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Gesetz über die Sicherung und Nutzung von öffentlichem Archivgut im Land Brandenburg (Brandenburgisches Archivgesetz - BbgArchivG)

Gesetz über die Sicherung und Nutzung von öffentlichem Archivgut im Land Brandenburg (Brandenburgisches Archivgesetz - BbgArchivG)
vom 7. April 1994
(GVBl.I/94, [Nr. 09], S.94)

zuletzt geändert durch Artikel 4 des Gesetzes vom 5. März 2024
(GVBl.I/24, [Nr. 9], S.7)

Der Landtag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Inhaltsverzeichnis

Abschnitt 1
Allgemeines

§ 1 Anwendungsbereich
§ 2 Begriffsbestimmungen

Abschnitt 2
Erfassung, Übernahme, Verwahrung und Sicherung

§ 3 Aufgaben der öffentlichen Archive
§ 4 Erfassung
§ 5 Bewertung und Übernahme
§ 6 Verwahrung und Sicherung

Abschnitt 3
Benutzung

§ 7 Benutzung durch die abgebende Stelle
§ 8 Benutzung durch Betroffene
§ 9 Benutzung durch Dritte
§ 10 Schutzfristen
§ 11 Einschränkung und Ausschluß der Benutzung
§ 12 Benutzung von Archivgut von Stellen des Bundes

Abschnitt 4
Organisation und Zuständigkeiten

§ 13 Oberste Archivbehörde des Landes
§ 14 Brandenburgisches Landeshauptarchiv
§ 15 Archivgut des Landtages
§ 16 Kommunale Archive

Abschnitt 5
Schlußvorschriften

§ 17 Regelungsbefugnisse
§ 18 Inkrafttreten, Außerkrafttreten

Abschnitt 1
Allgemeines

§ 1
Anwendungsbereich

(1) Dieses Gesetz regelt die Sicherung und Nutzung von öffentlichem Archivgut und die Tätigkeit der öffentlichen Archive im Land Brandenburg.

(2) Dieses Gesetz gilt nicht für die öffentlich-rechtlichen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften, für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und für öffentlich-rechtliche Unternehmen mit eigener Rechtspersönlichkeit, die am Wettbewerb teilnehmen, und deren Zusammenschlüsse.

§ 2
Begriffsbestimmungen

(1) öffentliches Archivgut ist Archivgut des Landes, Archivgut des Bundes, sofern und soweit es von einem öffentlichen Archiv übernommen wird, und kommunales Archivgut. öffentliches Archivgut sind auch archivwürdige Unterlagen, die die öffentlichen Archive zur Ergänzung ihres Archivgutes erwerben oder übernehmen.

(2) Archivgut des Landes sind alle archivwürdigen Unterlagen, die bei Verfassungsorganen, Behörden, Gerichten, juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder deren Vereinigungen, bei deren Rechts- und Funktionsvorgängern oder sonstigen Stellen des Landes (Stellen des Landes) entstanden sind und zur dauernden Aufbewahrung von dem Brandenburgischen Landeshauptarchiv oder einem anderen öffentlichen Archiv übernommen oder diesem zur Nutzung überlassen werden.

(3) Kommunales Archivgut sind alle archivwürdigen Unterlagen, die bei Gemeinden oder Gemeindeverbänden, bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts, die deren Aufsicht unterstehen, sowie bei deren Rechts- und Funktionsvorgängern (kommunale Stellen) entstanden sind und zur dauernden Aufbewahrung von einem kommunalen oder einem anderen öffentlichen Archiv übernommen oder diesem zur Nutzung überlassen werden.

(4) Zwischenarchivgut sind die von einem öffentlichen Archiv zur vorläufigen Aufbewahrung in ein Zwischenarchiv übernommenen Unterlagen, deren Aufbewahrungsfrist noch nicht abgelaufen und aus denen das Archivgut noch nicht ausgewählt worden ist.

(5) Unterlagen sind insbesondere Akten, Amtsbücher, Urkunden, Handschriften und andere Schriftstücke, Dateien, amtliche Druckschriften, Pläne, Karten, Plakate, Siegel, Petschafte, Bild-, Film-, Tondokumente, maschinenlesbare sowie sonstige Informationsträger einschließlich der zu ihrer Auswertung, Sicherung und Nutzung erforderlichen Hilfsmittel und Programme.

(6) Archivwürdig sind Unterlagen, die aufgrund ihrer rechtlichen, politischen, wirtschaftlichen, sozialen oder kulturellen Bedeutung für die Erforschung und das Verständnis von Geschichte und Gegenwart, für Gesetzgebung, Rechtsprechung und Verwaltung oder für die Sicherung berechtigter Belange Betroffener oder Dritter von bleibendem Wert sind.

(7) Öffentliche Archive sind alle Archive im Land Brandenburg, die von Stellen des Landes oder von Gemeinden und Gemeindeverbänden unterhalten werden und öffentliches Archivgut übernehmen.

(8) Archivfachliche Voraussetzungen für die Einrichtung und Unterhaltung eines öffentlichen Archivs sind:

  1. die Betreuung durch hauptamtlich oder hauptberuflich tätiges Archivpersonal, das eine archivfachliche Ausbildung besitzt oder in sonstiger Weise fachlich geeignet ist, oder durch anderes geeignetes Personal, wenn eine fachliche Beratung durch ein öffentliches Archiv, in dem Archivfachpersonal vorhanden ist, erfolgt, und
  2. das Vorhandensein geeigneter und ausreichender Magazin- und Diensträume, die den Brandschutz-, Datenschutz- und Sicherheitsvorschriften entsprechen.

Abschnitt 2
Erfassung, Übernahme, Verwahrung und Sicherung

§ 3
Aufgaben der öffentlichen Archive

(1) Die öffentlichen Archive haben die Aufgabe, das öffentliche Archivgut festzustellen, zu erfassen, zu übernehmen, auf Dauer zu verwahren, zu sichern und zu erhalten, zu erschließen, allgemein nutzbar zu machen, für die Benutzung bereitzustellen und auszuwerten.

(2) Die öffentlichen Archive beraten die anbietungspflichtigen Stellen bei der Verwaltung und Sicherung der Unterlagen.

(3) Die öffentlichen Archive nehmen Aufgaben im Rahmen der archivarischen Aus- und Fortbildung wahr.

(4) Die öffentlichen Archive wirken an der Auswertung des von ihnen verwahrten Archivgutes sowie an der Erforschung und Vermittlung insbesondere der brandenburgischen und deutschen Geschichte, der Heimat- und Ortsgeschichte mit und leisten dazu eigene Beiträge.

§ 4
Erfassung

(1) Die Stellen des Landes und die kommunalen Stellen sind verpflichtet, alle Unterlagen, die zur Erfüllung ihrer Aufgaben nicht mehr benötigt werden, dem zuständigen öffentlichen Archiv unverändert anzubieten und, soweit sie archivwürdig sind, zu übergeben. Unterlagen sind spätestens dreißig Jahre nach ihrer Entstehung anzubieten, soweit nicht Rechtsvorschriften oder Verwaltungsvorschriften oberster Landesbehörden längere Aufbewahrungsfristen festlegen.

(2) Zur Übernahme anzubieten und abzuliefern sind auch Unterlagen, die

  1. personenbezogene Daten enthalten, welche nach einer Rechtsvorschrift des Landes gelöscht oder vernichtet werden müßten oder nach Rechtsvorschriften des Bundes oder des Landes gelöscht werden könnten, sofern die Speicherung der Daten nicht unzulässig war oder
  2. personenbezogene Daten im Sinne des Artikels 9 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1; L 314 vom 22.11.2016, S. 72) enthalten oder
  3. einem Berufs- oder Amtsgeheimnis oder sonstigen Rechtsvorschriften über die Geheimhaltung unterliegen. Die nach § 203 Abs. 1 Nr. 1, 4 und 4a des Strafgesetzbuches geschützten Unterlagen einer Beratungsstelle dürfen nur in anonymisierter Form angeboten und übergeben werden.

(3) Von der Anbietungspflicht ausgenommen sind Unterlagen, deren Offenbarung gegen das Brief-, Post- oder Fernmeldegeheimnis verstoßen würde.

(4) Juristische Personen des öffentlichen Rechts, die der Aufsicht des Landes unterstehen, und ihre Vereinigungen sind von der Anbietungspflicht befreit, wenn sie ein eigenes öffentliches Archiv unterhalten, das archivfachlichen Voraussetzungen im Sinne des § 2 Abs. 8 genügt, oder wenn die Unterlagen bei einer entsprechenden archivischen Gemeinschaftseinrichtung archiviert werden. Ob dieses öffentliche Archiv den archivfachlichen Voraussetzungen genügt, entscheidet die oberste Archivbehörde im Benehmen mit dem Archivträger.

(5) Die Landräte und die Oberbürgermeister sollen die Unterlagen, die im Rahmen ihrer Funktion als allgemeine untere Landesbehörde entstanden sind, dem zuständigen Kreis- oder Stadtarchiv anbieten und übergeben.

(6) Durch Vereinbarung zwischen dem zuständigen öffentlichen Archiv und der anbietenden Stelle oder, im Falle von Behörden, Gerichten und Stellen des Landes, der jeweils zuständigen obersten Landesbehörde kann

  1. Art und Umfang der anzubietenden Unterlagen vorab festgelegt werden,
  2. auf die Anbietung von Unterlagen von offensichtlich geringer Bedeutung verzichtet werden,
  3. der Umfang der anzubietenden gleichförmigen Unterlagen, die in großer Zahl erwachsen, im einzelnen festgelegt werden.

(7) Für maschinenlesbare Datenbestände sind Art und Umfang sowie die Form der Übermittlung der anzubietenden Daten vorab zwischen der anbietenden Stelle und dem zuständigen öffentlichen Archiv festzulegen. Datenbestände, die aus verarbeitungstechnischen Gründen vorübergehend vorgehalten werden, sind nicht anzubieten.

(8) Die anbietenden Stellen haben dem zuständigen öffentlichen Archiv auch Exemplare aller von ihnen herausgegebenen oder in ihrem Auftrag erscheinenden amtlichen Drucksachen und anderen Veröffentlichungen zur Übernahme anzubieten.

§ 5
Bewertung und Übernahme

(1) Das zuständige öffentliche Archiv entscheidet über die Archivwürdigkeit der angebotenen Unterlagen und über deren Übernahme in das Archiv.

(2) Dem zuständigen öffentlichen Archiv ist von der anbietenden Stelle Einsicht in alle vorhandenen Unterlagen sowie in die zugehörigen Findmittel und Programme zu gewähren.

(3) Wenn das zuständige öffentliche Archiv die Archivwürdigkeit verneint oder innerhalb eines halben Jahres nach Anbietung nicht über die Archivwürdigkeit der angebotenen Unterlagen entscheidet, können die Unterlagen durch die anbietende Stelle vernichtet werden, wenn durch die Vernichtung schutzwürdige Belange Betroffener nicht beeinträchtigt werden. Vor einer Entscheidung des zuständigen öffentlichen Archivs oder vor Ablauf dieser Frist dürfen Unterlagen von der anbietenden Stelle ohne Zustimmung des zuständigen öffentlichen Archivs nicht vernichtet werden.

(4) Unterlagen nach § 4 Abs. 2 Nr. 2, die nicht von einem öffentlichen Archiv übernommen werden, sind zu löschen, wenn keine Notwendigkeit mehr besteht, die Daten im Interesse von Betroffenen weiter aufzubewahren.

(5) Das zuständige öffentliche Archiv kann auch Zwischenarchivgut übernehmen. Die Aufbewahrung des Zwischenarchivgutes im zuständigen öffentlichen Archiv erfolgt im Auftrag der anbietenden Stelle oder ihres Rechts- oder Funktionsnachfolgers. Diese Stelle bleibt für die Unterlagen weiterhin verantwortlich und entscheidet über die Benutzung durch Dritte. Die Verantwortung des zuständigen öffentlichen Archivs beschränkt sich bis zur endgültigen Übernahme auf die notwendigen technischen und organisatorischen Maßnahmen zur Verwahrung und Sicherung dieser Unterlagen.

§ 6
Verwahrung und Sicherung

(1) öffentliches Archivgut ist im zuständigen öffentlichen Archiv aufzubewahren. In Ausnahmefällen kann mit Genehmigung der obersten Archivbehörde Archivgut des Landes aufgrund einer Vereinbarung in einem anderen als dem zuständigen öffentlichen Archiv aufbewahrt oder einem anderen als dem zuständigen öffentlichen Archiv übergeben werden, wenn dafür ein besonderer fachlicher Grund besteht, die archivfachlichen Voraussetzungen im Sinne des § 2 Abs. 8 gegeben sind und sichergestellt ist, daß schutzwürdige Belange Betroffener nicht und die Benutzung durch Betroffene und Dritte nicht erheblich beeinträchtigt werden.

(2) Öffentliches Archivgut ist unveräußerlich. Unterlagen, bei denen keine Archivwürdigkeit besteht, sind vom zuständigen öffentlichen Archiv zu vernichten.

(3) Die öffentlichen Archive haben die notwendigen organisatorischen, technischen und personellen Maßnahmen zu treffen, um die dauernde Aufbewahrung, Erhaltung und Benutzbarkeit des Archivgutes zu gewährleisten sowie seinen Schutz vor unbefugter Benutzung, vor Beschädigung oder Vernichtung sicherzustellen. Insbesondere sind geeignete Maßnahmen zu treffen, um vom Zeitpunkt der Übernahme an solche Unterlagen zu sichern, die personenbezogene Daten enthalten oder Rechtsvorschriften über Geheimhaltung unterliegen.

(4) Für die Erfüllung der Aufgaben der öffentlichen Archive darf das Archivgut mittels maschinenlesbarer Datenträger erfaßt und gespeichert werden. Die Auswertung der gespeicherten Informationen ist nur zur Erfüllung der in diesem Gesetz genannten Zwecke zulässig.

(5) Die Verknüpfung personenbezogener Daten durch das zuständige öffentliche Archiv ist innerhalb der in § 10 genannten Schutzfristen nur zulässig, wenn die schutzwürdigen Belange Betroffener oder Dritter angemessen berücksichtigt werden.

Abschnitt 3
Benutzung

§ 7
Benutzung durch die abgebende Stelle

(1) Die abgebende Stelle hat das Recht, Archivgut, das aus ihren Unterlagen ausgewählt worden ist, jederzeit zu benutzen, wenn sie es zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigt.

(2) Das gilt nicht für personenbezogene Daten, die aufgrund einer Rechtsvorschrift hätten gesperrt oder gelöscht werden müssen. In diesen Fällen besteht das Recht auf Benutzung nur nach Maßgabe des § 10, jedoch nicht zu dem Zweck, zu welchem die personenbezogenen Daten gespeichert worden sind.

§ 8
Benutzung durch Betroffene

(1) Betroffenen ist auf Antrag Auskunft über die im Archivgut zu ihrer Person enthaltenen Daten zu erteilen, soweit das Archivgut durch Namen der Personen erschlossen ist. Ein weitergehender Auskunftsanspruch betroffener Personen nach Artikel 15 der Verordnung (EU) 2016/679 besteht nicht. Die Entscheidung über das bei der Auskunftserteilung zu verwendende Format trifft abweichend von Artikel 15 Absatz 3 Satz 3 der Verordnung (EU) 2016/679 das zuständige öffentliche Archiv. Anstelle der Auskunft ist durch das öffentliche Archiv Einsicht in die Unterlagen zu gewähren, soweit schutzwürdige Belange Dritter angemessen berücksichtigt werden können und keine Gründe für eine Einschränkung oder Versagung der Benutzung nach Maßgabe des § 11 bestehen. Die Versagung oder Einschränkung der Einsicht in die Unterlagen ist dem Antragsteller gegenüber schriftlich oder elektronisch zu begründen.

(2) Das öffentliche Archiv ist verpflichtet, den zum Archivgut gehörigen Unterlagen eine Gegendarstellung der betroffenen Person auf deren Verlangen beizufügen, wenn diese durch eine in den Unterlagen enthaltene Tatsachenbehauptung betroffen ist und ein berechtigtes Interesse an der Gegendarstellung glaubhaft macht. Nach ihrem Tod steht das Gegendarstellungsrecht deren Kindern, Eltern und der mit ihr durch Ehe, eingetragene Lebenspartnerschaft oder auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaft verbunden gewesenen Person zu.

(3) Die Gegendarstellung bedarf der Schriftform und muß von der betroffenen Person oder einer der in Absatz 2 Satz 2 genannten Personen unterzeichnet sein. Sie muß sich auf Angaben über Tatsachen beschränken und darf keinen strafbaren Inhalt haben.

(4) Ein durch Rechtsvorschriften geregelter Anspruch auf nachträgliche Berichtigung von Unterlagen wird durch die Übernahme der Unterlagen in ein öffentliches Archiv nicht eingeschränkt. Die Berichtigung hat in Form einer Gegendarstellung zu erfolgen. Weitergehende Ansprüche Betroffener aus Artikel 16 der Verordnung (EU) 2016/679 bestehen nicht. Die Artikel 18, 19 und 21 der Verordnung (EU) 2016/679 finden keine Anwendung. Abweichend von Artikel 20 der Verordnung (EU) 2016/679 entscheidet das zuständige Archiv über das Format, in dem die Daten bereitgestellt werden.

(5) Das Gegendarstellungsrecht gemäß der Absätze 2 und 4 gilt nicht für amtliche Niederschriften und Berichte über öffentliche Sitzungen der gesetzgebenden oder beschließenden Organe des Bundes, der Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände und anderer juristischer Personen des öffentlichen Rechts sowie für Niederschriften und Urteile der Gerichte.

§ 9
Benutzung durch Dritte

(1) Jede Person, die ein berechtigtes Interesse glaubhaft macht, hat das Recht, öffentliches Archivgut nach Maßgabe der Absätze 2 bis 3 sowie der §§ 10 und 11 zu benutzen, sofern durch dieses Gesetz oder durch Rechtsvorschrift nichts anderes bestimmt ist. Besondere Vereinbarungen mit Eigentümern von privatem Archivgut und testamentarische Bestimmungen bleiben unberührt.

(2) Ein berechtigtes Interesse ist insbesondere gegeben, wenn die Benutzung zu amtlichen, wissenschaftlichen, heimatkundlichen, familiengeschichtlichen, publizistischen, unterrichtlichen oder Bildungszwecken sowie zur Wahrnehmung berechtigter persönlicher Belange beantragt wird und schutzwürdige Belange betroffener Personen oder Dritter nicht beeinträchtigt werden oder der Zweck der Benutzung schutzwürdige Belange erheblich überwiegt.

(3) Der Benutzer ist verpflichtet, von einem im Druck, maschinenschriftlich oder in anderer Weise vervielfältigten Werk,  das er unter Verwendung von Archivgut eines öffentlichen Archivs verfaßt oder erstellt hat, nach Erscheinen des Werks unaufgefordert ein Belegexemplar unentgeltlich abzuliefern. Ist dem Benutzer die unentgeltliche Ablieferung eines Belegexemplars, insbesondere wegen der niedrigen Auflage oder der hohen Herstellungskosten, nicht zumutbar, kann er dem jeweiligen öffentlichen Archiv entweder ein Exemplar des Werks zur Herstellung einer Vervielfältigung für einen angemessenen Zeitraum überlassen oder eine Entschädigung bis zur Höhe des halben Ladenpreises verlangen. Wenn ein Ladenpreis nicht besteht, kann der Benutzer eine Entschädigung bis zur Höhe der halben Herstellungskosten des Belegexemplars verlangen.

§ 10
Schutzfristen

(1) Archivgut darf frühestens nach Ablauf von zehn Jahren nach Entstehung der Unterlagen benutzt werden.

(2) Archivgut, das besonderen Rechtsvorschriften über Geheimhaltung unterliegt, darf erst dreißig Jahre nach Entstehung der Unterlagen benutzt werden.

(3) Archivgut, das sich nach seiner Zweckbestimmung oder nach seinem wesentlichen Inhalt auf eine natürliche Person bezieht (personenbezogenes Archivgut), darf frühestens zehn Jahre nach dem Tod der betroffenen Person benutzt werden. Ist das Todesjahr nicht oder nur mit unvertretbarem Aufwand feststellbar, endet die Schutzfrist neunzig Jahre nach der Geburt. Ist auch das Geburtsjahr dem Archiv nicht bekannt, endet die Schutzfrist für personenbezogenes Archivgut sechzig Jahre nach Entstehung der Unterlagen.

(4) Für die Benutzung von Archivgut, das dem Sozialgeheimnis unterliegende Daten enthält, gelten die Schutzfristen des § 5 des Bundesarchivgesetzes vom 6. Januar 1988 (BGBl. I S. 62), zuletzt geändert durch Gesetz vom 13. März 1992 (BGBl. I S. 506).

(5) Die Schutzfristen nach den Absätzen 1 und 2 können im Einzelfall auf Antrag verkürzt werden, soweit das öffentliche Interesse und die §§ 11 und 12 dem nicht entgegenstehen. Die Benutzung kann dabei an Bedingungen und Auflagen gebunden werden.

(6) Die in den Absätzen 1 und 2 festgelegten Schutzfristen gelten nicht für Unterlagen und Archivgut von Stellen sowie von Parteien und Massenorganisationen der Deutschen Demokratischen Republik.

(7) Die in den Absätzen 1 bis 3 festgelegten Schutzfristen gelten nicht für Unterlagen, die bereits bei ihrer Entstehung zur Veröffentlichung bestimmt oder der Öffentlichkeit zugänglich waren.

(8) Die in Absatz 3 festgelegten Schutzfristen gelten nicht für Archivgut, das die Tätigkeit von Personen der Zeitgeschichte und von Amtsträgern dokumentiert, soweit sie in Ausübung eines öffentlichen Amtes oder einer öffentlichen Funktion gehandelt haben und sofern sie nicht selbst Betroffene sind. Die schutzwürdigen Interessen Dritter sind angemessen zu berücksichtigen.

(9) Die Schutzfristen nach Absatz 3 können verkürzt werden, wenn

  1. die betroffene Person oder nach ihrem Tod deren Kinder, Eltern oder die mit ihr durch Ehe, eingetragene Lebenspartnerschaft oder auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaft verbunden gewesene Person in die Benutzung eingewilligt haben oder
  2. die Benutzung zur Behebung einer bestehenden Beweisnot oder aus sonstigen im rechtlichen Interesse eines Dritten liegenden Gründen unerläßlich ist oder
  3. die Benutzung für die Durchführung eines wissenschaftlichen Vorhabens erforderlich ist und wenn sichergestellt ist, daß schutzwürdige Belange der betroffenen Person und Dritter nicht beeinträchtigt  werden, oder wenn das öffentliche Interesse an der Durchführung des wissenschaftlichen Vorhabens die  schutzwürdigen Belange erheblich überwiegt.

(10) Vor Ablauf von Schutzfristen können die öffentlichen Archive Auskünfte aus dem Archivgut erteilen, soweit die §§ 11 und 12 dem nicht entgegenstehen.

(11) Die Schutzfristen können längstens um zwanzig Jahre verlängert werden, wenn dies im öffentlichen Interesse geboten ist.

§ 11
Einschränkung und Ausschluß der Benutzung

(1) Die Benutzung ist einzuschränken oder zu versagen, soweit

  1. Grund zu der Annahme besteht, daß dem Wohl der Bundesrepublik Deutschland oder eines Landes wesentliche Nachteile entstehen,
  2. schutzwürdige Belange Dritter entgegenstehen,
  3. Rechtsvorschriften über Geheimhaltung verletzt würden,
  4. der Erhaltungszustand des Archivgutes beeinträchtigt würde oder einer Benutzung entgegensteht,
  5. durch die Benutzung ein nicht vertretbarer Verwaltungsaufwand entstehen würde oder
  6. Vereinbarungen entgegenstehen, die mit Eigentümern aus Anlaß der Übernahme getroffen wurden.

(2) Nach § 203 Abs. 1 und 3 des Strafgesetzbuches geschützte Unterlagen aus einer Beratertätigkeit, die als Archivgut übernommen worden sind, dürfen vor Ablauf der Schutzfristen nur in anonymisierter Form benutzt werden.

(3) Die Benutzung kann an Bedingungen und Auflagen gebunden werden.

§ 12
Benutzung von Archivgut von Stellen des Bundes

(1) Für Archivgut, das gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 des Bundesarchivgesetzes von Stellen des Bundes dem Brandenburgischen Landeshauptarchiv oder einem anderen öffentlichen Archiv übergeben wurde, gelten § 2 Abs. 4 Satz 2 sowie die §§ 4 und 5 des Bundesarchivgesetzes entsprechend.

(2) Für Archivgut, das Rechtsvorschriften des Bundes über die Geheimhaltung im Sinne der §§ 8 bis 11 des Bundesarchivgesetzes unterliegt und das von anderen als den in § 2 Abs. 1 des Bundesarchivgesetzes genannten Stellen öffentlichen Archiven übergeben wurde, gelten § 2 Abs. 4 Satz 2 und § 5 des Bundesarchivgesetzes.

Abschnitt 4
Organisation und Zuständigkeiten

§ 13
Oberste Archivbehörde des Landes

(1) Oberste Archivbehörde ist das für das Archivwesen zuständige Landesministerium.

(2) Die oberste Archivbehörde übt die Dienst- und Fachaufsicht über das Brandenburgische Landeshauptarchiv aus.

§ 14
Brandenburgisches Landeshauptarchiv

(1) Das Brandenburgische Landeshauptarchiv ist eine Einrichtung im Sinne von § 12 Abs. 1 des Landesorganisationsgesetzes vom 25. April 1991 (GVBl. S. 148) im Geschäftsbereich des für das Archivwesen zuständigen Landesministeriums. Es ist zuständig für das Archivgut des Landes.

(2) Das Brandenburgische Landeshauptarchiv ist auch zuständig für Unterlagen von Stellen des Bundes im Sinne von § 2 Abs. 3, 8 und 9 des Bundesarchivgesetzes.

(3) Das Brandenburgische Landeshauptarchiv übernimmt auch Archivgut anderer Herkunft, insbesondere

  1. Unterlagen von Stellen gemäß § 1 Abs. 2, sofern diese kein eigenes Archiv unterhalten und die Unterlagen zur Übernahme anbieten,
  2. Unterlagen von kommunalen Stellen, sofern diese kein eigenes Archiv unterhalten und die Unterlagen zur Übernahme anbieten,
  3. Unterlagen natürlicher oder juristischer Personen des Privatrechts nach Einvernehmen mit den Eigentümern,
  4. Unterlagen aufgrund letztwilliger Verfügungen oder Schenkungen.

(4) Das Brandenburgische Landeshauptarchiv kann für die obersten Landesbehörden Zwischenarchive gemäß § 2 Abs. 4 einrichten und unterhalten.

(5) Das Brandenburgische Landeshauptarchiv nimmt Aufgaben der Archivberatung und Archivpflege wahr. Es berät und unterstützt

  1. juristische Personen des öffentlichen Rechts, die der Aufsicht des Landes unterstehen, und ihre gemäß § 4 Abs. 4 eingerichteten Archive,
  2. kommunale Stellen und ihre Archive und
  3. natürliche und juristische Personen des Privatrechts und ihre Archive

bei der Sicherung und Nutzbarmachung ihre Archivgutes sowie bei der Aus- und Weiterbildung des in diesen Archiven tätigen Archivpersonals.

§ 15
Archivgut des Landtages

Der Landtag entscheidet in eigener Zuständigkeit, ob bei ihm entstandene Unterlagen, die zur Erfüllung der Aufgaben nicht mehr benötigt werden, von ihm selbst archiviert oder dem Brandenburgischen Landeshauptarchiv gemäß § 4 zur Übernahme angeboten werden.

§ 16
Kommunale Archive

(1) Die Gemeinden und Gemeindeverbände regeln die Archivierung ihres Archivgutes nach Maßgabe dieses Gesetzes in eigener Zuständigkeit.

(2) Sie erfüllen diese Aufgabe durch

  1. die Errichtung und Unterhaltung eigener Archive oder
  2. die Errichtung und Unterhaltung einer für Archivierungszwecke geschaffenen archivischen Gemeinschaftseinrichtung oder
  3. die Übergabe ihres Archivgutes an ein anderes öffentliches Archiv.

(3) Die kommunalen Archive und archivischen Gemeinschaftseinrichtungen sollen den archivfachlichen Anforderungen im Sinne des § 2 Abs. 8 genügen. Unterhalten Gemeinden und Gemeindeverbände keine eigenen Archive oder archivischen Gemeinschaftseinrichtungen, bieten sie ihre Unterlagen einem anderen öffentlichen Archiv zur Übernahme an. Ist kein öffentliches Archiv zur Übernahme bereit, sind die Unterlagen vom Archiv des zuständigen Landkreises zu übernehmen. Das Eigentum am Archivgut bleibt unberührt.

(4) über die Verlängerung oder Verkürzung von Schutzfristen, über die Benutzung, deren Einschränkung oder Ausschluß sowie über den Erlaß einer Benutzungsordnung und die Erhebung von Gebühren entscheiden die Gemeinden und Gemeindeverbände in eigener Zuständigkeit.

(5) Die Gemeinden und Gemeindeverbände erlassen Archivordnungen durch Satzung.

Abschnitt 5
Schlußvorschriften

§ 17
Regelungsbefugnisse

(1) Das für das Archivwesen zuständige Mitglied der Landesregierung regelt durch Rechtsverordnung

  1. die Benutzung der Archive des Landes (Benutzungsordnung),
  2. die Erhebung von Gebühren bei der Benutzung der Archive des Landes (Gebührenordnung).

(2) Das für das Archivwesen zuständige Mitglied der Landesregierung regelt durch Runderlaß die Auslegung einzelner Regelungen dieses Gesetzes, insbesondere in organisatorischer Hinsicht.

(3) Das für das Archivwesen zuständige Mitglied der Landesregierung kann durch Rechtsverordnung dem Brandenburgischen Landeshauptarchiv andere, in sachlichem Zusammenhang mit dem Archivwesen stehende Aufgaben übertragen.

§ 18
Inkrafttreten, Außerkrafttreten

(1) Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft.

(2) Gleichzeitig treten, soweit sie nach Artikel 9 Abs. 1 des Einigungsvertrages als Landesrecht fortgelten, die folgenden Vorschriften außer Kraft:

  1. Verordnung über das staatliche Archivwesen vom 11. März 1976 (GBl. I Nr. 10 S. 165),
  2. Erste Durchführungsbestimmung zur Verordnung über das staatliche Archivwesen - Zuständigkeit der staatlichen Archive, Bestandsergänzung, Bewertung und Kassation - vom 19. März 1976 (GBl. I Nr. 10 S. 169),
  3. Zweite Durchführungsbestimmung zur Verordnung über das staatliche Archivwesen - Benutzungsordnung -  vom 16. März 1990 (GBl. I Nr. 21 S. 193),
  4. Beschluß über die Erfassung und Auswertung der in der Deutschen Demokratischen Republik befindlichen  Dokumente über die Zeit der Hitlerdiktatur vom 28. Mai1964 -Auszug - (GBl. II Nr. 61 S. 575),
  5. Beschluß über die Mikroverfilmung von Schrift- und Zeichnungsgut vom 19. September 1972 - Auszug - (GBl. II Nr. 57 S. 625),
  6. Anordnung über die Verleihung der Titel "Oberarchivar", "Archivrat" und "Oberarchivrat" vom 1. April 1986  (GBl. I Nr. 17 S. 269).

Potsdam, den 7. April 1994

Der Präsident des Landtages Brandenburg
Dr. Herbert Knoblich