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Brandenburgisches Vorschriftensystem (BRAVORS)

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Letzte gültige Fassung

ARCHIV

Außenvertretung kommunaler Gebietskörperschaften in Rechts- und Verwaltungsgeschäften


vom 9. August 1994
(ABl./94, [Nr. 60], S.1302)

Außer Kraft getreten am 9. Juni 2008
(ABl./94, [Nr. 60], S.1302)

Betr.: Außenvertretung kommunaler Gebietskörperschaften in Rechts- und Verwaltungsgeschäften - § 67 GO, § 56 LKrO

Aus gegebenem Anlass weise ich auf die mit In-Kraft-Treten der neuen Kommunalverfassung des Landes Brandenburg (GVBl. I. 1993, S. 398 ff.) am 5. Dezember 1993 einhergehenden Veränderungen im Recht der Außenvertretung kommunaler Gebietskörperschaften hin:

I.

Gemäß § 67 Abs. 1 GO vertritt der hauptamtlich tätige Bürgermeister oder der Amtsdirektor die Gemeinde in Rechts- und Verwaltungsgeschäften; gemäß § 56 Abs. 1 LKrO vertritt der Landrat den Landkreis in Rechts- und Verwaltungsgeschäften.

Die Vorschrift verdeutlichen Rolle und Funktion des jeweiligen Hauptverwaltungsbeamten als gesetzlicher Vertreter der Körperschaft. Sie bringen zum Ausdruck, dass der Hauptverwaltungsbeamte grundsätzlich allein - Ausnahme: vgl. unten II. - mit seinen Erklärungen die jeweilige Körperschaft bindet und die für sie bestimmten Erklärungen entgegennimmt.

Mit der Aufnahme des Amtsdirektors unterstreicht die Gemeindeordnung die am 31. Dezember 1991 in Kraft getretenen Bestimmungen der Amtsordnung: Gemäß § 4 Abs. 3 AmtsO werden die amtsangehörigen Gemeinden in Rechts- und Verwaltungsgeschäften durch das Amt vertreten; gesetzlicher Vertreter des Amtes in Rechts- und Verwaltungsgeschäften ist gemäß § 9 Abs. 4 AmtsO der Amtsdirektor. Es sei daher noch einmal hervorgehoben, dass ehrenamtlich tätige Bürgermeister amtsangehöriger Gemeinden allein keine die Gemeinde verpflichtenden Erklärungen im Außenrechtsverhältnis abgeben können.

II.

§ 67 Abs. 2 GO und § 56 Abs. 2 LKrO beinhaltet für Erklärungen, durch die kommunale Gebietskörperschaften verpflichtet werden sollen (Verpflichtungserklärungen), das Gebot der Schriftform und das Gebot einer zweiten Unterschrift. Die Einhaltung der für Verpflichtungserklärungen bestimmten Form ist Voraussetzung dafür, dass die im Rahmen einer öffentlich-rechtlichen Vertretungsmacht abgegebenen Erklärungen rechtsverbindlich für die vertretenen kommunalen Gebietskörperschaften sind. Wegen der Unterzeichnung der Beamtenurkunden und der Verträge für Angestellte und Arbeiter sei auf § 73 Abs. 3 GO bzw. § 62 Abs. 3 LKrO verwiesen.

  1. Erklärungen, durch welche die Gemeinde verpflichtet werden soll, bedürfen zunächst der Schriftform, § 67 Abs. 2 Satz 1 GO. Mündliche Erklärungen binden die Gemeinde daher grundsätzlich nicht. Erforderlich ist vielmehr die eigenhändige und voll ausgeschriebene Unterschrift mit dem Familiennamen, die die jeweilige Urkunde auch räumlich abschließt. Die Unterschrift muss den gesamten Text des Schreibens einbeziehen.

    Hinsichtlich weiterer Einzelheiten sei auf § 126 BGB verwiesen.

    Das Brandenburgische Kommunalrecht verlangt für die Verpflichtung der Gemeinde oder des Landkreises kein Dienstsiegel; gleichwohl ist die Beifügung des Dienstsiegels zweckmäßig. Amtsangehörige Gemeinden - mit Ausnahme der geschäftsführenden Gemeinden nach § 2 Abs. 2 AmtsO - sind zur Führung eines Dienstsiegels nicht befugt (Umkehrschluss aus § 12 Abs. 2 GO). Dies gilt auch dann, wenn der ehrenamtliche Bürgermeister die zweite Unterschrift leistet.
  2. Das Gebot der zweiten Unterschrift verlangt grundsätzlich, dass neben dem Hauptver-waltungsbeamten auch der Vorsitzende der Vertretungskörperschaft unterschreibt.

    Verpflichtungserklärungen einer amtsangehörigen Gemeinde bedürfen der Unterschrift des Amtsdirektors und des ehrenamtlich tätigen Bürgermeisters.

    Verpflichtungserklärungen einer amtsangehörigen geschäftsführenden Gemeinde, die sie für sich selbst abgibt, bedürfen der Unterschrift des hauptamtlich tätigen Bürgermeisters und des Vorsitzenden der Gemeindevertretung, Verpflichtungserklärungen amtsangehöriger Gemeinden, die durch die amtsangehörige geschäftsführende Gemeinde abgegeben werden, bedürfen der Unterschrift des hauptamtlich tätigen Bürgermeisters der geschäftsführenden Gemeinde und des ehrenamtlich tätigen Bürgermeisters der amtsangehörigen Gemeinde.

    Verpflichtungserklärungen amtsangehöriger Gemeinden, die durch eine beauftragte amtsfreie Gemeinde abgegeben werden, bedürfen der Unterschrift des hauptamtlich tätigen Bürgermeisters der amtsfreien Gemeinde und der Unterschrift des ehrenamtlich tätigen Bürgermeisters der amtsangehörigen Gemeinde.

    Verpflichtungserklärungen einer amtsfreien Gemeinde bedürfen der Unterschrift des hauptamtlich tätigen Bürgermeisters und des Vorsitzenden der Gemeindevertretung.

    Verpflichtungserklärungen des Amtes bedürfen der Unterschrift des Amtsdirektors und des Vorsitzenden des Amtsausschusses.

    Verpflichtungserklärungen eines Landkreises bedürfen der Unterschrift des Landrates und des Vorsitzenden des Kreistages.

III.

Den Vorschriften des § 67 Abs. 2 GO bzw. § 56 Abs. 2 LKrO unterliegen grundsätzlich alle für die Gemeinde bzw. den Landkreis abgegebenen Willenserklärungen, die - nicht nur als Nebenfolge - auf die Begründung einer Verbindlichkeit abzielen (Verpflichtungserklärungen), seien sie nun öffentlich-rechtlichen oder bürgerlich-rechtlichen Inhalts.

Beispiele:

Kauf- und Werkverträge, Darlehen, Bürgschaften, Gesellschaftsverträge, die Aus-übung eines gesetzlichen Vorkaufsrechts, die Zusage, keinen Erschließungsbeitrag zu erheben, der Verzicht auf künftige Beiträge.

 Zur Erleichterung des Rechtsverkehrs bestehen jedoch folgende Ausnahmen (§ 67 Abs. 3, Abs. 4 GO, § 56 Abs. 3, Abs. 4 LKrO):

  1. Geschäfte der laufenden Verwaltung sind nicht in den Formen des § 67 Abs. 2 abzuschließen. Für Geschäfte der laufenden Verwaltung reicht daher die Unterschrift eines vertretungsberechtigten Beamten oder Angestellten aus.

    Was im einzelnen zur laufenden Verwaltung gehört [§ 63 Abs. 1 Buchst. e) GO, § 52 Abs. 1 Buchst. e) LKrO] ist stark von der Art des vorzunehmenden Geschäfts und von den örtlichen Verhältnissen abhängig und kann von Gemeinde zu Gemeinde, von Landkreis zu Landkreis verschieden sein. Es handelt sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff. An dieser Stelle soll lediglich auf folgende Festlegungen verwiesen werden:

    Nach BGH (NJW 1980, 117) fallen darunter diejenigen Geschäfte, “die in mehr oder weniger regelmäßiger Wiederkehr vorkommen und zugleich nach Größe, Umfang der Verwaltungstätigkeit und Finanzkraft der beteiligten Gemeinde von sachlich weniger erheblicher Bedeutung sind”.

    Nach OVG Münster (Eildienst LKT NW 1970, 67, 68) “liegt ein Geschäft der laufenden Verwaltung dann vor, wenn die Sache nach Regelmäßigkeit und Häufigkeit zu den üblichen Geschäften gehört, ohne dass bejahendenfalls noch auf Umfang und Schwierigkeiten rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht und auf die finanziellen Auswirkungen abzustellen wäre; wesentliches Merkmal ist die Erledigung nach feststehenden Grundsätzen auf eingefahrenen Gleisen”.
  2. Eine zweite Unterschrift ist nicht erforderlich, wenn ein Bevollmächtigter als alleiniger Vertreter Geschäfte abschließt und die Vollmacht den Voraussetzungen des § 67 Abs. 2 GO bzw. § 56 Abs. 2 LKrO entspricht (schriftlich, zwei Unterschriften). Ohne eine solche Vollmacht wären bei Grundstücksgeschäften beispielsweise ehrenamtlicher Bürgermeister und Amtsdirektor gehalten, den Notartermin wahrzunehmen. Wird die Vollmacht unter Beachtung der Vorschriften des § 67 Abs. 2 GO bzw. des § 56 Abs. 2 LKrO erteilt, bedarf das eigentliche Rechtsgeschäft dieser Form nicht mehr.

    Beispiel: Der Kreistag des Landkreises X beschließt, für den Landkreis X ein bestimmtes Grundstück zu erwerben; hinsichtlich der Einzelheiten besteht mit dem Verkäufer V aufgrund von Vorverhandlungen Einigkeit; der Leiter des Liegenschaftsamtes, Herr C, wird beauftragt, den Notartermin wahrzunehmen. In diesem Falle könnte folgende Bevollmächtigung erteilt werden:

    Ort, Datum

    Vollmacht

    Hiermit wird Herr C, Leiter des Liegenschaftsamtes des Landkreises X, ausgewiesen durch Dienst/Personalausweis-Nr. ..., ermächtigt, die zum Kauf des Grundstücks, Flur ..., Flurstück ..., von ... (Verkäufer) vor dem Notar ... erforderlichen Erklärungen abzugeben.

    (Landrat)                                                   (Vorsitzender des Kreistages)


    Häufig besteht das Bedürfnis, dass der Hauptverwaltungsbeamte selbst beim Notar zugegen ist. Im Schrifttum (Thiele, Nds. GO, § 63 Anm. 4.) werden wegen § 181 BGB Bedenken geäußert, in dieser Situation den Hauptverwaltungsbeamten die auf ihn lautende Vollmacht unterzeichnen zu lassen; dort wird empfohlen, zur Vermeidung von Unsicherheiten die Vollmacht von seinem Vertreter erteilen zu lassen.

    Beispiel: Die Gemeindevertretung der Gemeinde Y beschließt, ein Grundstück der Gemeinde zu verkaufen. Der Amtsdirektor, Herr D, wird beauftragt, den Notartermin wahrzunehmen. In diesem Falle könnte folgende Bevollmächtigung erteilt werden:

    Ort, Datum

    Vollmacht

    Hiermit wird Herr D, Amtsdirektor des Amtes ..., ermächtigt, die zum Verkauf des Grundstücks, Flur ..., Flurstück ..., an ... (Käufer) vor dem Notar ... die erforderlichen Erklärungen abzugeben.

    (A)                                                                                   (B)

    mit der Stellvertretung des Amtsdirektors beauftragt                          ehrenamtlicher Bürgermeister der Gemeinde Y


    Die Bevollmächtigung bedarf nicht der notariellen Beurkundung. Sie kann sich auf ein bestimmtes Geschäft oder einen bestimmten abgegrenzten Geschäftskreis beschränken, z. B. zu Grundstücksgeschäften bestimmter Art in bestimmter Höhe berechtigen.

IV.

Gemäß § 67 Abs. 5 GO bzw. § 56 Abs. 5 LKrO binden Erklärungen, die nicht den Formvorschriften dieses Gesetzes entsprechen, die Gemeinde bzw. den Landkreis nicht.

Unter Formvorschriften sind nicht nur die in § 67 GO bzw. § 56 LKrO enthaltenen Formvorschriften, sondern auch sonstige in der GO bzw. der LKrO enthaltenen Formvorschriften zu verstehen, zum Beispiel § 73 Abs. 3 GO bzw. § 62 Abs. 3 LKrO (Urkunden für Beamte und Arbeitsverträge).

Geschäfte, die diesen Formvorschriften nicht entsprechen, sind wegen des Vertretungsmangels schwebend unwirksam.

Ist eine verpflichtende Willenserklärung zunächst nur von einem der beiden Vertreter abgegeben worden, so kann daher der andere Vertreter diese Willenserklärung noch genehmigen (vgl. BGH, NJW 1982, 1036). Für die nachträgliche Genehmigung muss die Schriftform gefordert werden (BGH, NJW 1984, 606). Eine Genehmigung wird insbesondere bei entsprechender Beschlusslage in Betracht kommen.

Wird seitens der kommunalen Gebietskörperschaft die Genehmigung verweigert, lässt sich auch unter Billigkeitsgesichtspunkten im allgemeinen eine Wirksamkeit des Vertrages nicht konstruieren [BGH, JNW 1985, 1778 (1780)]. “Nur unter sehr engen Voraussetzungen, wenn nämlich die Nichtigkeitsfolgen für den Vertragsgegner zu schlechthin unerträglichen Ergebnissen führen würden und ein notwendiger Ausgleich mit anderen rechtlichen Mitteln nicht zu erzielen ist, kann es geboten sein, die Gemeinde an die Verpflichtungserklärung zu binden und ihr die Berufung auf deren Unwirksamkeit als Verstoß gegen Treu und Glauben zu versagen [BGH, NJW 1984, 606 (607)]”.

Die Vertreter ohne Vertretungsmacht haften nach den Grundsätzen der §§ 177, 179 BGB.

V.

Die Landräte werden gebeten, vorstehenden Runderlass den kreisangehörigen Ämtern, Gemeinden und Städten zur Kenntnis zu geben.

Im Auftrag

gez. Muth