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Empfehlung zu den Abständen zwischen Industrie-/Gewerbegebieten sowie Hochspannungsfreileitungen/Funksendestellen und Wohngebieten im Rahmen der Bauleitplanung unter den Aspekten des Immissionsschutzes des Ministers für Umwelt, Naturschutz und Raumordnung (Abstandsleitlinie)


vom 6. Juni 1995
(ABl./95, [Nr. 49], S.590)

Außer Kraft getreten am 2. April 2014 durch Bekanntmachung des MUGV vom 10. März 2014
(ABl./14, [Nr. 13], S.471)

Diese Empfehlung konkretisiert als Leitlinie Immissionsbelange für die Bauleitplanung. Sie soll auf diese Weise als Orientierungshilfe für die Immissions- und Strahlenschutzbehörden bei der Abgabe von Stellungnahmen in der Bauleitplanung dienen. Denn Schutzabstände können erforderlich werden, wenn bei benachbarten unterschiedlichen Gebietsnutzungen schädliche Umwelteinwirkungen auf andere Weise nicht verhindert werden können. Die in Anlage 1 aufgeführten Abstände bilden daher in erster Linie im Rahmen der Bauleitplanung (Flächennutzungs- und Bebauungsplanung) eine Orientierung; sie gelten nicht für die Zulassung von Einzelvorhaben (z. B. baurechtliche, immissionsschutzrechtliche, abfallrechtliche Genehmigungs- oder Planfeststellungsverfahren). Die in Anlage 4 konkretisierten Abstände berücksichtigen Immissionsbelange im Hinblick auf die durch Hochspannungsleitungen und Funksendetürme verursachte nichtionisierende Strahlung.

Gliederung:

1. Beteiligung der Immissions- und Strahlenschutzbehörden bei der Bauleitplanung

2. Abstände zur Berücksichtigung des Immissionsschutzes in der Bauleitplanung
2.1 Abstandsliste als Orientierung für die Abgabe behördlicher Stellungnahmen
2.2 Grundsätze für die Anwendung der Abstandsliste (Anlage 1) und der in Anlage 4 vorgegebenen Schutzabstände
2.2.1 Grundlagen der Abstandsliste
2.2.2 Anwendung der Abstandsliste
2.2.2.1 Gemengelage, Gebot der Rücksichtnahme
2.2.2.2 Zwischenzonen
2.2.2.3 Abstand zwischen Umrißlinie der Anlage und Begrenzungslinie des Wohngebietes
2.2.2.4 Abstände von Anlagen zu allgemeinen Wohngebieten/besonderen Wohngebieten/Kleinsiedlungsgebieten aus Lärmschutzgründen
2.2.2.5 Abstände zwischen Industrie- oder Gewerbegebieten einerseits und Misch-, Kern- oder Dorfgebieten andererseits
2.2.2.6 Abstände zwischen Industrie- und Gewerbegebieten einerseits und Kur- oder Klinikgebieten andererseits
2.2.2.7 Abstände bei Planung in talähnlichen Lagen
2.2.2.8 Außenbereiche
2.2.2.9 Sondergebiete
2.2.3 Nichtanwendung der Abstandsliste für bestehende Immissionssituationen
2.3 Fallgruppen für die Anwendung der Abstandsliste im Bauleitplanverfahren
2.3.1 Festsetzung von Industrie- oder Gewerbegebieten
2.3.1.1 Festsetzung von Industrie- oder Gewerbegebieten, deren Nutzung noch nicht bekannt ist
2.3.1.2 Festsetzung von Industrie- oder Gewerbegebieten, in denen die Art der später anzusiedelnden Betriebe schon bekannt ist
2.3.1.3 Festsetzung von Industrie- oder Gewerbegebieten, deren Nutzung in allen Einzelheiten bekannt ist
2.3.2 Festsetzung von Wohngebieten
2.3.2.1 Festsetzung von Wohngebieten in der Nachbarschaft von bereits bestehenden und voll besiedelten Industrie- oder Gewerbegebieten
2.3.2.2 Festsetzung von Wohngebieten in der Nachbarschaft von festgesetzten, aber noch nicht oder nicht voll besiedelten oder gleichzeitig auszuweisenden Industrie- oder Gewerbegebieten
2.3.3 Prüfung von Einzelgutachten

3. Nichtanwendung der Abstandsliste in Zulassungsverfahren und bei Maßnahmen der Überwachungsbehörden
3.1 Baugenehmigungsverfahren
3.2 Umweltrechtliche Zulassungsverfahren
3.3 Überwachungsmaßnahmen

4. Verweis auf weitergehende Erläuterungen zur Abstandsliste

Anlagen:

1. Abstandsliste
2. Genehmigungsbedürftige Anlagen, die nicht in die Abstandsliste aufgenommen worden sind
3. Empfehlung zur Zulässigkeit von genehmigungsbedürftigen Anlagen in Gewerbegebieten bei der Bauleitplanung
4. Abstand von Hochspannungsfreileitungen und Funksendestellen
5. Erläuterungsberichte zu jeder Betriebsart

1. Beteiligung der Immissions- und Strahlenschutzbehörden bei der Bauleitplanung

Bei der Aufstellung der Bauleitpläne durch die Gemeinden sind die Belange der Umwelt und damit auch des Immissionsschutzes zu berücksichtigen (§ 1 Abs. 5 Satz 2 Nr. 7 Baugesetzbuch (BauGB)). Als Träger öffentlicher Belange werden dementsprechend die Immissionsschutzbehörden (Ämter für Immissionsschutz) und die Strahlenschutzbehörde - insbesondere im Hinblick auf nichtionisierende Strahlung - (Landesumweltamt) einbezogen (§ 4 Abs. 1 BauGB).

Darüber hinaus gehende Belange des Umweltschutzes bleiben durch diese Leitlinie unberührt.

Im Rahmen der Beteiligung bei der Bauleitplanung sind folgende Hinweise zu beachten:

  • Da die Gemeinden bei  Nichtäußerung der Träger öffentlicher Belange innerhalb der gesetzten Frist davon ausgehen können, daß die entsprechenden Belange nicht berührt sind (§ 4 Abs. 1 Satz 3 BauGB), ist die angegebene Frist einzuhalten (gem. Ziff. IV. 3. des Runderlasses über die Beteiligung der Träger öffentlicher Belange vom 27. Dezember 1993, ABl. 1994 S. 26, allerdings mindestens 1 Monat).
  • Die Behörden haben in ihren Stellungnahmen auf alle ihnen bekannten Umstände hinzuweisen, die im Rahmen der städtebaulichen Entwicklung und Ordnung des Gebietes für den Immissions- oder Strahlenschutz bedeutsam sein können. Sie sollen zu einer umfassenden Bestandsaufnahme beitragen und darüber hinaus auch, soweit möglich, Anregungen und Vorschläge geben, die zu einer kurz- bzw. langfristigen Entlastung von schädlichen Umwelteinwirkungen führen können. Die Stellungnahmen sollen auch Anmerkungen über wichtige Genehmigungsverfahren und zu erwartende Betriebsstillegungen sowie deren zu erwartende Auswirkungen auf die Immissionslage enthalten.
  • Haben die Immissionsschutzbehörden zu Bauleitplanentwürfen in Untersuchungsgebieten, in denen ein Luftreinhalteplan oder Lärmminderungsplan erstellt wurde, Stellung zu nehmen und sind die Belastungen für die Planungsentscheidung bedeutsam, so sind diese Pläne in die Stellungnahme einzubeziehen. Luftreinhalte- bzw. Lärmminderungsplan sind dann für den Bereich des Planungsgebietes hinsichtlich der Emissions-, Immissions- und Wirkungssituation sowie hinsichtlich der Prognose der Luftverunreinigungen und Lärmbelastungen zu analysieren und darzustellen.
  • Die Entwürfe der Pläne sind daraufhin zu prüfen, ob und inwieweit die Planungsabsichten mit den Zielen und Erfordernissen des Immissionsschutzes zu vereinbaren sind. Für diese Prüfung gilt insbesondere der Planungsgrundsatz in § 50 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG). Durch § 50 BImSchG wird zwar die besondere Bedeutung einer immissionsschutzgerechten Zuordnung von Flächen hervorgehoben; die  einschränkende Formulierung "soweit wie möglich" zeigt jedoch, daß dieser Grundsatz relativiert wird: Da kompakte (An-)Siedlungsstrukturen überwiegend auch im Sinne des Immissionsschutzes zu bevorzugen sind (siehe unten 2.1), sind die notwendigen Abstände so gering wie möglich zu halten.
  • In den Stellungnahmen sollen keine Abwägungen vorweggenommen werden, weil dadurch den Gemeinden eine umfassende Abwägung der öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander erschwert werden würde.
  • Es ist nicht Aufgabe der Immissions- oder Strahlenschutzbehörden, die verschiedenen sonstigen Belange mit den Erfordernissen des Immissionsschutzes in Einklang zu bringen. Ist ein Bauleitplan mit seiner Bekanntmachung gemäß § 12 BauGB in Kraft getreten, so trägt die Immissions- bzw. Strahlenschutzbehörde im  Rahmen ihrer Aufgabenstellung zur Realisierung der Planung bei.
  • Die Immissions- bzw. Strahlenschutzbehörden sollen im Rahmen ihrer Beteiligung die Gemeinden beraten und mit ihnen konstruktiv zusammenarbeiten. Soweit sie in ihren Stellungnahmen gegen Planungsabsichten der Gemeinden Bedenken erheben, sollen sie zugleich prüfen und darlegen, ob und welche Hinweise zur Konfliktlösung unter Bezug auf die Umweltbelange gegeben werden können. Dabei sollen die Immissions- bzw. Strahlenschutzbehörden insbesondere die Möglichkeiten technischer Maßnahmen in Form solcher Hinweise angeben, durch die Immissionen gemindert werden können.

2. Abstände zur Berücksichtigung des Immissionsschutzes in der Bauleitplanung

In den Anlagen (1 bis 4)  wird eine Übersicht zu den Schutzabständen für unterschiedliche Vorhaben gegeben.

2.1 Abstandsliste als Orientierung für die Abgabe behördlicher Stellungnahmen

Bei der Prüfung der Bauleitpläne auf Übereinstimmung mit den Grundsätzen des Immissionsschutzes ist zu berücksichtigen, daß es trotz aller dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen zur Emissionsminderung beim Betrieb emittierender Industrie- und Gewerbeanlagen in der unmittelbaren Umgebung dieser Anlagen noch zu Gefahren, erheblichen Nachteilen oder erheblichen Belästigungen durch Luftverunreinigungen oder Geräusche kommen kann, wenn der Abstand zwischen Emissionsquellen und schutzbedürftigen Gebieten zur Herabsetzung der Immissionen in diesen Gebieten nicht ausreicht. So verringert sich z. B. der Schallpegel der von Industrie- und Gewerbebetrieben ausgehenden Geräusche allein aufgrund der geometrischen Gesetzmäßigkeit der Schallausbreitung abhängig von den Abmessungen der Geräuschquellen (Punktschallquellen, Linienschallquellen, Flächenschallquellen) um bis zu drei bzw. sechs Dezibel (dB) (A) je Entfernungsverdoppelung. Ähnliche Relationen lassen sich z. B. auch für die Ausbreitung von Luftverunreinigungen bei bodennahen Quellen beschreiben. Daher kommt einem ausreichenden Abstand zwischen Industrie- und Gewerbegebieten einerseits und Wohngebieten andererseits - unabhängig von der Fernwirkung aus höheren Quellen emittierter Luftverunreinigungen - in der Bauleitplanung, insbesondere bei Neubeplanungen, Bedeutung zu. Besondere Bedeutung haben die Abstände bei störfallrelevanten Anlagen (12. BImSchV). Um Auswirkungen eines sogenannten "Dennoch-Störfalles" so gering wie möglich zu halten, sind ausreichende Abstände bei diesen Anlagen besonders wichtig. Daneben sollen aber auch alle anderen Möglichkeiten des vorbeugenden Immissionsschutzes, insbesondere auch ein fortgeschrittener Stand der Technik bei Anlagenkonfigurationen mitbetrachtet werden.

Diese Leitlinie soll dazu dienen, den am Planungsverfahren unter dem Gesichtspunkt des Immissionsschutzes beteiligten Behörden eine einheitliche Orientierung für die Abgabe fachlicher Stellungnahmen zu Bauleitplänen im Hinblick auf die notwendigen Abstände zu geben. Zu diesem Zweck werden in der beigefügten Liste (Anlage 1) und in Anlage 4 Schutzabstände an die Hand gegeben. Diese Listen sollen nach Maßgabe der folgenden und unter 2.2 und 2.3 gemachten Ausführungen dieser Leitlinie bei der Beteiligung im Bauleitplanverfahren angewendet werden.

Aus Gründen des Immissionsschutzes ist es in vielen Fällen geboten, die jeweiligen Abstände lediglich als Richtwert zu betrachten, hierbei wird vor allem an Unterschreitungen der jeweiligen Abstände gedacht, Überschreitungen sind lediglich im Ausnahmefall denkbar. Dies ist durch folgende Überlegungen begründet:

Die strikte Trennung von unterschiedlichen Gebietsnutzungen kann bei planerisch vorzusehenden größeren Abständen nicht nur wegen des hohen Flächenverbrauchs aus Gründen des Natur- und Bodenschutzes unerwünscht sein, sondern kann auch - beispielsweise wegen eines erhöhten Verkehrsaufkommens - zu einem Anwachsen von Immissionsbelastungen (schädlichen Umwelteinwirkungen) führen und wäre damit auch aus Sicht des Immissionsschutzes als kritisch einzuschätzen. Aus diesem Grunde geht es bei der Berücksichtigung von schädlichen Umwelteinwirkungen im Rahmen des § 50 BImSchG um eine Gesamtbetrachtung, die auch eine Verringerung von Immissionsproblemen durch vermiedenen Verkehr sowie den Schutz des Bodens, der Pflanzen und anderer Sachgüter einbezieht (was u.a. auch Inhalt der Luftreinhalte- und Lärmminderungsplanung, §§ 47 und 47a BImSchG ist), und auch einen fortgeschrittenen Stand der Technik (z. B. hinsichtlich Emissionsbegrenzung für Lärmbelastungen und Luftverunreinigungen) umfassend berücksichtigt. Unterschreitungen der Schutzabstände sind in Fällen der nichtionisierenden Strahlung (insbesondere Anlage 4) wie auch bei brand- und explosionsgefährlichen Anlagen allerdings kaum denkbar. Die Schutzabstände sind daher einzuhalten.

Andererseits können in seltenen Fällen Überschreitungen der vorgesehenen Abstände gerechtfertigt sein. Bei der Planung eines Gebietes prüfen die Immissionsschutzbehörden unter Beteiligung des Planungsträgers, ob die in der Abstandsliste angegebenen Schutzabstände ausreichend sind für bestehende Anlagen, die nicht dem Stand der Technik entsprechen (Altanlagen). Grundsätzlich bildet die Abstandsliste den Orientierungspunkt, wenn die Abweichungen vom Stand der Technik zu keinen Gefahren, erheblichen Nachteilen oder erheblichen Belästigungen bei Einhaltung des in der Abstandsliste vorgesehenen Schutzabstandes führen können. Andernfalls ist die Immissionssituation durch ein Gutachten im Einzelfall (Immissionsprognose-Gutachten) zu ermitteln. Für die Erstellung von Gutachten im Einzelfall wird auf 2.3.1.3 b), 2.3.2.1 b) c) und 2.3.3 verwiesen.

2.2 Grundsätze für die Anwendung der Abstandsliste (Anlage 1) und der in Anlage 4 vorgegebenen Schutzabstände

Im folgenden werden weitere detaillierte Hinweise für die Anwendung der Abstandsliste gegeben.

2.2.1 Grundlagen der Abstandsliste

Es ist davon auszugehen, daß grundsätzlich bei Einhaltung oder Überschreitung der angegebenen Abstände Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche oder nichtionisierende Strahlung bei bestimmungsgemäßem Betrieb der entsprechenden Anlage in den umliegenden Wohngebieten nicht entstehen, wenn die Anlage dem Stand der Technik entspricht.

Zur Berücksichtigung des Lärmschutzes basiert die Festsetzung der Abstände auf den Immissionsrichtwerten, wie sie in der TA Lärm für Gebiete, in denen ausschließlich Wohnungen untergebracht sind - entsprechend reinen Wohngebieten (WR) im Sinne der Baunutzungsverordnung (BauNVO) -, angegeben sind; bei regelmäßig durchlaufenden Betrieben wurde der Nachtwert (35 dB(A)), bei regelmäßig ein- bis zweischichtig arbeitenden Betrieben der Tagwert (50 dB(A)) zugrunde gelegt.

Zur Berücksichtigung des Faktors 'Luftreinhaltung' bei der Abstandsregelung wurde die Schutzbedürftigkeit der genannten Gebiete beurteilt nach Immissionswerten bzw. Immissionsrichtwerten/Immissionsleitwerten, die zum Schutz des Menschen vor Gesundheitsgefahren und erheblichen Belästigungen durch Gase, Stäube, Dämpfe und Geruchsstoffe notwendig sind.

Die Abstandsliste wurde auf der Basis des Anhangs zur Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen (4. BImSchV vom 24. Juli 1985, BGBl. I S. 1586, zuletzt geändert durch Verordnung vom 26. Oktober 1993, BGBl. I S. 1782) aufgestellt; soweit Nummern des Anhangs zur 4. BImSchV genannt sind, bedeutet dies einen Hinweis auf ein immissionsschutzrechtliches Genehmigungserfordernis. Die Anlagebezeichnungen stimmen nicht immer mit denen der 4. BImSchV überein, denn die 4. BImSchV enthält in manchen Fällen Oberbegriffe und/oder zusammenfassende Anlagebezeichnungen, die hinsichtlich des Genehmigungserfordernisses zusammengehören, in ihrer Auswirkung i. S. der Abstandsleitlinie aber als selbständige Anlagearten zu sehen sind. Insofern konnte die Systematik der 4. BImSchV und auch die Einteilung nach Leistungskriterien nicht immer eingehalten werden. Abstandsbestimmend ist aber -unabhängig von dem Genehmigungserfordernis - die Betriebsart, wie sie in der Abstandsliste beschrieben ist.

Die Abstandsliste ist nicht abschließend. So fehlen z. B. gewerbliche Anlagen, die selbst in Wohn- oder Mischgebieten zulässig sind und für die deshalb kein Schutzabstand zu diesen Gebieten gefordert werden kann (z. B. Feuerungsanlagen für den Einsatz von festen, flüssigen oder gasförmigen Brennstoffen, die häufig Teile oder Nebeneinrichtungen anderer Anlagen sind und dem Nutzungszweck der in dem Baugebiet gelegenen Grundstücke oder des Baugebiets selbst dienen und seiner Eigenart nicht widersprechen, siehe im übrigen hierzu Anlage 2).

In den Fällen, in denen für Betriebe keine Abstände aufgeführt sind, kann der Listen-Abstand einer vergleichbaren Anlage als Anhalt für die Stellungnahme im Bauleitplanverfahren dienen. Die Vergleichbarkeit nichtgenannter Anlagen bezieht sich auf ein gleichwertiges Emissionsniveau.

Bei Betrieben der Abstandsklasse VII können Probleme am Rand von Wohnbebauungen entstehen, wenn die Betriebsgröße das übliche Maß überschreitet. In diesem Fall und bei gegebener Störwirkung sind größere Abstände zu wählen.

Auf der anderen Seite sind einzelne der in der Liste genannten Anlagearten nicht nur in Industrie- oder Gewerbegebieten, sondern ihrer Art nach auch in Mischgebieten, Dorfgebieten, Kerngebieten oder besonderen Wohngebieten zulässig bzw. sollen im Außenbereich errichtet werden, so daß entsprechend dem Stand der Technik genehmigungsbedürftiger Anlagen eine Eingliederung derartiger Anlagen in Gebietsnutzungen mit einem aus der Sicht des Immissionsschutzes höheren Schutzstatus möglich ist.

Anlagen zur Herstellung, Bearbeitung, Verarbeitung, Wiedergewinnung oder Vernichtung von explosionsgefährlichen Stoffen (Nr. 10.1 (1) der 4. BImSchV) gehören in den Außenbereich. Die Schutzabstände bemessen sich nach dem Sprengstoffrecht.

Weiterhin sollen nachteilige Auswirkungen aus Störungen (nicht bestimmungsgemäßer Betrieb) durch geeignete Abstände so gering wie möglich gehalten werden.

Bei Windkraftanlagen ist wegen der Abhängigkeit des erforderlichen Abstandes von der Leistung und der Konstruktion der einzelnen Anlage eine pauschale Beurteilung nicht möglich. Wesentlich ist auch die Anzahl der Windkraftanlagen, die auf den Immissionsort einwirken. Ein erster Ansatz zur Orientierung findet sich in Nr. 148a der Anlage 1.

Für den Bereich der Wirkungen der nichtionisierenden Strahlung aus elektromagnetischen Feldern sind unter dem Aspekt des verstärkten Vorsorgegedankens entsprechend der DIN VDE 0848 Teil 4 (Weißdruck Dezember 1992) und der Empfehlung der Strahlenschutzkommission "Elektrische und magnetische Felder im Alltag" die in der Anlage 4 genannten Abstände bestimmt worden.

2.2.2 Anwendung der Abstandsliste

Die Abstandsliste dient als Orientierung hinsichtlich ausreichender Abstände zwischen emittierenden Anlagen industrieller, gewerblicher und sonstiger Art sowie störfallrelevanter Anlagen einerseits und den nachfolgend genannten Gebieten andererseits. Die besonderen Wohngebiete sind je nach baulicher Nutzung entweder wie Wohngebiete oder wie gemischt genutzte Gebiete zu behandeln.

2.2.2.1 Gemengelage, Gebot der Rücksichtnahme

Bei der Planung für Gemengelagen kann die Anwendung der Abstandsliste zu unüberbrückbaren Schwierigkeiten führen. Grundsätzlich ist einer Verfestigung der vorhandenen Gemengelage entgegenzuwirken. Entspechend dem in § 1 Abs. 5 BauGB normierten Gebot, durch Bauleitpläne eine geordnete städtebauliche Entwicklung herbeizuführen und städtebauliche Mißstände oder eine unzumutbare Immissionsbelastung nicht bestehen zu lassen, soll die Immissions-/Strahlenschutzbehörde in diesen Fällen durch ihre Stellungnahme zu einer Lösung beitragen, die - unter Berücksichtigung der gesamtplanerischen Belange und des Planungszieles - hinsichtlich des Immissionsschutzes die erreichbaren Fortschritte gewährleistet, wenn auch im Einzelfall nicht jegliche Beeinträchtigung durch Immissionen ausgeschlossen werden kann; dies ist jedoch wegen des Gebots der gegenseitigen Rücksichtnahme vertretbar. Das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme in vorbelasteten Gebieten kann die Hinnahme der Beschränkung von Nutzungsmöglichkeiten beim Emittenten und die Duldung höherer Immissionen bei der betroffenen schutzbedürftigen Nutzung als in unbelasteten Gebieten erfordern, falls eine räumliche Trennung der unverträglichen Nutzungen oder sonstige Schutzmaßnahmen nicht in Betracht kommen.

Da bei den gewachsenen städtebaulichen Strukturen in Gemengelagen in aller Regel örtlich vorhandene, aber nicht ausreichende Schutzabstände nicht vergrößert werden können, werden sich die Anregungen der Immissions- und Strahlenschutzbehörden zur Gewährleistung eines bestmöglichen Immissionsschutzes vorwiegend auf Maßnahmen des aktiven oder passiven Immissionsschutzes zu erstrecken haben.

2.2.2.2 Zwischenzonen

Die sich durch die Abstände ergebenden Zwischenzonen sind nicht als "von der Bebauung freizuhaltende Schutzflächen", z. B. im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB, anzusehen; vielmehr kann innerhalb dieser Abstände eine weniger schutzbedürftige Nutzung als im Wohngebiet und eine weniger störende Nutzung als im Industrie- oder Gewerbegebiet vorgesehen werden.

2.2.2.3 Abstand zwischen Umrißlinie der Anlage und Begrenzungslinie des Wohngebietes

Der Abstand ist zu messen an der geringsten Entfernung zwischen der Umrißlinie der emittierenden Anlage und der Begrenzungslinie von Wohngebieten im Sinne der Baunutzungsverordnung. Unter Umrißlinie ist die Linie im Grundriß (Vertikalprojektion) der Anlage zu verstehen, die ringsum die Emissionsquellen (z. B. Schornsteine, Auslässe, Tankfelder, Klärbecken, schallabstrahlende Wände oder Öffnungen) umfaßt. Bei mehreren Anlagen auf einem Werksgelände ist für die Bemessung des notwendigen Abstandes regelmäßig die Anlageart mit dem größten erforderlichen Abstand gemäß Abstandsliste maßgebend. Geringfügige Unterschreitungen der Abstände sind akzeptabel.

2.2.2.4 Abstände von Anlagen zu allgemeinen Wohngebieten/besonderen Wohngebieten/Kleinsiedlungsgebieten aus Lärmschutzgründen

Der in der Liste angegebene Abstand ergibt sich bei den mit (*) gekennzeichneten Anlagearten ausschließlich oder weit überwiegend aus Gründen des Lärmschutzes und basiert auf den Lärmimmissionsrichtwerten zum Schutz reiner Wohngebiete; der Abstand darf daher um eine Abstandsklasse verringert werden, wenn es sich bei dem zu schützenden Gebiet um ein allgemeines oder besonderes Wohngebiet oder ein Kleinsiedlungsgebiet handelt.

2.2.2.5 Abstände zwischen Industrie- oder Gewerbegebieten einerseits und Misch-, Kern- oder Dorfgebieten andererseits

Bei Anwendung der Abstandsliste zur Festsetzung der Abstände zwischen Industrie- oder Gewerbegebieten einerseits und Misch-, Kern- oder Dorfgebieten andererseits können bei mit (*) gekennzeichneten Betriebsarten die Abstände der übernächsten Abstandsklasse zugrunde gelegt werden. Falls ein Mindestabstand von 100 m nicht eingehalten werden kann, sollte eine Einzelfallprüfung vorgenommen werden.

2.2.2.6 Abstände zwischen Industrie- und Gewerbegebieten einerseits und Kur- oder Klinikgebieten andererseits

Bei der Prüfung der Abstände zwischen Industrie- oder Gewerbegebieten einerseits und Kur- oder Klinikgebieten andererseits sind die Gegebenheiten des Einzelfalles besonders zu berücksichtigen; mindestens ist der für reine Wohngebiete maßgebende Abstand zugrunde zu legen.

2.2.2.7 Abstände bei Planung in talähnlichen Lagen

Die Abstandsliste gilt nur für die Planung im ebenen Gelände; in anderen Fällen, z. B. bei der Planung in natürlichen Geländevertiefungen bis Tallagen, sollten Einzeluntersuchungen angestellt werden (vgl. Nr. 2.3.1.3 und Nr. 2.3.2.1).

2.2.2.8 Außenbereiche

Die in der Abstandsliste unter den lfd. Nummern 19, 20, 68, 80, 86, 116, 128, 135, 136, 138 und 157 aufgeführten Anlagen sollten, sofern die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB erfüllt sind, aus der Sicht des Immissionsschutzes im Außenbereich errichtet werden. Die genannten Abstände sind zur Sicherstellung eines ausreichenden Immissionsschutzes zwischen diesen Anlagen und Wohnbereichen notwendig.

2.2.2.9 Sondergebiete

Die Abstände zu bzw. von Sondergebieten hängen von der jeweiligen Nutzung des Sondergebiets ab.

  1. Bei Sondergebieten mit Erholungsfunktion im Sinne des § 10 der Baunutzungsverordnung (Wochenendhausgebiete, Ferienhausgebiete, Campingplatzgebiete) hängt die Schutzwürdigkeit und damit die Störanfälligkeit von der jeweiligen Zweckbestimmung des Gebiets ab.

    Soweit es sich um Wochenendhausgebiete handelt, kann die Störanfälligkeit einem reinen Wohngebiet gleichgestellt werden.

    Ferienhausgebiete ähneln nach ihrer Zweckbestimmung und den allgemein und ausnahmsweise zulassungsfähigen Anlagen weitgehend den allgemeinen Wohngebieten.

    Bei Campingplatzgebieten kann nach dem Wesen der Campingplätze sowie wegen des häufigeren Wechsels und des unterschiedlichen Verhaltens der Platznutzer im allgemeinen davon ausgegangen werden, daß die Schutzwürdigkeit höchstens derjenigen von allgemeinen Wohngebieten gleichzustellen ist.

    Werden jedoch in diesen Gebieten neben dem Freizeitwohnen auch Sportarten wie Fußball, Tennis u. a. betrieben, können diese Gebiete wegen der bei der Ausübung des Sports bekannten Begleiterscheinungen wie gemischt genutzte Gebiete behandelt werden.
  2. Bei den sonstigen Sondergebieten im Sinne des § 11 Baunutzungsverordnung (Gebiete für den Fremdenverkehr, Kurgebiete und Gebiete für die Fremdenbeherbergung, Ladengebiete, Gebiete für Einkaufszentren und großflächige Handelsbetriebe, Gebiete für Messen, Ausstellungen und Kongresse, Hochschulgebiete, Klinikgebiete, Hafengebiete) richten sich Schutzwürdigkeit und Störungsgrad nach dem jeweiligen Gebietscharakter.

    Hinsichtlich der Schutzwürdigkeit der Kur- und Klinikgebiete sowie der Gebiete für die Fremdenbeherbergung wird auf Nr. 2.2.2.6 verwiesen.

    Bei Hafengebieten, Gebieten für Messen, Ausstellungen und Kongressen, Gebieten für Einkaufszentren und großflächigen Handelsbetrieben sowie Hochschulgebieten ist im Rahmen der jeweiligen Zweckbestimmung der zulässige Störungsgrad festzusetzen. Hafengebiete, Messe- und Ausstellungsgebiete sowie Gebiete für Einkaufszentren und großflächige Handelsbetriebe können hinsichtlich des Störungsgrades dem eines Industrie-/Gewerbegebietes gleichgesetzt werden.

    Innerhalb eines Hochschulgebietes kann für Mensa, Läden, Kioske und sonstige der Versorgung des Hochschulgebietes dienende Anlagen und Betriebe der einem Mischgebiet entsprechende Störgrad zugelassen werden, während für Institutsgebäude und Hörsäle die Schutzwürdigkeit eines allgemeinen Wohngebietes anzunehmen ist.

2.2.3 Nichtanwendung der Abstandsliste für bestehende Immissionssituationen

Die Abstandsliste bildet einen Orientierungspunkt lediglich für die (örtliche) Planung. Gegebene Immissionsbelastungen können nicht mit den generalisierenden Angaben der Abstandsliste bewältigt werden. Vielmehr muß in diesen Fällen jeweils gesondert geprüft werden, inwieweit eine Anordnung auf der Grundlage des Immissionsschutzrechts zulässig und durchsetzbar ist.

2.3 Fallgruppen für die Anwendung der Abstandsliste im Bauleitplanverfahren

Die Immissions- und Strahlenschutzbehörden sollen den Planungsträger schon im Flächennutzungsplanverfahren darauf aufmerksam machen, welche Beschränkungen im nachfolgenden Bebauungsplanverfahren voraussichtlich vorgeschlagen werden müssen. Für Festsetzungen im Bebauungsplan wird folgendes empfohlen:

2.3.1 Festsetzung von Industrie- oder Gewerbegebieten

2.3.1.1 Festsetzung von Industrie- oder Gewerbegebieten, deren Nutzung noch nicht bekannt ist

  1. Notwendigkeit der Nutzungsbeschränkung

    Soweit bei der Ausweisung von Industrie- und Gewerbegebieten nicht oder nur annäherungsweise bekannt ist, in welcher Weise die Gebiete zukünftig genutzt werden sollen, kann die Prüfung anhand der Abstandsliste zu dem Ergebnis führen, daß Beschränkungen im Sinne von § 1 Abs. 4 bis 10 BauNVO 1990 für bestimmte Anlagearten ausgesprochen werden sollen.

    Die Immissions- und Strahlenschutzbehörden sollen daher bei ihren Stellungnahmen entsprechend den in der Planung vorgegebenen Abständen zwischen Industrie- und Gewerbegebieten einerseits und Wohngebieten bzw. Misch-, Kern- oder Dorfgebieten entsprechend Nummer 2.2.2 andererseits dem Planungsträger vorschlagen, in dem Bebauungsplan Nutzungsbeschränkungen für bestimmte Anlagearten für die Industrie- und Gewerbegebiete entsprechend § 1 Abs. 4 bis 10 BauNVO 1990 festzusetzen.

    Der Einfachheit halber sollten dabei die Immissions- und Strahlenschutzbehörden - unbeschadet der Verpflichtung des Planungsträgers, die textliche Festsetzung zum Bebauungsplan eindeutig zu bestimmen - dem Planungsträger eine Ablichtung der dieser Leitlinie beigefügten Abstandsliste (Anlagen 1 und 4) übersenden und vermerken, daß Anlagen einer bestimmten Abstandsklasse dieser Abstandsliste und Anlagen mit ähnlichem Emissionsgrad nicht zugelassen werden sollten.
  2. Ausnahmemöglichkeiten nach § 31 Abs. 1 BauGB

    Die Immissions- und Strahlenschutzbehörden können jedoch zur Vermeidung von allzu großen und unter bestimmten Voraussetzungen im Einzelfall aufhebbaren Beschränkungen im Rahmen der von ihnen abzugebenden Stellungnahmen den Gemeinden empfehlen, im Bebauungsplan Ausnahmemöglichkeiten für Anlagearten des nächstgrößeren Abstandes der Abstandsliste zu eröffnen.

    Diese Erleichterung ist deshalb möglich, weil im Einzelfall damit gerechnet werden kann, daß z. B. durch besondere technische Maßnahmen oder durch Betriebsbeschränkungen - insbesondere Verzicht auf Nachtarbeit - die Emissionen einer später zu bauenden Anlage soweit begrenzt oder die Ableitbedingungen so gestaltet werden, daß schädliche Umwelteinwirkungen in den schutzbedürftigen Gebieten vermieden werden. Das Vorliegen dieser Voraussetzung kann anhand der im Einzelfall vorzulegenden genauen Antragsunterlagen schlüssig geprüft werden.

2.3.1.2 Festsetzung von Industrie- oder Gewerbegebieten, in denen die Art der später anzusiedelnden Betriebe schon bekannt ist

Ist im Planungsverfahren schon bekannt, welche Industrie- oder Gewerbearten in den neu festzusetzenden Industrie- oder Gewerbegebieten untergebracht werden sollen, so soll durch Vergleich der in der Planung vorgegebenen Abstände mit den in der Abstandsliste angegebenen Werten festgestellt werden, ob die für die in Frage kommenden Betriebsarten vorgesehenen Abstände eingehalten sind. Ist dies der Fall, so schlagen die Immissions- und Strahlenschutzbehörden dem Planungsträger vor, in dem Bebauungsplan die vorgesehene Nutzungsart festzusetzen oder zumindest die Nutzung durch Anlagen, die einen größeren Abstand erfordern, auszuschließen. Im übrigen wird hinsichtlich der dem Planungsträger vorzuschlagenden Beschränkungen der Nutzungen im Bebauungsplan und der Ausnahmemöglichkeiten auf Nr. 2.3.1.1 verwiesen.

2.3.1.3 Festsetzung von Industrie- oder Gewerbegebieten, deren Nutzung in allen Einzelheiten bekannt ist

  1. Prüfung anhand der Abstandsliste

    Es ist möglich, daß schon bei der Aufstellung des Bebauungsplans bekannt ist, welcher bestimmte Industrie- oder Gewerbebetrieb angesiedelt werden soll.

    Ergibt der Vergleich des in der Planung vorgegebenen Abstandes zwischen der geplanten industriellen oder gewerblichen Anlage einerseits und einem tatsächlich vorhandenen oder baurechtlich ausgewiesenen oder gleichzeitig auszuweisenden Wohngebiet andererseits mit dem für die entsprechende Betriebsart in der Abstandsliste angegebenen Abstand die Vereinbarkeit mit den Belangen des Immissionsschutzes, so ist nach Nr. 2.3.1.2 zu verfahren.
  2. Einholung von Gutachten im Einzelfall (Immissionsprognose-Gutachten)

    Reicht der in der Planung vorgegebene Abstand nicht aus, so kann unter Zugrundelegung der notwendigen Einzelinformationen (z. B. Emissionskataster) durch ein Einzelgutachten - unbeschadet des späteren immissionsschutz- oder baurechtlichen Genehmigungsverfahrens - geprüft werden, ob der vorgesehene Abstand gleichwohl ausreichen wird, um Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Bewohner der benachbarten Wohngebiete bzw. Misch-, Kern- oder Dorfgebiete zu vermeiden. In diesen Fällen sollen die Immissions- und Strahlenschutzbehörden dem Planungsträger - wenn nicht die Unverträglichkeit der Planung mit den Grundsätzen des Immissionsschutzes von vornherein auf der Hand liegt - empfehlen, ein entsprechendes Einzelgutachten in Auftrag zu geben, wobei - sofern erforderlich - die Fragestellungen formuliert werden sollten. Auf Ersuchen des Planungsträgers haben sich die Immissions- und Strahlenschutzbehörden an der Formulierung der Fragestellung für das Gutachten zu beteiligen. Wegen der Prüfung der Einzelgutachten wird auf Nr. 2.3.3 verwiesen.

    Von der Empfehlung, ein Gutachten einzuholen, sollen die Immissions- und Strahlenschutzbehörden absehen, wenn es ihnen ohne übermäßigen Zeitaufwand möglich ist, aus eigenem Sachverstand den Planungsbehörden eine Lösung vorzuschlagen.

2.3.2 Festsetzung von Wohngebieten

2.3.2.1 Festsetzung von Wohngebieten in der Nachbarschaft von bereits bestehenden und voll besiedelten Industrie- oder Gewerbegebieten

  1. Prüfung anhand der Abstandsliste

    Sollen Wohngebiete in der Nachbarschaft von bereits bestehenden und voll besiedelten Industrie- und Gewerbegebieten festgesetzt werden und ist der sich aus der Abstandsliste ergebende Abstand mehr als nur geringfügig unterschritten, so sollen die Immissions- und Strahlenschutzbehörden den Planungsträger darauf hinweisen, daß in diesen Fällen Belange des Immissionsschutzes entgegenstehen.

    Bei der beabsichtigten Festsetzung von Misch-, Kern- oder Dorfgebieten ist unter Beachtung von Nr. 2.2.2.5 analog zu verfahren.
  2. Einholung von Gutachten im Einzelfall (Immissionsgutachten)

    Die genaue Kenntnis der vorhandenen Emissionssituationen gestattet es, die von dem bestehenden Industrie- oder Gewerbegebiet ausgehenden, auf das neu festzusetzende Wohngebiet einwirkenden Immissionen zu messen und/oder zu berechnen. In diesen Fällen sollen die Immissions- und Strahlenschutzbehörden dem Planungsträger - wenn nicht die Unverträglichkeit der Planung mit den Grundsätzen des Immissionsschutzes von vornherein auf der Hand liegt - empfehlen, mit Hilfe eines Gutachtens feststellen zu lassen, ob tatsächlich und ggf. in welchem Ausmaß Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen in dem festzusetzenden Wohngebiet durch den Betrieb von Industrie- und Gewerbeanlagen zu erwarten sind und ob diese evtl. durch passive Schutzmaßnahmen (z. B. immissionsschutzmäßig günstige Anordnung der Gebäude) im Wohngebiet unterbunden werden können. Auf Ersuchen des Planungsträgers sollen sich die Immissions- und Strahlenschutzbehörden an der Formulierung der Fragestellung für das Gutachten beteiligen. 

    Von der Empfehlung, ein Gutachten einzuholen, sollen die Immissions- und Strahlenschutzbehörden absehen, wenn es ihnen ohne übermäßigen Zeitaufwand möglich ist, eine eigene Stellungnahme abzugeben, die eine entsprechende gutachterliche Beurteilung ersetzt.
  3. Grundlagen des Immissionsgutachtens

    Dem Gutachten ist die für die jeweilige Nutzung ungünstigste Emissionssituation in dem Industrie- oder Gewerbegebiet unter Berücksichtigung der zum Zeitpunkt der Planung absehbaren Entwicklung der Betriebe zugrunde zu legen. Hinsichtlich möglicher Änderungen sind zwei Fälle zu unterscheiden:

    ca) Die vorhandene Emissionssituation in dem bestehenden Industrie- oder Gewerbegebiet ist ungünstiger, als sie - trotz planungsrechtlicher Zulässigkeit der vorhandenen Nutzung -nach den immissionsschutzrechtlichen Vorschriften zulässig ist. In diesem Fall können Verbesserungen der Emissionssituation, die bis zum Inkrafttreten des Bebauungsplanes für das Wohngebiet mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erreicht werden können, berücksichtigt werden; das Gutachten soll die dafür erforderlichen Maßnahmen und die technischen Möglichkeiten zu ihrer Verwirklichung aufzeigen.

    cb) Die vorhandene Emissionssituation in dem bestehenden Industrie- oder Gewerbegebiet ist günstiger, als sie bei voller Ausschöpfung der planungsrechtlichen Zulässigkeit wäre.

    In diesem Fall ist von einer der Gebietsgröße und dem Gebietscharakter entsprechenden gewerblichen bzw. industriellen Nutzung mit den höchsten zulässigen Emissionen auszugehen, wenn nicht feststeht, daß die vorhandene Situation in diesem Gebiet langfristig unverändert bleibt oder sich sogar noch günstiger entwickelt.

2.3.2.2 Festsetzung von Wohngebieten in der Nachbarschaft von festgesetzten, aber noch nicht oder nicht voll besiedelten oder gleichzeitig auszuweisenden Industrie- oder Gewerbegebieten

Ist die Festsetzung von Wohngebieten in der Nachbarschaft von bestehenden, aber noch nicht oder nicht voll besiedelten oder gleichzeitig auszuweisenden Industrie- und Gewerbegebieten vorgesehen, so ist bei der Prüfung, ob der in der Planung vorgesehene Abstand zum Schutz der Wohngebiete ausreicht, von denselben Annahmen wie in Nr. 2.3.2.1 Buchst. cb) auszugehen, soweit nicht für die Industrie- und Gewerbegebiete Beschränkungen planungsrechtlicher Art (z. B. wie in Nr. 2.3.1.1 vorgesehen) bestehen.

2.3.3 Prüfung von Einzelgutachten

In den Fällen der Nr. 2.3.1.3 b und 2.3.2.1 b sollen die Immissions- und Strahlenschutzbehörden darauf hinwirken, daß die vom Planungsträger in Auftrag gegebenen Gutachten ihnen zur Prüfung vorgelegt werden. Führt die Prüfung des Gutachtens zu dem Schluß, daß unter Berücksichtigung der vorgegebenen oder angenommenen Emissionssituation unter Ausschöpfung der durch den Stand der Technik möglichen Maßnahmen zur Emissionsbegrenzung (Vorsorgegrundsatz) und ggf. bestimmter passiver Schutzmaßnahmen im Wohngebiet Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen nicht zu erwarten sind, so soll die Immissions- und Strahlenschutzbehörde ihre Bedenken zurückstellen, ggf. unter der Voraussetzung, daß notwendige aktive und passive Schutzmaßnahmen rechtlich abgesichert werden, z. B. durch Festsetzungen in einem Bebauungsplan oder Vorhaben- und Erschließungsplan, durch Nebenbestimmungen zu einer Baugenehmigung oder durch einen städtebaulichen Vertrag nach § 6 BauGB-MaßnahmenG.

3. Nichtanwendung der Abstandsliste in Zulassungsverfahren und bei Maßnahmen der Überwachungsbehörden

3.1 Baugenehmigungsverfahren

Im Baugenehmigungsverfahren für Einzelvorhaben, die für gewerbliche Zwecke bestimmt sind, sind die Immissions- und Strahlenschutzbehörden zu beteiligen, wenn deren Belange berührt sind oder sein können. In diesen Fällen ist es ausdrücklich Bestandteil des Baugenehmigungsverfahrens, durch die Immissions- und Strahlenschutzbehörden anhand der von den Baugenehmigungsbehörden übersandten Bauvorlagen zu prüfen, ob Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen, hervorgerufen durch schädliche Umwelteinwirkungen, für die Nachbarschaft oder die Allgemeinheit - insbesondere in Wohngebieten - zu erwarten und ggf. durch Auflagen zu vermeiden sind.

Soweit die Bauvorlagen nicht ausreichen, um eine exakte Beurteilung der von der geplanten Anlage zu erwartenden Emissionen vornehmen zu können, werden sich die Beurteilung der voraussichtlichen Immissionssituation und die hieraus zu ziehenden Schlußfolgerungen für die Stellungnahme der Immissions- und Strahlenschutzbehörden auf Erfahrungen mit bestimmten Anlagearten stützen. Für die Stellungnahmen im Baugenehmigungsverfahren für gewerbliche Anlagen bietet die Abstandsliste zu dieser Leitlinie lediglich einen Anhalt dafür, ob bei der Erteilung der Genehmigung evtl. Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Nachbarschaft oder die Allgemeinheit zu erwarten sind.

Jedoch begründet nicht schon die Tatsache, daß der dort angegebene Abstand nicht eingehalten ist, eine ablehnende Stellungnahme. Vielmehr ist in jedem Einzelfall zu prüfen, ob Bedenken gegen das Vorhaben bestehen und wie diese ggf. ausgeräumt werden können.

Ergibt sich aus den vorgelegten Bauvorlagen, daß erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen der Allgemeinheit oder der Nachbarschaft nur durch Auflagen ausgeschlossen werden können, sollen die Immissions- und Strahlenschutzbehörden der Bauaufsichtsbehörde die erforderlichen Auflagen baulicher Art zur Aufnahme in den Bauschein vorschlagen. Die Bauaufsichtsbehörde soll darauf hingewiesen werden, daß nur durch diese Auflagen der notwendige Immissionsschutz in der Nachbarschaft sichergestellt ist.

Ergibt sich aus den vorgelegten Bauvorlagen, daß die hervorgerufenen schädlichen Umwelteinwirkungen das Leben oder die Gesundheit von Menschen oder bedeutende Sachgüter gefährden und diese auch durch Auflagen mit Sicherheit nicht ausgeschlossen werden können, so sollen die Immissions- und Strahlenschutzbehörden die Bauaufsichtsbehörde darauf hinweisen, daß das Vorhaben aus immissionsschutzrechtlichen Gründen nicht genehmigungsfähig ist (§ 25 Abs. 2 BImSchG).

3.2 Umweltrechtliche Zulassungsverfahren

Im umweltrechtlichen Zulassungsverfahren (vor allem immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren, aber auch abfallrechtlichen Genehmigungsverfahren oder Planfeststellungsverfahren) ist die Abstandsliste nicht anzuwenden; in diesen Fällen ist es ausdrücklich Gegenstand des Genehmigungsverfahrens, anhand der Antragsunterlagen und von Einzelgutachten in jedem Einzelfall zu prüfen, ob Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Nachbarschaft oder die Allgemeinheit ausgeschlossen werden können. Die bloße Anwendung der Abstandsliste würde diesem Prüfungsgrundsatz nicht gerecht werden, da der erforderliche Abstand genehmigungsbedürftiger Anlagen von den Beurteilungskriterien Stand der Technik, d. h. von der Anwendung fortschrittlicher Verfahren, abgeleitet und geregelt wird.

3.3 Überwachungsmaßnahmen

Aus der Abstandsliste können auch keine Rückschlüsse auf vorhandene Immissionssituationen gezogen werden. Ob bei einer vorgegebenen Situation durch Industrie- oder Gewerbebetriebe Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen in der Umgebung auftreten, muß im Einzelfall anhand der immissionsschutzrechtlichen Vorschriften (BImSchG, TA Luft, TA Lärm) geprüft werden; der bloße Hinweis auf eine Abstandsunterschreitung rechtfertigt nicht ein Einschreiten der Überwachungsbehörde nach den immissionsschutzrechtlichen Vorschriften gegen Anlagen (siehe bereits oben 2.2.3).

4. Verweis auf weitergehende Erläuterungen zur Abstandsliste

Zum gleichgelagerten Abstandserlaß des Landes Nordrhein-Westfalen sind anlagespezifische Erläuterungsberichte zu den einzelnen Betriebsarten veröffentlicht worden (Abstände zwischen Industrie- bzw. Gewerbegebieten und Wohngebieten im Rahmen der Bauleitplanung (Abstandserlaß), Runderlaß des Ministers für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft vom 21. März 1990 - V B3 - 8804.25.1 (MBl. S. 504) oder Druckschrift des Ministeriums für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft NRW "Immissionsschutz in der Bauleitplanung", Düsseldorf 1990). Es wird empfohlen, diese Erläuterungen als Grundlage der Orientierung zu verwenden.

Sie enthalten Ausführungen über die für die betreffende Betriebsart typischen Emissionen, relevante Emissionsbereiche und Kurztechnologien (Hinweis: In der Abstandsliste wurden die gleichen laufenden Nummern der Betriebsarten gewählt, wie im Erläuterungsbericht der Veröffentlichungen aus NRW). Des weiteren machen sie deutlich, welche Emissionsart die für eine Abstandsbestimmung maßgebliche Größe darstellt.

Anmerkung: Die Anlagen wurden nicht aufgenommen.