benutzung einer öffentlichen Einrichtung oder Anlage (z.B. Abwasserbeseitigungsanlage) nicht schützenswert ist (vgl. auch OVG Magdeburg, U. v. 31.3.2000 - 1 K 12/00, LKV 2001, 41).

Bei der Änderung einer Gebührensatzung, nach der die Gebührenschuld bereits am Anfang der Rechnungsperiode entstanden ist (antizipierte Gebührenerhebung), ist eine Besonderheit zu beachten. In diesem Fall ist eine rückwirkende Satzungsänderung auch dann erforderlich, wenn eine damit im Einzelfall verbundene Änderung des Gebührensatzes erst nach Bekanntgabe der Änderungssatzung für den Rest der Rechnungsperiode wirksam werden kann. Die Gebührenschuld ist nämlich als Gebühr für das gesamte Jahr und in voller Höhe bereits zu Beginn des Jahres entstanden, der Tatbestand also bereits abgeschlossen. Eine solche Änderung des Gebührensatzes kann jedoch nur aus zwingenden Gründen des allgemeinen Wohls erforderlich sein.

Das OVG Münster hat hierzu in seinem in einer Entscheidung (U.v. 03.06.1996 ‑ 9 A 2473/93 - NVwZ-RR 1997, 653) unterstrichen, dass Kostensteigerungen grundsätzlich nicht als zwingende Gründe des allgemeinen Wohls, die [...] eine Rückwirkung rechtfertigen könnten, in Betracht kommen.

Entscheidet sich der Satzungsgeber für das System der "antizipierten Gebührenerhebung" auf der Grundlage der Jahresgebühr und tritt dann tatsächlich eine unerwartete Kostensteigerung ein, ist dies nicht unvorhersehbare Folge eines nach dem Gesetz zwingend vorgegebenen Gebührenerhebungssystems, sondern unmittelbare Konsequenz der in Kenntnis des Prognoserisikos getroffenen Entscheidung des Satzungsgebers. Nach dieser Rechtsprechung scheidet somit bei antizipierter Gebührenerhebung eine rückwirkende Änderung des Gebührensatzes während und nach Ablauf der Rechnungsperiode aus.

1.3.4 Straßenausbaubeiträge nach § 8 KAG

  1. Nach § 8 Abs. 7 Satz 1 KAG entsteht die sachliche Beitragspflicht mit der endgültigen Herstellung der Einrichtung. Als endgültig hergestellt gilt die Einrichtung im Straßenausbaubeitragsrecht nach der Rechtsprechung, wenn die Abnahme nach VOB stattgefunden hat. Nicht maßgebend ist indes der Zeitpunkt, indem die letzte Unternehmerrechnung vorliegt (vgl. insoweit OVG Brandenburg, U. v. 23.3.2000 - 2 A 226/98). Zum Zeitpunkt der endgültigen Herstellung muss eine wirksame Straßenausbau-beitragssatzung vorliegen, um den Beitrag erheben zu können. Lag diese - aus welchen Gründen auch immer - bislang nicht oder nicht wirksam vor, so kann die Kommune für die bereits abgeschlossenen Straßenausbaumaßnahmen keine Beiträge erheben. Da sie zu deren Erhebung nach § 8 Abs. 1 Satz 2 KAG aber grundsätzlich verpflichtet ist, muss sie eine entsprechende Satzung rückwirkend in Kraft setzen (vgl. insoweit die Rundschreiben vom 16.12.1997 [GeschZ.: II/4‑3038‑132/97] und vom 18.03.1998 [GeschZ.: II/4‑3038‑132_1/97]). Insoweit ist allerdings die vierjährige Festsetzungsverjährungspflicht zu beachten (vgl. hierzu Abschnitt I-1.3.6).
  2. Wird die Straßenausbaubeitragssatzung erst nach Abschluss der jeweiligen Ausbaumaßnahme (rückwirkend) beschlossen und ist der beitragsfähige Gesamtaufwand (z. B. durch Zugang der letzten Unternehmerrechnung) bereits ermittelbar, so ist für die Anwendung der Ausnahmevorschrift des § 8 Abs. 4 Satz 9 KAG kein Raum mehr. Dies hat zur Folge, dass es nicht ausreicht, eine solche Beitragssatzung mit den sonst üblichen Beitragsverteilungsprozentsätzen in Kraft zu setzen.

    Vielmehr muss die rückwirkende Straßenausbaubeitragssatzung anstelle der Prozentsätze die konkreten Beitragssätze der bereits abgeschlossenen Ausbaumaßnahmen in DM/m² enthalten (vgl. OVG Brandenburg, U. v. 23.3.2000 - a. a. O. und U. v. 14.7.2000 - 2 D 27/00.NE - MittStGB Bbg. 2000, 428). Wird dies nicht beachtet, so ist die rückwirkende Beitragssatzung bezüglich der bereits abgeschlossenen Maßnahmen wegen Verstoßes gegen die Mindestinhaltsregelung des § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG nichtig.

1.3.5 Anschlussbeiträge der Wasserver- und Abwasserentsorgung

  1. Die sachliche Beitragspflicht im Anschlussbeitragsrecht entsteht mit dem Zeitpunkt, mit dem das Grundstück an die öffentliche Einrichtung angeschlossen werden kann, frühestens jedoch mit In-Kraft-Treten der Beitragssatzung; die Satzung kann einen späteren Zeitpunkt bestimmen (§ 8 Abs. 7 Satz 2 KAG).

    Bestand eine Anschlussbeitragssatzung bislang nicht, sind aber in der Vergangenheit gleichwohl Grundstücke an die öffentliche Einrichtung anschließbar bzw. angeschlossen worden, für die nunmehr Beiträge erhoben werden sollen, bedarf es aufgrund der Regelung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG keiner rückwirkenden Satzung.

    Die sachliche Beitragspflicht für die bereits in der Vergangenheit anschließbar gewordenen bzw. angeschlossenen Grundstücke entsteht dann erst mit In-Kraft-Treten dieser erstmaligen Beitragssatzung. Die Festsetzungsverjährungsfrist beginnt in diesen Fällen auch erst mit Ablauf des Kalenderjahres (31.12., 24 Uhr), in dem die Satzung in Kraft getreten ist.

    Anders ist der Fall jedoch zu betrachten, wenn eine nichtige/unwirksame Anschlussbeitragssatzung durch eine neue Satzung ersetzt werden soll, um Beiträge erstmals zu erheben oder bereits ausgereichte rechtswidrige Beitragsbescheide zu heilen. Aufgrund einer Entscheidung des OVG Brandenburg (U.v. 8.6.2000 - 2 D 29/98.NE - MittStGB Bbg. 2000, 364 = VwRR-MO 2000, 410) muss die neue Beitragssatzung in diesem Fall rückwirkend zu dem Zeitpunkt in Kraft gesetzt werden, zu dem die betroffene Körperschaft erstmals eine Beitragssatzung in Kraft setzen wollte. Hatte die damalige Satzung einen späteren Zeitpunkt für das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht geregelt, so muss die neue Satzung auf diesen Zeitpunkt zurückwirken. Dieses Rückwirkungsgebot gilt selbst dann, wenn die damals erlassene Beitragssatzung aus formellen und/oder materiellen Gründen insgesamt nichtig war niemals Rechtswirkung entfaltet hat.

    Nur wenn die Körperschaft in diesen Fällen der neuen Anschlussbeitragssatzung eine entsprechende Rückwirkung beimisst, wird eine Beitragspflicht für die bereits vormals an die Einrichtung anschließbaren bzw. angeschlossenen Grundstücke erreicht. Der Zeitpunkt der Rückwirkung ist auch für den Beginn der Frist für die Festsetzungsverjährung maßgeblich.
  1. Der verfassungsrechtliche Grundsatz des Vertrauensschutzes hindert den Ortsgesetzgeber nicht, eine wegen eines Fehlers im Beitragsmaßstab unwirksame Satzung durch eine neue Satzung mit geändertem Beitragsmaßstab rückwirkend zu ersetzen. Dies gilt auch insoweit, als der veränderte Beitragsmaßstab zu neuen (teilweise höheren) Beitragspflichten führt (BVerwG, U. v. 15.4.1983 - 8 C 170.81 - BVerwGE 67, 129 = DÖV 1983, 941). Dabei darf aber die Gesamtbelastung der Beitragspflichtigen - mithin also der prozentuale Anteil der Gesamtaufwendungen, der nach der damaligen Entscheidung der Kommune nicht durch Gebühren, sondern durch Beiträge finanziert werden sollte - nicht verändert werden.

1.3.6. Festsetzungsverjährung

Nach § 12 Abs. 1 Nr. 4 lit. b KAG i. V. m. § 169 ff. AO 1977 haben die Kommunen insgesamt 4 Jahre Zeit, die sachlich entstandene Abgabe gegenüber dem Abgabenpflichtigen festzusetzen (sog. Festsetzungsverjährungsfrist). Der Lauf dieser Frist beginnt nicht mit dem Tag der Entstehung der Abgabe, sondern nach § 170 AO 1977 mit dem Ablauf des Kalenderjahres (mithin am 31.12., 24 Uhr), in dem die Abgabe entstanden ist.

Die Frage, ob diese vierjährige Festsetzungsverjährungsfrist eine zeitliche Zulässigkeitsbeschränkung für die Rückwirkung darstellt und ob Abgabensatzungen damit auch zu einem Zeitpunkt in Kraft gesetzt werden können, der über die Festsetzungsverjährungsfrist zurückreicht, wird von der Rechtsprechung uneinheitlich behandelt. Unabhängig von dieser rechtlichen Frage ist eine über die allgemeine vierjährige Festsetzungsverjährungsfrist hinausreichende Rückwirkung in der Regel aber auch nicht zweckmäßig, weil das rückwirkende Inkraftsetzen der Satzung ggf. zwar zulässig ist, auf Basis dieser Satzung aber keine neuen Abgabenbescheide erlassen werden können. Dies gilt auch, wenn Pflichtabgaben (vgl. Nr. 1.3.1 lit. c) bislang nicht erhoben wurden und nunmehr eine rückwirkende Satzung die Erhebungsgrundlage bilden soll.

Eine denkbare Ausnahme von der Begrenzung auf die vierjährige Festsetzungsverjährungsfrist läge unter bestimmten Voraussetzungen vor, wenn aufgrund einer nichtigen Satzung rechtswidrige Abgabenbescheide durch Schaffung einer neuen rückwirkenden Satzung geheilt werden sollen. Diejenigen Bescheide, die bereits bestandskräftig geworden sind, ruhen rechtlich in sich selbst und bedürfen insoweit im Wesentlichen keiner rückwirkenden Heilung. Allerdings können Bescheide noch nicht ausgereicht (wegen Unkenntnis über die Person des Beitragspflichtigen - § 12 Abs. 3 KAG) oder noch nicht bestandskräftig geworden sein (laufendes Widerspruch- bzw. Klageverfahren). Für diese noch auszureichenden Abgabenbescheide bzw. zur Heilung der rechtswidrigen, aber noch nicht bestandskräftigen Abgabenbescheide ist der Ortsgesetzgeber befugt, eine Satzung zu erlassen, deren Rückwirkung über die allgemeine vierjährige Festsetzungs­verjährungsfrist hinausreicht.

1.4 Haushaltssatzungen

Die Haushaltssatzung entfaltet - im Gegensatz zu sonstigen Satzungen - in erster Linie Wirkung nach innen. Außenstehende Dritte werden durch sie nicht belastet. Insoweit ergeben sich für ein rückwirkendes Inkraftsetzen der Haushaltssatzungen keine verfassungsrechtlichen Schranken. Außenwirkung entfaltet die Haushaltssatzung jedoch dann, wenn durch sie Realsteuerhebesätze oder Kreis- bzw. Amtsumlagehebesätze festgesetzt werden. In diesem Fall sind die in den Abschnitten I und II dieses Runderlasses genannten Voraussetzungen für ein rückwirkendes Inkraftsetzen zu beachten. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass ein Beschluss über eine Nachtragssatzung nur bis zum 31.12. des Haushaltsjahres, für das sie gelten soll, gefasst werden darf (§ 79 Abs. 1 GO).

Darüber hinaus bedarf es, wenn eine Haushaltssatzung nach Ablauf des Haushaltsjahres erstmalig oder als Ersatz für eine nichtige Haushaltssatzung nochmals erlassen wird, keiner besonderen In-Kraft-Tretens-Regelung. Insoweit ergeben sich Abweichungen gegenüber den grundsätzlichen Ausführungen des Abschnittes II.1.1, 2. Absatz und des Abschnittes II.3.2. Über diese Abweichungen hinaus sind für Haushaltssatzungen folgende Besonderheiten zu berücksichtigen:

1.4.1. Beschlussfassung

Nach § 78 Abs. 4 Satz 2 GO sollen Haushaltssatzungen spätestens einen Monat vor Beginn des Haushaltsjahres der zuständigen Kommunalaufsichtsbehörde vorgelegt werden. Die Beschlussfassung über die Haushaltssatzung muss dem entsprechend frühzeitig erfolgen. Die Haushaltssatzung kann nur bis zum Ende des Haushaltsjahres durch Nachtragssatzung geändert werden (§ 79 Abs. 1 GO). Der Beschluss über eine Nachtragssatzung nach dem 31.12. des Haushaltsjahres, für das sie gelten soll, ist somit nicht möglich.

Werden in der Haushaltssatzung die Realsteuerhebesätze oder die Hebesätze für die Kreis- bzw. Amtsumlage festgesetzt, sind darüber hinaus die zeitlichen Grenzen der steuerrechtlichen Regelungen bzw. des GFG zu berücksichtigen. Das bedeutet, dass der Beschluss über die Haushaltssatzung und ggf. über die Nachtragssatzung spätestens bis zum 30.6. des Haushaltsjahres zu fassen ist, wenn der Hebesatz die Höhe der letzten Festsetzung überschreitet.

1.4.2. In-Kraft-Tretens-Regelung

Abweichend von der Bestimmung des § 5 Abs. 5 GO für allgemeine Satzungen tritt die Haushaltssatzung mit Beginn des Haushaltsjahres in Kraft, für das sie erlassen wird und gilt für dieses Haushaltsjahr. Das trifft auch zu, wenn die Haushaltssatzung erst nach Beginn des Haushaltsjahres erlassen wird. In diesem Fall erwirbt die Haushaltssatzung kraft Gesetzes rückwirkende Kraft. Einer gesonderten In-Kraft-Tretens Regelung bedarf es nicht. Daher ist es auch im Fall einer nichtigen Hauptsatzung nicht erforderlich, die Haushaltssatzung nochmals neu zu beschließen. Eine erneute Bekanntmachung ist ausreichend (so OVG NRW, Urteil vom 8.10.1969 II A 217/67).

1.4.3. Bekanntmachung

Die unter 1.4.1. genannten Fristen für die Beschlussfassung über die Haushaltssatzung und Nachtragssatzung bedeuten jedoch nicht, dass auch die Bekanntmachung der Haushalts- oder Nachtragssatzung bis zu diesen Zeitpunkten erfolgen muss. Vielmehr kann die Bekanntmachung auch noch nach Abschluss des Haushaltsjahres, für das die Haushaltssatzung gelten soll, rechtswirksam vorgenommen werden (so z. B. BVerwGE 37 S. 293, 299). Eine absolute Zeitgrenze, bis zu der die Bekanntmachung einer Haushaltssatzung für ein bestimmtes Haushaltsjahr erfolgt sein müsste, gibt es ebenfalls nicht.

Das gilt insbesondere dann, wenn eine frühere Bekanntmachung vorausgegangen ist, diese aber wegen formeller Fehler oder einer nichtigen Hauptsatzung ungültig war. Die erstmalige Bekanntmachung der Haushaltssatzung ist jedoch möglichst zeitnah nach der Beschlussfassung/Genehmigung vorzunehmen.

1.4.4. Erneute Beschlussfassung

Ein erneuter inhaltsgleicher Beschluss über eine Haushalts- oder Nachtragssatzung als Ersatz für eine nichtige oder unwirksame Satzung ist auch nach Ende des Haushaltsjahres bzw. bei Erhöhungen von Umlagesätzen nach Ablauf der unter 1.4.1. dargestellten Ausschlussfristen möglich. Hierbei sind die allgemeinen verfassungsrechtlichen Schranken für das rückwirkende Inkraftsetzen von Satzungen maßgebend.

In der Regel dürfte ein nochmaliger Beschluss jedoch nicht erforderlich sein, da eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften nach § 5 Abs. 4 GO unbeachtlich ist, wenn diese nicht innerhalb eines Jahres geltend gemacht wurde. Materielle Fehler, die zur Nichtigkeit der Satzung führen könnten, dürften ebenfalls kaum vorkommen, da der Inhalt der Haushaltssatzung aufgrund der veröffentlichten Muster verbindlich vorgeschrieben ist. Hält die Kommune im Einzelfall dennoch eine erneute Beschlussfassung für erforderlich, so sind auch die Genehmigung der Aufsichtsbehörde (soweit erforderlich), die Ausfertigung und die Bekanntmachung der Satzung zu wiederholen.

Insbesondere für den Fall, dass Kommunen aufgrund extremer haushaltswirtschaftlicher Schwierigkeiten Probleme mit der Genehmigung des Haushaltssicherungskonzeptes haben, empfehle ich, die Steuerhebesätze nicht in der Haushaltssatzung, sondern in gesonderten Hebesatzsatzungen festzulegen. Diese bedürfen keiner Genehmigung und können nach der Beschlussfassung zur Rechtskraft geführt werden. Die Hebesätze können dann auch für mehrere Kalenderjahre festgesetzt werden. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass Hebesatzsatzungen erst am Tag nach der Bekanntmachung in Kraft treten und nicht - wie Haushaltssatzungen - kraft Gesetzes auf den Jahresbeginn zurückwirken. Wird das rückwirkende Inkraftsetzen einer Hebesatzsatzung erforderlich, ist dies unter den in Abschnitt I und II dieses Runderlasses genannten Voraussetzungen möglich. Dabei muss die Satzung, wie unter II.1.1 dieses Runderlasses ausgeführt, mit einer geänderten In-Kraft-Tretens-Regelung neu beschlossen werden. Eine nochmalige Bekanntmachung ist nicht ausreichend.

1.5 Eigenbetriebssatzungen

Der Eigenbetrieb ist nach § 95 Abs. 1 Nr. 1 GO ein Sondervermögen der Gemeinde ohne eigene Rechtspersönlichkeit und damit nicht rechtsfähig. Durch die mangelnde Rechtsfähigkeit kann der Eigenbetrieb nicht Träger von Rechten und Pflichten sein. Das Sondervermögen steht nach der Nr. 12.1 den Verwaltungsvorschriften zur Eigenbetriebs­verordnung (VV-EigV) vom 13. Juni 1997 (Abl. S. 570) zivilrechtlich weiterhin im Eigentum der Gemeinde und haftet für die Gesamtheit der gemeindlichen Schulden.

Nach § 103 Abs. 2 GO sind für Eigenbetriebe Betriebssatzungen zu erlassen. Die Eigenbetriebssatzung ist somit eine Ortssatzung im Sinne des Gemeinderechtes und unter Beachtung der dort bestehenden Formen (u. a. § 5 Abs. 3 GO) von der Gemeindevertretung (§ 35 Abs. 2 Nr. 10 GO) zu erlassen. Sie ist nach § 5 Abs. 3 Satz 2 GO der zuständigen Kommunalaufsichtsbehörde anzuzeigen.

Der Inhalt der zu erlassenden Betriebssatzung ist in § 103 Abs. 2 GO nicht näher bestimmt. Konkrete Anforderungen hierzu finden sich nur in § 3 der Eigenbetriebsverordnung vom 27. März 1995 (GVBl. II S. 314). In der Anlage 8 der VV-EigV ist eine Musterbetriebssatzung veröffentlicht worden.

Der Beschluss zur Gründung eines Eigenbetriebes nach § 35 Abs. 2 Nr. 24 GO und der Erlass der Betriebssatzung stellen den Gründungsakt für den Eigenbetrieb dar. Die Satzung und damit die Gründung des Eigenbetriebes tritt, wenn in der Satzung kein anderer Zeitpunkt bestimmt ist, mit dem Tage nach der öffentlichen Bekanntmachung in Kraft (§ 5 Abs. 5 GO).

1.5.1 Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften

Soweit eine Betriebssatzung unter Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften zustande gekommen ist, sind diese Verletzungen unter den Voraussetzungen des § 5 Abs. 4 Satz 1 und 2 GO unbeachtlich. Wurden hingegen nach § 5 Abs. 4 Satz 2 GO die Vorschriften über die öffentliche Bekanntmachung der Satzung verletzt, sind zur Beseiti­gung des Mangels die Ausführungen unter II.1.1 zu beachten. Da von der Eigenbetriebssatzung keine belastende Rechtswirkung ausgeht, ist der rückwirkende Erlass einer neuen inhaltsgleichen Eigenbetriebssatzung, insbesondere zum Ersatz einer vorher unwirksamen/nichtigen Eigenbetriebssatzung, grundsätzlich stets möglich.

1.5.2 Folgen einer unwirksamen/nichtigen Hauptsatzung

Eine unwirksame/nichtige Hauptsatzung hat die Unwirksamkeit/Nichtigkeit der Eigen-betriebssatzung zur Folge. Soweit die Eigenbetriebssatzung keine eigenen Mängel aufweist, muss sie im Falle des Beschlusses und des Inkraftsetzens einer inhaltsgleichen Hauptsatzung mit Rückwirkung (siehe II.1.1.1) nicht neu erlassen werden. Ist hingegen der Erlass einer neuen Hauptsatzung mit Wirkung für die Zukunft erforderlich (siehe II.1.1.2), muss auch die Eigenbetriebssatzung (nach Erlass der Hauptsatzung) neu erlassen werden. Hierbei ist im Einzelfall unter Beachtung der Ausführungen unter I., II.1 und II.3 zu prüfen, ob die Voraussetzungen zum Erlass einer rückwirkenden Eigenbetriebssatzung vorliegen. Ist dieses gegeben, so kann der Eigenbetrieb erneut mit Wirkung zum ersten (ursprünglichen) Gründungsdatum entstehen.

1.5.3 Rückwirkung in anderen Fällen

Auf Grund fehlender spezifischer kommunalrechtlicher Vorgaben in der Gemeindeordnung und in der Eigenbetriebsverordnung ist abweichend zu den Ausführungen zum Zweckverband (siehe unter II.1.2) ein rückwirkendes Entstehen eines Eigenbetriebes zwar grundsätzlich nicht ausgeschlossen.

Jedoch ist aus haushalts-, steuer- und handelsrechtlichen Gründen eine Rückwirkung, die in ein vorhergehendes Kalenderjahr zurückreicht, in der Regel nicht durchführbar. Gleiches gilt, falls der rückwirkende Erlass einer Eigenbetriebssatzung zu materiellen Änderungen der Satzung genutzt werden soll. Hier können über die bereits genannten steuerrechtlichen Problemen hinaus auch kommunalrechtliche Probleme entstehen, weil beispielsweise bei Zuständigkeitsänderungen Maßnahmen des Eigenbetriebes in der Vergangenheit von unzuständigen Organen beschlossen sein könnten.

1.6 Satzungen zur Bildung/Benutzung öffentlicher Einrichtungen

Will eine Gemeinde Gebühren nach § 6 KAG für die Benutzung einer öffentlichen Einrichtung und/oder Anschlussbeiträge nach § 8 KAG erheben, so bedarf es zumindest einer satzungsrechtlichen Regelung über das Bestehen, den technischen Umfang und den räumlichen Geltungsbereich der öffentlichen Einrichtung. Besteht eine solche Regelung nicht, ist die Gemeinde rechtlich daran gehindert, entsprechende Gebühren oder Beiträge zu erheben.

Üblicherweise wird eine solche satzungsrechtliche Definition der öffentlichen Einrichtung in sog. Grundlagen- oder Benutzungssatzungen (z. B. Wasserversorgungssatzung, Abwasserbeseitigungssatzung, Marktplatzbenutzungssatzung, Friedhofsbenutzungssatzung) vollzogen. Auch für diese Satzungen gelten die unter Abschnitt I und II Nr. 1 lit. a) und b) dargelegten Grenzen für ein rückwirkendes Inkraftsetzen. Dies bedeutet, dass nichtige/unwirksame Grundlagensatzungen grundsätzlich auch rückwirkend durch neue ersetzt werden können (vgl. u.a. OVG Lüneburg, U. v. 25.10.1989 - 9 L 71/89 - GemN 1990, 61). Hinsichtlich der bereits ausgereichten Gebühren- bzw. Beitragsbescheide ist der rückwirkende Ersatz der Grundlagensatzung überdies auch unabdingbar.

Sofern die sich als unwirksam erweisende Grundlagensatzung nur an einem formellen Mangel (z. B. fehlerhafte Ausfertigung oder fehlerhafte Bekanntmachung) litt, ist es unzulässig, beim rückwirkenden Ersatz dieser Satzung auch die Definition, den technischen Umfang oder den räumlichen Geltungsbereich der öffentlichen Einrichtung zu verändern (vgl. auch Abschnitt II Nr. 3.4), zumal hiervon auch die Rechtmäßigkeit der Kalkulation der bisher für diese Einrichtung erhobenen Abgaben (Gebühren, Beiträge) berührt wird und damit in meist unzulässiger Weise in die bereits entstandenen Abgabenpflichten eingegriffen würde.

Bei Wasserversorgungs- und Abwasserbeseitigungssatzungen ist es überdies unzulässig, rückwirkend den Rechtscharakter der Haus- oder Grundstücksanschlüsse zu ändern, um den der Grundlagensatzung insoweit widersprechenden Regelungen der Beitragssatzung bzw. Kostenerstattungssatzung zur Zulässigkeit zu verhelfen (vgl. OVG Lüneburg, U. v. 12.2.1991 - 9 L 302/89). Widersprechen sich Grundlagensatzung und Abgabensatzung bei der Frage des Rechtscharakters von Haus- oder Grundstücksanschlüssen (vgl. hierzu Abschnitt II Nr. 13 des Runderlass II Nr. 6 vom 31.8.1998), so ist allein die Grundlagensatzung maßgeblich. Allenfalls bei Unklarheiten in der Grundlagensatzung hinsichtlich der Haus- oder Grundstücksanschlüsse kann die Beitrags- bzw. Kostenerstattungssatzung ergänzend zur Auslegung der Grundlagensatzung herangezogen werden (vgl. OVG Lüneburg, U. v. 21.6.1989 - 9 L 12/89).

2. Rückwirkende Satzungen bei Gemeindezusammenschlüssen

Die vorstehenden Grundsätze finden auch bei der Gemeindestrukturreform Anwendung. Durch den Gebietsänderungsvertrag wird die neu gebildete bzw. durch eine Eingliederung vergrößerte Gemeinde Rechtsnachfolgerin der beteiligten Gemeinden und tritt damit in bestehende Rechtspositionen ein. Die neu gebildete bzw. vergrößerte Gemeinde ist mithin auch nach Wirksamwerden des Gebietsänderungsvertrages berechtigt (und in bestimmten Fällen auch ver­pflichtet), unter Berücksichtigung der obengenannten Voraussetzungen und Grenzen rückwirkende Satzungen zu erlassen. Dies gilt selbst dann, wenn die Satzung (z. B. zum Ersatz nichtiger/unwirksamer Satzungen) rückwirkend zu einem Zeitpunkt in Kraft treten soll bzw. muss, in dem der Gebietsänderungsvertrag noch nicht wirksam war.

Bestand vor oder im Zeitpunkt des Zusammenschlusses für eine der beteiligten Gemeinden eine gesetzliche Verpflichtung zum Erlass einer bestimmten Satzung (vgl. zu Pflichtsatzungen: Abschnitt II - 1.3.1 lit. c) und ist diese Gemeinde dem nicht oder nicht in rechtmäßiger Weise nachgekommen, so wird diese Verpflichtung von der neu gebildeten bzw. vergrößerten Ge­meinde übernommen.

Soweit zu den Rückwirkungsmöglichkeiten bisher insbesondere zum Straßenausbaubeitrags-recht eine hiervon abweichende Rechtsauffassung vertreten wurde (vgl. Bewig/Heinze/Rohland, „Das Kommunalabgabenrecht ist kein Hindernis für Gemeindezusammenschlüsse“, Brandenburg Kommunal 2000, 47, [50 f.]), so wird diese unter Hinweis auf die Rechtsprechung (vgl. VG Frankfurt (Oder), B. v. 22.12.2000 - 1 L 881/00 - sowie OVG Lüneburg, U. v. 29.4.1976 - III A 80/75 sowie VGH Kassel, U. v. 29.4.1976 - V OE 12/75 -) aufgegeben.

Hinsichtlich der Haushaltssatzungen kann bei Gemeindezusammenschlüssen Gebietsänderungsvertrag vereinbart werden, dass die Haushaltssatzungen der vertragschließenden Gemeinden noch bis zum Ende des Haushaltsjahres weitergelten, wenn der Zusammenschluss im Laufe des Haushaltsjahres rechtskräftig wird. Ergibt sich nach Wirksamwerden des Gemeindezusammenschlusses die Notwendigkeit, für eine oder mehrere der bisherigen Gemeinden eine Nachtragshaushaltssatzung zu erlassen, so kann die neue oder aufnehmende Gemeinde noch bis zum Ende des Haushaltsjahres als Rechtsnachfolgerin für jede der ehemaligen Gemeinden eine Nachtrags­haushaltssatzung beschließen.

Spätestens für das auf den Zusammenschluss folgende Haushaltsjahr ist eine Haushaltssatzung für die neue oder vergrößerte Gemeinde zu erlassen. Dabei sind die Fristen für die Vorlage der Haushaltssatzung bei der Kommunalaufsichtsbehörde nach Möglichkeit einzuhalten. Wird der Zusammenschluss zum 1. Januar eines Jahres wirksam, kann die Gemeindevertretung der neuen oder aufnehmenden Gemeinde jedoch erst nach diesem Zeitpunkt die neue Haushaltssatzung beschließen. Die Gemeinde befindet sich dann bis zum Erlass der Satzung in der vorläufigen Haushaltsführung. Die Haushaltswirtschaft ist in diesem Fall gemäß § 80 GO unter Bezugnahme auf die jeweils vorher geltende Haushaltssatzung der ehemaligen Gemeinden zu führen. Es ist darauf hinzuwirken, dass die vorläufige Haushaltsführung baldmöglichst beendet wird.

3. Fehlerquellen beim Erlass rückwirkender Satzungen

3.1 Verfahren des rückwirkenden Satzungserlasses

Für das rückwirkende Inkraftsetzen einer Satzung kommen die formellen Verfahrensvorschriften der Gemeindeordnung für den Erlass von Satzungen zur Anwendung. Eine rückwirkende Satzung oder eine rückwirkende Satzungsänderung bedürfen also eines formellen Satzungsbeschlusses, einer ggf. notwendigen kommunalaufsichtlichen Genehmigung (z. B. nach § 2 Abs. 3 KAG), der Ausfertigung, der öffentlichen Bekanntmachung des beschlossenen Satzungstextes und der Anzeige bei der Kommunalaufsichtsbehörde. Eine lediglich nochmalige Bekanntmachung der Satzung unter dem Hinweis, dass diese rückwirkend zu einem bestimmten Datum in Kraft tritt, ist nicht ausreichend.

3.2 Rückwirkende In-Kraft-Tretens-Regelung in der Satzung

Soll eine Satzung rückwirkend in Kraft treten, so muss dies im Satzungstext selbst angeordnet werden. Hierzu ist die Satzung mit einer Rückwirkungsregelung z. B. nach folgendem Muster zu versehen: 

§ 15 In-Kraft-Treten

Diese Satzung tritt mit Wirkung vom .................... in Kraft.

Ein separierter einfacher Beschluss der Vertretungskörperschaft, wonach die eben beschlossene Satzung rückwirkend zu einem bestimmten Datum in Kraft treten soll, ist nicht ausreichend (vgl. z. B. OVG Magdeburg, B. v. 23.07.1999 - B 2 S 205/99- VwRR-MO 2000, 127).

3.3 Rückwirkender Ersatz nichtiger Satzungen

Ist die gesamte Satzung nichtig/unwirksam, so ist es nicht ausreichend, nur eine Änderungssatzung, in welcher nur die zu ändernden Paragraphen oder (bei aus formellen Gründen nichtigen Satzungen) auch nur die neue In-Kraft-Tretens-Regelung aufgeführt sind, zu erlassen. Eine insgesamt nichtige Satzung ist nicht existent, so dass es an einem Anknüpfungspunkt für Änderungsvorschriften fehlt (vgl. OVG Brandenburg, B. v. 12.3.1998 - 2 B 36/98 -). Vielmehr muss in diesem Fall die gesamte Satzung zusammen mit einer entsprechenden Rückwirkungsregelung nach dem unter Abschnitt II.3.1 beschriebenen Verfahren neu erlassen werden.

3.4 Beachtung des Schlechterstellungsverbotes

Wird eine nichtige/unwirksame Satzung durch eine rückwirkende Satzung ersetzt, so dürfen nach dem verfassungsrechtlichen Schlechterstellungsverbot nur diejenigen Regelungen rückwirkend verändert werden, die tatsächlich rechtswidrig oder lückenhaft waren. Alle anderen - an sich rechtmäßigen - Einzelregelungen der Satzung dürfen nicht rückwirkend verändert werden, auch wenn die gesamte Satzung wegen der Unwirksamkeit einzelner zum Mindestinhalt gehörenden Einzelregelungen nichtig ist. (vgl. u. a. OVG Münster, U. v. 17.5.1990 - 2 A 500/88 - ZKF 1991, 279).

3.5 Aufheben der bisherigen Satzung

Soweit eine Satzung durch eine neue Satzung mit gleichen Regelungsbereich rückwirkend oder mit Wirkung für die Zukunft ersetzt wird (dies ist z.B der Fall, wenn eine Zweitwohnungsteuer-satzung durch eine neue Zweitwohnungsteuersatzung abgelöst wird), so bedarf es in der neuen Satzung keiner ausdrücklichen Regelung, wonach die vorherige Satzung außer Kraft tritt wird. Mit dem Beschluss einer neuen Satzung bringt der Satzungsgeber hinreichend deutlich zum Ausdruck, dass die bisher geltende Satzung einer neuen Regelung weichen soll. Insoweit gilt der allgemeine Grundsatz, wonach eine zeitlich spätere (also neuere) Regelung grundsätzlich mit ihrem In-Kraft-Treten die zeitlich frühere (also ältere) Regelung desselben Gegenstandes ablöst (vgl. VG Frankfurt (Oder), B. vom 10.Mai 2001 - 5 L 26/01 -).

Soll eine Satzung rückwirkend oder mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben (außer Kraft gesetzt) werden, ohne dass sie durch eine neue Satzung ersetzt wird (z. B. wenn durch Aufhebung der Zweitwohnungsteuersatzung zukünftig auf die Erhebung dieser Steuerart verzichtet werden soll), so ist dies nur mittels einer formgerecht beschlossenen, auszufertigenden und bekannt zu machenden Aufhebungssatzung möglich.

Die Aufhebung einer Rechtsnorm bedarf eines Rechtsaktes derselben Form und vor allem mindestens desselben Ranges in der Rechtsaktshierarchie. Auf Satzungen bezogen bedeutet dies, dass diese nur durch formgerechte Satzungen aufgehoben werden können (vgl. u. a. OVG Schleswig, B. v. 18.5.1999 - 2 L 185/98 - NVwZ-RR 2000, 313). Handelt es sich bei der aufzuhebenden Satzung um eine genehmigungspflichtige Satzung, so ist auch die Aufhebungssatzung genehmigungspflichtig.

Die Landräte bitte ich, diesen Runderlass allen ihrer Rechtsaufsicht unterstehenden Ämtern, amtsfreien Gemeinden und Städten sowie Zweckverbänden zur Verfügung zu stellen.

Im Auftrag

gez. Hoffmann
Hoffmann