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Berufsordnung für Hebammen und Entbindungspfleger im Land Brandenburg (HebBOBbg)

Berufsordnung für Hebammen und Entbindungspfleger im Land Brandenburg (HebBOBbg)
vom 8. November 1995
(GVBl.II/95, [Nr. 73], S.702)

zuletzt geändert durch Artikel 55 des Gesetzes vom 5. März 2024
(GVBl.I/24, [Nr. 9], S.26)

Auf Grund des § 1 Abs. 2 des Gesetzes über die Ausübung des Berufes der Hebamme und des Entbindungspflegers im Land Brandenburg vom 19. Oktober 1993 (GVBl. I S. 460) verordnet die Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen:

§ 1
Geltungsbereich

Diese Verordnung gilt für Hebammen und Entbindungspfleger, die im Land Brandenburg ihren Beruf ausüben. Sie gilt auch für Hebammen und Entbindungspfleger, die als Staatsangehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder eines Vertragsstaates, dem die Bundesrepublik Deutschland und die Europäische Gemeinschaft oder die Bundesrepublik Deutschland und die Europäische Union vertraglich einen entsprechenden Rechtsanspruch eingeräumt haben, im Geltungsbereich dieses Gesetzes im Rahmen des Dienstleistungsverkehrs nach dem Recht der Europäischen Union ihren Beruf vorübergehend und gelegentlich ausüben, ohne hier eine berufliche Niederlassung zu haben.

§ 2
Aufgaben

(1) Hebammen und Entbindungspfleger sind befugt, folgende Tätigkeiten in eigener Verantwortung auszuführen:

  1. Aufklärung und Beratung in Fragen der Familienplanung;
  2. Feststellung der Schwangerschaft und Beobachtung der regelrechten Schwangerschaft; Durchführung der zur Beobachtung des Verlaufs der regelrechten Schwangerschaft notwendigen Untersuchungen;
  3. Veranlassung von Untersuchungen zur möglichst frühzeitigen Feststellung einer Risikoschwangerschaft und Aufklärung über die damit zusammenhängenden Besonderheiten;
  4. Vorbereitung auf die Elternschaft; umfassende Vorbereitung auf die Geburt einschließlich Beratung in Fragen der Hygiene und Ernährung von Mutter und Kind;
  5. Betreuung der Gebärenden während der Geburt und Überwachung des Fötus mit Hilfe geeigneter klinischer und technischer Mittel;
  6. Durchführung von Regelgeburten einschließlich, sofern erforderlich, eines Dammschnitts sowie im Notfall von Beckenendlagegeburten; Ausführung der Dammnaht unter ärztlicher Aufsicht sowie im Notfall in eigener Verantwortung;
  7. Feststellung der Anzeichen von Anomalien bei der Mutter oder beim Kind, die das Eingreifen einer Ärztin oder eines Arztes erforderlich machen sowie Hilfeleistung bei etwaigen ärztlichen Maßnahmen; Ergreifen der notwendigen Maßnahmen bei Abwesenheit des Arztes, insbesondere manuelle Lösung der Nachgeburt bei vitaler Indikation;
  8. Untersuchung, Überwachung und Pflege des Neugeborenen regelmäßig in den ersten zehn Tagen nach der Geburt und erforderlichenfalls darüber hinaus einschließlich von Prophylaxe-Maßnahmen sowie der Blutentnahme für Screening- und andere notwendige Untersuchungen; Einleitung und Durchführung der erforderlichen Maßnahmen in Notfällen und erforderlichenfalls Durchführung der sofortigen Wiederbelebung des Neugeborenen;
  9. Pflege der Wöchnerin, Überwachung des Zustandes der Mutter regelmäßig in den ersten zehn Tagen nach der Geburt und erforderlichenfalls darüber hinaus sowie Erteilung zweckdienlicher Ratschläge für die bestmögliche Pflege und Ernährung des Neugeborenen;
  10. Anleitung und Beratung der Eltern während des ersten Lebensjahres des Kindes, insbesondere im Hinblick auf das Stillen, die Ernährung und die Pflege des Kindes;
  11. Durchführung der ärztlich verordneten Behandlung;
  12. Abfassen der erforderlichen schriftlichen oder elektronischen Berichte über die vorgenannten Maßnahmen;
  13. Ausstellen von Bescheinigungen im Rahmen der Berufsausübung.

(2) Hebammen und Entbindungspfleger haben Schwangere, Gebärende und Wöchnerinnen über jede beabsichtigte Maßnahme und deren Folgen aufzuklären. Bei der Beratung sind neben medizinischen auch soziale und psychische Faktoren zu berücksichtigen.

§ 3
Abgrenzung zur ärztlichen Tätigkeit

(1) Hebammen und Entbindungspfleger leisten eigenverantwortlich Hilfe bei allen regelrechten Vorgängen der Schwangerschaft, der Geburt und des Wochenbettes. Bei Regelwidrigkeiten oder Verdacht auf Regelwidrigkeiten haben Hebammen und Entbindungspfleger die Hinzuziehung einer Ärztin oder eines Arztes oder die Einweisung in ein Krankenhaus zu veranlassen.

(2) Übernimmt eine Ärztin oder ein Arzt die Behandlung, ist sie oder er der Hebamme oder dem Entbindungspfleger gegenüber weisungsbefugt.

§ 4
Anwendung von Arzneimitteln

(1) Hebammen und Entbindungspfleger dürfen im Rahmen der in § 2 Abs. 1 genannten Aufgaben ohne ärztliche Verordnung folgende Arzneimittel unter Beachtung der Herstellerangaben anwenden und verabreichen:

  1. bei gegebener Indikation in der Eröffnungsperiode ein betäubungsmittelfreies krampflösendes oder schmerzstillendes Medikament, das für die Geburtshilfe angezeigt ist,
  2. bei der Gefahr oder dem Auftreten bedrohlicher Blutungen in der Nachgeburtsperiode, falls eine Ärztin oder ein Arzt nicht rechtzeitig zugezogen werden kann oder die rechtzeitige Einweisung in ein Krankenhaus nicht möglich ist, Wehenmittel oder Mutterkornpräparate oder eine Kombination beider Wirkstoffe zur Blutstillung,
  3. zur Überbrückung einer Notfallsituation wehenhemmende Mittel bis zur Aufnahme in ein Krankenhaus,
  4. im Falle einer Dammnaht ein Lokalanästhetikum.

(2) Freiberuflich tätige Hebammen und Entbindungspfleger haben Arzneimittel nach Absatz 1 verfügbar zu halten.

(3) Sofern die Verfügbarkeit der Arzneimittel nicht auf andere Weise sichergestellt werden kann, stellt eine Ärztin oder ein Arzt des örtlich zuständigen Gesundheitsamtes die notwendigen Rezepte aus.

§ 5
Dokumentationspflicht

(1) Hebammen und Entbindungspfleger haben über die in Ausübung des Berufes getroffenen Feststellungen und Maßnahmen sowie über verabreichte und angewendete Arzneimittel die erforderlichen Aufzeichnungen zu führen. Es gelten die Mindestanforderungen nach Anlage 1. Soweit Hebammen und Entbindungspfleger außerhalb von Krankenhäusern oder im Belegsystem Geburtshilfe leisten, haben sie ein Geburtsprotokoll zu führen, das darüber hinaus mindestens Angaben nach Anlage 2 enthält.

(2) Hebammen und Entbindungspfleger haben die Aufzeichnungen und Geburtskontrolle unter Beachtung ihrer beruflichen Schweigepflicht und der geltenden Datenschutzvorschriften mindestens zehn Jahre aufzubewahren; bei Unterbrechung ihrer beruflichen Tätigkeit um mehr als drei Jahre sowie bei dauerhaftem Ausscheiden aus dem Berufsleben haben sie dafür Sorge zu tragen, daß die Aufzeichnungen und Geburtsprotokolle unverzüglich dem örtlich zuständigen Gesundheitsamt übergeben werden. Sonstige Aufbewahrungsvorschriften bleiben hiervon unberührt.

(3) Freiberuflich tätige Hebammen und Entbindungspfleger sind verpflichtet, den Gesundheitsbehörden nach Aufforderung anhand dieser Aufzeichnungen anonymisierte Auskünfte für medizinal-statistische Zwecke zu erteilen.

(4) Freiberuflich tätige Hebammen und Entbindungspfleger sind verpflichtet, sich an Perinatalerhebungen im Rahmen von landesweiten Qualitätssicherungsmaßnahmen zu beteiligen.

§ 6
Schweigepflicht

Hebammen und Entbindungspfleger haben über das, was ihnen im Rahmen der Berufsausübung anvertraut oder bekanntgeworden ist, zu schweigen, soweit sie nicht zur Offenbarung befugt sind (§ 203 des Strafgesetzbuches). Dazu gehören auch schriftliche Mitteilungen der betreuten Frauen, Aufzeichnungen über diese sowie Untersuchungsbefunde. Diese Schweigepflicht gilt auch gegenüber Ärztinnen und Ärzten, die nicht bei der Behandlung oder Betreuung mitwirken.

§ 7
Fortbildungspflicht

(1) Hebammen und Entbindungspfleger haben sich über die für die Berufsausübung geltenden Vorschriften und wissenschaftlichen, insbesondere medizinischen und hygienischen Erkenntnisse zu informieren und sie zu beachten.

(2) Geeignete Mittel zur Fortbildung im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 3 des Gesetzes über die Ausübung des Berufes der Hebamme und des Entbindungspflegers sind insbesondere die Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen der Hebammenschulen und der Hebammenverbände sowie das Studium der Fachliteratur. Hebammen und Entbindungspfleger haben in dem Umfang von den Fortbildungsmöglichkeiten Gebrauch zu machen, wie dies zur Erhaltung und Entwicklung der zur Berufsausübung notwendigen Fachkenntnisse erforderlich ist.

(3) Hebammen und Entbindungspfleger müssen eine dem Absatz 2 entsprechende Fortbildung gegenüber dem örtlich zuständigen Gesundheitsamt in geeigneter Form nachweisen können.

§ 8
Zusammenarbeit der Hebammen und Entbindungspfleger

Hebammen und Entbindungspfleger haben bei ihrer beruflichen Tätigkeit kollegial zusammenzuarbeiten. Freiberuflich tätige Hebammen und Entbindungspfleger sollen zur gegenseitigen Vertretung bereit sein.

§ 9
Aufsicht des Gesundheitsamtes, Anzeige- und Meldepflichten

(1) Freiberuflich tätige Hebammen und Entbindungspfleger sind im Rahmen der Aufsicht und Überwachung durch den öffentlichen Gesundheitsdienst verpflichtet, dem örtlich zuständigen Gesundheitsamt die hierfür notwendigen Auskünfte zu erteilen und Einblick in ihre Aufzeichnungen und Tagebücher zu gewähren.

(2) Freiberuflich tätige Hebammen und Entbindungspfleger sind verpflichtet, unverzüglich das örtlich zuständige Gesundheitsamt zu benachrichtigen, wenn eine von ihnen betreute Schwangere, Gebärende, Wöchnerin oder ein Neugeborenes verstorben oder eine Totgeburt erfolgt ist. Unberührt bleiben sonstige Melde- und Anzeigepflichten, insbesondere die Meldepflicht nach dem Bundes-Seuchengesetz, die Anzeigepflichten nach dem Personenstandsgesetz und die Pflichten zur Sicherung der Beratung Behinderter nach dem 12. Abschnitt des Bundessozialhilfegesetzes.

§ 10
Besondere Pflichten bei freiberuflicher Tätigkeit

Freiberuflich tätige Hebammen und Entbindungspfleger sind verpflichtet,

  1. sich ausreichend gegen Haftpflichtansprüche im Rahmen der beruflichen Tätigkeit zu versichern,
  2. ihre Praxis durch ein Schild zu kennzeichnen, das Namen, Berufsbezeichnung und Sprechstunden angibt,
  3. nicht in berufsunwürdiger Weise zu werben,
  4. ihre selbständige Berufsausübung nach § 21 des Brandenburgischen Gesundheitsdienstgesetzes und der hierzu erlassenen Verordnung anzuzeigen.

§ 11
Inkrafttreten

Diese Verordnung tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft.

Potsdam, den 8. November 1995

Die Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen
Dr. Regine Hildebrandt

Anlage 1

Hebammendokumentation nach § 5 Abs. 1 Satz 1 bis 3

  1. Die Dokumentation ist anhand von Formblättern zu führen.
  2. Die gesamte Hebammentätigkeit muß nachvollziehbar sein und der betreuenden Hebamme namentlich zugeordnet werden können.
  3. Jede Eintragung ist mit Datum und Uhrzeit zu versehen.
  4. Die Dokumentation hat eindeutige Angaben zur Anamnese zu enthalten.

Anlage 2

Geburtsprotokoll nach § 5 Abs. 1 Satz 4

  • Vitalzeichen
  • Allgemeinbefinden
  • Ein- und Ausfuhr
  • Herzton- und Wehenverlauf
  • Geburtsfortschritt
  • Information und Hinzuziehung einer Ärztin oder eines Arztes
  • Beratung und Aufklärung, einschließlich der Dokumentation abgelehnter Maßnahmen
  • Verabreichte und angewendete Arzneimittel sowie Maßnahmen zur Geburtserleichterung
  • Mobilität
  • Geburt:
    Vollständigkeit des Muttermundes
    Höhenstand der Leitstelle
    Beginn der Preßwehen
  • Erstuntersuchung des Neugeborenen
    Vital- und Reifezeichen
  • Nachgeburtsperiode:
    Leitung der Plazentarperiode
    Beurteilung der Plazenta
    Blutverlust
  • Besonderheiten/Auffälligkeiten

Muster eines Geburtsprotokolls

(Das nachfolgende Muster stellt ein Beispiel eines Geburtsprotokolls dar. Gemäß Anlage 1 Nr. 1 steht es Hebammen und Entbindungspflegern frei, ein anderes Formblatt zu verwenden, sofern es den Mindestanforderungen der Anlage 1 und 2 genügt.)
Anm.: diese Anlage wurde nicht aufgenommen.